Ich habe mich jüngst mal an die Besprechung dieser noch verhältnismäßig neuen Serie, bzw. der ersten Staffel davon, gemacht und dachte, vielleicht findet dies auch unter den Nutzern dieses Forums Interesse. Die Serie hat es auf jeden Fall verdient, ein wenig mehr Aufmerksamkeit spendiert zu bekommen, finde ich. Darum habe ich mich dazu entschlossen, meine Gedanken dazu auch hier einzustellen. Vielleicht finden sich ja auch hier Menschen, die sich inspiriert fühlen, der Serie mal eine Chance zu geben.
(Bildquelle: amazon)
Inhalt laut Verlag
Sprecher
Hagen: Sascha Rotermund
Gundahar: Konrad Bösherz
Gisklahad: Uve Teschner
Grimhild: Victoria Frenz
Sigurd: Sebastian Kluckert
Ute: Christin Marquitan
Gibica: Patrick Winczewski
Gernot: Sebastian Fitzner
Thiudahad: Holger Umbreit
Giselher: Inko Hartwiger
Roland: Mario Klischies
Chilperich: Florian Hoffmann
Gudrun: Ulrike Kapfer
Karl: Matthias Hoff
Norre: Stefan Kaminsky
Julianus: Björn Borresch
Hjafir: Matti Klemm
Nalika: Aliana Schmitz
Wirt/Heiler: Johannes Quester
Cuthlac: Bert Stevens
Attilas Bote: Frederick Heymann
Steuermann: Balthasar v. Weymarn
sowie: Dion Jaramillo, Henning Schäfer, Tim Lauth, Anton Ohnesorge, Jochim Redeker
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Episode 01: Der Schatten
Ein Fremder namens Thiudahad, der sich als Chronist des Königs der Goten vorstellt, sucht in einem Wirtshaus das Gespräch mit Gisklahad, dem Schmied des Burgunderkönigs Gibicar, um an Informationen zu gelangen über die Hintergründe von Ereignissen rund um das Burgunderreich, die von ihm jedoch nur angedeutet werden. So beginnt der alte Mann, seine Geschichte zu erzählen, von dem König und seinem Sohn Gundahar, von denZwillingen Giselher und Gernot, die Zweitgeborenen, und von der schönen Grimhild, der Königstochter, die von der Mutter in die Geheimnisse der weiblichen Verführungskünste eingeführt wird, dies jedoch aus vollstem Herzen ablehnt.
Der Rückblick setzt ein im Jahr 431, als aus unbekannten Gründen die Alemannen ins Reich der Burgunder eingefallen sind, jedoch zurückgeschlagen werden können und sich, wie es scheint, ohne Not von den Burgundern niedermetzeln lassen, statt die Flucht anzutreten.
König Gibicar ist ratlos. Er versteht nicht, wieso die Alemannen so gehandelt haben. Um die Hintergründe zu erfahren, schickt er seinen besten Mann, den Schildmann Hagen, zusammen mit seiner Tochter Grimhild, getarnt als Schmied und seine Frau, auf eine Mission, um herauszufinden, was hinter dem beinahe selbstmörderischen Verhalten der alemannischen Truppen stecken mag. Tatsächlich schaffen sie es, den verschwundenen Boten König Gibicars wiederzufinden, der verletzt ist und verängstigt und kaum dazu in der Lage, ein Wort herauszubringen. Auf die Frage Hagens, warum die Alemannen es lieber in Kauf genommen haben, im Kampf mit den Burgundern zu sterben, statt den Rückzug anzutreten, stammelt der Bote nur einen Namen: Attila.
Meinung
Balthasar von Weymarn und Jochim-C. Redeker sind zurück: Dieses Mal mit einer Neuinterpretation der Nibelungensage, bei der wir angesichts des Titels davon ausgehen dürfen, dass man sich die weltweit erfolgreiche Fantasy-Saga Game of Thrones zum Vorbild nehmen will, um den Versuch zu unternehmen, ein großes Epos zu inszenieren.
Es verwundert, dass die Hörspielwelt so spät erst versucht, das Interesse, das diese Serie nach Motiven von George R. R. Martin beim breiten Publikum gefunden hat, zu nutzen, um eigene Geschichten in einer ähnlichen Serienwelt zu erzählen. Audible schickte vor einigen Jahren Macbeth insRennen, vor wenigen Monaten erst brachte der DAV seine Interpretation der Nibelungensage auf den Markt, beides fand sehr positive Beachtung – nun also folgt von Weymarn unter dem Label THE AOS mit einer Neuerzählung des alten Stoffes und versucht dabei, neue Akzente zusetzen.
Das fängt schon damit an, dass von Anfang an die Königstochter, hier Grimhild genannt, ins Zentrum der Handlung gerückt wird, und sie wird direkt als durchaus selbstbewusst und für die Verhältnisse der Zeit, in der das Ganze spielt, unkonventionell dargestellt. Das findet zwar andeutungsweise seine Entsprechung bereits in den bekannten Bearbeitungen des Stoffes – hier jedoch erscheint die Figur trotz desZeitkontextes durchaus modern, bietet sich zur Identifikation an, ohne dabei aber unglaubwürdig zu wirken oder aus dem Rahmen zu fallen. Sie wird nun im Verlauf dieser ersten Folge zusammengebracht mit der zweiten zentralen Figur dieser Auftaktepisode: Hagen, Vasall und Schildmann des Königs, sein treuester Kämpfer, kühn, intelligent undschlagkräftig, der, das wird direkt deutlich, eine wichtige Rolle innerhalb des inneren Zirkels um den König einnimmt.
Darum verwundert es auch nicht, dass er dazu ausersehen ist, Licht ins Dunkel der Ereignisse rund um die eingefallenen und getöteten Alemannen zu bringen. Für diese Mission wird ihm nun ausgerechnet die Königstochter zugewiesen, die ihn begleiten soll. Diese Wendung überrascht, erscheint es doch wenig plausibel, auf eine nicht ungefährliche Geheimmission ausgerechnet die Königstochter zu schicken, aber es mag mehr dahinterstecken, zum jetzigen Zeitpunkt können wir das noch nicht wissen. Nachvollziehbar begründet wird diese Entscheidung nicht, und sie wird auch nicht von Grimhild oder Hagen selbst überhaupt in Frage gestellt. Was doch ein wenig überrascht. Sicherlich, es ist reizvoll, sich eine gemeinsame Reise dieser beiden charismatischen Figuren vorzustellen, allein die Herleitung vermag bisher noch nicht zu überzeugen. Diese Zusammenführung wirkt einstweilen ein wenig konstruiert, und wir ahnen: Sie wird für den weiteren Verlauf von Bedeutung sein.
Zum Ende der Folge hin, wenn der verletzte Bote den Namen des Hunnenkönigs stammelt, als er gefragt wird, wovor die Alemannen so große Angst hatten, dass sie lieber im Kampf gegen die Burgunder gefallen sind, als den Rückzug anzutreten, knistert schließlich die Spannung und man bekommt als Hörer direkt Lust auf mehr.
Sieht man sich diese erste Folge an, die Spannungskurve, die Art, wie die Figuren und das Setting eingeführt werden, erscheint sie beinahe typisch für die Arbeit von Interplanar. Wie so oft, ist auch diese erste Folge zunächst etwas schwergängig: Ein Mann kommt in ein Wirtshaus, dann gesellt sich ein zweiter zu ihm, und sie sprechen über Dinge, die sich dem Hörer zunächst nicht erschließen; ein Rückblick beginnt, aus dem der Hörer ebenfalls noch nicht recht schlau wird, allmählich erschließen sich einzelne Handlungselemente, und das Bild beginnt, eine Form zu erhalten, mit der man als Hörer in seiner Vorstellung arbeiten kann. Das Skript spricht den Kopf an. Was zunächst ein wenig auf der Strecke bleibt, ist das Gefühl. Lange Zeit fühlen wir nicht wirklich mit den handelnden Personen. Wir müssen viel Aufmerksamkeit aufwenden, um die Handlung sich entfalten zu lassen und nicht die Konzentration zu verlieren – weil wir als Hörer noch lange nicht „drin“ sind.
Viele komplexe Geschichten haben damit zu kämpfen, dass für ihr tieferes Verständnis zunächst einmal Informationen nötig sind, deren Aufbereitung für den Leser, Zuschauer, Hörer als anstrengend empfunden werden könnte, darum wenden viele Autoren gern einen kleinen Kniff an: Sie stellen der Handlung eine Szene voran, die Emotionen weckt. Bei Game of Thronesetwa sehen wir als erstes drei für den weiteren Verlauf der Handlung völlig unwichtige Charaktere, Mitglieder der Nachtwache, die sich aufmachen ins Land der Wildlinge, und dort auf das Grauen der Nachtwandler stoßen, dem die meisten von ihnen zum Opfer fallen. Der Zuschauer ist direkt gepackt, ehe es dann in den folgenden Szenen mit dem Aufbau des Settings und der Einführung der wichtigsten Figuren weitergeht (und auch hier wird dies stets begleitet von Momenten, die gezielt die Emotionen ansprechen).
Eine solche Verfahrensweise hätte dem Thron der Nibelungen ebenfalls gutgetan. Durch eine emotionale Szene angefixt, lässt sich der Hörer ganz anders auf die Exposition ein, als wenn er dem Geschehen noch aus weiter Entfernung zuhören muss. So dauert es mindestens bis zum ersten Erscheinen Grimhilds, vielleicht sogar bis zum Ende des Hörspiels und dem verletzten Boten, bis die Aufmerksamkeit des Hörers voll angefixt ist. Ich selbst habe mehrere Anläufe gebraucht, diese erste Folge zu hören. Ich könnte mir denken,dass die Pilotfolge auf dem Weg zum Cliffhanger am Ende der Episode schon einige Hörerinnen und Hörer verloren haben könnte. Was mehr aks bedauerlich wäre.
Was die Inszenierung angeht, so kann man, wie eigentlich immer bei einer Interplanar-Produktion, nicht meckern. Die Effekte und Hintergrundgeräusche sind jederzeit auf dem Punkt, sie vermitteln ein authentisches Hörgefühl und fügen sich perfekt in die geschilderten Settings.
Die Sprecherinnen und Sprecher der wichtigsten Haupt- und Nebenrollen sind gut ausgewählt und liefern eine mehr als befriedigende Leistung ab. Stellvertretend sei hier zunächst einmal Sascha Rotermund genannt, der auf den ersten Blick eine überraschende Besetzung für den als finster geltenden Hagen sein mag, sich aber als wahrer Glückgriff herausstellt, denn er präsentiert uns einen Hagen, der nicht sinister und schurkisch wirkt, sondern durchaus einnehmend und sympathisch. Der Thron der Nibelungen hat sich vorgenommen, die bekannte Sage neu zu erzählen. Und mit Sascha Rotermund in der Rolle des Hagen beweist man, dass man diesen Anspruch ernstnimmt.
Patrick Winczewski leiht König Gibicar die Stimme. Und er macht es handwerklich ausgezeichnet. Allerdings wirkt seine Stimme im Vergleich zu den übrigen Sprecherinnen und Sprechern, allen voran denen seiner Kinder oder Hagens, nicht wirklich deutlich älter. Dass hier eine Generation dazwischen liegen soll, wird für mein Empfinden nicht deutlich genug, und es ist auch anfangs nicht immer ganz leicht, die einzelnen Sprecher in den Gesprächsflüssen auseinanderzuhalten, da sie stimmlich schon relativ nah beieinanderliegen. Da hätte ich mir für den leichteren Einstieg eine stärkere Unterscheidbarkeit der wichtigsten Stimmen gewünscht, obwohl an dem Spiel der jeweiligen Schauspieler selbst natürlich nichts, aber auch gar nichts auszusetzen ist.
Die Zwischenmusiken sind passend und vermitteln ein authentisches Gefühl für diese spätantike bis mittelalterliche Welt, die uns präsentiert wird. Nur die Titelmusik erscheint doch recht beliebig. Sie ist leider nicht sehr eingängig geraten, bietet keine Melodie, die sich festsetzt und die dazu einlädt, Nachhall zu finden. Das ist schade. Bei Heliosphere 2265 war es Jochim-C. Redeker noch gelungen, so etwas wie ein Markenzeichen zu erschaffen, das sich im Ohr festsetzte und sofort eine Tür öffnete zu der erzählten Welt. Diese Kraft scheint mir das Titelthema des Throns der Nibelungen nicht zu haben.
Mit Der Schatten ist den Machern also eine insgesamt hervorragend inszenierte Auftaktfolge zu einer originellen Neuinterpretation des alten Nibelungen-Stoffes gelungen, anfangs vielleicht ein bisschen zu schwergängig in der Exposition, was dem potentiellen Hörer erst einmal ein wenig Mühe abverlangt, die aber zum Ende hin, gerade mit dem Cliffhanger, deutlich Lust auf mehr macht.
Etwas hüftsteifer Auftakt, zum Ende hin aber immer besser: vielversprechend!