Hallo zusammen!
Im Hörspielsammler-Forum clh-board.net habe ich schon vor Jahren mit einer kleinen Reihe namens "Endlich gelöst: Die Rätsel der ???-Klassiker" begonnen, in der ich die klassischen ???-Hörspielfolgen mit ihren Buchvorlagen vergleiche und dabei versuche, die Fragen zu beantworten und Rätsel zu lösen, die in den Hörspielen aufgrund der von H. G. Francis aus Platzgründen vorgenommenen Kürzungen und Änderungen offen bleiben. Bisher sind dort acht Artikel erschienen. Und heute habe ich den neunten eingestellt.
Aber ich möchte meine kleine Reihe nach und nach auch hier veröffentlichen. Die neueste Ausgabe "Phantomsee" soll der Anfang sein, alle anderen werden folgen. Also los geht's:
Zur Hörspielfolge „Der Phantomsee“ hatte ich zugegeben noch nie ein gutes Verhältnis. Für mich war sie unter den klassischen Episoden 1 – 15, die ich schon anno 1979/80 hörte, immer eine der schwächsten. Ich weiß, dass sehr viele Fans meiner Generation das ganz anders sehen und diese Folge sehr mögen. Für meinen Geschmack enthält sie aber viele Schwächen und Schnitzer (auf die ich noch zu sprechen komme) und enttäuschte mich damals auch deshalb, weil ich schon beim ersten Auftritt von Prof. Shay wusste, dass er und Java-Jim dieselbe Person waren (die Stimme von Gottfried Kramer war halt unverwechselbar) und mir dadurch die Spannung komplett verloren ging. Da hätte ich mir gewünscht, ich hätte zuerst das Buch gelesen, denn darin funktioniert dieses Doppelspiel natürlich perfekt.
Ich wünsche wieder mal viel Spaß beim Lesen und Gewinnen neuer Erkenntnisse.
Wie wird „Java-Jim“ im Buch beschrieben?
Durch Gottfried Kramers mächtige Stimme hatte ich immer den Eindruck, Java-Jim sei ein großer und kräftiger Typ. Doch im Buch wird er wie folgt beschrieben: Klein, schwarzer Vollbart, sonnenverbranntes Gesicht, 2 Narben auf einer Wange, Matrosenjacke, Seemannsmütze. Also gar keine so beeindruckende Erscheinung. Am Schluss stellt sich heraus, dass Prof. Shay als Java-Jim immer eine Maske trug, die er sehr schnell abnehmen konnte.
Sagt Java-Jim in der Anfangsszene irgendwas, das wie „Massakept“ klingt?
Nein, das berühmte „Massakept“ wird wohl für immer ungelöst bleiben, es sei denn, jemand entdeckt das alte Manuskript von H.G. Francis und findet heraus, was Java-Jim an dieser Stelle eigentlich sagen sollte. Im Buch jedenfalls sagt Java-Jim überhaupt nichts, als Bob die Truhe öffnet.
Gibt es in der Anfangsszene einen Dialogsprung?
Als Peter im Geheimfach der Truhe den Ring entdeckt hat, fragt Bob: „Ist noch was drin?“ Daraufhin schnauzt Java-Jim plötzlich: „Was? Willst du mich einen Lügner nennen, Junge?“
Diesen Satz fand ich immer völlig unlogisch, denn schließlich hatte keiner der ??? vorher behauptet, Java-Jim würde lügen. Fehlte hier also ein Teil des Dialogs? Da ich diese Folge auf MC besaß und wusste, dass MCs bei Europa früher teilweise gegenüber den LPs gekürzt waren, machte ich mir Sorgen. Erst später erfuhr ich, dass dieser merkwürdige Dialogsprung auch auf den LPs vorhanden war (und es ab 1976 ohnehin keine gekürzten MCs bei Europa mehr gab). Aber was fehlte da?
Beim Lesen des Buches hat sich diese Wissenslücke endlich geschlossen: Nachdem Bob „Ist noch was drin?“ gefragt hat, wendet Java-Jim sich an Tante Mathilda und fragt, was sie für die Truhe haben wolle, damit er sie endlich mitnehmen kann. Sie will ihm schon ein Angebot machen, als Justus sagt: „Wir wissen doch nicht sicher, ob ihm die Truhe gehört. Sein Name steht nicht drauf, und wir wissen nur das, was er uns erzählt hat.“ Erst darauf sagt Java-Jim: „Was, willst du mich einen Lügner nennen, Junge?“ Hier macht dieser Satz dann auch Sinn!
Bleibt die Frage, wie es zu diesem Dialogsprung im Hörspiel kam. War es ein Fehler im Skript? Bei der Aufnahme? Oder beim Schnitt? Auch dieses Rätsel wird wohl ewig ungelöst bleiben. Auf jeden Fall ist es aber einer der von mir eingangs erwähnten Schnitzer.
Als Java-Jim wegläuft, sagt Tante Mathilda im Hörspiel: „Lasst ihn laufen, der Ring war nicht viel wert.“ Also hat er offenbar den Ring gestohlen. Aber nach Java-Jims zweitem Besuch findet Justus es interessant, dass er „überhaupt nicht mehr nach dem Ring gefragt“ hat. Warum sollte er das tun, wenn er ihn doch schon hat?
Diese Ungereimtheit gibt es Im Buch nicht, denn dort hat Java-Jim den Ring nicht gestohlen. Weiß der Geier, warum H.G. Francis diesen Satz von Tante Mathilda einfügte.
Übrigens gibt es im Hörspiel nach Java-Jims zweitem Besuch einen Dialog zwischen den ???, den ich immer nervig fand: Nachdem den ??? klar geworden ist, dass Java-Jim in Wirklichkeit gar nicht die Truhe haben wollte, sondern das darin versteckte zweite Tagebuch von Angus Gunn, fragt Bob unsinnigerweise: „Aber wozu das alles? Ist die Truhe etwa ein Vermögen wert?“ Worauf Peter ihn noch einmal daran erinnert, dass es Java-Jim ja nicht um die Truhe, sondern um das TAGEBUCH gegangen sei! (man möchte fast rufen: Hast du es jetzt endlich geschnallt, Bob?). Im Buch ist Bob nicht so schwer von Begriff.
Warum flieht Shay/Java-Jim nach seinem zweiten Besuch in dem grünen VW? Der gehört doch seinem ehemaligem Assistenten Stebbins?
Im Buch tut er das gar nicht. Sondern als die ??? und Patrick zur Straße gelaufen sind, ist Java-Jim verschwunden, und sie sehen den grünen VW wegfahren. Also vermuten sie, dass Java-Jim am Steuer sitzt. Doch später stellt sich heraus, dass Java-Jim zu Fuß geflüchtet war und Stebbins im Auto saß.
Wie kam die Truhe in das Museum?
Die Truhe stammte aus dem Nachlass von Angus Gunn, wurde dann aber von Mrs. Flora Gunn an einen Trödler verkauft. Da ihr Mann vor Jahren starb, war sie gezwungen, nach und nach viele Erbstücke von Angus Gunn (dem Ur-Großvater ihres verstorbenen Mannes) zu verkaufen, um leben zu können. Ihr Vetter Rory McNab unterstützt sie zwar finanziell, aber dennoch kostet es viel Geld, das alte (von Angus Gunn gebaute) Steinhaus am Phantomsee zu unterhalten. Die Truhe gelangte schließlich über mehrere Zwischenbesitzer an das Museum. Prof. Shay verfolgte den Weg der Truhe und versuchte überall, als „Java-Jim“ die Truhe zu erwerben, jedoch vergeblich.
Wie sieht der „Phantomsee“ eigentlich aus?
Im Hörspiel wird der Phantom Lake nur sehr kurz und ungenau beschrieben. Vor allem durch das Wort „Teich“ entsteht ein falscher Eindruck. Im Buch erfährt man, dass er immerhin zweimal so lang ist wie ein Fußballfeld, und die Insel klein, hügelig und kiefernbewachsen ist und sich darauf eine Art Leuchtfeuer (ein Mast mit einer Laterne an der Spitze) befindet. H.G. Francis hätte für uns Hörer lieber den See und die Insel genauer beschreiben sollen anstatt das Steinhaus.
Die Insel liegt im Phantomsee. Aber die ??? und andere benötigen trotzdem nie ein Boot, um auf die Insel zu kommen. Wieso nicht?
Die Insel liegt dicht an einem Ufer des Sees, und dazwischen führt eine kurze Reihe Trittsteine über das Wasser. Man kann also trockenen Fußes vom Festland auf die kleine Insel kommen. Auch dies hätte H.G. Francis ruhig erwähnen können.
Woher kam eigentlich der Schatz, den Angus Gunn von Bord der sinkenden „Argyll Queen“ mitnahm?
Die Argyll Queen war ein Schiff aus Glasgow in Schottland, das Handel mit Indonesien betrieb. Die Besatzung hatte den Schatz von indonesischen Piraten gestohlen und war damit bis nach San Francisco gefahren. Von dort war das Schiff nach Süden unterwegs, als es in einer stürmischen Dezembernacht 1870 vor der Küste versank. Angus Gunn rettete den Schatz und wanderte mit ihm durch Kalifornien, bis er sich schließlich in den Bergen bei Rocky Beach niederließ und dort das Steinhaus baute (all das erwähnt er in seinem ersten Tagebuch, das Mrs. Flora Gunn dem Forschungsinstitut gestiftet hat).
Anschließend baute er die Insel im See als Erinnerung an seine schottische Heimat und als Überraschung für seine Frau Laura. Denn der Familiensitz der Gunns in Schottland lag am Ufer einer Bucht (genannt „Phantom Loch“), in der sich eine Insel befand, zu der man vom Festland aus über eine Reihe von Felsblöcken kommen konnte (genannt „Stufen des Phantoms“). Diese Namen beruhten auf einer Legende: Ein Phantom sollte dort an nebligen Tagen auf einer Klippe auftauchen und auf’s Meer hinausblicken (so wie es Mrs. Gunn auch im Hörspiel erzählt). Das Phantom sollte angeblich der Geist eines Urahns der Gunns gewesen sein, der im neunten Jahrhundert von Wikingern getötet wurde und seither zur Abwehr eines neuen Überfalls Wache hielt …
Gunn baute also alles, was er von zu Hause kannte, in den Bergen bei Rocky Beach „im Kleinformat“ nach. Was er für den Bau alles einkaufte, schrieb er in sein zweites Tagebuch. Sobald seine Frau Laura und sein kleiner Sohn aus Schottland nachgekommen sein würden, wollte er ihnen sein Werk zeigen. Doch dazu kam es nicht mehr, weil der Kapitän der „Argyll Queen“ und 3 Komplizen ihn aufspürten und ermordeten. Gunn hatte das vorausgeahnt, deshalb versteckte er den Schatz auf der Insel und schrieb den Brief an Laura, den er in einer alten Bettflasche im Steinhaus verbarg, wo nur Laura ihn finden würde.
Im Hörspiel sagt Rory, im zweiten Tagebuch stehe nichts von einem Schatz, sondern nur, dass Angus irgendetwas für Laura gebaut habe. Daraufhin fragt Justus, woher er das wisse. Rory antwortet: „Das steht auch im Brief.“ Aber Justus hat doch den Brief komplett vorgelesen?
Stimmt. Im Brief steht wirklich nur der kurze Text, den Justus vorliest, aber nichts über den Inhalt des zweiten Tagebuchs. Es wäre ja auch völlig blödsinnig gewesen, wenn Angus Gunn im Brief erwähnt hätte, was im zweiten Tagebuch steht! Laura sollte ja gerade das Tagebuch sorgfältig lesen, um herauszufinden, was Angus für sie gebaut hatte und wo der Schatz versteckt war! Hier muss H.G. Francis wirklich einen heftigen Aussetzer gehabt haben…
Dass Rory den Inhalt des zweiten Tagebuches kennt, liegt im Buch daran, dass die ??? es ihm kurz zuvor gegeben haben und er es gemeinsam mit Cluny durchblättert, während Flora Gunn den ??? die Geschichte vom „Phantom Loch“ erzählt.
Hat der Verwalter der Geisterstadt Powder Gulch noch weitere Informationen über Angus Gunn oder nicht?
Nachdem Java-Jim sich vor dem Verwalter so erschreckt hat, dass er über den Wassertrog gefallen und weggelaufen ist, führt der Verwalter die ??? und Cluny in sein Büro, um nachzusehen, ob er zu Angus Gunns Besuch von 1872 noch etwas in seinen alten Unterlagen findet. Er murmelt: „Aha … in diesem Buch …“ – aber dann hört man Rory rufen und die Szene bricht ab, weil die Jungen nach draußen gehen. Ein weiterer Schnitzer, über den ich immer den Kopf geschüttelt habe, denn schließlich wäre es doch wichtig gewesen, ob es noch eine Information über Gunn gab oder nicht. Zumindest Justus wäre am Ball (sprich: im Büro) geblieben anstatt einfach hinauszulaufen.
Im Buch ist es anders: Der Verwalter schlägt in einem Ordner nach, findet darin aber nur zwei Hinweise: Einmal den Einkauf im Laden (den Bob und Peter schon im dortigen Kassenbuch gefunden hatten) und dann eine Zeitungsanzeige, in der Gunn nach Bergleuten suchte. Erst danach hören die Jungen von draußen Rory rufen. Nicht bedeutend, diese Information, gewiss, aber H.G. Francis hätte das ruhig einbauen können, anstatt die Szene einfach ins Nichts laufen zu lassen…
Wie hat Angus Gunn die Insel gebaut?
Kurz zusammengefasst: Ursprünglich ragte eine schmale Halbinsel in den See. Gunn machte daraus eine „echte“ Insel wie folgt: Er legte zu beiden Seiten der Halbinsel eine Barriere aus Schleusenholz an. Dann ließ er von den angeheuerten Bergleuten einen Kanal quer durch die Halbinsel ausschachten (das Schleusenholz verhinderte, dass Wasser einfloss). Danach verlegte er die gekauften großen Steine als Trittsteine (auf denen man später zwischen Festland und Insel hin- und herlaufen konnte). Als letzten Schritt entfernte er das Schleusenholz wieder und ließ den Kanal fluten – fertig war die Insel!
Wie kam Prof. Shay so plötzlich darauf, dass der Schatz auf der Insel versteckt ist, so dass er ihn noch vor den ??? ausgraben konnte?
Als die ??? am Abend zuvor bei der Familie Gunn sind (auch Patrick und Prof. Shay sind dabei) kommt Peter auf die Idee, das die von Angus Gunn angeheuerten Bergleute vielleicht eine große Grube oder unterirdische Kammer gegraben haben könnten. Das bringt Shay auf den richtigen Gedanken – aber natürlich behält er ihn für sich…
Am Schluss des Buches stellt sich übrigens heraus, dass Prof. Shay ein Nachkomme des Kapitäns der „Argyll Queen“ ist. Die Anstellung beim Historischen Forschungsinstitut nahm er an, um nach dem Schatz suchen zu können. Als Stebbins das merkte, behauptete der Professor, Stebbins hätte versucht, wertvolle Stücke aus dem Museum des Instituts zu verkaufen und brachte ihn so für ein Jahr ins Gefängnis. Shay steckte auch hinter den Einbrüchen ins Haus der Familie Gunn.
Mrs. Flora Gunn gibt Shay dennoch einen Teil des Schatzes ab, weil sie der Ansicht ist, dass er als Nachkomme des Kapitäns doch einen gewissen Anspruch darauf habe. Shay finanziert damit seine Verteidigung, den größten Teil stiftet er dem Institut.
Stebbins ist am Schluss des Buches natürlich rehabilitiert und hat seine Stelle beim Institut wiederbekommen.
Und noch etwas Überraschendes kommt im Buch am Schluss heraus: Rory hatte im Buch mehrmals versucht, die Schatzsuche der ??? zu sabotieren. Daher glaubten die Jungen zuerst, er sei Java-Jim oder arbeite zumindest mit ihm zusammen. Doch in Wirklichkeit ist Rory in Flora Gunn verliebt, möchte sie heiraten und hatte Angst, sie würde ihn abweisen, wenn sie durch den Schatz reich geworden wäre. Mrs. Gunn will über seinen Antrag nachdenken ...
Tja, damit wären wir mal wieder am Ende angekommen. Mein Fazit ist, dass im Buch die Geschichte besser, logischer und ausführlicher erzählt wird. Auch dass Prof. Shay hinter Java-Jim steckt, kann man nicht so einfach erraten, weil es immer wieder Hinweise auf Rory und Stebbins gibt. Aber dennoch ist die Schitzeljagd nach den ganzen Einkäufen von Angus Gunn auch hier manchmal unübersichtlich und ermüdend. Einfach keine richtig gute Story, und vielleicht daher auch kein richtig gutes Hörspiel. (Finde ich)
Zum Abschied sage ich wieder: Vielen Dank für’s aufmerksame Lesen und bis zum nächsten ???-Klassiker!
Im Hörspielsammler-Forum clh-board.net habe ich schon vor Jahren mit einer kleinen Reihe namens "Endlich gelöst: Die Rätsel der ???-Klassiker" begonnen, in der ich die klassischen ???-Hörspielfolgen mit ihren Buchvorlagen vergleiche und dabei versuche, die Fragen zu beantworten und Rätsel zu lösen, die in den Hörspielen aufgrund der von H. G. Francis aus Platzgründen vorgenommenen Kürzungen und Änderungen offen bleiben. Bisher sind dort acht Artikel erschienen. Und heute habe ich den neunten eingestellt.
Aber ich möchte meine kleine Reihe nach und nach auch hier veröffentlichen. Die neueste Ausgabe "Phantomsee" soll der Anfang sein, alle anderen werden folgen. Also los geht's:
Zur Hörspielfolge „Der Phantomsee“ hatte ich zugegeben noch nie ein gutes Verhältnis. Für mich war sie unter den klassischen Episoden 1 – 15, die ich schon anno 1979/80 hörte, immer eine der schwächsten. Ich weiß, dass sehr viele Fans meiner Generation das ganz anders sehen und diese Folge sehr mögen. Für meinen Geschmack enthält sie aber viele Schwächen und Schnitzer (auf die ich noch zu sprechen komme) und enttäuschte mich damals auch deshalb, weil ich schon beim ersten Auftritt von Prof. Shay wusste, dass er und Java-Jim dieselbe Person waren (die Stimme von Gottfried Kramer war halt unverwechselbar) und mir dadurch die Spannung komplett verloren ging. Da hätte ich mir gewünscht, ich hätte zuerst das Buch gelesen, denn darin funktioniert dieses Doppelspiel natürlich perfekt.
Ich wünsche wieder mal viel Spaß beim Lesen und Gewinnen neuer Erkenntnisse.
Wie wird „Java-Jim“ im Buch beschrieben?
Durch Gottfried Kramers mächtige Stimme hatte ich immer den Eindruck, Java-Jim sei ein großer und kräftiger Typ. Doch im Buch wird er wie folgt beschrieben: Klein, schwarzer Vollbart, sonnenverbranntes Gesicht, 2 Narben auf einer Wange, Matrosenjacke, Seemannsmütze. Also gar keine so beeindruckende Erscheinung. Am Schluss stellt sich heraus, dass Prof. Shay als Java-Jim immer eine Maske trug, die er sehr schnell abnehmen konnte.
Sagt Java-Jim in der Anfangsszene irgendwas, das wie „Massakept“ klingt?
Nein, das berühmte „Massakept“ wird wohl für immer ungelöst bleiben, es sei denn, jemand entdeckt das alte Manuskript von H.G. Francis und findet heraus, was Java-Jim an dieser Stelle eigentlich sagen sollte. Im Buch jedenfalls sagt Java-Jim überhaupt nichts, als Bob die Truhe öffnet.
Gibt es in der Anfangsszene einen Dialogsprung?
Als Peter im Geheimfach der Truhe den Ring entdeckt hat, fragt Bob: „Ist noch was drin?“ Daraufhin schnauzt Java-Jim plötzlich: „Was? Willst du mich einen Lügner nennen, Junge?“
Diesen Satz fand ich immer völlig unlogisch, denn schließlich hatte keiner der ??? vorher behauptet, Java-Jim würde lügen. Fehlte hier also ein Teil des Dialogs? Da ich diese Folge auf MC besaß und wusste, dass MCs bei Europa früher teilweise gegenüber den LPs gekürzt waren, machte ich mir Sorgen. Erst später erfuhr ich, dass dieser merkwürdige Dialogsprung auch auf den LPs vorhanden war (und es ab 1976 ohnehin keine gekürzten MCs bei Europa mehr gab). Aber was fehlte da?
Beim Lesen des Buches hat sich diese Wissenslücke endlich geschlossen: Nachdem Bob „Ist noch was drin?“ gefragt hat, wendet Java-Jim sich an Tante Mathilda und fragt, was sie für die Truhe haben wolle, damit er sie endlich mitnehmen kann. Sie will ihm schon ein Angebot machen, als Justus sagt: „Wir wissen doch nicht sicher, ob ihm die Truhe gehört. Sein Name steht nicht drauf, und wir wissen nur das, was er uns erzählt hat.“ Erst darauf sagt Java-Jim: „Was, willst du mich einen Lügner nennen, Junge?“ Hier macht dieser Satz dann auch Sinn!
Bleibt die Frage, wie es zu diesem Dialogsprung im Hörspiel kam. War es ein Fehler im Skript? Bei der Aufnahme? Oder beim Schnitt? Auch dieses Rätsel wird wohl ewig ungelöst bleiben. Auf jeden Fall ist es aber einer der von mir eingangs erwähnten Schnitzer.
Als Java-Jim wegläuft, sagt Tante Mathilda im Hörspiel: „Lasst ihn laufen, der Ring war nicht viel wert.“ Also hat er offenbar den Ring gestohlen. Aber nach Java-Jims zweitem Besuch findet Justus es interessant, dass er „überhaupt nicht mehr nach dem Ring gefragt“ hat. Warum sollte er das tun, wenn er ihn doch schon hat?
Diese Ungereimtheit gibt es Im Buch nicht, denn dort hat Java-Jim den Ring nicht gestohlen. Weiß der Geier, warum H.G. Francis diesen Satz von Tante Mathilda einfügte.
Übrigens gibt es im Hörspiel nach Java-Jims zweitem Besuch einen Dialog zwischen den ???, den ich immer nervig fand: Nachdem den ??? klar geworden ist, dass Java-Jim in Wirklichkeit gar nicht die Truhe haben wollte, sondern das darin versteckte zweite Tagebuch von Angus Gunn, fragt Bob unsinnigerweise: „Aber wozu das alles? Ist die Truhe etwa ein Vermögen wert?“ Worauf Peter ihn noch einmal daran erinnert, dass es Java-Jim ja nicht um die Truhe, sondern um das TAGEBUCH gegangen sei! (man möchte fast rufen: Hast du es jetzt endlich geschnallt, Bob?). Im Buch ist Bob nicht so schwer von Begriff.
Warum flieht Shay/Java-Jim nach seinem zweiten Besuch in dem grünen VW? Der gehört doch seinem ehemaligem Assistenten Stebbins?
Im Buch tut er das gar nicht. Sondern als die ??? und Patrick zur Straße gelaufen sind, ist Java-Jim verschwunden, und sie sehen den grünen VW wegfahren. Also vermuten sie, dass Java-Jim am Steuer sitzt. Doch später stellt sich heraus, dass Java-Jim zu Fuß geflüchtet war und Stebbins im Auto saß.
Wie kam die Truhe in das Museum?
Die Truhe stammte aus dem Nachlass von Angus Gunn, wurde dann aber von Mrs. Flora Gunn an einen Trödler verkauft. Da ihr Mann vor Jahren starb, war sie gezwungen, nach und nach viele Erbstücke von Angus Gunn (dem Ur-Großvater ihres verstorbenen Mannes) zu verkaufen, um leben zu können. Ihr Vetter Rory McNab unterstützt sie zwar finanziell, aber dennoch kostet es viel Geld, das alte (von Angus Gunn gebaute) Steinhaus am Phantomsee zu unterhalten. Die Truhe gelangte schließlich über mehrere Zwischenbesitzer an das Museum. Prof. Shay verfolgte den Weg der Truhe und versuchte überall, als „Java-Jim“ die Truhe zu erwerben, jedoch vergeblich.
Wie sieht der „Phantomsee“ eigentlich aus?
Im Hörspiel wird der Phantom Lake nur sehr kurz und ungenau beschrieben. Vor allem durch das Wort „Teich“ entsteht ein falscher Eindruck. Im Buch erfährt man, dass er immerhin zweimal so lang ist wie ein Fußballfeld, und die Insel klein, hügelig und kiefernbewachsen ist und sich darauf eine Art Leuchtfeuer (ein Mast mit einer Laterne an der Spitze) befindet. H.G. Francis hätte für uns Hörer lieber den See und die Insel genauer beschreiben sollen anstatt das Steinhaus.
Die Insel liegt im Phantomsee. Aber die ??? und andere benötigen trotzdem nie ein Boot, um auf die Insel zu kommen. Wieso nicht?
Die Insel liegt dicht an einem Ufer des Sees, und dazwischen führt eine kurze Reihe Trittsteine über das Wasser. Man kann also trockenen Fußes vom Festland auf die kleine Insel kommen. Auch dies hätte H.G. Francis ruhig erwähnen können.
Woher kam eigentlich der Schatz, den Angus Gunn von Bord der sinkenden „Argyll Queen“ mitnahm?
Die Argyll Queen war ein Schiff aus Glasgow in Schottland, das Handel mit Indonesien betrieb. Die Besatzung hatte den Schatz von indonesischen Piraten gestohlen und war damit bis nach San Francisco gefahren. Von dort war das Schiff nach Süden unterwegs, als es in einer stürmischen Dezembernacht 1870 vor der Küste versank. Angus Gunn rettete den Schatz und wanderte mit ihm durch Kalifornien, bis er sich schließlich in den Bergen bei Rocky Beach niederließ und dort das Steinhaus baute (all das erwähnt er in seinem ersten Tagebuch, das Mrs. Flora Gunn dem Forschungsinstitut gestiftet hat).
Anschließend baute er die Insel im See als Erinnerung an seine schottische Heimat und als Überraschung für seine Frau Laura. Denn der Familiensitz der Gunns in Schottland lag am Ufer einer Bucht (genannt „Phantom Loch“), in der sich eine Insel befand, zu der man vom Festland aus über eine Reihe von Felsblöcken kommen konnte (genannt „Stufen des Phantoms“). Diese Namen beruhten auf einer Legende: Ein Phantom sollte dort an nebligen Tagen auf einer Klippe auftauchen und auf’s Meer hinausblicken (so wie es Mrs. Gunn auch im Hörspiel erzählt). Das Phantom sollte angeblich der Geist eines Urahns der Gunns gewesen sein, der im neunten Jahrhundert von Wikingern getötet wurde und seither zur Abwehr eines neuen Überfalls Wache hielt …
Gunn baute also alles, was er von zu Hause kannte, in den Bergen bei Rocky Beach „im Kleinformat“ nach. Was er für den Bau alles einkaufte, schrieb er in sein zweites Tagebuch. Sobald seine Frau Laura und sein kleiner Sohn aus Schottland nachgekommen sein würden, wollte er ihnen sein Werk zeigen. Doch dazu kam es nicht mehr, weil der Kapitän der „Argyll Queen“ und 3 Komplizen ihn aufspürten und ermordeten. Gunn hatte das vorausgeahnt, deshalb versteckte er den Schatz auf der Insel und schrieb den Brief an Laura, den er in einer alten Bettflasche im Steinhaus verbarg, wo nur Laura ihn finden würde.
Im Hörspiel sagt Rory, im zweiten Tagebuch stehe nichts von einem Schatz, sondern nur, dass Angus irgendetwas für Laura gebaut habe. Daraufhin fragt Justus, woher er das wisse. Rory antwortet: „Das steht auch im Brief.“ Aber Justus hat doch den Brief komplett vorgelesen?
Stimmt. Im Brief steht wirklich nur der kurze Text, den Justus vorliest, aber nichts über den Inhalt des zweiten Tagebuchs. Es wäre ja auch völlig blödsinnig gewesen, wenn Angus Gunn im Brief erwähnt hätte, was im zweiten Tagebuch steht! Laura sollte ja gerade das Tagebuch sorgfältig lesen, um herauszufinden, was Angus für sie gebaut hatte und wo der Schatz versteckt war! Hier muss H.G. Francis wirklich einen heftigen Aussetzer gehabt haben…
Dass Rory den Inhalt des zweiten Tagebuches kennt, liegt im Buch daran, dass die ??? es ihm kurz zuvor gegeben haben und er es gemeinsam mit Cluny durchblättert, während Flora Gunn den ??? die Geschichte vom „Phantom Loch“ erzählt.
Hat der Verwalter der Geisterstadt Powder Gulch noch weitere Informationen über Angus Gunn oder nicht?
Nachdem Java-Jim sich vor dem Verwalter so erschreckt hat, dass er über den Wassertrog gefallen und weggelaufen ist, führt der Verwalter die ??? und Cluny in sein Büro, um nachzusehen, ob er zu Angus Gunns Besuch von 1872 noch etwas in seinen alten Unterlagen findet. Er murmelt: „Aha … in diesem Buch …“ – aber dann hört man Rory rufen und die Szene bricht ab, weil die Jungen nach draußen gehen. Ein weiterer Schnitzer, über den ich immer den Kopf geschüttelt habe, denn schließlich wäre es doch wichtig gewesen, ob es noch eine Information über Gunn gab oder nicht. Zumindest Justus wäre am Ball (sprich: im Büro) geblieben anstatt einfach hinauszulaufen.
Im Buch ist es anders: Der Verwalter schlägt in einem Ordner nach, findet darin aber nur zwei Hinweise: Einmal den Einkauf im Laden (den Bob und Peter schon im dortigen Kassenbuch gefunden hatten) und dann eine Zeitungsanzeige, in der Gunn nach Bergleuten suchte. Erst danach hören die Jungen von draußen Rory rufen. Nicht bedeutend, diese Information, gewiss, aber H.G. Francis hätte das ruhig einbauen können, anstatt die Szene einfach ins Nichts laufen zu lassen…
Wie hat Angus Gunn die Insel gebaut?
Kurz zusammengefasst: Ursprünglich ragte eine schmale Halbinsel in den See. Gunn machte daraus eine „echte“ Insel wie folgt: Er legte zu beiden Seiten der Halbinsel eine Barriere aus Schleusenholz an. Dann ließ er von den angeheuerten Bergleuten einen Kanal quer durch die Halbinsel ausschachten (das Schleusenholz verhinderte, dass Wasser einfloss). Danach verlegte er die gekauften großen Steine als Trittsteine (auf denen man später zwischen Festland und Insel hin- und herlaufen konnte). Als letzten Schritt entfernte er das Schleusenholz wieder und ließ den Kanal fluten – fertig war die Insel!
Wie kam Prof. Shay so plötzlich darauf, dass der Schatz auf der Insel versteckt ist, so dass er ihn noch vor den ??? ausgraben konnte?
Als die ??? am Abend zuvor bei der Familie Gunn sind (auch Patrick und Prof. Shay sind dabei) kommt Peter auf die Idee, das die von Angus Gunn angeheuerten Bergleute vielleicht eine große Grube oder unterirdische Kammer gegraben haben könnten. Das bringt Shay auf den richtigen Gedanken – aber natürlich behält er ihn für sich…
Am Schluss des Buches stellt sich übrigens heraus, dass Prof. Shay ein Nachkomme des Kapitäns der „Argyll Queen“ ist. Die Anstellung beim Historischen Forschungsinstitut nahm er an, um nach dem Schatz suchen zu können. Als Stebbins das merkte, behauptete der Professor, Stebbins hätte versucht, wertvolle Stücke aus dem Museum des Instituts zu verkaufen und brachte ihn so für ein Jahr ins Gefängnis. Shay steckte auch hinter den Einbrüchen ins Haus der Familie Gunn.
Mrs. Flora Gunn gibt Shay dennoch einen Teil des Schatzes ab, weil sie der Ansicht ist, dass er als Nachkomme des Kapitäns doch einen gewissen Anspruch darauf habe. Shay finanziert damit seine Verteidigung, den größten Teil stiftet er dem Institut.
Stebbins ist am Schluss des Buches natürlich rehabilitiert und hat seine Stelle beim Institut wiederbekommen.
Und noch etwas Überraschendes kommt im Buch am Schluss heraus: Rory hatte im Buch mehrmals versucht, die Schatzsuche der ??? zu sabotieren. Daher glaubten die Jungen zuerst, er sei Java-Jim oder arbeite zumindest mit ihm zusammen. Doch in Wirklichkeit ist Rory in Flora Gunn verliebt, möchte sie heiraten und hatte Angst, sie würde ihn abweisen, wenn sie durch den Schatz reich geworden wäre. Mrs. Gunn will über seinen Antrag nachdenken ...
Tja, damit wären wir mal wieder am Ende angekommen. Mein Fazit ist, dass im Buch die Geschichte besser, logischer und ausführlicher erzählt wird. Auch dass Prof. Shay hinter Java-Jim steckt, kann man nicht so einfach erraten, weil es immer wieder Hinweise auf Rory und Stebbins gibt. Aber dennoch ist die Schitzeljagd nach den ganzen Einkäufen von Angus Gunn auch hier manchmal unübersichtlich und ermüdend. Einfach keine richtig gute Story, und vielleicht daher auch kein richtig gutes Hörspiel. (Finde ich)
Zum Abschied sage ich wieder: Vielen Dank für’s aufmerksame Lesen und bis zum nächsten ???-Klassiker!