Der Thron der Nibelungen - Serienbesprechung (SPOILER!)

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    • Der Thron der Nibelungen - Serienbesprechung (SPOILER!)


      Ich habe mich jüngst mal an die Besprechung dieser noch verhältnismäßig neuen Serie, bzw. der ersten Staffel davon, gemacht und dachte, vielleicht findet dies auch unter den Nutzern dieses Forums Interesse. Die Serie hat es auf jeden Fall verdient, ein wenig mehr Aufmerksamkeit spendiert zu bekommen, finde ich. Darum habe ich mich dazu entschlossen, meine Gedanken dazu auch hier einzustellen. Vielleicht finden sich ja auch hier Menschen, die sich inspiriert fühlen, der Serie mal eine Chance zu geben.




      (Bildquelle: amazon)

      Inhalt laut Verlag
      Das Burgundenreich wird von den Römern und Hunnen bedroht. So wagt König Gibica in geheimer Mission, einen Goldtransporter der Römer auszurauben, verschwindet jedoch zusammen mit dem Gold. Sein treuer Vasall Hagen muss die Spuren des Überfalls verwischen, um die Großmacht Rom nicht zu erzürnen. Gibicas Sohn Gundahar, der Thronfolger, ist unsicher, wem er selbst am eigenen Hof trauen kann. Nur auf Hagen ist Verlass, der eine weitere Bedrohung loszuwerden versucht: Siegfried, den vermeintlichen Drachentöter. Aber auch die anderen Mitglieder der Königsfamilie schmieden Pläne, um ihre Schicksale in die eigenen Hände zu nehmen.

      Sprecher
      Hagen: Sascha Rotermund
      Gundahar: Konrad Bösherz
      Gisklahad: Uve Teschner
      Grimhild: Victoria Frenz
      Sigurd: Sebastian Kluckert
      Ute: Christin Marquitan
      Gibica: Patrick Winczewski
      Gernot: Sebastian Fitzner
      Thiudahad: Holger Umbreit
      Giselher: Inko Hartwiger
      Roland: Mario Klischies
      Chilperich: Florian Hoffmann
      Gudrun: Ulrike Kapfer
      Karl: Matthias Hoff
      Norre: Stefan Kaminsky
      Julianus: Björn Borresch
      Hjafir: Matti Klemm
      Nalika: Aliana Schmitz
      Wirt/Heiler: Johannes Quester
      Cuthlac: Bert Stevens
      Attilas Bote: Frederick Heymann
      Steuermann: Balthasar v. Weymarn
      sowie: Dion Jaramillo, Henning Schäfer, Tim Lauth, Anton Ohnesorge, Jochim Redeker


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      Episode 01: Der Schatten





      Inhalt
      Ein Fremder namens Thiudahad, der sich als Chronist des Königs der Goten vorstellt, sucht in einem Wirtshaus das Gespräch mit Gisklahad, dem Schmied des Burgunderkönigs Gibicar, um an Informationen zu gelangen über die Hintergründe von Ereignissen rund um das Burgunderreich, die von ihm jedoch nur angedeutet werden. So beginnt der alte Mann, seine Geschichte zu erzählen, von dem König und seinem Sohn Gundahar, von denZwillingen Giselher und Gernot, die Zweitgeborenen, und von der schönen Grimhild, der Königstochter, die von der Mutter in die Geheimnisse der weiblichen Verführungskünste eingeführt wird, dies jedoch aus vollstem Herzen ablehnt.

      Der Rückblick setzt ein im Jahr 431, als aus unbekannten Gründen die Alemannen ins Reich der Burgunder eingefallen sind, jedoch zurückgeschlagen werden können und sich, wie es scheint, ohne Not von den Burgundern niedermetzeln lassen, statt die Flucht anzutreten.

      König Gibicar ist ratlos. Er versteht nicht, wieso die Alemannen so gehandelt haben. Um die Hintergründe zu erfahren, schickt er seinen besten Mann, den Schildmann Hagen, zusammen mit seiner Tochter Grimhild, getarnt als Schmied und seine Frau, auf eine Mission, um herauszufinden, was hinter dem beinahe selbstmörderischen Verhalten der alemannischen Truppen stecken mag. Tatsächlich schaffen sie es, den verschwundenen Boten König Gibicars wiederzufinden, der verletzt ist und verängstigt und kaum dazu in der Lage, ein Wort herauszubringen. Auf die Frage Hagens, warum die Alemannen es lieber in Kauf genommen haben, im Kampf mit den Burgundern zu sterben, statt den Rückzug anzutreten, stammelt der Bote nur einen Namen: Attila.


      Meinung
      Balthasar von Weymarn und Jochim-C. Redeker sind zurück: Dieses Mal mit einer Neuinterpretation der Nibelungensage, bei der wir angesichts des Titels davon ausgehen dürfen, dass man sich die weltweit erfolgreiche Fantasy-Saga Game of Thrones zum Vorbild nehmen will, um den Versuch zu unternehmen, ein großes Epos zu inszenieren.

      Es verwundert, dass die Hörspielwelt so spät erst versucht, das Interesse, das diese Serie nach Motiven von George R. R. Martin beim breiten Publikum gefunden hat, zu nutzen, um eigene Geschichten in einer ähnlichen Serienwelt zu erzählen. Audible schickte vor einigen Jahren Macbeth insRennen, vor wenigen Monaten erst brachte der DAV seine Interpretation der Nibelungensage auf den Markt, beides fand sehr positive Beachtung – nun also folgt von Weymarn unter dem Label THE AOS mit einer Neuerzählung des alten Stoffes und versucht dabei, neue Akzente zusetzen.


      Das fängt schon damit an, dass von Anfang an die Königstochter, hier Grimhild genannt, ins Zentrum der Handlung gerückt wird, und sie wird direkt als durchaus selbstbewusst und für die Verhältnisse der Zeit, in der das Ganze spielt, unkonventionell dargestellt. Das findet zwar andeutungsweise seine Entsprechung bereits in den bekannten Bearbeitungen des Stoffes – hier jedoch erscheint die Figur trotz desZeitkontextes durchaus modern, bietet sich zur Identifikation an, ohne dabei aber unglaubwürdig zu wirken oder aus dem Rahmen zu fallen. Sie wird nun im Verlauf dieser ersten Folge zusammengebracht mit der zweiten zentralen Figur dieser Auftaktepisode: Hagen, Vasall und Schildmann des Königs, sein treuester Kämpfer, kühn, intelligent undschlagkräftig, der, das wird direkt deutlich, eine wichtige Rolle innerhalb des inneren Zirkels um den König einnimmt.

      Darum verwundert es auch nicht, dass er dazu ausersehen ist, Licht ins Dunkel der Ereignisse rund um die eingefallenen und getöteten Alemannen zu bringen. Für diese Mission wird ihm nun ausgerechnet die Königstochter zugewiesen, die ihn begleiten soll. Diese Wendung überrascht, erscheint es doch wenig plausibel, auf eine nicht ungefährliche Geheimmission ausgerechnet die Königstochter zu schicken, aber es mag mehr dahinterstecken, zum jetzigen Zeitpunkt können wir das noch nicht wissen. Nachvollziehbar begründet wird diese Entscheidung nicht, und sie wird auch nicht von Grimhild oder Hagen selbst überhaupt in Frage gestellt. Was doch ein wenig überrascht. Sicherlich, es ist reizvoll, sich eine gemeinsame Reise dieser beiden charismatischen Figuren vorzustellen, allein die Herleitung vermag bisher noch nicht zu überzeugen. Diese Zusammenführung wirkt einstweilen ein wenig konstruiert, und wir ahnen: Sie wird für den weiteren Verlauf von Bedeutung sein.

      Zum Ende der Folge hin, wenn der verletzte Bote den Namen des Hunnenkönigs stammelt, als er gefragt wird, wovor die Alemannen so große Angst hatten, dass sie lieber im Kampf gegen die Burgunder gefallen sind, als den Rückzug anzutreten, knistert schließlich die Spannung und man bekommt als Hörer direkt Lust auf mehr.

      Sieht man sich diese erste Folge an, die Spannungskurve, die Art, wie die Figuren und das Setting eingeführt werden, erscheint sie beinahe typisch für die Arbeit von Interplanar. Wie so oft, ist auch diese erste Folge zunächst etwas schwergängig: Ein Mann kommt in ein Wirtshaus, dann gesellt sich ein zweiter zu ihm, und sie sprechen über Dinge, die sich dem Hörer zunächst nicht erschließen; ein Rückblick beginnt, aus dem der Hörer ebenfalls noch nicht recht schlau wird, allmählich erschließen sich einzelne Handlungselemente, und das Bild beginnt, eine Form zu erhalten, mit der man als Hörer in seiner Vorstellung arbeiten kann. Das Skript spricht den Kopf an. Was zunächst ein wenig auf der Strecke bleibt, ist das Gefühl. Lange Zeit fühlen wir nicht wirklich mit den handelnden Personen. Wir müssen viel Aufmerksamkeit aufwenden, um die Handlung sich entfalten zu lassen und nicht die Konzentration zu verlieren – weil wir als Hörer noch lange nicht „drin“ sind.

      Viele komplexe Geschichten haben damit zu kämpfen, dass für ihr tieferes Verständnis zunächst einmal Informationen nötig sind, deren Aufbereitung für den Leser, Zuschauer, Hörer als anstrengend empfunden werden könnte, darum wenden viele Autoren gern einen kleinen Kniff an: Sie stellen der Handlung eine Szene voran, die Emotionen weckt. Bei Game of Thronesetwa sehen wir als erstes drei für den weiteren Verlauf der Handlung völlig unwichtige Charaktere, Mitglieder der Nachtwache, die sich aufmachen ins Land der Wildlinge, und dort auf das Grauen der Nachtwandler stoßen, dem die meisten von ihnen zum Opfer fallen. Der Zuschauer ist direkt gepackt, ehe es dann in den folgenden Szenen mit dem Aufbau des Settings und der Einführung der wichtigsten Figuren weitergeht (und auch hier wird dies stets begleitet von Momenten, die gezielt die Emotionen ansprechen).

      Eine solche Verfahrensweise hätte dem Thron der Nibelungen ebenfalls gutgetan. Durch eine emotionale Szene angefixt, lässt sich der Hörer ganz anders auf die Exposition ein, als wenn er dem Geschehen noch aus weiter Entfernung zuhören muss. So dauert es mindestens bis zum ersten Erscheinen Grimhilds, vielleicht sogar bis zum Ende des Hörspiels und dem verletzten Boten, bis die Aufmerksamkeit des Hörers voll angefixt ist. Ich selbst habe mehrere Anläufe gebraucht, diese erste Folge zu hören. Ich könnte mir denken,dass die Pilotfolge auf dem Weg zum Cliffhanger am Ende der Episode schon einige Hörerinnen und Hörer verloren haben könnte. Was mehr aks bedauerlich wäre.

      Was die Inszenierung angeht, so kann man, wie eigentlich immer bei einer Interplanar-Produktion, nicht meckern. Die Effekte und Hintergrundgeräusche sind jederzeit auf dem Punkt, sie vermitteln ein authentisches Hörgefühl und fügen sich perfekt in die geschilderten Settings.

      Die Sprecherinnen und Sprecher der wichtigsten Haupt- und Nebenrollen sind gut ausgewählt und liefern eine mehr als befriedigende Leistung ab. Stellvertretend sei hier zunächst einmal Sascha Rotermund genannt, der auf den ersten Blick eine überraschende Besetzung für den als finster geltenden Hagen sein mag, sich aber als wahrer Glückgriff herausstellt, denn er präsentiert uns einen Hagen, der nicht sinister und schurkisch wirkt, sondern durchaus einnehmend und sympathisch. Der Thron der Nibelungen hat sich vorgenommen, die bekannte Sage neu zu erzählen. Und mit Sascha Rotermund in der Rolle des Hagen beweist man, dass man diesen Anspruch ernstnimmt.

      Patrick Winczewski leiht König Gibicar die Stimme. Und er macht es handwerklich ausgezeichnet. Allerdings wirkt seine Stimme im Vergleich zu den übrigen Sprecherinnen und Sprechern, allen voran denen seiner Kinder oder Hagens, nicht wirklich deutlich älter. Dass hier eine Generation dazwischen liegen soll, wird für mein Empfinden nicht deutlich genug, und es ist auch anfangs nicht immer ganz leicht, die einzelnen Sprecher in den Gesprächsflüssen auseinanderzuhalten, da sie stimmlich schon relativ nah beieinanderliegen. Da hätte ich mir für den leichteren Einstieg eine stärkere Unterscheidbarkeit der wichtigsten Stimmen gewünscht, obwohl an dem Spiel der jeweiligen Schauspieler selbst natürlich nichts, aber auch gar nichts auszusetzen ist.

      Die Zwischenmusiken sind passend und vermitteln ein authentisches Gefühl für diese spätantike bis mittelalterliche Welt, die uns präsentiert wird. Nur die Titelmusik erscheint doch recht beliebig. Sie ist leider nicht sehr eingängig geraten, bietet keine Melodie, die sich festsetzt und die dazu einlädt, Nachhall zu finden. Das ist schade. Bei Heliosphere 2265 war es Jochim-C. Redeker noch gelungen, so etwas wie ein Markenzeichen zu erschaffen, das sich im Ohr festsetzte und sofort eine Tür öffnete zu der erzählten Welt. Diese Kraft scheint mir das Titelthema des Throns der Nibelungen nicht zu haben.

      Mit Der Schatten ist den Machern also eine insgesamt hervorragend inszenierte Auftaktfolge zu einer originellen Neuinterpretation des alten Nibelungen-Stoffes gelungen, anfangs vielleicht ein bisschen zu schwergängig in der Exposition, was dem potentiellen Hörer erst einmal ein wenig Mühe abverlangt, die aber zum Ende hin, gerade mit dem Cliffhanger, deutlich Lust auf mehr macht.


      Etwas hüftsteifer Auftakt, zum Ende hin aber immer besser: vielversprechend!

      :st: :st: :st: :st: :st2:

    • Episode 02: Die Wahl


      Inhalt
      Grimhild und Hagen befinden sich auf dem Rückweg von ihrer Mission. Im Verlauf ihrer Reise kommen sie sich näher, und es stellt sich heraus, dass sie schon seit ihrer Kindheit Gefühle füreinander hegen. Sie lassen sich aufeinander ein, beschließen jedoch bei ihrer Rückkehr, niemandem etwas von ihrer frischen Verbindung zu erzählen. Grimhild deutet jedoch an, sich eine Zukunft mit Hagen vorstellen zu können.

      Parallel dazu befindet sich Gundahar zusammen mit dem Schmied Gisklahad auf dem Weg zu einem Treffen mit einem Spion namens Karl, der ihm für Geld Neuigkeiten aus dem nahegelegenen Römerlager Noviomagus überbringen soll. Von ihm erfährt Gundahar, dass die Römer danach trachten, für viel Geld Söldnertruppen von den Gauten, einem Volk im hohen Norden Europas, anzuwerben. Es bleibt jedoch offen, gegen wen sie diese militärische Macht richten wollen: gegen die immer wieder einfallenden Hunnen – oder am Ende vielleicht doch gegen die Burgunder, die eigentlich Verbündete der Römer sind, wenn diese Verbindung auch eher einer reinen Vernunftehe zu gleichen scheint.

      Die Neuigkeiten setzen König Gibicar gehörig unter Zugzwang. Im Westen lauern die Franken, im Osten die Hunnen – und nun bleibt ungewiss, was Rom im Schilde führt. Noch dazu plagen den König Geldsorgen: ausbleibende Tribute gefährden die Bezahlung seiner Truppen. Es wird klar: Er ist der König eines Reiches, das vielfachen Gefährdungen ausgesetzt ist. Und er fragt sich, was am Ende von ihm bleiben wird. Er entschließt sich, den Geldtransport, mit dem die Römer die Söldner der Gauten zu bezahlen trachten, zu überfallen, um die Bedrohung zu neutralisieren und selbst ausreichend Geld für den Schutz seines Reichs zur Verfügung zu haben, auch wenn das bedeutet, einen Krieg zu riskieren, sollte Rom von diesem Plan erfahren.

      Am Ende folgt ein Tiefschlag für Hagen: König Gibicar verkündet, ihn entlassen zu wollen. Ein Nachfolger sei bereits auf dem Weg: der Sohn des Königs von Xanten, Hagen soll ihn einarbeiten, dann werden seine Dienste als Schildmann nicht länger gebraucht. Doch Hoffnung keimt auf: Gibicar deutet an, dass er andere Pläne mit Hagen hat, und er lässt durchblicken, dass sein Entschluss, Hagen Grimhild mit auf die Mission zu geben, einen tieferen Grund hat. Welcher das ist, bleibt jedoch einstweilen im Dunkeln.


      Meinung
      Unheil dräut. Das spürt man recht bald in dieser zweiten Episode von Der Thron der Nibelungen. Alle Zeichen stehen auf Sturm: der König versucht, sein Lebenswerk zu erhalten, sieht sich dabei aber unzähligen Bedrohungen und finanziellen Schwierigkeiten ausgesetzt – noch dazu ergeht sich seine Nachkommenschaft in Rivalitäten und Eigensinnigkeiten. Es steht also einiges auf dem Spiel.

      Das bringt in diese zweite Folge eine wunderbar unheilschwangere Atmosphäre, die sich durch alle Spielszenen zieht. Wie in einem antiken Drama können wir das nahende Unglück beinahe mit den Händen greifen –und doch wissen wir, die handelnden Figuren werden ihrem Schicksal nicht entrinnen können. Das trifft auch auf die Protagonistinnen und Protagonisten der Auftaktepisode zu, Grimhild und Hagen, die ein paar sehr schöne Charaktermomente bekommen. Wir erfahren, dass Hagen vor vielen Jahren als sogenannter Mündelvasall an den Hof Gibicars gekommen ist. Der Stamm seiner Vorfahren wurde unterworfen und Hagen als Geisel an den Sieger übergeben. Die Verbindung zu seinem Vater, so sagt er, sei abgerissen, und wie es scheint, hat sich eine große Nähe und Ergebenheit gegenüber Gibicar entwickelt, so dass Hagen geblieben ist, obwohl er nach zehn Jahren den Königshof Gibicars hätte verlassen dürfen.Und noch etwas wird deutlich: Hagen hat sich immer schon Grimhild verbunden gefühlt, doch es wurde ihm durch die Königsfamilie signalisiert, dass die Verbindung eines Mündelvasalls zu der Tochter Gibicars nicht angemessen ist.

      Auch hier wird also der Grundstein gelegt für weitere Verwicklungen. Hagen und Grimhild gestehen einander ihre Liebe und beginnen ein Verhältnis, gleichzeitig ist eine eheliche Verbindung der beiden politisch wenig zweckdienlich. Künftige Konflikte scheinen also unvermeidlich zu sein, die Anzeichen dafür sind überdeutlich, selbst wenn man keine Kenntnis der bekannten Nibelungensage hat.

      Auch Gundahar hat einen selbstdecouvrierenden Moment: Bei seinem Treffen mit Karl erschießt der Schmied Gisklahad einen Schweinehirten, den er fälschlich für einen Attentäter hält. Der Königssohn hält sich nicht lange mit Gram auf angesichts des Irrtums. Der Tote ist nicht eines Gedankens würdig, und wir bekommen schon hier einen kleinen Ausblick darauf, wie der künftige König tickt.

      In einem kurzen Einschub wird übrigens noch ein weiterer Charakter eingeführt, der für die spätere Handlung wohl relevant werden dürfte: Gudrun, die Tochter des Herzogs Cuthlac, eines der nordischen Gauten,von denen die Römer sich Söldnertruppen versprechen. Sie soll verheiratet werden, lehnt dies jedoch ab, sieht sich auch nicht als angemessene Braut für einen Gemahl, ist sie doch wenig weiblich, noch dazu groß und kräftig gebaut, eine Kämpferin, die noch dazu mit einer seherischen Gabe beschenkt ist. Sie würde gern eine militärische Laufbahn starten, doch natürlich ist ihr dieser Weg in der geschilderten Welt verstellt. Dank ihrer Gabe weiß sie, welcher Weg ihr vorherbestimmt ist, und sie ist bereit, sich dem nicht zu verwehren, um die Götter nicht zu erzürnen.

      Es macht Freude, den weiteren Entwicklungen zu lauschen. Nach dem etwas schwergängigen Einstieg in diese Serienwelt mit Episode 1 schafft es Der Thron der Nibelungen nun, die Spannungskurve hochzuhalten und den Figuren mehr Raum und mehr Tiefe zu geben. Die Serie folgt dabei glücklicherweise nicht den
      gängigen Schwarzweiß-Mustern. Hagen wird als eine durchaus vielschichtige Figur präsentiert, die Großes zu leisten, aber auch Tiefes zu empfinden vermag; Gundahar dagegen wird als kalt und berechnend dargestellt; Gibicar wiederum als zunehmend verzweifelter Herrscher über ein von allen Seiten bedrohtes Königreich – und Grimhild als selbstbewusster Freigeist, der sich mit Leidenschaft jeder Konvention widersetzt. Bei alledem gewinnen die Figuren klare Konturen, sie wirken nahbar und verständlich, und es bringt Spaß, ihnen auf ihrem Weg zu folgen. Nur die übrigen Königssöhne, Giselher und Gernot, bleiben bislang doch recht eindimensional und farblos in der Darstellung, vielleicht aber treten auch sie später noch aus dem Halbdunkel und gewinnen Format.

      Inhaltlich ist diese Episode sehr intensiv und stringent ausgearbeitet. Auch weiterhin wird dem Hörer volle Konzentration abverlangt, um die vielen Details und Andeutungen zu bemerken, die für dass tiefere Verständnis des Stoffes nötig sind, doch geschieht dies in dieser Folge im Verlauf vieler einnehmender Spielszenen, die Interesse wecken, so dass es nicht schwerfällt, dem Hörspiel ein gutes Maß an Aufmerksamkeit zuzuwenden. Es gab nur einen Punkt, der mich hat stutzen lassen: Als der König Gundahar zu einem Treffen mit Karl, dem Spion aus dem Römerlager, fortschickt, gibt er ihm den Schmied mit auf den Weg. Das erscheint jedoch wenig nachvollziehbar, ist dieser doch wohl kaum in der Lage, die Funktion eines Leibwächters für den Thronerben einzunehmen. Leider wird dieser Entschluss nur lapidar damit erklärt, dass der Schmied eh gerade zu Pferde sei, aber das erscheint als Grund wenig plausibel angesichts der bedrohlichen Situation, in der sich das Königreich doch zu befinden scheint. Dieses Detail mag nun nicht sonderlich bedeutsam sein, doch ich als Hörer schätze es, wenn das Erzählte bis ins Kleinste stimmig erscheint. Bei Grimhild als Begleiterin Hagens auf ihrer Mission habe ich mich noch mit dem Gedanken zufriedengegeben, dass der Grund für diese Wahl im weiteren Verlauf wohl noch offenbart werden dürfte (was in dieser Folge ja auch zumindest angedeutet wird). Im Fall des Schmiedes gehe ich jedoch davon aus, dass die Paarung einfach eine Konstruktion des Autors ist, die nicht weiter begründet wird. Mir erscheint sie jedoch wenig logisch.

      Was bei dieser Folge mehr als bei der Auftaktepisode auffällt, ist die uneindeutige Stellung des Erzählers innerhalb der Handlung. Wir erinnern uns: Der Chronist im Dienste der Goten, Thiudahad, versucht in einem Wirtshaus, dem Schmied Gisklahad Wissen über das Schicksal des Burgunderreichs zu entlocken, und Gisklahad gerät ins Erzählen. Allerdings sind seine Rückblicke immer auch durchsetzt mit Szenen, an denen er gar nicht beteiligt war, die Reise von Grimhild und Hagen etwa oder Gudruns Gespräch mit dem Heeresmeister der Gauten. Es wird auch kein Hehl daraus gemacht, dass er nicht dabei war, er betont es sogar selbst. Aber dieser Kniff macht die Erzählperspektive natürlich interessant für eine nähere Betrachtung: Warum hat sich Balthasar von Weymarn überhaupt dazu entschieden, die Handlung über den Umweg über das Gespräch Thiudahads mit Gisklahad zu beginnen, wenn recht bald seine Perspektive für das Erzählte im Grunde gar keine Rolle mehr spielt? Dieser Wechsel, diese rätselhafte Perspektive stört nicht den Verlauf der Handlung, sie trübt auch in keiner Weise den Hörgenuss – aber als aufmerksamer Hörer frage ich mich doch, was es damit auf sich hat und welchem tieferen Zweck diese Herangehensweise dient.

      Was die Sprecherauswahl anbelangt, so möchte ich dieses Mal stellvertretend für einen insgesamt wirklich hervorragenden Cast Victoria Frenz als Grimhild nennen, die es wirklich wunderbar schafft, die ebenso renitente wie feinfühlige Königstochter zum Leben zu erwecken. Sie erschafft eine von diesen heute sehr in Mode gekommenen starken Frauenfiguren, die weit mehr sein dürfen als bloß Anhängsel eines Mannes oder dessen Motivation, und es macht Spaß, ihrer großen Präsenz innerhalb der Handlung zu lauschen.

      Sehr gut ist auch Konrad Bösherz als Gundahar, dem ambitionierten und seinem Vater ergebenen Thronfolger, der angesichts des Todes des Schweinehirten so unfassbar kalt, ja grausam erscheint. Wir ahnen, dass seine Stellung innerhalb der Handlung im Laufe der Geschichten noch wachsen wird. Und wir müssen uns wohl darauf gefasst machen, noch in so manchen Abgrund dieses Charakters blicken zu dürfen.

      Sascha Rotermund als Hagen schafft es, unser Bild von der altbekannten Sagengestalt über den Haufen zu werfen. Der Hagen, wie er hier geschildert ist, ist mehr als nur ein gewiefter Taktiker und ein erfolgreicher Krieger. Er ist ein Mensch, der das, was er ist, auch aufgrund seiner Geschichte ist. Das bereichert den Plot immens. Und man darf gespannt sein, welchen Weg er im weiteren Verlauf dieser Neuinterpretation der Nibelungensage nehmen wird.

      Das Sounddesign und die Musik sind nach wie vor souverän. Allerdings muss ich hier ein wenig Essig in den Wein schütten. Was mir beim Ausritt Grimhilds mit Hagen deutliches Unbehagen bereitet hat, war die Soundkulisse: das Pferdegetrappel klang sehr monoton, wenig natürlich,und die Zikaden im Hintergrund kamen einem elektrischen Flirren gleich .Das war mir, entgegen der üblichen Praxis bei Interplanar-Hörspielen, doch zu wenig authentisch und hat mich für Momente aus der Handlung gerissen. Im Gesamtkontext bleibt dieser Eindruck allerdings die Ausnahme, die übrigen Szenen waren für mich überzeugend mit Geräuschen unterlegt, und die Musik tat ihr Übriges, eine dichte Atmosphäre zu erschaffen und zu halten.

      Alles in allem also eine überaus starke zweite Folge nach einer etwas schwergängigeren Auftaktepisode. Die Handlung schreitet schnell voran, mehrfaches Unheil zeichnet sich bereits ab, die Charaktere gewinnen an Kontur, und als Hörer kann man es nicht erwarten, dem weiteren Verlauf der Handlung zu folgen.

      Trotz kleinster Kritikpunkte sehr starker zweiter Teil mit tollen Charaktermomenten!

      :st: :st: :st: :st: :st:


    • Episode 03: Das Verschwinden



      (Quelle: amazon)
      Inhalt
      Hagen nimmt sich notgedrungen seines Nachfolgers an: Sigurd, der neue Mündelvasall des Königs ist am Hof eingetroffen und tritt von Anfang an selbstherrlich und auftrumpfend auf. Hochtrabend verkündet er seine hochherrlichen Ambitionen, er möchte sich künftig Siegfried nennen, weil dies besser klinge, dabei ist er in Wahrheit nur der drittgeborene Sohn des Königs von Xanten und als solcher nicht unbedingt prädestiniert für eine glorreiche Zukunft in der ersten Reihe seines Geschlechts.

      Als König Gibicar von seiner letzten Reise, auf die er mit sechzig Mann aufgebrochen ist, nicht zurückkehrt, macht sich Hagen mit Sigurd auf die Suche nach ihm. Tatsächlich stoßen sie recht bald auf eine Reihe von Toten – Burgundern und Römern, und wenig später zeichnet sich ab: Auch König Gibicar ist tot, getötet bei dem Versuch, den römischen Geldtransport aufzubringen und die Reichtümer an sich zu reißen. Nur findet sich keine Spur des Schatzes. Er ist verschwunden, und es stellt sich schnell die Frage, wer die Fracht an sich genommen und Gibicar getötet haben könnte. Waren es die Römer, die nun die Kunde von gescheiterten Überfall durch die Burgunder weitertragen werden, was unweigerlich einen Waffengang der Römer nach sich zöge, oder gibt es noch eine dritte Partei, die hinter dem blutigen
      Ausgang des Überfalls stecken könnte?

      Die Familie des Königs ist tief getroffen durch den Verlust. Damit steht fest: Gundahar wird der neue König im Burgunderreich. Doch es gibt einen, der ihm seinen Anspruch streitig macht: Hjafir, ein alter Wegbegleiter seines Vaters, der in einem direkten Kräftemessen mit Gibicar seinerzeit unterlegen war und diesem darum lebenslange Treue schwor – ein Schwur, den er nun mit dem Tod des Königs als abgegolten betrachtet. Hjafir fordert Gundahar zum Kampf heraus, und dieser ist auch bereit, darauf einzugehen, als plötzlich Grimhild und Ute, die Königswitwe, auf der Bildfläche erscheinen und vielsagende Andeutungen zu geheimem Wissen machen, das Hjafir wohl desavouieren würde. Dieser Schachzug verfehlt seine Wirkung nicht: Hjafir verzichtet schließlich auf einen Kampf und erneuert seinen Schwur um zumindest fünf Jahre.

      Für Hagen ändern die neuen Gegebenheiten allerdings nichts: Hatte er dem König zu Lebzeiten noch gelobt, seinem Sohn in seinem hitzigen Temperament beistehen und ihn zügeln zu wollen, bekräftigt nun die Königswitwe, die um seine Verbindung mit Grimhild weiß und diese nicht billigt, den Entschluss, Hagen vom Königshof fortzuschicken. Seine Tage im Schoß der Burgunder scheinen also tatsächlich gezählt zu sein.

      Gleichzeitig forschen römische Abgesandte nach dem Verbleib des Geldtransports und kommen zu diesem Zweck auch auf die Burgunder zu, immerhin ist der Zug in unmittelbarer Nähe des Burgunderreichs verschwunden. Allerdings haben Hagen und seine Männer unterdessen die Leichen beiseite geschafft, die Römer tappen also im Dunkeln über die Geschehnisse, die sich zugetragen haben. Der Ort, an dem der Konvoi verschwand, liegt in einem Gebiet, in dem es zur einen Seite zu Waldbränden, zur anderen zu Überschwemmungen kam. Den Burgundern gelingt es, dies für sich zu nutzen, indem sie die Schuld für den Verlust des Geldtransports weit von sich abzulenken versuchen. Sie verweisen auf eine Gefahr, die sich der Legende nach in den Wäldern verbirgt, und die nun zu neuem Leben erwacht sein könnte: Fafnir, der große Drache.



      Meinung
      Eine erneut sehr intensive und starke Folge, die uns Balthasar von Weymarn hier bietet.Die Handlung wird konsequent und ohne Längen weiterentwickelt, mit dem schnöselhaften Sigurd taucht eine weitere Figur auf, die für den Verlaufder Geschichte bedeutsam sein wird. Und es ist wunderbar, wie von Weymarn mit der Erwartung des Hörers spielt, wenn er den als finster geltenden Hagen menschlich, den Strahlemann Siegfried dagegen wie einen auftrumpfenden Gernegroß anlegt, der in der Begegnung mit Grimhild sogar eher ein wenig tumb erscheint, wenn er mit Bärenkräften eine Stele zum Andenken an den verstorbenen König relativ sinnlos von einem Ort zum anderen schleppt. Man erkennt gleich: dieser Sigurd wird noch einiges dafür tun müssen, um uns von seinen Heldenqualitäten zu überzeugen. Einstweilen wirkt er kaum wie ein adäquater Ersatz für den dienstbeflissenen und loyalen Hagen, und dem Hörer dürfte sich gut erschließen, warum einiges dafür spricht, dass diese beiden Männer im Leben wohl keine Freunde mehr werden.

      Der König stirbt also in dieser Folge. Mit ihm verlässt ein starker Charakter die Geschichte. Wie wir bereits wissen, hinterlässt Gibicar ein Burgunderreich, mit dem es
      nicht zum Besten steht: Bedrohungen durch die Franken, die Hunnen, womöglich auch durch die Römer, ein Verbrechen, das vertuscht werden muss, ein Staatssäckel, der, wie es scheint, ziemlich klamm ist – und ein Thronfolger, der sich gern von seinem Temperament übermannen lässt und zu einer gewissen Kälte und Rücksichtslosigkeit neigt. Mit dieser Folge tritt die Geschichte in eine neue Phase ein. Das Feld ist bestellt, nun können wir dabei zusehen, wie die ausgebrachten Handlungselemente gedeihen. Der Konflikt zwischen den Geschwistern ist noch lange nicht befriedet, auch wenn Gundahar offiziell der König ist. Zumindest Gernot hat auch eigene Ambitionen. Grimhild, so viel ahnen wir schon, wird keine glückliche Zukunft mit Hagen beschieden sein. Dieser wiederum soll ganz offensichtlich geschasst werden. Und dann dräut am Horizont auch noch die Untersuchung rund um den verschwundenen Geldtransport, von deren Ausgang viel für die Burgunder abhängt.

      Ich fühlte mich wunderbar unterhalten. Es gab eigentlich nur einen Moment, den ich nicht ganz optimal fand: das war die Szene, in der Grimhild in einem langen Selbstgespräch ihres Vaters gedenkt. Das wirkte in meinen Ohren unpassend in diesem ansonsten sehr modern und flott erzählten Hörspiel, ein Rückgriff auf ein angestaubtes Stilmittel, das zwar im Kontext zur erzählten Zeit nicht wie ein Fremdkörper wirkt, mich aber dennoch für Momente aus der Handlung gerissen hat, wie ich zugeben muss. Dessen hätte es, wie ich finde, nicht bedurft.

      Sebastian Kluckert feiert mit dieser Folge seinen Einstand bei Der Thron der Nibelungen. Sein Sigurd ist alles andere als ein strahlender Held. Er ist ein auftrumpfender und manchmal etwas schlicht wirkender Muskelprotz, dritter Sohn eines Königs und als solcher nicht unbedingt der aussichtsreichste Kandidat für eine ruhmreiche Zukunft. Wir dürfen gespannt sein, wie sich sein Spiel im Lauf der nächsten Folgen noch verändern wird. Und dass es das wird, davon ist wohl auszugehen. Kluckert schafft es wunderbar, einen Kontrapunkt zum besonnenen und eher zurückgenommenen Hagen zu schaffen, und so entsteht im Zusammenspiel mit Sascha Rotermund ein vortreffliches Gegensatzpaar, das einen gespannt auf das schauen lässt, was in den nächsten Episoden noch folgen wird.

      Matti Klemm darf in dieser Folge den Herausforderer des neuen Königs geben, und auch wenn ihm das Skript nur wenig Zeit dafür gibt, schafft er es doch, einen erinnerungswürdigen Auftritt hinzulegen. Er ist die Bedrohung, die im letzten Augenblick von den Frauen abgewendet wird. Der König ist gerettet, aber auch ein wenig diskreditiert.

      Das Sounddesign ist auch in dieser Folge wieder sehr stimmig. Gleiches gilt für die Musik. Hin und wieder kommen Einschübe, Klänge und, wie es den Eindruck hat, leise Chöre, die Assoziationen zum Hauptthema des Audible-Hörspiels Macbeth wachrufen, was gewiss nur ein Zufall ist, aber doch dazu führt, mich die Atmosphäre dieses Hörspiels noch intensiver spüren zu lassen.

      Alles in allem bleibt das Hörspiel also mit diesem dritten Teil auf dem sehr hohen Niveau von Folge 2. Keine Längen, keine Schwergängigkeit, dafür ein pointiertes und durchaus anspruchsvolles Hörspiel-Drama, bei dem die Intensität mit jeder Folge anwächst. Alles Klagen bei dieser Folge wäre Jammern auf höchstem Niveau, so macht Hörspiel Spaß!

      Spannend von der ersten bis zur letzten Minute!

      :st: :st: :st: :st: :st:



    • Episode 04: Der dritte Sohn



      (Quelle: amazon)



      Inhalt
      Gundahar kommt vor dem römischen Statthalter in Erklärungsnot und bringt ihn dazu, die Geschichte um den legendären Drachen als Urheber des Verschwindens des römischen Geldtransports zu glauben. Der neue König und sein wichtigster Berater Hagen können ihr Glück kaum fassen und tun nun alles, die Legende vom feuerspeienden Drachen zu nähren, indem sie demjenigen, der den Drachen findet, eine hohe Belohnung versprechen.

      Unterdessen beginnt die Stiefmutter des Königs, Ränke zu schmieden. Sie versucht, ihren Sohn Gernot davon zu überzeugen, sich in Position zu bringen, um vielleicht doch noch König des Burgunder werden zu können. Zu diesem Zweck redet sie ihm zu, das Amt des Heeresmeisters zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass Gundahar sich isoliert.

      Grimhild und Hagen setzen ihr Verhältnis fort. Der Schildmann des Königs sagt dabei, angesprochen auf die Ausweglosigkeit ihrer gemeinsamen Liebe, ein paar Worte, die wohl als Motto seines zukünftigen Handelns gelten dürfen: Zukunft sei kein Zustand, der einfach bloß sei, sondern die Menschen selbst erschafften sie sich. Sehr bald schon wird er die Notwendigkeit dieses Sinnspruchs wohl am eigenen Leib erfahren.

      Der Druck auf Gundahar lässt auch weiterhin nicht nach. Ein Abgesandter Attilas trifft ein und fordert hohes Schutzgeld von den Burgundern. Der König sieht sich gezwungen, auf die Forderung einzugehen. Da die Staatskasse chronisch leer und der Raubzug seines Vaters missglückt ist, ergeben sich damit neue Bedrohungen für den jungen König.

      Noch dazu kehrt der zwischenzeitlich verschwundene Sigurd an den Königshof zurück und präsentiert einen beeindruckenden Goldschatz, von dem er sagt, er stamme aus dem Hort des Drachen Fafnir, den er besiegt habe. Wie angekündigt, legt er nun den Namen Sigurd ab und will künftig Siegfried genannt werden. Doch einen Beweis für seine Taten bleibt der junge Xantener schuldig: Erst wenn alle Reichtümer in Sicherheit gebracht sind, ist er bereit, anderen Zutritt zum Ort des Geschehens zu gewähren. Und er eröffnet Hagen, dass sein jüngst erlangter Ruhm seinen Ehrgeiz geweckt hat: Nun möchte er die Schwester des Königs, Grimhild, zur Frau.


      Meinung
      Mit großem Tempo schreitet die Handlung voran, dennoch bleibt genügend Raum, das große Ränkespiel, das sich jetzt bereits anzudeuten beginnt, herzuleiten.Leider fordert jedoch das hohe Tempo, das dafür sorgt, dass es keinerlei Längen oder Redundanzen gibt, in dieser Folge den Preis eines Teils der Glaubwürdigkeit: Gleich zu Beginn der Folge hat sich Gundahar den Nachforschungen des römischen Statthalters zu stellen, der natürlich besorgt über den Verlust des Geldtransports jenes Königreich aufsucht, in dessen unmittelbarer Nähe er verschwunden ist, und er macht keinen Hehl daraus, dass für ihn längst nicht feststeht, dass die Burgunder bei diesem Coup nicht ihre Finger im Spiel haben.

      Und dennoch ist er bereits nach einem kurzen Wortwechsel plötzlich überzeugt davon, dass für die Tat ein Drache verantwortlich sein muss – ein Drache wohlgemerkt, dessen Existenz nicht bestätigt ist und an den zu glauben bislang kein Römer bereit war. Es wird sogar erwähnt, dass Menschen hingerichtet wurden, die behauptet hatten, ihm begegnet zu sein, weil man ihre Reden für bösartige Ausflüchte hielt. – Ich muss gestehen, das hat mich nicht überzeugt. Hier wäre es für mein Empfinden besser gewesen, diesen Meinungswandel nachvollziehbarer darzustellen. Das ist nicht gut gelungen. Das Verhalten des Römers erscheint wenig glaubwürdig, so wie es geschildert ist.

      Dabei ist die Szene aus einem anderen Grund sehr interessant für die Geschichte: Der römische Statthalter weiß nichts über den Verbleib des Geldtransports. Also hat ihn keiner der römischen Begleiter überlebt. Das ist nicht unwesentlich, stand ja bisher noch im Raum, die Römer könnten Kunde von Gibicars Überfall erhalten. Offensichtlich ist dies nicht geschehen. Das gibt nun jedoch der Frage den Raum, was mit dem Geld geschehen ist. Es waren also wohl nicht überlebende Römer, die das Geld zusammengerafft und zurück ins Lager geschafft oder sonst irgendwo versteckt haben. Gibt es da im Hintergrund also doch noch einen unbekannten Spieler, der sich die Situation zunutze gemacht hat?

      Sehr schön fand ich im weiteren Verlauf der Handlung, wie von Weymarn Hagen sein eigenes Schicksal orakeln lässt, wenn er angesichts der Schwierigkeiten einer gemeinsamen Zukunft gegenüber Grimhild darauf hinweist, dass die Zukunft kein Zustand ist, der einfach vorhanden sei, sondern es die Menschen selbst seien, die sie sich erschafften. Im Kontext dieser Unterhaltung mag ihm selbst die Tragweite seiner Worte nicht bewusst sein, denn noch hat er ja berechtigte Hoffnungen, am Ende seinen Wunsch nach einem gemeinsamen Leben mit Grimhild erfüllt zu sehen, aber wir ahnen bereits: Es dürfte der Tag kommen, an dem die zitierte Einsicht zu seiner vornehmsten Lebensmaxime werden wird.

      Auch in dieser Folge ist es gut gelungen, das Leben am Königshof mit all seinen Bedrückungen und Bedrohungen darzustellen und gleichzeitig weitere tektonische Verschiebungen spürbar zu machen, die den Druck noch erhöhen. Gundahar ist kein Regent, der zu beneiden ist. Von Anfang an hat er sich verschiedensten Herausforderungen zu stellen, und sie alle sind dazu angetan, wenn es schlecht läuft, sein Reich hinwegzufegen. Er ist kein machtvoller König, der in die Lage versetzt ist, die Welt in seinem Sinne zu gestalten, sondern er ist und bleibt ein Getriebener der Umstände – und ist immer wieder dazu gezwungen, Entscheidungen gegen seine Überzeugungen zu treffen, weil ihm seine Lage vermeintlich keine andere Wahl lässt.

      Und als wäre das noch nicht genug, muss er mit der Schmach leben, dass der eitle Sigurd sich als Drachentöter inszeniert und mit einem Goldschatz auf den Königshof zurückkehrt, der, davon sind Gundahar und Hagen sofort überzeugt, die Beute des Geldtransports ist, die Gundahars Vater Gibicar eigentlich für die Rettung Burgunds vorgesehen hatte. Gundahar hatte dem römischen Statthalter gegenüber nämlich bloß aus purer Verzweiflung auf die Legende des Drachen Fafnir zurückgegriffen, um von sich und den Burgundern als möglichen Verursachern des Verschwindens des Geldtransports abzulenken. Wirklich geglaubt hat er nie daran, dass der legendäre Drache Fafnir etwas mit dem Verschwinden des Konvois zu tun haben könnte. Und nun beruft sich plötzlich der junge Xantener ausgerechnet auf die Notlüge des Königs, um einen Schatz zu beanspruchen, für den Gundahars Vater, der König, sein Leben gelassen hat.

      Die Geister, die ich rief, fällt einem da sofort ein, und der Kniff, den Balthasar von Weymarn hier anwendet, nämlich die Konfrontation Sigurds mit dem Drachen auszuklammern und somit im Ungefähren zu belassen, ob der junge Xantener sich diese Kampf nur ausgedacht hat oder ob er Fafnir tatsächlich besiegt hat, schafft eine Spannung und eine dramatische Wucht, die mich als Hörer völlig packt und in die Handlung einsaugt – wenn dies auch zum Preis des Fehlens einer szenischen Ausgestaltung des Kampfs mit dem Drachen geschieht. Andere ambitionierte Hörspielmacher hätten sich die Gelegenheit, einen Drachen zentral in einer Szene auftauchen zu lassen und den Kampf zu schildern, sicherlich nicht entgehen lassen. Von Weymarn überlässt es Sigurd, seine Begegnung zu schildern, und seinen Worten sind entsprechende Geräusche unterlegt, aber die Intensität einer echten Spielszene erlangt das nicht. Offensichtlich war es von Weymarn wichtiger, den Fokus auf die Fragwürdigkeit von Sigurds Erzählung zu legen, und es gelingt ihm dadurch eine neue Akzentuierung: Wir alle glauben die zugrundeliegende Sage zu kennen. Aber was ist, wenn sich alles in Wahrheit ganz anders zugetragen hat? Was, wenn es in Wahrheit gar keinen Drachen gegeben hat und alles nur die Selbstinszenierung eines überambitionierten und wenig skrupulösen Königssprosses ist? – Wir bekommen in dieser Episode keine absoluten Wahrheiten geboten. Aber dass von Weymarn es allein wagt, auf diese Weise mit der Erwartungshaltung des Hörers zu spielen, finde ich originell und wirklich spannend. Darum fehlt mir die explizite Schilderung des Kampfes mit dem Drachen auch nicht. Der gewählte Weg bietet einen deutlich größeren Mehrwert für die Geschichte, denke ich. Insofern: alles richtig gemacht.

      Das Sounddesign und die Musik haben mich auch in dieser Folge wieder voll und ganz überzeugt. Ich gehe bei meinen Besprechungen, die den Fokus bewusst auf die inhaltliche Erörterung legen, häufig ein wenig lapidar über die Feinheiten des Sounddesigns hinweg. Das ist sicherlich zu einem gewissen Teil begründet, denn in der Liga, in der wir bei einem Hörspiel wie Der Thron der Nibelungen spielen, braucht es nicht die Erwähnung, dass die Schritte des Königs im Schloss authentisch klingen oder die Bewegungen mit überzeugendem Stoff-Rascheln flankiert werden. So etwas darf und muss bei professionellen Hörspiel-Produktionen von diesem Format einfach vorausgesetzt werden. Und doch möchte ich an dieser Stelle einmal bewusst darauf verweisen, wie präzise hier die Geräusche und die Zwischenmusiken gesetzt sind. Sehr schön ist das etwa bei der Schilderung des Eindringens Sigurds in die Drachenhöhle gelungen. Es wird eine flirrende Spannung erzeugt, der Drache klingt grollend und bedrohlich – und doch bleibt am Ende unbestätigt, ob uns Sigurd eine faustdicke Lüge auftischt oder die Wahrheit spricht. Nun, wir werden es sicherlich noch erfahren.

      Was die Sprecherinnen und Sprecher angeht, kann ich meinen Worten aus den Besprechungen zu den ersten Folgen wenig hinzufügen. Die Haupt- und die wichtigsten Nebenrollen werden wirklich durchweg erstklassig gesprochen. Ein Problem habe ich jedoch hin und wieder mit der für mich mangelnden Unterscheidbarkeit der jungen Männer vom Königshof, die allesamt recht ähnliche Stimmfärbungen haben – Gundahar, Giserher, Gernot, Roland, Sigurd… da muss man in manchen Szenen schon genau hinhören, wer da gerade mit wem spricht. Qualitativ kann man gegen keinen der Sprecher etwas sagen, aber zugunsten der besseren Unterscheidbarkeit hätte ich mir für die genannten Figuren Sprecher gewünscht, die klarer voneinander zu differenzieren sind.

      Durch den Wegfall der Rolle des Gibicars rückt nun der Sohn, Gundahar, und mit ihm Konrad Bösherz in den Fokus der Handlung. Und er macht das wirklich gut. Sein Gundahar ist ein König in Not, das drückt er sehr schön aus – stolz und gleichzeitig seltsam unsicher. Und man versteht, warum er nicht für sich allein stehen kann, sondern darauf angewiesen ist, starke Männer wie Hagen an sich zu binden. Ohne sie wäre er einfach nackt.

      Im Fazit haben wir es also bei dieser vierten Folge mit einer erneut sehr wendungsreichen und spannenden Epsiode zu tun, die wieder einmal gut unterhält und sofort Lust macht, in die nächste, leider bereits vorletzte Folge dieser Staffel hineinzuhören. So kann es gern weitergehen.

      Alles in allem mitreißend und berührend, trotz einer minimalen Leerstelle im Skript!

      :st: :st: :st: :st: :st3:

    • Episode 05: Das Gold



      (Bildquelle: amazon)


      Inhalt
      Gundahar und Hagen sind überzeugt davon, dass Sigurd die Unwahrheit spricht, wenn er behauptet, den Drachen Fafnir besiegt und seinen Schatz an sich genommen zu haben. Sie glauben vielmehr, dass es sich bei dem Schatz in Wahrheit um die Fracht des verschwundenen Geldtransports der Römer handelt, den Gundahars Vater, König Gibicar, überfallen hatte, um mit der Beute die Sicherheit des Reiches sicherstellen zu können. Also beschließen sie, einen Weg zu finden, wie sie Sigurd, der sich nun Siegfried nennt, die Reichtümer wieder entreißen könnten. Dabei erwägt Gundahar, Sigurd mit Grimhild zu verheiraten, um ihn dauerhaft an sich zu binden, doch Hagen gelingt es, ihn vorerst von diesem Gedanken abzubringen. Stattdessen macht er dem König eine Verbindung mit den Gauten schmackhaft, die über große militärische Stärke verfügen. Gundahar soll Gudrun heiraten, die Tochter des Herzogs Cuthlac, allerdings stellt sich dabei ein Problem: Die Tochter des Herzogs ist eigen und nicht gewillt, sich einem beliebigen Mann hinzugeben, und ihr Vater ist nicht bereit, sie in eine Verbindung zu zwingen. Also entsendet Gundahar Hagen zu den Gauten, um die Verbindung zu arrangieren. Gelingt es dem Schildmann, verspricht ihm der König zum Lohn die Hand seiner Schwester. Doch er nötigt Hagen das Versprechen ab, ihr gegenüber nichts darüber verlauten zu lassen, bis er wieder aus dem Norden zurückgekehrt sei.

      Grimhild zeigt sich wenig verständnisvoll, als Hagen ihr eröffnet, für einige Monate in geheimer Mission unterwegs zu sein. Sie ist ungeduldig, will ihre Freiheit, und man spürt, dass sie gelangweilt ist von ihrem Leben am Hof. Da kommt ihr ihre Zofe gerade recht, die ihr von dem jungen Drachentöter vorschwärmt und erkennbar ihre Neugier weckt. Als Grimhild also wenig später bei einem Ausritt verunglückt und der junge Xantener zufällig ihren Weg kreuzt und ihr hilft, bietet sich Gelegenheit, sich selbst ein Bild von dem draufgängerischen Mündelvasall zu machen.

      Unterdessen trifft Hagen in Gauten ein und versucht, die Tochter des Herzogs von den Qualitäten des Burgunderkönigs zu überzeugen, doch sie wiegelt ab. Nur wer es schafft, sie in einem Duell zu besiegen, wird sie dazu bringen, ihm zu folgen. Hagen gelingt es zwar, in einem Kampf ein Unentschieden zu erreichen, aber das reicht nicht aus, sie dazu zu bewegen, ihre Heimat zu verlassen. Unverrichteter Dinge reist Hagen also wieder ab.

      Am Königshof wird Gundahar zugetragen, dass es um den König von Xanten nicht gut steht. Grund dafür soll der Tod seines Zweitgeborenen, Sigurds Bruder, sein. Bei einem baldigen Ableben des Königs stiege also die Stellung des jungen Mannes im Hause der Xanten. Überdies tritt der selbstbewusste Sigurd entschlossen auf den Burgunderkönig zu, um ihm ein Angebot zu machen, dass dieser nur schwerlich ablehnen kann. Er bietet Gundahar die Hälfte des Drachenhorts – im Gegenzug zur Hand seiner Schwester Grimhild. Der König sträubt sich erst, hat er die Hand seiner Schwester ja bereits Hagen versprochen, dann aber wird die Lockung durch die Reichtümer des Xanteners zu groß, und er gibt seinen Widerstand auf. Seine einzige Bedingung: Grimhild muss der Verbindung zustimmen.


      Meinung
      Der Himmel über Burgund zieht sich immer weiter zu. Die Gefährdungen von außen sind nicht gebannt, der Traum vom großen Geld ist ausgeträumt – und nun fährt Gundahar und Hagen auch noch der übermütige Königssohn aus Xanten in die Parade.
      Das Tempo bleibt hoch bei diesem episch angelegten Hör-Spektakel. Auch weiterhin gibt es keinerlei Längen. Das ist beachtlich, bedenkt man, dass Balthasar von Weymarn die Spannung fast ausschließlich über die Dialoge transportiert. Szenen, in denen Aktionen im Vordergrund stehen, die nicht hauptsächlich dialogisch transportiert werden, sind die absolute Ausnahme. Es gibt Hörspielmacher, bei denen eine solche Verfahrensweise auf die Dauer ermüdet. Hier ist das bisher glücklicherweise nicht der Fall. Und das liegt daran, dass von Weymarn es schafft, seinen Dialogen eine eigene Dramaturgie zu verleihen. Hier werden nicht bloß sinnlos Informationen im Pingpong-Spiel der Figuren offenbart, sondern hier treffen unentwegt verschiedene Perspektiven und gegensätzliche Motivationen aufeinander, man spürt es, man weiß es, und das macht die Dialoge oft so spannend. Oder es werden ruhigere Töne angeschlagen, und es ergeben sich leise Momente, in denen die Figuren ein wenig von ihrem Innenleben offenbaren.

      Doch obwohl die Konzentration auf spannende Figuren gut funktioniert, fällt auf, dass offensichtlich die Neigung vorherrscht, um solche Szenen, die sich dialogisch nicht gut transportieren lassen, bewusst einen Bogen zu machen. Bei der Konfrontation Sigurds mit dem Drachen wurde das noch nachvollziehbar begründet: Der Verzicht auf die Darstellung ließ Raum für die Möglichkeit, dass der vermeintliche Drachentöter sich seine Heldentat nur ausgedacht und in Wahrheit die Beute des verstorbenen Burgunderkönigs an sich gebracht hat.

      In der nun vorliegenden Folge jedoch wird ein weiteres Mal eine nicht unwesentliche Begegnung ausgespart, die nur schwer dialogisch zu transportieren gewesen wäre: der Kampf Hagens gegen die Tochter des Herzogs der Gauten. Wir sind dabei, wenn sie sich über die Absichten Hagens besprechen, aber dann erfolgt ein Schnitt, und es geht an einem anderen Ort mit der Erzählung weiter, und erst später erfahren wir, dass sie gekämpft haben und Hagen über ein Unentschieden nicht hinausgekommen ist, was Gudrun in die Lage versetzt, es abzulehnen, den Schildmann des Burgunderkönigs zu begleiten.

      Nun kann man argumentieren, dass die Szene nicht wichtig genug ist, um sie in ganzer Breite zu inszenieren – dass sie vielleicht sogar den schnellen Erzählfluss hindert und am Ende sogar ein Stück weit den Kampf vorwegnimmt, der erst später von Bedeutung sein sollAber ich fand es dennoch schade, dass man die Gelegenheit nicht genutzt hat, hier mal ein wenig aus dem rein Dialogischen herauszutreten und zu zeigen, was man auch in Bezug auf die Regie zu leisten imstande ist – indem man nämlich die Gelegenheit nutzt, mit hauptsächlich akustischen Mitteln, ohne erklärende Verwendung des Dialogischen, eine starke Szene zu kreieren. Das Gewicht bei Der Thron der Nibelungen liegt bislang hauptsächlich bei einem starken Skript voller intensiver Dialoge, man merkt die Arbeit, die sich der Autor gemacht hat, spürt den Rechercheaufwand, die Lust an der Ausgestaltung der Charaktere und die Gewissenhaftigkeit, mit der die Dialoge auf den Punkt gebracht worden sind. Hier wäre mal die Gelegenheit gewesen, auch mittels der Regie mal einen Glanzpunkt innerhalb dieses sehr schönen Hörspiels zu setzen. Ich bedaure, dass man diese Gelegenheit nicht genutzt hat, auch wenn es der Qualität dieser Folge im Ganzen keineswegs schadet. Die wendungsreiche Handlung und die pointierten Dialoge trösten über dieses geringe Manko hinweg.

      In einer anderen Szene dagegen wird im Ansatz versucht, ein wenig Aktion zu bieten, nämlich wenn Grimhild auf einem Ausritt verunglückt. Doch als wäre Balthasar von Weymarn selbst nicht überzeugt von seinen inszenatorischen Fähigkeiten lässt er die Schwester des Königs im Augenblick des Unglück ausrufen: Ein Stein!, ehe er uns zuhören lässt, wie sie stürzt. Dieser kurze Moment erinnerte mich an das trauernde Selbstgespräch, das Grimhild direkt nach dem Tod ihres Vaters führte, es wirkt seltsam altbacken in diesem ansonsten recht modern und flott erzählten Hörspiel. Es scheint, als hätten Autor und Regisseur in diesem Moment eine kleine Not mit der Frage gehabt, wie sie die nötige Emotion, das unvermeidliche Ereignis akustisch umsetzen sollen – und dann den skript- und regietechnisch einfachsten Weg gewählt. Das wiegt angesichts des Gesamteindrucks natürlich nicht schwer, aber es fällt auf, gerade weil der Rest bislang so zeitgemäß und clever umgesetzt war. Da hätte ich mir ein wenig mehr Raffinesse gewünscht.

      Überhaupt der Unfall – für mich war diese Szene bislang die enttäuschendste der gesamten Serie, nicht mal wegen des erregten Ausrufs, den wohl kein Mensch in einer solchen Situation jemals ausstoßen würde, sondern weil es hier einen Rückgriff auf Traditionen gibt, die sich nicht gut einfügen in das Muster, das bisher hinter dem Erzählten zum Ausdruck kam. Grimhild wurde eingeführt wie die Frauenfigur in einer neuzeitlichen Serie – stark und selbstbewusst, beschränkt durch eine patriarchale Welt, aber mit dem Willen, sich dagegen aufzulehnen. Wenn sie aber jetzt – natürlich rein zufällig! – Sigurd begegnet, präsentiert sie uns Balthasar von Weymarn als die altbekannte (vermeintliche) Jungfrau in Not, die vom strahlenden Helden errettet werden muss und sich ihm in Dankbarkeit zuwendet. Hier nimmt die Handlung eine Wendung, die ich zutiefst enttäuschend, weil altmodisch und plakativ finde.

      Es mag sein, dass uns von Weymarn zeigen möchte, dass die tiefen Gefühle zwischen Hagen und Grimhild eher einseitig waren, dass es eher Langeweile und die Beschränktheit des höfischen Lebens waren, die sie empfänglich für Hagens Werben machte, und die vermeintliche Liebe sich nun, da ein anderer interessanter, junger Mann auf der Bildfläche erschienen ist, der Abwechslung oder gar Ausbruch verheißen könnte, schnell abkühlt und möglicherweise verlagert. Aber warum muss das auf einem so einfallslosen Weg erzählt werden? Warum muss sich die Frau in den Schmutz werfen und sich retten lassen? Hätte man sie und Sigurd nicht auch anders aufeinandertreffen lassen können – ohne Gesichtsverlust für diese bislang als charakterstark und stolz eingeführte Frau?

      Aber konzentrieren wir uns nach diesen kritischen Einordnungen wieder auf die positiven Aspekte. In dieser Folge wird noch mehr als in den übrigen deutlich, wie unsicher doch der jeweilige Status quo ist, seit König Gibicar verstorben ist. Überall wird versucht, die Möglichkeiten auszuloten, die eigene Position zu verbessern, jeder sucht den eigenen Vorteil und ist bereit, ein bereits gegebenes Wort dafür zu brechen. Und so müssen wir verfolgen, wie Gundahar seinen treusten Unterstützer Hagen bereits hintergeht, während dieser noch versucht, die Gauten-Tochter Gudrun zu einer Vermählung zu drängen. Geblendet von Sigurds Reichtum und seiner eigenen Not, ist er bereit, Sigurd die Hand seiner Schwester zu versprechen – sofern, ein müder, letzter Einwand, der es schaffe, sie zu einem Einverständnis zu bewegen.

      Im Hintergrund versucht die Stiefmutter des Königs, dessen Halbbrüder in Position zu bringen, um ihre Chancen auf den Thron zu erhalten. Durchtrieben, wie sie ist, lässt sie die Brüder aber nichts wissen von den Gesprächen, die sie mit dem jeweils anderen führt. Sigurd wiederum, der gerade noch versucht hat, eine Einigung mit Gundahar zu erzielen, sucht nun die Nähe Gernots, um sich mit ihm zu verbünden mit der Aussicht, ihn auf den Burgunderthron zu bringen. Hier scheint nun wirklich jeder ein falsches Spiel zu treiben, und der Gedanke liegt nahe, auch die Motivation derjenigen zu hinterfragen, von denen wir dieses Gebaren bislang noch nicht mitbekommen haben. Lauern im Dunkel des Unerzählten etwa noch mehr Heimlichkeiten, als wir es ahnen?

      Dieses ganze Intrigenspiel, die Unsicherheiten der jeweils aktuellen Allianzen zwischen den Figuren machen mir, das gebe ich gern zu, großen Spaß. Loyalität scheint innerhalb der Königsfamilie keinen großen Wert zu haben. Nicht mal bei Grimhild können wir uns sicher sein, ob ihre bisher behaupteten Gefühle für Hagen noch von Dauer sein werden. Der Wind dreht sich schnell in Burgund, und Schildmann Hagen, der nach Gibicar nun Gundahar auch weiterhin treu ergeben ist, erscheint fast ein bisschen wie ein armer Tor, wenn er arglos auf seine Mission geht, während in der Heimat in vielfältiger Weise über sein weiteres Schicksal entschieden wird, ohne dass er es überhaupt ahnt.

      Und dann muss natürlich zum Abschluss meiner Besprechung Gudrun Erwähnung finden, die Tochter des Herzogs der Gauten, für die kein Mann gut genug ist – es sei denn, er schafft es, sie zu besiegen. Natürlich kennen wir diese Figur aus der altbekannten Sagenwelt rund um die Nibelungen, meist jedoch unter einem anderen Namen: Brünhild. Mit ihr betritt nun also ein Charakter die Bühne, der die Verhältnisse in der uns bisher geschilderten Welt zukünftig noch einmal ordentlich durcheinanderwirbeln dürfte.

      Sie wird gesprochen von Ulrike Kapfer, die sie stolz und entschieden darstellt und damit nicht selten auch an Grimhild erinnert. Die beiden Frauen scheinen von ähnlicher Charakterstärke zu sein, und es wird spannend sein, ihrem Aufeinandertreffen in Zukunft zu lauschen. Ich hoffe, dass die Figur der Gudrun bis dahin noch ein wenig besser akzentuiert wird, damit sie von Grimhild besser zu unterscheiden ist.

      Alles in allem haben wir es also wieder einmal mit einer sehr flott erzählten, aber darum noch lange nicht banalen, sondern spannend und pointiert erzählten Hörspielfolge zu tun, die fast durchweg gelungen ist. Punktabzug gibt es von mir nur für Form und Inhalt des Aufeinandertreffens von Sigurd und Grimhild, das leider sehr konventionell, um nicht zu sagen: einfallslos, geraten ist. Davon abgesehen, ist Folge 5 auf weiterhin höchstem Niveau. Jetzt freue ich mich auch das große Finale!

      Ein kleines bisschen Schatten, aber viel, viel Licht!


      :st: :st: :st: :st: :st2:

    • Vielen Dank für deine ausführliche Besprechung.

      Ich perönlich habe den Eindruck, dass der Autor uns hier ein rein historisches Hörspiel präsentiert, völlig ohne Fantasy/Phantastik Elemente, darum gibt es natürlich auch keinen Kampf mit einem Drachen, da es auf unserer Welt ja nunmal (seit 65 Mio Jahren) keine Drachen (mehr) gibt.
      Es wird darum interessant sein, wie andere Elemente der Sage (z.B. magische Ringe, Schwerter und Helme und ihre Verwendung) "historisch" dargestellt werden.
      Für die unverletzliche Haut Siegfrieds wird ja schon eine neue Art Rüstung angedeutet.

      Ich hatte beim Hören den Eindruck, dass Hagen und Gudrun gar nicht wirklich gekämpft haben, sondern sich über die erzählte Geschichte des "Unentschiedens" abgesprochen haben (Gesichtswahrung) und das es darum keine Kampfszene zwischen den beiden gegeben hat.

      Jedenfalls hat mit die erste Staffel sehr viel Spaß gemacht und ich hoffe, dass auch der Rest der Geschichte noch erzählt werden wird.

      Gruß,
      Zephalo
      Gruß,
      Zephalo
    • Hallo Zephalo, Du klingst beinahe wie ein Insider. ;)
      Es kann durchaus sein, dass der Autor auf die Übernahme der phantastischen Elemente verzichtet, aber bisher ist das durch die Handlung noch nicht festgestellt. Dort gibt es noch immer die Möglichkeit, dass es etwa den Drachen tatsächlich gibt. Flankierend zum Bericht Sigurds wurde er ja sogar vertont, was die Frage aufwirft, ob er damit nicht formal bestätigt wurde. Alles andere wäre ja im Prinzip eine "akustische Lüge". Interessantes Themenfeld.

      Dass Gudrun und Hagen sich abgesprochen haben könnten, ist mir nicht in den Sinn gekommen, und ich sehe dafür auch keine Hinweise, denn beiden, sowohl Hagen als auch Gudrun, liegt das Kräftemessen ja im Blut, sie würden keinem Kampf aus dem Wege gehen, und Gudrun ist hinterher ja auch schwer beeindruckt von Hagen. Warum sollte sie das sein, wenn nicht wegen des erstaunlichen Unentschiedens, das er ihr gegenüber erreicht hat und das sie kaum für möglich gehalten hätte?
    • Episode 06: Die Rückkehr




      (Quelle: amazon)
      Inhalt
      Der Wind dreht sich, und die Lage spitzt sich zu. Hagen konnte Gurdrun nicht davon überzeugen, Gundahar zu ehelichen. Sie zeigt zwar Interesse an Hagen, dem sie auch gefolgt wäre, hätte er darauf bestanden, aber nicht zu Gundahar, was sehr deutlich macht, wie viel Respekt ihr der Berater des Königs abgenötigt hat, von dem sie berichtet, er habe sie im direkten Duell zwar nicht geschlagen, ihr aber immerhin ein Unentschieden abgetrotzt.

      Sigurd und Grimhild näher sich an. Sie verbringen Zeit miteinander, und der auftrumpfende Xantener erscheint in Gesellschaft der Schwester des Königs auf einmal besonnen und sanftmütig. Er verehrt Grimhild einen Armreif, der seiner früh verstorbenen Mutter gehört hat, und sie nimmt das Geschenk an.

      Unterdessen stellt sich heraus, dass Karl, der Spion im nahegelegenen Römerlager tot ist. Er wurde erhängt und ihm die Zunge herausgeschnitten, was nahelegt, dass er des Verrats beschuldigt wurde. Für Gundahar steigt damit natürlich der Druck: Ahnen die Römer, dass die Burgunder nicht immer loyal gehandelt haben?

      Gernot versucht, sich heimlich mit Giselher gegen den König, ihren Halbbruder, zu verbünden, doch dieser schlägt die Offerte aus. Giselher, der sich um die Finanzen des Reichs kümmert, möchte sich auf keine Seite schlagen und gelobt Gernot Neutralität. Allerdings war Gundahar während des Gesprächs der beiden Brüder anwesend. Aus dem Verborgenen hat er alles mitbekommen. Gundahar weiß nun um Gernots ungebrochene Ambitionen. Dennoch lässt er es zu, dass Gernot mit zweihundert Soldaten in den Norden zieht, um an neuartigen Waffen ausgebildet zu werden, die von Sigurd mit Geld aus dem Hort finanziert wurden. Der junge Xantener begleitet ihn. Gundahar sendet seinen Getreuen Roland aus, um die beiden im Auge zu behalten.

      Als Hagen zurückkehrt, zeigt sich schnell, dass sich etwas zwischen ihm und Grimhild verändert hat. Drei Monate ist er fort gewesen, die junge Frau zeigt sich wenig euphorisch bei ihrem kurzen, nächtlichen Wiedersehen.

      Auch das Gespräch mit Gundahar verheißt für den tapferen Schildmann nichts Gutes. Der König berichtet ihm, dass er notgedrungen ein Bündnis mit Siegfried eingegangen ist, um seine Truppen mit denen Xantens vereinen und überdies das geforderte Gold an die Hunnen bezahlen zu können. Eine Verbindung Sigurds mit Grimhild scheint sich nun kaum noch umgehen zu lassen.

      Aus Xanten kommt kurz darauf Kunde, dass der älteste Bruder Sigurds verstorben ist. Wie es heißt, ist er bei der Wildschweinjagd umgekommen. Damit rückt Sigurd unweigerlich zum Thronfolger seines siechen Vaters auf. Hagen ist fest davon überzeugt, dass Sigurd für den Tod seines Bruders verantwortlich ist, was kurz darauf auch von Roland bestätigt wird, der sterbend am Königshof eintrifft und mit letzter Kraft berichtet, dass er Sigurd dabei beobachtet hat, wie er seinen Bruder tötete, ehe er von ihm entdeckt und selbst schwer verletzt wurde.

      Die Neuigkeiten zeigen Gundahar deutlich, dass der junge Xantener zu allem bereit ist, um seine eigene Position zu verbessern, und auch vor der Einflusssphäre Gundahars nicht Halt machen wird. Für den König der Burgunder steht darum fest: Sigurd muss sterben.


      Meinung
      Mit dieser sechsten Folge endet nun also leider die erste Staffel. Das ist schade, denn als Hörer gewinnt man den Eindruck, dass die Handlung nun erst richtig in Fahrt gekommen ist. Die Folgen bis hierhin waren so etwas wie die Ouvertüre – nun kann das große Drama beginnen. Alle Fährten sind gelegt, die Charaktere sind gut ausgeleuchtet und perfekt positioniert, zu allen Seiten sehen wir brennende Lunten. Alle Voraussetzungen sind geschaffen, um viele tolle Entwicklungen und Konfrontationen herbeizuführen.

      Aber wir müssen uns gedulden. Und was besonders tragisch ist: Wir wissen nicht einmal, ob es mit der Geschichte weitergeht, denn eine zweite Staffel ist zwar, was das Skript angeht, in Arbeit, aber noch nicht bestätigt. Sollten sich die Hörerzahlen also als zu gering herausstellen, könnte es das mit dieser ersten Staffel bereits gewesen sein. Die Bereitschaft, einer Serie mal etwas Raum und auch Zeit zu geben, sich zu entfalten und vielleicht erst mit Verzögerung echten Nachhall zu entwickeln, gibt es heutzutage nicht mehr. Etwas muss sofort punkten, sonst ist es schnell abgesetzt. Das benachteiligt natürlich Geschichten, die komplexer sind und einen weiteren Bogen spannen. In diesem Fall wäre es besonders traurig, weil die eher abschreckenden Cover und der doch recht spröde geratene Einstieg der Serie in Folge 1 viele potentiell interessierte Hörerinnen und Hörer davon abbringen könnte, dieser famosen Serie eine Chance gegeben. Am Ende heißt es dann womöglich wieder, dass Geschichten wie diese grundsätzlich keine Chance haben. Dabei muss das nicht der logische Schluss sein. Es kann dafür auch andere Gründe geben.

      Aber wir wollen nicht vorgreifen und wenden uns wieder dem Finale der ersten Staffel zu. Sehr schön gefallen hat mir die Szene zwischen Sigurd und Grimhild. Hatten wir den jungen Xantener bisher eher als großmäulig und durchtrieben kennengelernt, erscheint er in dieser Szene sehr feinfühlig und beherrscht. Die beiden sprechen über ihre Vergangenheit, und es ist spürbar, dass sie sich annähern. Eine sehr schön gestaltete Szene mit einem wunderbar entschleunigten Dialog, der uns jedoch nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass dieser Atmosphäre der Aufrichtigkeit und der zart erblühenden Gefühle die Bitterkeit der Lüge und des Verrats unterlegt ist.
      Da ist zunächst Sigurd, für den Grimhild bisher nicht viel mehr als eine Trophäe zu sein schien, die seine hochtrabenden Ambitionen krönen sollte. Bisher hat er sich nicht viel Mühe gegeben, bei ihr zu punkten, stattdessen hat er über Gundahar eine Verbindung einzufädeln versucht, und der König war es, der in seiner Not nicht wagte, ihm dieses Ansinnen auszuschlagen und zur Voraussetzung gemacht hat, dass Grimhild einer solchen Verbindung zustimmt. Wir dürfen uns also fragen, wie ehrlich Sigurd ist, wenn er der jungen Frau gegenüber sein Herz zu offenbaren scheint und ihr sogar ein intimes Geschenk macht. Wir wissen, dass sein Machthunger ungestillt ist, wir wissen, dass er sich mit Gernot gegen den König verbündet hat, und nun erfahren wir, dass er nicht einmal vor Mord an seinen Brüdern zurückschreckt, um seine Stellung innerhalb des Königshauses der Xanten zu verbessern. Für wie realistisch dürfen wir darum das Bild des sympathischen und sensiblen Königssohns halten, wenn wir seinen Worten lauschen, die er Grimhild sagt?
      Und die Schwester des Königs selbst… Es ist gerade einmal drei Monate her, da ihre ganze Liebe und Aufmerksamkeit Hagen zu gehören schien. Drei Monate, die genügten, beinahe alle Leidenschaft in ihr erkalten zu lassen. Der Verdacht liegt nahe, dass ihre Gefühle weniger Hagen galten, als dem, was er ihr war: eine Möglichkeit zu Flucht aus der Enge des höfischen Lebens. Dieses Ziel scheint sie durch den Schildmann des Königs nun in weitere Ferne gerückt zu sehen, weil Gundahar keine Neigung zeigt, auf den Rat seines größten Getreuen zu verzichten. Stattdessen hat nun mit Sigurd ein neuer Spieler die Bildfläche betreten, der womöglich besser geeignet zu sein scheint, sie aus ihrer Lage zu befreien. Sonderlich leidenschaftlich klingt sie dabei nicht, wenn sie mit Gundahar recht kühl die Optionen erwägt und der König ihr zusichert, sie könne auch weiterhin mit Hagen zusammenkommen, auch als Gemahlin des Thronfolgers von Xanten. Wurde uns Grimhild in der ersten Folge noch als unkonventionelle, beinahe etwas rebellische Frau vorgestellt, die sich den höfischen Gepflogenheiten zu widersetzen versucht, erscheint sie in diesem Staffelfinale seltsam abgeklärt, beinahe durchtrieben, und es stellt sich die Frage, ob wir uns in ihr getäuscht haben, als wir an die Reinheit ihrer Gefühle für Hagen glaubten. Es dürfte spannend sein, ihren weiteren Weg in den folgenden Staffeln zu begleiten.

      Ebenfalls sehr schön gelungen ist es, wie Sigurd in dieser Episode von einer schillernd-unsympathischen Randfigur ins Zentrum der Geschichte zu rücken beginnt, selbst wenn die Anzahl seiner Auftritte dies zunächst gar nicht vermuten lässt. Aber sein Einfluss wirkt, in beinahe jeder Szene geht es um ihn – selbst wenn er gar nicht zugegen ist. Das illustriert sehr gut, wie allmählich seine Macht wächst, wie er mehr und mehr Einfluss gewinnt, ohne dass das zu deutlich und zu platt vorangetrieben würde. Im Gegenteil, dem oberflächlichen Hörer mag es sogar so erscheinen, als wäre das Temperament des Königssohns aus Xanten in dieser sechsten Folge zunächst gezügelt, wenn er sich so warmherzig seiner Auserwählten gegenüber zeigt. Doch schon zum Ende hin muss dieser Eindruck sich als falsch herausstellen: Sigurd/Siegfried ist nicht gereift, hat nicht seine auftrumpfende Art zugunsten eines goldenen Wesens abgestreift: Er ist nichts weniger als ein heimtückischer Brudermörder, der für sein persönliches Fortkommen bereit ist, alles zu tun. Balthasar von Weymarn schildert dieses Wechselbad der Gefühle (des Hörers für diese bekannt geglaubte Figur) mit geschickter Subtilität. Es macht Spaß, sich immer wieder überraschen zu lassen, welche Wendungen die Charakterzeichnungen sonst noch zu bieten haben.

      Zum Sounddesign habe ich mich in den letzten Besprechungen schon geäußert. Auch in dieser Folge ist dies zu jeder Zeit angemessen. Da aber die Handlung hauptsächlich dialogisch vorangetrieben wird, sind die Herausforderungen nicht besonders hoch – und insofern der Ehrgeiz des Kritikers, dies genauer unter die Lupe zu nehmen, eher gering. Die eingesetzten Musikstücke flankieren wunderbar die erzählte Handlung und tragen die aufgeworfenen Emotionen.

      Das Sprecherensemble arbeitet nach wie vor auf höchstem Niveau. Mein zuvor bereits in einer Besprechung genannter Kritikpunkt bezüglich der Schwierigkeit, hin und wieder die männlichen Sprecher zu unterscheiden, bleibt auch hier bestehen, für mich vor allem in der Szene, in der Gernot den Giselher dazu bringen will, sich mit ihm gegen Gundahar zu verbünden. Der Sinnzusammenhang lässt erschließen, dass es nach Gernots Abgang Gundahar ist, der aus seinem Versteck hervortritt. Allein von den Stimmen her war ich mir anfangs allerdings nicht sicher. Das empfinde ich nach wie vor als kleinen Malus, auch wenn die Sprecher selbst natürlich hervorragend sind. Man erspart sich viel Mühe – und unter Umstände auch unnötige Kritik –, wenn man von Anfang an bei der Besetzung darauf achtet, dass solche Schwierigkeit sich nicht ergeben. Gerade wenn man ein Figurentableau hat, bei dem viele Sprecherinnen oder Sprecher der gleichen Generation und dem gleichen Geschlecht angehören.
      Aber das sind alles Kleinigkeiten im Vergleich zum Gesamteindruck, den dieses Hörspiel hinterlässt. Hatte ich beim fünften Teil noch meine Vorbehalte, bin ich beim Finale der Staffel wieder rundum zufrieden. Ich hoffe sehr, dass man bereit ist, der Serie noch die Chance auf eine zweite Staffel zu geben, auch wenn ich gestehe, dass ich persönlich nicht sehr zuversichtlich bin. Verdient hätte es die Geschichte. Und wir als Hörer hätten es auch.

      Ein starkes Finale, das Lust auf eine zweite Staffel macht!

      :st: :st: :st: :st: :st:

    • Der Thron der Nibelungen - Staffel 01


      Gesamtfazit



      (Quelle: amazon)

      Alles in allem ist Der Thron der Nibelungen als Staffelhörspiel ein tolles Audio-Drama für Erwachsene, dem der Versuch gelingt, die klassische Geschichte in Form eines modern inszenierten Epos zu erzählen und gleichzeitig die altbekannten Figuren neu und intensiver denn je auszuleuchten.

      Große Pluspunkte dieser Produktion sind der moderne Ansatz, eine alte Sage aufzubereiten, das Bemühen, die Verfasstheiten und Motivationen der handelnden Figuren nachvollziehbar auszuleuchten und vor allem die knackig-pointierten und spannenden Dialoge. Hier gibt es keinerlei Längen, keinerlei Redundanzen. Der Thron der Nibelungen präsentiert sich als wohlkomponiertes und atmosphärisch dichtes Hör-Spektakel, bei dem die Sprecherinnen und Sprecher der Haupt- und wichtigsten Nebenrollen durchweg tadellose Leistung abliefern. Skriptautor und Regisseur Balthasar von Weymarn gelingt das Kunststück, uns mit dem Verweis auf die alte Sage zu locken und uns dennoch eine Geschichte zu vorzulegen, die uns überrascht und in vielerlei Hinsicht unbekannt und neu erscheint.

      Staffel 1, für sich allein genommen, ist mitreißend und spannend, aber natürlich noch nicht viel mehr als die Eröffnung eines Spektakels, das Raum bietet für zwei, drei oder vielleicht noch mehr Staffeln. Für sich allein genommen kann es darum vielleicht noch nicht als Meisterstück gelten, aber es würde mich nicht verwundern, wenn es am Ende des ins Auge gefassten Produktionsprozesses, wenn die Geschichte seinen verdienten Abschluss gefunden hat, als Auftakt zu einem solchen gelten wird. Das Zeug dazu hat die Geschichte sicherlich.

      Aber kein Licht ohne ein bisschen Schatten, so auch hier.
      Da wären als erstes die Cover, die für mein Empfinden, so leid es mir tut, das Gegenteil von Eyecatchern sind. Sie mögen sich an die richten, die für einen Stoff wie diesen grundsätzlich empfänglich sind, nur ist fraglich, ob diese Leute für Hörspiele empfänglich sind bzw. überhaupt von der Existenz dieses Werks je erfahren. Für alle anderen eifrigen Hörspielhörer, selbst für die, die komplexen, intelligenten Geschichten nicht abgeneigt sind, weil sie nicht nur Entspannung in nostalgischer Berieselung suchen, könnte die Covergestaltung die Befürchtung wachrufen, dass hier eine staubtrockene, künstlerisch überambitionierte Klassiker-Vertonung ansteht, die ihren Fokus weniger auf die Stärken des Stoffes und den Unterhaltungswert für die Hörerinnen und Hörer legt, sondern sich weniger um Eingängigkeit schert und mehr um Werktreue. Ob man sich mit diesem Cover einen Gefallen getan hat, wage ich zu bezweifeln. Sinnvoller hätte ich es gefunden, die Assoziationen, die mit dem Titel ja bereits zu Game of Thrones geweckt werden, mit dem Cover zu intensivieren, denn auch wenn ein direkter Vergleich zu dieser epischen TV-Serie abwegig ist – eine solche Assoziation träfe den Kern dessen, was diese Hörspielserie sein will, sicherlich besser als das völlig dröge wirkende Cover.

      Ein weiteres Problem, das ich in der Besprechung zur betreffenden Folge ja breiter ausgeführt habe, ist der schwergängige Einstieg in die Serienhandlung. Balthasar von Weymarn schafft es leider nicht, uns als Hörer direkt emotional zu packen und in die Handlung zu saugen, sondern er wählt einen etwas verkopften Einstieg, der es dem Hörer abverlangt, sich mühsam in die Geschichte einzufinden und erst in der zweiten Hälfte, eigentlich sogar erst zum Ende und mit der zweiten Folge einen gewissen Sog zu entfalten, der uns an die Geschichte bindet. Das ist leider viel verschenktes Potential, und es würde mich nicht wundern, wenn man damit viele weniger geduldige oder beharrliche Hörerinnen und Hörer vergrätzt hat, bevor diese zu erkennen vermögen, was für eine Hörspielperle auf sie wartet.

      Für mich sind das die beiden Hauptprobleme bei dieser Serie. Probleme, die leider die Wucht haben könnten, dieses wunderbare Projekt zum Scheitern zu bringen. Ich wünsche es mir anders. Aber ich gebe zu, ich bin nicht wirklich optimistisch. Ich fände es beruhigend, wenn THE AOS frühzeitig bekannt gäben, dass es mit Staffel 2 weitergeht, sonst sehe ich noch größere Schwierigkeiten, überhaupt genügend Menschen zu finden, die sich auf diese erste Staffel einlassen.

      Alle anderen (kleineren) Kritikpunkte verblassen im Vergleich dazu. Ich würde mir für zukünftige Staffel aber vielleicht den spürbaren Ehrgeiz des Regisseurs wünschen, hin und wieder auch mal Szenen in die Handlung einzuflechten, die nicht rein dialogisch, sondern vor allem auch durch andere akustische Mittel getragen werden. Davon gab es hier noch nicht so viel. Das störte nicht, weil die präsentierten Dialoge geschliffen und spannend waren. Aber für weitere Staffeln wäre das sicherlich eine weitere Bereicherung.

      Ich habe mich jedenfalls sehr gut unterhalten gefühlt und wünsche dieser Produktion sehr viel Glück. Wer hier ein angestaubtes Historiendrama erwartet, wird sicherlich enttäuscht werden. Niemand sollte sich von den drögen Covern schrecken lassen. Der Thron der Nibelungen ist, trotz des Alters der Vorlage, modern und mitreißend inszeniert.

      Alles in allem also eine gelungene Ouvertüre zu einem Epos, dem hoffentlich noch viele weitere Staffeln vergönnt sein werden.

      Absolute Hör-Empfehlung!


      :st: :st: :st: :st: :st3:
    • Audiophilius schrieb:

      Hallo Zephalo, Du klingst beinahe wie ein Insider. ;)
      Nein, ich bin kein Insider. Ich habe nur vorm Hören des Hörspiels diesen Beitrag auf Balthasar von Weymarns Internetseite gelesen und zusammen mit dem "historischen" Cover der Serie hat das bei mir einfach eine andere Erwartungshaltung ausgelöst.

      Audiophilius schrieb:


      Dass Gudrun und Hagen sich abgesprochen haben könnten, ist mir nicht in den Sinn gekommen, und ich sehe dafür auch keine Hinweise, denn beiden, sowohl Hagen als auch Gudrun, liegt das Kräftemessen ja im Blut, sie würden keinem Kampf aus dem Wege gehen, und Gudrun ist hinterher ja auch schwer beeindruckt von Hagen. Warum sollte sie das sein, wenn nicht wegen des erstaunlichen Unentschiedens, das er ihr gegenüber erreicht hat und das sie kaum für möglich gehalten hätte?
      Ich habe mir die entsprechenden Szenen in Teil 5 und 6 nochmal angehört; ja, Gudrun erzählt ihrem Vater, dass sie mit Hagen gekämpft, und ja, Hagen erzählt König Gundahar, dass er sogar fast gegen Gudrun verloren hätte, aber die Begegnung zwischen Gudrun und Hagen endet damit, dass Gudrun sagt: "Es ist kalt. Lass uns ein paar Schritte gehen."
      Für mich hört sich das nicht nach einem Auftakt zu einem Kampf, sondern nach der Aufforderung zu einem Gespräch an. Deshalb bleibe ich bei meiner Meinung, dass es den Kampf zwischen Gudrun und Hagen nicht gegeben und dass es darum natürlich auch keine Inszenierung dieses Kampfes gibt. Warum beide diese Geschichte erzählen, weiß ich natürlich nicht, bin aber gespannt auf die Auflösung.

      Gruß,
      Zephalo
      Gruß,
      Zephalo
    • Zephalo schrieb:

      Ich habe mir die entsprechenden Szenen in Teil 5 und 6 nochmal angehört; ja, Gudrun erzählt ihrem Vater, dass sie mit Hagen gekämpft, und ja, Hagen erzählt König Gundahar, dass er sogar fast gegen Gudrun verloren hätte, aber die Begegnung zwischen Gudrun und Hagen endet damit, dass Gudrun sagt: "Es ist kalt. Lass uns ein paar Schritte gehen."Für mich hört sich das nicht nach einem Auftakt zu einem Kampf, sondern nach der Aufforderung zu einem Gespräch an. Deshalb bleibe ich bei meiner Meinung, dass es den Kampf zwischen Gudrun und Hagen nicht gegeben und dass es darum natürlich auch keine Inszenierung dieses Kampfes gibt. Warum beide diese Geschichte erzählen, weiß ich natürlich nicht, bin aber gespannt auf die Auflösung.
      Hallo Zephalo. :huhu2:

      Meiner Meinung nach hat es diesen Kampf sehr wohl gegeben, aber die akustische Inszenierung eines (wie auch immer gearteten) Zweikampfs ist kein leichtes Unterfangen. Zu schnell kann solch eine Szene mit den dazugehörigen Grunzlauten, Stöhnen und Schmerzensrufen ins Lächerliche abdriften. Deshalb vermute ich, dass sich der Autor diesen Balanceakt geschenkt hat.
      Nichtsdestotrotz finde ich Deine Interpretation sehr interessant und durchaus nachvollziehbar.
      Vielleicht erfahren wir in der zweiten Staffel mehr zu diesem Thema.

      @Audiophilius: Vielen Dank, dass Du uns an Deiner ausführlichen Auseinandersetzung mit diesem Hörspiel hast teilnehmen lassen. :thumbup: