Gruselkabinett - 168 - Das tote Brügge

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen zum Thema Cookies finden Sie hier und in unserer Datenschutzerklärung

    • Gruselkabinett - 168 - Das tote Brügge

      Gruselkabinett – 168. Das tote Brügge



      Nach dem Tod seiner geliebten Frau hat sich Hugo Viane nach Brügge zurückgezogen, auch nach fünf Jahren hat er den Schicksalsschlag noch nicht verkraftet und allen Lebensmut verloren. Bei einem seiner abendlichen Spaziergänge stößt er mit Jane Scott zusammen, die ihn unverkennbar an die verstorbene Geliebte erinnert, verliert sie in der dunklen Nacht aber schnell wieder aus den Augen. Doch in den kommenden Tagen kann er an kaum noch etwas anderes denken als die geheimnisvolle Frau…

      Zum ersten Mal in der mittlerweile 168. Episoden umfassenden Hörspielreihe „Gruselkabinett“ von Titania Medien wurde nun eine Geschichte von Georges Rodenbach umgesetzt, die im belgischen Brügge angesiedelt ist und viel von der Atmosphäre der Stadt atmet. Inhaltlich bestens dazu passend ist der Umgang der Hauptfigur mit dem Tod seiner Frau und einer Obsession für eine ihr ähnlich sehende Frau, was einerseits natürlich einige dramatische und emotionale Momente sorgt, andererseits aber auch eine unheimliche Geistergeschichte erzählt – jedenfalls im späteren Verlauf der Handlung. Diese lässt sich zunächst sehr viel Zeit, Hugo Viane vorzustellen, seine tiefe Schwermut erlebbar zu machen und zu beschreiben, wie eng er noch mit der Verstorbenen verbunden ist. Auch nach der ersten Begegnung mit der geheimnisvollen Frau, die definitiv einen Wendepunkt in der Handlung darstellt, wird langsam und bedächtig weitererzählt, was viele feine Facetten erlaubt - die Laufzeit der Produktion von über 85 Minuten deutet bereits darauf hin. Ganz zu Beginn ist anzumerken, dass zudem viele Monologe zu hören sind, der Erzähler und Hugo wechseln sich dabei zwar ab, dennoch ist nur wenig Interaktion eingebaut. Dazu muss man als Hörer einen Hang haben, ebenso wie für die poetische, feinsinnige Sprache, altertümlich, aber sehr eingängig, was für eine sehr besondere, intensive Stimmung sorgt. Im letzten Drittel nehmen dann auch die unheimlichen Momente mehr Raum ein und sorgen für mehr Spannung, ansonsten zeichnet sich dieses Hörspiel aber eher durch den Genuss des Augenblickes denn durch eine packende Handlung aus.

      Michael Che-Koch ist in der Rolle des Hugo Viane zu hören, wobei er die Melancholie und die Todessehnsucht der Figur, später aber auch die neu gefasste Leidenschaft oder den aufkommenden Schrecken sehr gekonnt umsetzt und so eine facettenreiche Figur erschafft. Sehr abwechslungsreich spricht auch Eva Michaelis, bringt mal viel Energie und eine rüstige Art, dann aber auch eine zarte oder melancholische Sprechweise mit ein, was mir sehr gut gefallen hat. Peter Weis ist – wie in vielen anderen der aktuellen Episoden des Gruselkabinetts – als Erzähler zu hören und erschafft mit seiner angenehm rauen Stimme und seiner ruhigen, intensiven Art die poetischen Texte sehr gut zur Geltung und überzeugt mit seiner kraftvollen Betonung. In weiteren Rollen sind Herma Koehn, Dina Fischer und Ingeborg Kallweit zu hören.

      Die klassische Musik, die ja auch in der Geschichte eine wichtige Rolle spielt, wird auch in der Umsetzung gelungen eingebaut und sorgt mit vielen harmonischen Klaviermelodien für eine dichte Stimmung, besonders in den vielen eher ruhigen Momenten sorgt diese für eine passende Begleitung. Die spannenderen oder unheimlichen Momente sind mit anderen, ebenso passenden stimmungsvollen Elementen umgesetzt, ebenso wie auch die Geräuschkulisse wieder eingängig umgesetzt wurde.

      Die Ähnlichkeit von Hugos verstorbener Frau und seiner Affäre Jane Scott wird auf dem Cover gelungen dargestellt, der eine Kopf geisterhaft durchscheinend, der andere real und mit ebenso feinen Gesichtszügen. Davor sind einige Häuser der belgischen Stadt zu sehen, was gemeinsam sehr gut zueinander passt und wieder mal eine ganz andere Farbstimmung in die bisherige Covergalerie, welche auch sehr gut zu der vorherrschenden Atmosphäre des Hörspiels passt.

      Fazit: „Das tote Brügge“ ist sehr langsam erzählt, ist in weiten Teilen recht monologisch erzählt (selbst wenn sich Erzähler und Hauptfigur gelungen ergänzen) und lassen unheimliche Momente erst recht spät aufkommen. Doch die poetische Sprache, die tiefgreifende Charakterzeichnung und die melancholische Stimmungen sorgen für einen hörenswerten Gesamteindruck – sofern man sich auf die sehr langsame Erzählweise einlassen kann.

      VÖ: 26. Februar 2021
      Label: Titania Medien
      Bestellnummer: 9783785783160
      :besserwisser:


    • Gruselkabinett - 168 - Das tote Brügge

      Zum Inhalt:
      Hugo Viane ist nach Brügge gezogen, da diese triste, desolate Stadt seiner Trauer um die über alles geliebte, verstorbene Ehefrau perfekt entspricht.
      Fünf Jahre lang fließt sein Leben ebenso grau und ereignislos dahin, wie das Wasser in den Grachten, bis er eines Tages einer Ballerina begegnet, die seiner toten Frau bis aufs Haar gleicht. Fasziniert umwirbt Viane die Tänzerin, und als sie schließlich einwilligt, seine Geliebte zu werden, blüht er auf, wie eine frisch begossene Blume. Sein Glück scheint zunächst perfekt, doch nach und nach beginnt er Unterschiede zwischen der Maitresse und der von ihm so verehrten Toten festzustellen...

      Zur Produktion:
      Mit der vorliegenden Folge hat Titania Medien einen ganz besonderen Roman vertont. Die von dem belgischen Dichter und Schriftsteller Georges Raymond Constantin Rodenbach (16.07.1855 - 25.12.1898) verfasste Erzählung "Bruges-la-Morte", so der französische Originaltitel, erschien erstmals vom 04.-14.02.1892 als Fortsetzungsroman im "Le Figaro", der bedeutendsten Tageszeitung Frankreichs, und gilt als Hauptwerk des Autors. Rodenbach war zunächst als Rechtsanwalt tätig, gab diesen Beruf jedoch wegen Unwirtschaftlichkeit 1886 auf und nahm noch im selben Jahr eine Stellung als Sekretär der Zeitschrift „Le Progrès“ an. Bereits zwei Jahre später wurde die Publikation eingestellt, und Rodenbach bekam die Möglichkeit, für die damals wichtigste katholische Tageszeitung „Journal des Bruxelles“ als Korrespondent tätig zu werden. Nur sechs Jahre nach Erscheinen seines Hauptwerks verstarb er an einer akuten Blinddarmentzündung. Rodenbach gilt als Schriftsteller des Symbolismus, einer Kunstströmung des späten 19. Jahrhunderts, bei der es darum ging, darzustellen, ohne direkt zu zeigen. Auch bei "Bruges-la-Morte" sollte der Leser anhand der vielen, häufig eindeutigen Umschreibungen selbst erkennen, was gemeint war. Ganz ohne Richtlinie wollte der Autor sein Publikum aber wohl doch nicht lassen, und so machte er bereits in seinem Vorwort deutlich, daß es unter anderem um "die Stadt als Hauptfigur, verbunden mit den Gemütszuständen, die berät, abbringt, zum Handeln anregt“, ginge. Brügge, mit seinen verlassenen Straßen, düsteren Kanälen, stummen Häuserfassaden sowie dem ständigen Nebel und Nieselregen, steht dabei symbolisch für den melancholischen, gebrochenen Gemütszustand des Protagonisten Hugues Viane.
      Die erste deutsche Übersetzung des Romans erschien 1903 und stammt von Friedrich von Oppeln-Bronikowski (07.04.1873 - 09.10.1936), einem deutschen Schriftsteller, Übersetzer, Herausgeber und Kulturhistoriker. Bei seiner Übersetzung ging er allerdings recht weit, so daß er unter anderem den Namen des Protagonisten Hugues Viane zu Hugo eindeutschte. Nichtsdestotrotz ist es diese Version, die Marc Gruppe als Grundlage für sein Hörspielskript benutzt hat, auch wenn es 2003 und 2005 zwei weitere Übersetzungen ins Deutsche gab.
      Das Potential dieser Geschichte war schon Rodenbach bewusst. 1894 wandelte er die Handlung zu dem Drama "Le Voile" ("Die stille Stadt") um, und 1920 diente das Buch dann dem Komponisten Erich Wolfgang Korngold (29.05.1897-29.11.1957) als Vorlage für die von ihm geschriebene Oper "Die tote Stadt". Daß dieses Werk auch den Kriminalroman "D'entre les morts" ("Von den Toten auferstanden", 1954) der französischen Autoren Pierre Boileau und Thomas Narcejac, 4 Jahre später verfilmt durch Alfred Hitchcock als "Vertigo - Aus dem Reich der Toten", beeinflusst hat, ist mehr als wahrscheinlich, da inhaltliche Parallelen durchaus vorhanden sind.
      Doch zurück zum Hörspiel. Trotz der üppigen Laufzeit von fast 87 Minuten, sah sich Skriptautor Marc Gruppe gezwungen, etliche Passagen des Romans zu streichen. Das betrifft vor allem diverse Beschreibungen. Beispielsweise ist Hugos Kirchenbesuch stark gekürzt worden, und die Schilderungen der Umgebung, also der Gräber und der Kirche, sind auf ein Minimum reduziert. Das gilt auch für Barbes Kirchenbesuch, die umfassende Darstellung der Prozession, Hugos Erschütterung angesichts der alten Bilder sowie den Verweis auf das Schwanenpaar und Barbes ausführliche Putzarbeit.
      Gruppe hat ja eine Vorliebe für die zeitliche Einordnung der Geschichten, und die von ihm hier festgesetzte Verortung in das Jahr 1892 deckt sich einmal mehr mit dem Erscheinungsjahr der literarischen Vorlage. Interessanterweise verändert er auch die sprachliche Zeitform vom Perfekt in Präsens. Dieser Kniff lässt das Geschehen aktueller wirken und sorgt dafür, daß der Hörer tiefer in die Handlung eintaucht. Allerdings relativiert sich dieser Aspekt insofern, als daß der Skriptautor ausnahmsweise auch die heutzutage altertümlich anmutenden Vokabeln wie "Sprengwedel", "Sonntagsstaat" und "Weibsperson" beibehält und auf eine Modernisierung der Sprache weitgehend verzichtet. Apropos Wortwahl, wie schon erwähnt, ist die Geschichte durch von Oppeln-Bronikowski eingedeutscht worden, und aus diesem Grund wirkt der einmalige Gebrauch des Ausdrucks "Monsieur", statt des ansonsten durchgehend verwendeten "Herr", wie ein Fremdkörper.
      Insgesamt gesehen, handelt es sich hier aber um eine quasi wörtliche Adaption, wobei etliche Passagen des Erzähltextes entweder als innere Monologe oder Dialoge zwischen den Figuren verlaufen, um den Hergang flüssiger bzw. hörgefälliger zu gestalten. Zu diesem Zweck hat Marc Gruppe außerdem ein paar Kleinigkeiten zugunsten eines "dramatischeren" Ablaufs verändert. Das tangiert beispielsweise das erste Zusammentreffen von Hugo und Jane. Bei Rodenbach sieht Hugo Jane nur von fern, während er hier gedankenversunken mit ihr zusammenstößt. Ebenfalls abgewandelt ist die Art und Weise, wie Hugo Informationen zu Jane erhält. Im Roman heißt es dazu lapidar:"Hugo hatte sich schnell über sie erkundigt." Bei Gruppe dagegen bekommt er diese Auskünfte durch ein Gespräch mit einem anderen Opernbesucher. Neu hinzugefügt ist eigentlich nur eine Szene am Ende. Während Rodenbach den Leser mit einer düsteren Beschreibung des stammelnden Hugos entlässt, hat hier Barbe noch einen kurzen Auftritt. Ich fürchte, die meisten Hörer werden von dieser Folge ein wenig irritiert sein. Zwar steuert auch diese Geschichte letztendlich auf einen Höhepunkt zu, doch eigentlich ist hier der Weg das Ziel. Statt daß das Grauen langsam aufgebaut wird, um sich dann in einem Höhepunkt zu entladen, ist es hier die von vorneherein etablierte morbide Grundstimmung, die den Hörer die gesamte Laufzeit über begleitet und für eine entsprechende düstere Atmosphäre sorgt. Das durchaus drastische Ende kommt dementsprechend auch nicht überraschend, sondern geradezu vorhersehbar.
      Daß die Geschichte nicht besonders gut gealtert ist, liegt an zwei Umständen. Erstens ist die heutige Zeit zu schnelllebig, als daß sich eine breite Masse noch mit der Kunstrichtung "Symbolismus" beschäftigen würde, und zweitens ist unser heutiges Bild von Brügge ein ganz anderes. Wer einmal dort war, der weiß, wie schön die Stadt ist und welchen Charme sie hat. Witzigerweise war es aber genau dieser für uns heute "altertümliche", Ende des 19. Jahrhunderts aber populäre Roman, der dafür sorgte, daß damals vermehrt Touristen in die Stadt kamen, um sich die Handlungsorte anzusehen. Auf diese Weise erreichte das heruntergekommene Brügge einen gewissen Wohlstand, der wiederum dazu führte, daß die Stadtväter umfangreiche Sanierungen vornehmen konnten. Wer nun das Hörspiel mit dem Roman vergleichen möchte, findet die hier verwendete Übersetzung im Internet unter projekt-gutenberg.org/rodenbac/totebrue/totebrue.html.
      Um die grenzenlose Tristesse noch zu unterstreichen, haben sich die Produzenten und Regisseure Stephan Bosenius und Marc Gruppe dazu entschlossen, Hugos Wanderungen durch das zerfallende Brügge mit einer sanften, melancholischen Melodie zu begleiten. Als Hugo jedoch wuchtvoll mit Jane zusammenstößt, ändert sich auch die Musik, und eine orchestral anmutende Weise akzentuiert das physische Aufeinandertreffen der beiden. Besonders gut gefallen haben mir das Opernstück aus "Robert der Teufel", von Giacomo Meyerbeer und die Abschlussmelodie, die mich unwillkürlich an einen Friedhof denken ließ. Passend zum zeitlichen Handlungsrahmen, sind hier überwiegend klassische Instrumente, wie Klavier, Geige und diverse Blasinstrumente zu hören. Lediglich die düsteren, tiefen und teilweise langgezogenen Töne sind mit Hilfe eines Synthesizers erzeugt worden. Natürlich ist eine überzeugende Geräuschkulisse in jedem Hörspiel wichtig, aber bei dieser Geschichte schlichtweg essentiell. Dementsprechend üppig setzen Bosenius und Gruppe eine Vielzahl an immer natürlich klingenden Tönen ein. So beschränken sich beispielsweise die geschmackvoll umgesetzten Liebesszenen auf lustvolles Stöhnen der Agierenden. Akustisches Highlight ist für mich das Blättern in der Zeitschrift, welches man bereits in der Eingangsszene hört. An sich nichts außergewöhnliches, mag man zunächst meinen, aber es besteht tatsächlich ein hörbarer Unterschied zwischen dem Blättern in einer Zeitung und dem in einer Zeitschrift. Eine nicht gerade kleine Herausforderung stellt die akustische Skizzierung des heruntergekommenen Brügge dar. Um die ehemalige Handelsstadt mit ihren zahlreichen Kanälen für den Hörer erfahrbar zu machen, sind beispielsweise die Schrittgeräusche mit einem leichten Hall unterlegt, der dem Widerhall von den Hausmauern entspricht. Darüber hinaus ist noch ein ruhig fließender Fluß vernehmbar, auf dem ab und zu Enten aufgeregt vor sich hin schnattern. Wie es sich für ein Gruselhörspiel gehört, bekommt man nicht nur u.a. ein nahendes Unwetter, inklusive krachenden Blitzen, Donner und starkem Regen, sondern auch heulenden Wind und krächzende Krähen präsentiert. Ein wesentliches Element des Romans, dessen sich die Produzenten natürlich ebenfalls bewusst sind, ist das (auch im Hörspiel) ständig zu hörende Läuten der vielen verschiedenen Kirchenglocken der Stadt. Dieses Geräusch wird, neben dem Aufruf zum Gebet bzw. dem Appell, in die Kirche zu kommen, oftmals mit Beerdigungen und somit dem Tod assoziiert.
      Ich bin immer wieder erstaunt, wie unterschiedlich man doch Halleffekte einsetzen kann. Da ist zunächst der Nachhall der Stimmen innerhalb des Hausflurs bzw. innerhalb des Klosters, um die Größe der jeweiligen Räumlichkeiten darzustellen. Zusätzlich gibt es aber noch einen unterschiedlich laut eingespielten Effekt, der dafür sorgt, daß man als Hörer glaubt, die verschiedenen Stimmen kämen von allen Seiten und würden sich erst nähern, um sich dann wieder zu entfernen. Einen wiederum ganz anderen Eindruck hinterlässt der weit ausufernde Hall, mit dem das boshafte Frauenlachen verfremdet wurde. Dieser kann wahlweise in Zusammenhang mit der Vergangenheit, oder wie in diesem Fall, mit dem Jenseits gebracht werden.

      Zu den Sprechern:
      Obwohl es sich hier um die Vertonung eines Romans handelt, kommt Titania Medien, genau wie Rodenbach, mit erstaunlich wenigen Figuren aus. In seinem Buch treten sogar nur vier Akteure auf, während es im Hörspiel, inklusive Erzähler, immerhin neun sind. Peter Weis(Erzähler) ist einfach ausgezeichnet in seinem Part. Die raue Stimme passt hervoragend zum Sujet des alten Brügge, und die punktgenaue Betonung, in Kombination mit der Musik, harmoniert derart, daß der Eindruck einer Art Sprechgesang entsteht. Highlight und gleichzeitig die Hauptfigur ist Michael-Che Koch(Hugo Viane) als schwermütiger, tief trauriger Witwer. Es ist nicht übertrieben zu sagen, daß gerade sein intensives Spiel das Hörspiel zu einem überzeugenden Ganzen machen. Sein Portrait des leidenschaftlichen und doch immer irgendwie verloren wirkenden Mannes ist absolut fesselnd. Als Hörer klebt man förmlich an seinen Lippen. Die Szenen, in denen er die Bildern seiner Frau liebkost, haben mich stark berührt und werden mir noch lange im Gedächtnis bleiben. Ihm gegenübergestellt ist Eva Michaelis(Die Tote/Jane Scott), die ihre Stimme der Verstorbenen und der Ballerina leiht. Ihre lebendige, jederzeit überzeugende Darstellung der beiden komplett unterschiedlichen Frauen ist makellos. Mal spricht sie die aus dem Jenseits klagend rufende Tote mit tränenerstickter Stimme, nur um in der nächsten Szene mit herablassendem Ton die von Hugos Umgarnungen amüsierte, leicht affektierte Künstlerin zu geben. Es macht viel Spaß, ihr dabei zuzuhören, wie sie nach und nach ihre Maske fallen lässt und ihr wahres Wesen zum Vorschein kommt. Doch nicht nur Michaelis weiß zu begeistern, auch Herma Koehn(Barbe) füllt ihre Rolle als alte Dienerin, die zwar großes Verständnis für ihren Herrn zeigt, aber deren Religiosität es ihr unmöglich macht, über alles hinwegzusehen, was geschieht, zur vollkommenen Zufriedenheit aus. Dana Fischer(Nachbarin) und Silke Horvath(Nachbarin) intonieren die beiden Frauen mit den scharfen Zungen, die sich bei jeder Gelegenheit abfällig, mal über Hugo, mal über Jane äußern. Ingeborg Kallweit(Schwester Rosalie) legt einen strengen Ton in ihre Stimme, wenn sie Barbe ermahnt und vor der ewigen Verdammnis warnt. Marc Gruppe(Opernbesucher/Priester) hat diesmal gleich zwei Rollen übernommen und wird beiden gerecht. Zunächst stellt er den von der Aufführung begeisterten Fan dar, der nicht nur bereitwillig über Jane Auskunft erteilt, sondern darüber hinaus Hugo noch ermuntert, dieser nachzustellen. Später hat er noch zwei weitere Auftritte, dann aber als Geistlicher, der zunächst mit gemessener, gedämpfter Stimme die verunsicherte Barbe beruhigt, um später eine flammende Predigt wider den sündigen Umgang zu halten.

      Fazit:
      Brügge ist Hugo Vianes Tote, und die Tote ist Brügge.

      Das Hörspiel Gruselkabinett - 168 – Das tote Brügge
      gibt es bei
      Amazon.de
      oder bei
      POP.de


      OTR-Fan
    • MonsterAsyl schrieb:

      Witzigerweise war es aber genau dieser für uns heute "altertümliche", Ende des 19. Jahrhunderts aber populäre Roman, der dafür sorgte, daß damals vermehrt Touristen in die Stadt kamen, um sich die Handlungsorte anzusehen. Auf diese Weise erreichte das heruntergekommene Brügge einen gewissen Wohlstand, der wiederum dazu führte, daß die Stadtväter umfangreiche Sanierungen vornehmen konnten.
      Das finde ich bemerkenswert.
      Auch wenn der Roman uns heute ja scheinbar nicht mehr allzu viel sagt, hat er damals ja für Brügge den positiven Umschwung bedeutet!
      Welches Buch kann so etwas schon von sich sagen.

      Bin nach dem Lesen der beiden Rezensionen ( :danke: dafür) unschlüssig, ob mich die Thematik genügend interessiert, mir diese doch recht lange Folge anzuhören.
      Ich stelle sie mal noch ein bisschen hinten an.
    • Agatha schrieb:

      MonsterAsyl schrieb:

      Witzigerweise war es aber genau dieser für uns heute "altertümliche", Ende des 19. Jahrhunderts aber populäre Roman, der dafür sorgte, daß damals vermehrt Touristen in die Stadt kamen, um sich die Handlungsorte anzusehen. Auf diese Weise erreichte das heruntergekommene Brügge einen gewissen Wohlstand, der wiederum dazu führte, daß die Stadtväter umfangreiche Sanierungen vornehmen konnten.
      (...)

      Bin nach dem Lesen der beiden Rezensionen ( :danke: dafür) unschlüssig, ob mich die Thematik genügend interessiert, mir diese doch recht lange Folge anzuhören.
      Ich stelle sie mal noch ein bisschen hinten an.
      Dito. Klingt nach einer typischen GK-der-Grusel-kommt-sehr-subtil-daher "Langweiler", die sich leider immer wieder mal einschleichen :)
    • Ich habe es am Wochenende auch schon gehört und fand es auch eher schwergängig. Das ist natürlich auch der Vorlage mitgeschuldet, die ja doch sehr tristess und melancholisch daherkommt. Allerdings war mir die Hörspielfassung gerade in der ersten Hälfte auch etwas arg prosaisch und zu wenig dramatisch. Die Geschichte fand ich beileibe nicht verkehrt. Und ich könnte jetzt auch nicht behaupten, dass es mir nicht gefallen hätte. Aber wie gesagt: ganz einfach ist der Zugang hier nicht. Ist halt auch kein Stoff, der so ganz einfach ins Medium Hörspiel transferierbar scheint. Gerade anfangs wenn der erzählerische Blick doch arg ins Innenleben des Protagonisten gewandt ist.
    • Schade, Schade, Schade!


      Vorne weg: Ich bin ein Fan des Gruselkabinetts und kein typischer Nörgler. Es gibt wundervolle Produktionen innerhalb der Reihe, wenig bis keine Totalausfälle und andere Folgen, über die ich ein schärferes Urteil fällen würde als über „Das tote Brügge“; aber

      Hier jetzt mal meine eigene, ganz subjektive Meinung:


      Ich hatte mich wirklich auf diese Gruselkabinett-Folge gefreut, da ich die Geschichte von Georges Rodenbach noch nicht kannte. Die Story (ähnlich wie in Ewers´ "Der letzte Wille der Stanislawa d'Asp" im vorherigen Jahr) ist zwar keine "richtige" Gruselstory, passt aber in all Ihrer Tragik und mit ihren klassischen Versatzstücken der Schauerromantik ausgesprochen gut in den Kanon des Gruselkabinetts. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass sich viele spätere Schriftsteller, Drehbuchschreiber etc. von dieser Geschichte haben inspirieren lassen.

      Also von mir volle Punktzahl für die Storyauswahl.


      Mein Hauptproblem hatte ich dieses Mal leider mit den Sprechern: Peter Weis (als Erzähler), Michael Che Koch und Herma Koehn; allesamt Profisprecher, die mich im Laufe der Jahre immer wieder mit guten Leistungen überzeugt haben, sorgten dieses Mal mit Ihrer Interpretation immer wieder dafür, dass es mich aus der Handlung hinaus riss.


      Da werden z. B. tragische Begebenheiten monoton heruntergelesen, aber wenn der Erzähler innerhalb eines Satzes vom schlechten Wetter berichtet, wechselt die Stimmlage auf Knopfdruck in Richtung „unheilsschwanger“.


      Es ist für mich schwer zu beschreiben, aber ich hatte den Eindruck, dass die jeweiligen Rollen bzw. die Texte im Vorfeld nicht wirklich einstudiert wurden und mir dadurch die Intonation der Sprecher oftmals falsch oder unecht erschien. So als hätten die Sprecher in manchen Szenen gar nicht richtig begriffen, wie sich ihr Protagonist gerade wirklich fühlt, etc.


      Kennt ihr dieses subjektive Gefühl, wenn ihr einem Sprecher in einer bestimmten Szene lauscht und plötzlich denkt: "Der Autor hat sich die Intonation des Sprechers sicher anders vorgestellt."?


      Das klingt für mich dann nach einem unvorbereiteten Sprecher, der seine Fliessbandarbeit verrichtet und sich dabei einfach auf seine Routiniertheit verlässt, anstatt sich in seine Rolle hinein zu fühlen.


      Witziger weise fand ich die Sexszenen mit Hugo bzw. Hugo und Jane recht authentisch.


      Die Darstellungen von Eva Michaelis als Jane hat mir ohnehin ganz gut gefallen; auch die von Ingeborg Kallweit in einer Nebenrolle als Schwester Rosalie.


      Die Atmosphäre, die Titania heraufbeschwört, ist (wie meistens) gut. Allerdings fand ich die Musikuntermalung dieses Mal ein wenig zu laut und vordergründig.


      Alles in Allem hätte dieses Hörspiel großes Potential gehabt, um großartig zu werden. Leider wurde für mich dieses Potential verschenkt und ist aus den o. g. Gründen leider nur durchschnittlich geworden.


      Wie bereits geschrieben: Dies ist nur meine eigene, rein subjektive Meinung und ich möchte niemandem den Spaß an diesem Hörspiel verderben. Wahrscheinlich ist das alles auch ein Jammern auf hohem Niveau …

      Nachtrag:
      Jetzt habe ich das Hörspiel mittlerweile ein zweites Mal gehört und möchte meine Meinung etwas revidieren: Gerade das Finale der Geschichte ist wirklich gut inszeniert und auch die Sprecherleistung auf einem superhohem Niveau.
    • @Reynolds-Berlin Ich habe mir erlaubt, Deine Post hierhin zu verschieben. Auch wenn es vielleicht keine Rezension im eigentlichen Sinne ist, so hast Du doch so viele Punke angesprochen, daß ich der Meinung bin, hier ist Dein Post besser aufgehoben. Solltest Du nicht damit einverstanden sein, sag kurz Bescheid, dann schiebe ich den Post wieder zurück.


      OTR-Fan