Schwule Helden und ein Ende im Schmerz: Vom Umgang mit Hörspiel-Konventionen

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    • Schwule Helden und ein Ende im Schmerz: Vom Umgang mit Hörspiel-Konventionen

      Als ich gerade in einem anderen Thread die Überlegung anstellte, welche Art von Hörspielen ich anstieße, wenn ich einem Hörspielproduzenten raten könnte, fiel mir auf, dass alle meinen spontanen Einfälle sich herunterbrechen ließen auf ein Grundbedürfnis: Ich würde gern mal wieder richtig überrascht werden.

      Und das führte mich zu einem kurzen Reflektieren über die Hörspiele, die es derzeit so gibt im kommerziellen Bereich. Sie sind doch in der Breite eher Produktionen, die sich der Hörererwartung anpassen und diese eher wenig strapazieren. Ich möchte nun nicht so weit gehen, sie für überflüssig zu erklären, denn natürlich können auch Hörspiele, die einen Grundton des Vertrauten anstimmen, gut sein, aber ich frage mich, ob die Neigung zu einer gewissen Ritualisierung von Grundklängen und Erzählmethoden tatsächlich dem eher eindimensional geprägten Hörerinteresse geschuldet ist oder vielleicht doch vielmehr dem mangelnden Mut von Hörspielmachern?

      Darum trage ich die Frage mal weiter:

      Wie steht Ihr zu Hörspiel-Konventionen, also gewissermaßen einem etablierten Verfahren, wie Figuren angelegt, Geschichten erzählt und Ideen akustisch umgesetzt sind?

      Seid Ihr da eher traditionell und mögt nicht so sehr Experimente?

      Oder zeigt Ihr Euch aufgeschlossen, wenn auch mal etwas Neues versucht wird, was es so noch nie gab?

      Als Beispiele sind etwa Heldinnen und Helden denkbar, die auch nach heutigen Maßstäben noch ungewöhnlich wirken und unseren Seh- und Hörerfahrungen zuwiderlaufen. Diese müssen natürlich nicht, wie im Titel genannt, ausgerechnet schwul oder lesbisch sein, sie können auch auf andere Art vom Üblichen abweichen durch bestimmte Charaktereigenschaften oder sonstige Beigaben.

      Oder es kann sich auf die Sujets beziehen. Nicht alles muss ja im Rahmen eines Krimis oder Mysters-Grusels erzählt werden. Und auch nicht alles muss so "cosy" zum Schmunzeln sein. Wie wäre es mal mit dem ganz großen Drama, dem epischen Familienepos, einer verwickelten Geschichte mit historischem Hintergrund usw.? Auch das wiche ja vom Üblichen ab.

      Oder was ist, wenn am Ende, nach aller Mühe und aller Qual, den Protagonisten das Happy End verweigert wird und die Handlung mit einem fetten Kloß im Hals des Hörers endet?

      Zu unbefriedigend?
      Zu deprimierend?

      Wie also steht ihr zu diesen Hörspielkonventionen?


      Sind sie Euch lieb und teuer?
      Oder genießt Ihr es auch, wenn es gelingt, Euch in Euren Erwartungen völlig zu überraschen?


      Welche guten Beispiele kennt Ihr, wo das bereits gut gelungen ist?


      Gibt es auch schlechte Beispiele?


      Und bei welchen Genres/Geschichten/Hörspielmachern sähet Ihr in dieser Hinsicht Potential für neue, andere Geschichten, die allen bisherigen Konventionen trotzen?

      Natürlich wäre auch die Perspektive der Macher interessant. Vielleicht mögen uns die Kreativen an Bord mitteilen, wie sie selbst es sehen mit dem Befolgen und Brechen von (vermeintlichen) Hörspielkonventionen. @Contendo @Interplanar @Carsten_HM @Dennis E @David @Thomas Birker (DLP) @Dirk Hardegen @Marc Schülert @Alibaba @Marcus Meisenberg @Wolfy-Office @Sirius und natürlich alle anderen, die ich jetzt nicht genannt habe (was nicht böse gemeint ist!).

      Beim Radio scheint mir da ein anderer Geist zu herrschen, oft scheint sogar dieser Bruch der Konventionen einziger Zweck einer Inszenierung zu sein. Durch die finanzielle Ausstattung kann man sich aber natürlich auch mehr Mut leisten. Nur: Ist daraus auch mal etwas von Nachhaltigkeit entstanden? Ein Bruch quasi, der zur Vorlage anderer Produktionen genommen werden konnte, weil er das Medium so bereicherte?

      Es wäre mal spannend zu erfahren wie Menschen wie Bodo Traber ihre Geschichten im Hinblick auf diesen Aspekt anlegen.
    • Ungewöhnliche Helden gibt es doch viele... Sherlock Holmes als hochfunktionaler Soziopath, Elea Eluanda im Rollstuhl, "Die Schatzjägerin" ist lesbisch...
      Andere Helden haben übersinnliche Fähigkeiten... Van Dusen hat 15 Doktortitel...
      Eins und eins ist zwei -- von London bis Shanghai!

    • Ungewöhnlich natürlich im Sinne von: den Hörer-Erwartungen und den Hörspiel-Konventionen bewusst zuwiderlaufend.

      Ich dachte, das erklärt sich aus dem Zusammenhang... :zwinker:

      Als Beispiel nenne ich mal den Protagonisten von Der Unsichtbare, zB in der Umsetzung von Oliver Döring, der nicht bloß ein Antiheld, sondern ein veritabler Schurke und Bösewicht ist. Es ist schon gegen die Konvention, ein Hörspiel quasi aus der Perspektive eines Schurken zu erzählen, und einigen stieß ja auch eben dies sauer auf, wie ich mich erinnere.
    • Nee, ich habe nicht nach Figuren gefragt, sondern nach dem Bruch von Konventionen und wie man als Hörer oder Macher dazu steht.

      Ich starte eigentlich nie reine Aufzähl-Threads, sondern möchte eher zu einem inhaltlichen Austausch anregen. :)
    • Das sind interessante Fragen. Hier mal meine 2 Cent dazu.

      Lesbische oder schwule Heldinnen/Helden sollten eigentlich völlig normal sein. Da ich in meinem Leben ohnehin der Meinung bin, dass jeder nach seiner Façon glücklich werden sollte, sehe ich hier keinen Grund, warum es überhaupt als etwas "Besonderes" zu erwähnen wäre. Warum habe Ich selbst in meine Hörspiele noch keinen solche Heldin/Helden verwendet, mag sich vielleicht jemand fragen.

      Nun, es ist so. Ich bin mit einer Frau verheiratet und habe zwei Kinder. Ich lebe also in einer heterosexuellen Beziehung. Damit kenn ich mich aus. Ich kenne zwar homosexuelle Paare, aber wie deren Privatleben aussieht (geht mich auch nichts an) weiß ich nicht. So wie ich meine heterosexuellen Bekannten nicht frage, wie sie ihre Partnerschaft pflegen, mache ich das bei homosexuellen Bekanntschaften auch nicht. Im ersten Fall habe ich lediglich den Vorteil, dass ich mich am eigenen Leben orientieren kann. Im letzteren Fall aber nicht. Da ich ungern über Dinge schreibe, von denen ich keine Ahnung habe, lasse ich es auch. Insbesondere dann, wenn man Gefahr läuft, damit falsche Klischees zu kolportieren oder jemandem zu nahe zu treten. Vielleicht ist das aber auch eine völlig unbegründete Sorge und es gibt gar keine nennenswerten Unterschiede.


      Zum Thema: Happy End oder nicht, bzw. Hörspiele außerhalb von etablierten Konventionen.

      Knifflig: Ich will mich mal wie folgt an das Thema herantasten - aber Vorsicht, dass ist rein subjektiv! Hörspiele, so wie ich sie schreibe, höre ich selber gern. Natürlich gibt es auch Hörspiele, die meine ausstechen, und die bei mir ein "Wow, das will ich auch mal so hinbekommen!" auslösen. Aber es gibt auch das Gegenteil (so, hier wird es subjektiv). Oft begegnet mir das, wenn ich öffentlich-rechtliche Produktionen höre - was daran liegen kann, dass ich ausgerechnet immer solche erwische. Da scheint mir das Gewicht auf viel Anspruch mit wenig Unterhaltungswert zu liegen. Bei mir kommt dann immer das Gefühl von Sperrigkeit und Sterilität auf. Es fehlt mir Leben, Emotion und passende Musik in diesen Produktionen. Wie gesagt, vielleicht erwische ich immer die Falschen. Anspruch und Unterhaltung muss sich doch nicht ausschließen, sondern kann sich gegenseitig ergänzen.

      Zum Thema Happy End: Ich glaube, dass die Dinge ein glückliches Ende nehmen sollen, ist ein Grundbedürfnis von uns Menschen. Man bleibt halt ungern ratlos oder deprimiert zurück. Man wünscht sich den Figuren, mit denen man sich auch ein stückweit identifiziert, ein positives Ende. Bleibt das aus, leidet man selbst. Oft wird dieses persönliche Leid dann auch dem Produkt (Hörspiel) zur Last gelegt und man verurteilt es als schlecht.
      “Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch.” – Erich Kästner / “Kindern erzählt man Geschichten, damit sie einschlafen – Erwachsenen, damit sie aufwachen.” – Jorge Bucay

      -- www.wortwelten.info --
    • Im Großen und Ganzen habe ich "meine" Enden auch gerne gut - oder im Fall von Grusel natürlich ebenso gerne mit noch einem klitzekleinen Endtwist, der vielleicht doch nicht so gut ist ...... ?! :hinterhaeltig:

      Trotz allem würde ich gerne nochmal ein fettes Shakespeare-Hörspiel hören - und mal ab von den Komödien - enden die ja eigentlich alle in sehr vielen Bühnenleichen. Ist halt so. Da käme ich auch nicht auf die Idee, ein sonniges Ende zu verlangen. Bei Macbeth oder Hamlet überleben eben nicht alle Hauptfiguren. Drama, Baby! :green:
      Eins und eins ist zwei -- von London bis Shanghai!

    • Ich finde, dass viele Serien von Günther Merlau ziemlich untypisch inszeniert sind und schon allein daher oftmals sehr originell und spannend wirken.
      Oft wird dabei eine atypische Erzählweise angegangen. Gute Beispiele für den Vertreter Lausch sind "Die schwarze Sonne", "Caine", "Drizzt" und "Hellboy".
      Hier kam im letzten Jahr noch "Head Money" dazu, was auch wieder originell inszeniert wurde und eine recht überraschende Story an Bord hatte.

      Dann gibt es da noch Perlen wie den "Darkside Park", den ich mal aus langer Weile gekauft habe und der mich Folge für Folge in den Bann gezogen hat.
      Diese Art Konzeptserie war damals, soweit mir bekannt, im Hörspielbereich auch eher neu. Eine handvoll voneinander unabhängiger Einzelgeschichten,
      die dann aber nach und nach durch gemeinsame Motive und Nebencharaktere langsam zu einem Bild zusammenwachsen. Das hat mich daher auch
      ziemlich verblüfft und lange nachgewirkt. Hier der Wink zu den Konzept-Nachfolgern "Porterville" und "Die schwarze Stadt".

      "Abseits der Wege" war ein leider kurzlebiges Hörspiel von Volker Sassenberg mit nur 6 Folgen, aber atmosphärisch und storytechnisch ein riesiges Feuerwerk.
      Da kamen immer wieder Überraschungen und Wendungen um die Ecke, mit denen man so nicht unbedingt gerechnet hat.
      Auch war der Umgang mit und die "Abwandlung" bestehender Fantasy-Elemente durch banale aber mystische Wortneuschöpfungen famos.

      Von solchen Serien gibt es leider insgesamt zu wenige. Es gibt zwar eine riesige Auswahl an Hörspielen,
      aber oftmals bewegen diese sich in bekannten Gefilden, fahren etablierte Strassen aus und meiden eher Experimente.
      Kann man oftmals auch gut hören, aber so den großen Knaller hatte ich schon länger nicht mehr auf den Ohren.
      Ich taste mich gerade an "Die schwarze Stadt" heran. Die Serie ist gut, macht aber im Grunde "nichts Neues".
    • Ich kann mich noch gut an das Radio-Hörspiel "Die lange Nacht" (auch bei Goldmann auf MC erschienen) erinnern, das (vermeintlich) mit einem sehr harten Brocken endete.

      Spoiler anzeigen
      Eine Frau steht am Krankenbett ihres Mannes und vermeintlich vor der Wahl, entweder ihn zu töten oder ihren (vermeintlich) entführten Sohn sterben zu lassen. Da dachte ich "Wow, die trauen sich was!" Leider(?) gab es dann aber doch noch einen Nachklapp (der für mich allerdings auch wirkte wie nachträglich reingeschrieben), der der Protagonistin die Wahl abnahm, einen weiteren Charakter als Übeltäter aus dem Hut zog und den Mann schließlich eines natürlichen Todes sterben ließ. Immer noch tragisch, aber ich hätte ein offenes Ende in diesem Fall bevorzugt.


      Ein Symptom der heutigen Zeit ist allerdings, daß viele Leute sich in ihrer Freizeit nicht unbedingt mit den "Sorgen da draußen" befassen wollen und lieber eine "positive" Zerstreuung suchen. Und das wissen eben auch die Macher. Ein "Jack the Ripper" (die Gustavus-Vertonung) ragt zwar aus der Masse hervor, ist aber nun nichts zum "Abschalten nach Feierabend". Ich kenne und schätze Hermann Nabers Raymond Chandler-Zyklus - aber jeden Tag kann ich das auch nicht hören. Ich halte Ivar Leon Menger für einen kreativen Kopf, aber diese ganze "Staffeln" umfassenden Storys voller wiederkehrender Details erfordern die nötige Zeit, um sie auch wirklich zu genießen - und die habe ich nicht oft. Den "Darkside Park", "Porterville" und "Terminal 3" habe ich verschlungen, aber dann hatte ich erst mal genug." Monster 1983" habe ich mir zwar geholt, als die CD-Boxen erschienen, aber sie stehen immer noch ungehört im Regal.
    • Ich mache immer mal aus männlichen Rollen in den Tony Ballard Romane, weibliche Rollen in den Hörspielen z. B. demnächst in Tony Ballard 45.

      Auch habe ich als erstes in einer Dämonenjäger Serie einen dritten Erzähler als wiederkehrende Figur gebracht, die aus der Sicht des Bösewicht erzählt.

      Es sind demnächst auch Figuren bei DreamLand Grusel geplant, die eine körperliche Einschränkung haben.
      www.TS-Dreamland.de - Hörspiele back to the roots

      Tony Ballard - Dreamland Grusel - Andi Meisfeld - Der Trotzkopf
    • Hallo Hardenberg,

      sehr spannendes Thema.

      Ich habe hin und wieder geschrieben, wie schade ich es finde, wie wenig (die Betonung liegt auf „wenig“ nicht „gar nicht“!) sich die Hörspiellandschaft vom Rest der seit Jahren grandiose Blüten treibenden Pop-Kultur inspirieren lässt. Wenn man bedenkt, dass sich bereits in den 80ern ein Herr Francis recht gut an Film-Perlen wie TARANTULA und FORMICULA bedient hat, ist es extrem erstaunlich, dass mir ad hoc aktuell nur 2 Projekte einfallen, die etwas ähnliches gemacht haben: FAITH von BUFFY und MONSTER 1984 vom selben Zeitgeist von dem auch de Macher von STRANGER THINGS beeinflusst wurden.

      Was außergewöhnliche Helden (also zum Beispiel mit körperlichen Einschränkungen angeht), gibt es im Film/Serien-Bereich schon relativ viele Charaktere, die größer dabei sind.

      Eines der herausragendsten Beispiel ist DAREDEVIL. Ein blinder Pivatdetektiv!!

      Im Hörspielbereich fällt mir als vergleichbarer Charakter gerade nur David Gallun ein. Und der spielt nun weiß Gott nicht die Hauptrolle.

      Das mal so als Denkanstoß, da ich jetzt wieder an die Arbeit muss.
    • schelo schrieb:

      Eines der herausragendsten Beispiel ist DAREDEVIL. Ein blinder Pivatdetektiv!!

      Im Hörspielbereich fällt mir als vergleichbarer Charakter gerade nur David Gallun ein. Und der spielt nun weiß Gott nicht die Hauptrolle.
      Peter Lundt?

      Wobei sich dieses Konzept in Filmen besser macht ("23 Schritte bis zum Abgrund", "Die neunschwänzige Katze").
    • Milo schrieb:

      schelo schrieb:

      Eines der herausragendsten Beispiel ist DAREDEVIL. Ein blinder Pivatdetektiv!!

      Im Hörspielbereich fällt mir als vergleichbarer Charakter gerade nur David Gallun ein. Und der spielt nun weiß Gott nicht die Hauptrolle.
      Peter Lundt?
      Wobei sich dieses Konzept in Filmen besser macht ("23 Schritte bis zum Abgrund", "Die neunschwänzige Katze").
      Mein Lieblingshörspiel von N. v. Michalewsky ist "Bei Bildausfall Mord" von 1985, und das hat ebenfalls einen blinden Ermittler als Hauptfigur -- das ist geradezu ein hörspieltechnisches Dream-Set.

      Agatha schrieb:

      Da wird ein bei der Polizei arbeitender Blinder kurzerhand zum "Profiler", weil man mit seiner Hilfe Tonbänder auswerten möchte, um so ein Flugzeugattentat im letzten Moment zu verhindern.
      Auch er muss das, was er hört, ganz genau analysieren und so die Beamten "vor Ort" beim Herausfiltern des richtigen Passagiers unterstützen. Das ist genial spannend gemacht :thumbsup: und neben "Inselfrieden" wohl mein Lieblings-Krimihörspiel von N.v. Michalewsky.
      Diese "akustische Forensik" im Hörspiel ist genial umgesetzt.

      Offizielle Website / Instagram
      Billionäre bauen Festungen -- die Klimakatastrophe ist Realität!
    • Marcus Meisenberg schrieb:

      Lesbische oder schwule Heldinnen/Helden sollten eigentlich völlig normal sein. Da ich in meinem Leben ohnehin der Meinung bin, dass jeder nach seiner Façon glücklich werden sollte, sehe ich hier keinen Grund, warum es überhaupt als etwas "Besonderes" zu erwähnen wäre. Warum habe Ich selbst in meine Hörspiele noch keinen solche Heldin/Helden verwendet, mag sich vielleicht jemand fragen.

      Nun, es ist so. Ich bin mit einer Frau verheiratet und habe zwei Kinder. Ich lebe also in einer heterosexuellen Beziehung. Damit kenn ich mich aus. Ich kenne zwar homosexuelle Paare, aber wie deren Privatleben aussieht (geht mich auch nichts an) weiß ich nicht. So wie ich meine heterosexuellen Bekannten nicht frage, wie sie ihre Partnerschaft pflegen, mache ich das bei homosexuellen Bekanntschaften auch nicht. Im ersten Fall habe ich lediglich den Vorteil, dass ich mich am eigenen Leben orientieren kann. Im letzteren Fall aber nicht. Da ich ungern über Dinge schreibe, von denen ich keine Ahnung habe, lasse ich es auch. Insbesondere dann, wenn man Gefahr läuft, damit falsche Klischees zu kolportieren oder jemandem zu nahe zu treten. Vielleicht ist das aber auch eine völlig unbegründete Sorge und es gibt gar keine nennenswerten Unterschiede.

      Ich würde beim Thema Homosexualität die Frage der persönlichen Einstellung dazu von der Frage, ob und wie homosexuelle Helden in Geschichten funktionieren und vor allem ob die vom Publikum als heterosexuellen Helden ebenbürtig goutiert werden, trennen. Ich denke, dass jeder Mensch das Recht hat, so zu leben, wie er möchte, und sich dafür auch (im Rahmen der Regeln des zivilisierten Miteinanders) auch nicht zu rechtfertigen braucht, dürfen wir getrost als Prämisse annehmen. Es mag noch einige Hinterwälder geben, die das anders sehen, aber die sollen hier bei uns im Hörgrusel und in diesem Thread keine Rolle spielen. :)

      Schieben wir diesen Aspekt beiseite, bleibt jedoch eine interessante Feststellung: Offensichtlich ist es für einen Autoren einfacher, sich in ein Endzeit-Szenario oder Ausnahmezustände im luftleeren Raum bei SciFi-Stories einzufühlen als in homosexuelle Lebensrealitäten. Und ich meine das keineswegs als Vorwurf.

      Ich denke, wir sind alle ein Stück weit gefangen in Stereotypen, die unserem Denken anhaften, selbst wenn wir sie bei Lichte besehen, so überhaupt nicht unterstützen würden.

      Ich denke nämlich, dass es das ist, was da auch mit hineinspielt. Nicht nur bei den Autorinnen und Autoren, sondern vor allem auch bei den Hörerinnen und Hörern.

      Ich erinnere mich, dass André Marx, einer der deutschen Autoren der Buchreihe Die drei ???, vor Jahren mal eine Figur einführte, Jeffrey genannt, die selbst immer nur erwähnt wurde, ein offensichtlich sehr guter Freund von Peter Shaw war und zu so einer Art Running Gag wie Mrs. Columbo aus der Krimiserie mit Peter Falk wurde. Im Übermut stellte Marx dann - im Nachhinein: unvorsichtigerweise - in den Raum, dass Peter ja auch schwul und Jeffrey sein Freund sein könnte.

      Was daraufhin losbrach, war ein regelrechter Sturm der Entrüstung, der sich in der Hauptsache darum kreiste, wie er es wagen könne, die doch mittlerweile klassische Figur von Robert Arthur auf diese Weise zu verändern. Und ich behaupte einmal, dass diejenigen, die dies kritisierten, beinahe allesamt Menschen waren, die privat-persönlich keinerlei Problem mit Homosexualität haben, auch wenn sie selbst es vielleicht nicht sind.
      Solche Dinge könnte man nun natürlich ganz leicht auf Homophobie und Diskriminierung herunterbrechen - und sicherlich wird man dafür auch Indizien finden -, doch nach meinem Empfinden greift das zu kurz und geht am Kern der Sache vorbei, denn die Frage ist ja in erster Linie, was denn so schlimm daran wäre, sich eine Figur wie Peter Shaw schwul vorzustellen.

      Um das zu betonen: Es stand nicht in Rede, die Figur zu einem offensiv seine Sexualität lebenden Charakter zu machen. Rein äußerlich hätte sich nichts geändert. Man hätte als Leser und Hörer einfach nur gewusst, dass es so ist. Auf der Erzählebene hätte da nichts stattgefunden. Und schon allein das war Anlass zu einem Aufschrei. Von Fans, die durchaus nicht alle plump und rückwärtsgewandt sind.

      Und da hinterfrage ich einfach, inwiefern wir alle auch gefangen sind in all diesen Stereotypen, die sich aus unseren Lese-, TV- und Hör-Gewohnheiten über all die Jahre seit unserer Kindheit geradezu in uns eingefressen haben.

      Natürlich kann man sagen, sofern die Sexualität nicht explizit erwähnt wird, kann man sie in die eine oder andere Richtung denken. Es spielt halt keine Rolle. Ebenso verhält es sich mit den Hautfarben. Eine Figur muss nicht zwangsläufig völlig anders funktionieren, nur weil sie dunkelhäutig ist. Klar mag es da Aspekte geben, die eine solche Figur unterscheiden mag von anderen Figuren mit anderem Hintergrund, aber oft sind die Hintergründe eben auch nicht so verschieden, bzw. jeder trägt sein Päckchen, und es ist nicht immer notwendig, dies auf der Oberfläche einer fiktiven Handlung aufscheinen zu lassen oder gar zu problematisieren. Echte Normalität wäre ja gerade, es eben nicht wieder an Schwierigkeiten zu knüpfen, sondern "wie selbstverständlich" erscheinen zu lassen, ohne dass es zu sehr in den Fokus rückt.

      Wo das meines Erachtens sehr gut gelungen ist, ist Heliosphere 2265, wo sich im Grunde wie nebenher eine lesbische Beziehung entwickelt, die einfach geschieht. Niemand hat da Probleme mit dem Coming out, die Frauen werden auch nicht ausgegrenzt oder in Frage gestellt oder das Thema in irgendeiner anderen Weise problematisiert. Da finden sich halt zwei, kommen sich näher - und gut ist. Und ich als Hörer, der weder Frau noch lesbisch ist, höre das, und es rührt mein Herz, weil es so selbstverständlich erzählt ist, dass diese Liebesgeschichte quasi "universell" ist.

      Gleichzeitig gibt es in derselben Serie aber auch genügend heterosexuelle Beziehungen, die übrigens ebenso selbstverständlich erzählt werden. Sie stehen alle gleichberechtigt nebeneinander. Ich hebe die eine jetzt hervor, um auf ein Exempel zu verweisen, handlungsintern gibt es keinen Unterschied. Da hat also ein Autor das Bravourstück geschafft, etwas Normales normal erscheinen zu lassen, obwohl es ein Stück weit leider noch immer den Hörspiel-Konventionen widerspricht. Klingt banal, ist es aber ganz und gar nicht, wie ich finde. Dieser Serie gelingt das übrigens auch auf einer anderen Ebene hervorragend: Indem sie nämlich zu einem wesentlichen Teil Frauen zu tragenden Elementen der Handlung macht - Frauen, die eben nicht nur Männer flankieren, sondern im Grunde das Fundament des Ganzen sind. Es sind eher die Männer, die in sich zerrissen, oft zaghaft oder sogar schwach wirken. Das tun die Frauen zwar auch, aber sie scheinen es doch im Ganzen besser zu schaffen, über sich hinauszuwachsen und anzupacken.
      Eine solche Stellung von verschiedenen, prägnanten und vor allem auch unverwechselbaren Frauenfiguren habe ich so in der Hörspielwelt noch nicht gehört.

      Der Vorteil mag hier sein, dass wir es mit SciFi und somit mit einer zukünftigen Welt zu tun haben. Hier mögen die Hörer per se aufgeschlossener sein - oder wenigstens eine solche Normalität auch in der Fiktion, auch im Hinblick auf die Konsumgewohnheiten von Geschichten, selbstverständlicher nehmen.

      Aber wenn wir uns das normale Action- und/oder Horror-Genre mal vornehmen. Einen Helden vom Schlage eines Foster oder Dorian Hunter. Der dann zwischen seinen Fällen mit einem ebenso schlagkräftigen Partner in Leidenschaft entbrennt? Schwer vorstellbar, dass das von der breiten Masse der Hörerinnen und Hörer angenommen würde. Aber nicht weil all diese Menschen Steinzeitmenschen wären (da mögen einzelne darunter sein), sondern weil es eben eklatant unserer doch sehr festzementierten Vorstellung vom männlichen Helden zuwiderläuft - und dieses Stereotyp ist ja deutlich älter als wir selbst.

      Die Frage ist nun: Könnte so etwas gelingen?
      Könnte man sich einen schwulen Helden vorstellen?

      Natürlich kommt es dabei auch immer auf die Art der Geschichten an. Je mehr Freiheit ein Genre von Vornherein bietet, je weniger es nach althergebrachten Prinzipien funktioniert, desto besser könnte so etwas funktionieren.

      Und da scheint mir der Knackpunkt zu liegen: Im Bereich des kommerziellen Hörspiels scheinen mir halt die Ansätze, die von den gewohnten, eingetretenen Pfaden, wo an stereotype Vorstellungen und etablierte Erzählstrukturen angedockt wird, abweichen, doch eher rar gesät zu sein, und der Markt dürfte so umkämpft sein, dass die Neigung, diesbezüglich mal etwas Neues auszuprobieren, aufgrund der Furcht, damit zu scheitern, eher gering ausgeprägt ist.

      Dabei geht es auch gar nicht allein um das Thema Homosexualität, das wir jetzt hier exemplarisch genommen haben, sondern um verschiedene denkbare Abweichungen von den Hörspiel-Konventionen. Wir müssen also nicht auf diesen speziellen Punkt fokussieren.



      Marcus Meisenberg schrieb:

      Zum Thema: Happy End oder nicht, bzw. Hörspiele außerhalb von etablierten Konventionen.

      Knifflig: Ich will mich mal wie folgt an das Thema herantasten - aber Vorsicht, dass ist rein subjektiv! Hörspiele, so wie ich sie schreibe, höre ich selber gern. Natürlich gibt es auch Hörspiele, die meine ausstechen, und die bei mir ein "Wow, das will ich auch mal so hinbekommen!" auslösen. Aber es gibt auch das Gegenteil (so, hier wird es subjektiv). Oft begegnet mir das, wenn ich öffentlich-rechtliche Produktionen höre - was daran liegen kann, dass ich ausgerechnet immer solche erwische. Da scheint mir das Gewicht auf viel Anspruch mit wenig Unterhaltungswert zu liegen. Bei mir kommt dann immer das Gefühl von Sperrigkeit und Sterilität auf. Es fehlt mir Leben, Emotion und passende Musik in diesen Produktionen. Wie gesagt, vielleicht erwische ich immer die Falschen. Anspruch und Unterhaltung muss sich doch nicht ausschließen, sondern kann sich gegenseitig ergänzen.

      Zum Thema Happy End: Ich glaube, dass die Dinge ein glückliches Ende nehmen sollen, ist ein Grundbedürfnis von uns Menschen. Man bleibt halt ungern ratlos oder deprimiert zurück. Man wünscht sich den Figuren, mit denen man sich auch ein stückweit identifiziert, ein positives Ende. Bleibt das aus, leidet man selbst. Oft wird dieses persönliche Leid dann auch dem Produkt (Hörspiel) zur Last gelegt und man verurteilt es als schlecht.

      Zu den Produktionen des ÖRR: Ich kann Deine Vorbehalte nachvollziehen, nicht selten entspricht das sicherlich auch der Wahrheit, aber es gibt auch andere Produktionen, die durchaus unterhalten wollen - und manche davon sind sogar intelligent und unterhaltsam. :zwinker: Stellvertretend seien hier mal von mir Seerauch und Caiman Club genannt. Aber auch einige meiner absoluten Lieblingshörspiele sind Produktionen des ÖRR - Der Name der Rose, Der talentierte Mr. Ripley, Das Bildnis des Dorian Gray, die Hercule Poirot-Hörspiele mit Felix von Manteuffel. Denen kann man sicherlich nicht ihren Unterhaltungswert absprechen, wenn man grudsätzlich solchen Themen gegenüber aufgeschlossen ist. Und dann sind da auch noch Stoffe wie Die Infektion oder The Cruise, die wirklich als "pure" Unterhaltung durchgehen. Um nur mal ein paar zu nennen. Sie zu kennen, macht das Leben und das Denken sicherlich reicher. :)

      Was das Happy End angeht, so stimmt das natürlich: Man hat ein Bedürfnis nach einem Happy End. Aber auch da könnte man hinterfragen, ob das nicht auch so etwas wie eine Konvention ist, die eigentlich nicht zwingend wäre, sondern geprägt ist durch unsere Erfahrung mit dem Gros der Geschichten.

      @gruenspatz verweist mit Recht auf Shakespeare. An den Theatern gibt es eine andere Tradition. Aber im Bereich der Unterhaltungsliteratur, der ja das Unterhaltungskino, das Unterhaltungs-TV und auch die Unterhaltungs-Hörspiele wohl maßgeblich entstammen dürften, ist das Happy End im Grunde schon eine Pflicht, die erst durchbrochen wurde mit Geschichten, wie sie seinerzeit Roald Dahl für Küsschen, Küsschen erfand und deren Prinzip von Serien wie Alfred Hitchcock presents usw. bis heute in Hörspielserien wie die Midnight Tales von @Contendo Einzug fand. Da ist ja gerade der Entzug des Happy Ends zu einer neuen Konvention geworden, die dann in einigen Ablegern wie Mord in Serie oder MindNapping dann echte Blüten trieb, indem man auf Kosten der handlungsinternen Plausibiliät oft zu doppelten Twistes griff, um der Hör-Erwartung denn doch noch zuwiderlaufen zu können. Diese Schraube ließe sich natürlich endlos weiterdrehen. Die Frage ist halt nur, ob dabei gute Geschichten rauskommen.

      Insofern gibt es für einzelne Genres diese Pflicht zum Happy End so nicht mehr.
      Aber natürlich muss man fragen, wo eine Abweichung tatsächlich auch passt.
      Und da sind wir natürlich immer auch über kurz oder lang bei der Frage, was eine Geschichte/eine Serie überhaupt sein will. Und was sie sein kann.
      Bei einem Cosy Krimi geht es natürlich eher nicht darum, Hör-Erwartungen zu verblüffen. Natürlich soll die Geschichte originell sein. Aber sie soll es sein innerhalb des festen, etablierten Rahmens. Und nach einem ähnlichen Prinzip mögen Geschichten wie John Sinclair funktionieren.

      Bestimmte Themen und Genres tragen wohl eine eher strengere Erwartungshaltung schon in sich. Ebenso wie vielleicht bestimmte Labels und Hörspielmacher. Ich glaube, bei einem Haus wie maritim oder einem Macher wie @Thomas Birker (DLP), der ja selbst das Mantra Back to the roots pflegt, hat man eher eine festere Erwartungshaltung in Bezug auf ein Hörspiel als vielleicht bei Leuten wie Döring oder Göllner, die eher auch dafür stehen, Konventionen hin und wieder zu brechen, Neues, Anderes zu versuchen, oder auch den Ohrenkneifern, bei denen das "Andere" im Grunde so etwas wie der USP ist. Bei Letzteren greift man ja sogar, so denke ich, hauptsächlich zu, WEIL sie eine andere Art von Hörspielen machen.

      Ich finde, wenn eine Geschichte sehr intensiv ist, sie also emotional aufzuwühlen vermag, wenn es gelingt, mir die Charaktere nah ans Herz zu bringen und vielleicht auch ernsthaftere Fragestellungen aufzuwerfen, die jetzt über die reine unterhaltsame Handlungsebene hinausweisen, dann kann der Verzicht auf ein Happy End eine ungemeine Bereicherung sein, denn dann bleibt man mit einem fetten Kloß im Hals zurück, die Geschichte wirkt nach und bleibt in Erinnerung gerade wegen dieser Traurigkeit, mit der wir uns zum Ende hin von ihr und den Protagonisten verabschieden mussten.

      Da aber solche Geschichte im kommerziellen Bereich eher sehr selten erzählt werden, sind solche Enden natürlich in der Mehrzahl der Plots unpassend.

      Wenn ich aber mal an den Freischütz vom Gruselkabinett zurückdenke, dann war es gerade das tragische Ende, das mich besonders ergriffen hat. Oder beim Ring des Thot. Rappaccinis Tochter. Der Glöckner von Notre Dame. Oder Die Familie des Vampirs. Das sind alles Beispiele, wo das Ausbleiben eines Happy Ends nicht nur passt, sondern die ganze Geschichte, die davor erzählt wird, bereichert und so besonders macht. Nach allem, was vorher erzählt wurde, hätte ein Happy End für mich bedeutet, die Story zu banalisieren. Die richtig guten Geschichten sind halt oft auch wie das Leben selbst: Und das Leben kennt im Grunde keine Happy Ends, so bitter diese Einsicht auch sein mag.

      Aber hier mag der Vorteil sein, dass die Vorlagen aus der Welt der Literatur stammen und nicht exklusiv für das Hörspiel erdacht wurden. Dann wären sie wahrscheinlich anders verlaufen nach hinter raus, könnte ich mir denken.
    • Milo schrieb:

      schelo schrieb:

      Eines der herausragendsten Beispiel ist DAREDEVIL. Ein blinder Pivatdetektiv!!

      Im Hörspielbereich fällt mir als vergleichbarer Charakter gerade nur David Gallun ein. Und der spielt nun weiß Gott nicht die Hauptrolle.
      Peter Lundt?

      Ja, an den musste ich auch sofort denken, und der ist für mich tatsächlich ein Fall von bewusstem Brechen der Hörspiel-Konventionen. Und gerade diese andere Art von Held, aus der sich ja auch eine Menge Komik ergab, fand ich bei dieser Serie so äußerst spannend.

      Aber hier haben wir natürlich mal wieder einen Fall, bei dem sich im Grunde alle einig sind, dass die Idee total supi ist - aber am Ende war diese Serie ganz offensichtlich nicht so erfolgreich, als dass sie über eine doch eher überschaubare Episodenzahl hinausgelangt wäre.

      Waren also die Geschichten so langweilig?
      Oder tat sich das Gros der Hörspielhörer am Ende doch zu schwer mit einem blinden Detektiv?


      Milo schrieb:

      Ein Symptom der heutigen Zeit ist allerdings, daß viele Leute sich in ihrer Freizeit nicht unbedingt mit den "Sorgen da draußen" befassen wollen und lieber eine "positive" Zerstreuung suchen.

      Ja, da mag wirklich etwas dran sein.

      Welches ist die Funktion, die ein Hörspiel für den Hörer übernimmt. Soll es anregen, womöglich auch zum Denken? Oder soll es entspannen?
      Soll es Sich-zurücksinken-Lassen auslösen oder ein Sich-inspirieren-Lassen?
      Beides ist völlig legitim, gebiert aber im Zweifel völlig unterschiedliche Arten von Hörspielen, die unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten unterliegen.

      Klar, wenn ich nach einem superstressigen Tag einfach in einer "Wohlfühl-Atmosphäre" gleiten möchte, um zu entspannen und neue Kräfte zu tanken, dann mögen ein offenes Ende oder ein schwuler Peter Shaw oder ein blinder Detektiv, der mich indirekt mit meiner eigenen physischen Verletzlichkeit konfrontiert (denn ich identifiziere mich ja mit ihm), meinem Bedürfnis zuwiderlaufen.

      Wenn ich dagegen Zerstreuung darin suche, überrascht zu werden, mag ich das anders sehen.
    • Hardenberg schrieb:

      Waren also die Geschichten so langweilig?
      Oder tat sich das Gros der Hörspielhörer am Ende doch zu schwer mit einem blinden Detektiv?
      Wobei es im Falle dieser Serie nicht nur an schlechten Absatzzahlen lag, dass sie eingestellt wurde, sondern tatsächlich auch daran, dass den Machern die Ideen für neue Skripte ausgegangen waren.
      Hier schrieb ja "nur" Arne Sommer, und die Stories hatten ein - für mein Empfinden- recht hohes Niveau. Sowas schütteln halt die wenigsten Autoren endlos aus dem Ärmel.
      Vielleicht befürchtete man daher, dass weniger gute Geschichten zu noch weniger guten Verkaufszahlen führen würden.
      Also lieber aufhören, "wenn es am schönsten" ist?
      Wobei ich mir wirklich keinen Reim darauf machen kann, warum die Serie scheinbar an Beliebtheit eingebüßt hatte.
      Ob einigen da doch die "Actionszenen" fehlten?
      Zumal es ja selbst die - in Maßen - gibt und es auch immer mal wieder ganz ordentlich zur Sache geht.
      Trotzdem zu "cosy" gewesen, man hat an den Charakteren "überhört", oder ist damals gerade zuviel anderes auf den Markt gekommen, was die Serie verdrängt hat?
      Tja... :gruebel: :schulter:
    • Wobei natürlich auch die Frage ist, ob man da immer auch hundertprozentig offen und ehrlich kommuniziert - oder ob es nicht einfach auch besser klingt, dass man aufgrund des Mangels guter Ideen aufhört, wenn eigentlich der Absatz nicht stimmt. Ich sag mal so: Das wäre ja löblich, aber ich kann mir schwer vorstellen, dass es der Inspiration des Autoren nicht doch zuträglich gewesen wäre, wenn die Serie ein absoluter Bestseller gewesen wäre. :zwinker:
    • Hardenberg schrieb:

      Wobei natürlich auch die Frage ist, ob man da immer auch hundertprozentig offen und ehrlich kommuniziert
      Nun, ich sags mal so - und das ist ganz ohne jede Wertung gemeint, denn ich habe ja auch keinen Grund, für irgendwen den "Fürsprecher" zu spielen - aber das weiß man ja nie. ;)


      Ein "Ende im Schmerz" ist in der Regel nicht unbedingt das, was ich mir wünsche, sage ich ganz ehrlich.
      Tränen am Ende eines Hörspiels oder einen Kloß im Hals brauche ich eigentlich nicht. :pfeifen:
      Ich habs wesentlich lieber, wenn sich alles zumindest einigermaßen in Wohlgefallen auflöst und man nicht komplett betreten zurückbleibt.

      Mir fällt da so spontan "Ein Job wie jeder andere" (RRR Audiovisuelle Medien) ein, wo die Geschichte ja aus Sicht des gedungenen Berufskillers erzählt wird.
      Das ist auch eine sehr andere Herangehensweise, die mir persönlich aber nicht gefiel, auch wegen des doch sehr krassen Inhalts (Vergewaltigung, Mord an einer komplett Unschuldigen, quasi als "Kollateralschaden"... :pinch: :pfeifen: )
      So etwas mag länger im Gedächtnis bleiben - und natürlich tun das bei mir die Hörspiele, die sehr negativ enden oder bei denen man unerwartet stark emotional mitgenommen wird. Aber das sind nicht die Stoffe, die ich forciere.
      Hin und wieder mal, oookay, alllerdings nicht zu oft. :zwinker:

      Hörspiele, die aus dem Blickwinkel eines Verbrechers erzählt werden, gibt es ja aber noch häufiger.
      So z.B. auch in den "Parker"-Radioproduktionen, die der WDR derzeit als DLs zur Verfügung stellt (siehe u.a. hier.
      Da habe ich bisher noch erst eine Folge von gehört, die gefiel mir schon mal nicht schlecht.
      Wobei es sich bei dem Charakter aber nicht um einen durch und durch bösen Schurken handelt, sondern um jemanden, der sein Gegenüber auch durchaus respektiert und unnötige Brutalität vermeidet.

      Hardenberg schrieb:

      Als Beispiele sind etwa Heldinnen und Helden denkbar, die auch nach heutigen Maßstäben noch ungewöhnlich wirken und unseren Seh- und Hörerfahrungen zuwiderlaufen.
      Für mich kein schlechtes Beispiel wären da auch die "Helden" aus "Fallen".
      Ein kleines Mädchen mit übernatürlichen Fähigkeiten, dazu eine ganze Reihe "Engel" bzw Mischwesen. :zwinker:
      Das hatte Potential - und da hätte ich mir wirklich sehr eine Fortsetzung gewünscht, auch wenn mich der offene Schluss der ersten Staffel ein bisschen enttäuscht hat.