Frankenstein und der Zirkel der Sieben - 1 - Am Abgrund der Nacht

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    • Frankenstein und der Zirkel der Sieben - 1 - Am Abgrund der Nacht

      Frankenstein und der Zirkel der Sieben – 1. Am Abgrund der Nacht



      Bei seinen Forschungen hat Victor Frankenstein einen Weg gefunden, künstliches Fleisch für die Roboter von seinem Kumpanen Robur zu erschaffen, um sie echten Menschen zum Verwechseln ähnlich zu machen. Doch kurz darauf wird er von seinem Vater auf den Sitz der Familie gerufen, wo ihm ein erstaunliches Geheimnis aus der Vergangenheit der Frankensteins offenbart wird, das sein Leben komplett ändern wird…

      Wer die anderen Hörspielserien kennt und aufmerksam gehört hat, in denen „der Zirkel der Sieben“ sein Unwesen treibt, ist dort bereits auf Victor Frankenstein gestoßen. Die bekannte Figur aus der Feder von Mary Shelley wurde beispielsweise in den Geschichten um „Phileas Fogg“ adaptiert, hat nun aber auch eine eigenständige Serie bekommen. Gleich in der ersten Szene wird der Bogen zu anderen bekannten Charakteren geschlagen, danach nimmt „Am Abgrund der Nacht“ eine Wendung, die sehr auf die Hintergründe des bekannten Doktors eingeht. Sein Familienleben steht häufig im Hintergrund und gibt Hinweise, wie er zu dem kaltblütigen und berechnenden Arzt geworden ist, wie er hier dargestellt wird. Doch das ist nur der Hintergrund für eine spannende Geschichte, die mit einigen Wendungen und Überraschungen für viel Spannung sorgt und die zwiespältige Hauptfigur vor neue Herausforderungen stellt. Sicherlich werden dabei einige Pfade beschritten, die der Hörer vorausahnen kann, dem interessanten Verlauf tut das jedoch keinen Abbruch. Gut gefällt mir auch, dass der Hörer die Stimmung der damaligen Zeit aufgreifen kann und beispielsweise an einem überfüllten Bahnhof das hektische Leben spüren kann. „Frankenstein und der Zirkel der Sieben“ legt hier einen sehr gelungenen Start hin und erzählt nicht nur eine eigenständige Variante des Charakters, sondern schlägt auch gleich einen Bogen zum restlichen Serienuniversum, welches hier um eine hörenswerte Facette bereichert wird.

      Mit Dietmar Wunder wurde ein sehr erfahrener Sprecher für die Rolle des Victor Frankenstein ausgewählt, der dann auch sehr authentisch wirkt und dennoch mit seiner markanten Aussprache eine ausdrucksstarke Figur schafft, deren düstere Seite bestens hervorgearbeitet wird. Sein Vater Baron Carol Frankenstein wird von Jürgen Thormann gesprochen, dessen Stimme einen schneidenden, abwertenden Klang annimmt und der so facettenreich spricht, dass der herrische Adelige eine sehr präsente Aura bekommt. Auch Maria Koschnys Stimme passt wunderbar in das dunkle Ambiente der Serie, sodass sie in ihren kurzen Momenten einen sehr positiven Eindruck hinterlassen kann. Weitere Sprecher sind Liane Rudolph, Magdalena Höfner und Werner Wilkening.

      Akustisch wird die Betonung auf die unheimlichen und spannenden Momente gelegt, die mit dramatischer Musik unterlegt sind. So entsteht eine düstere und markante Stimmung, die ebenso klassisch wirkt als auch viele moderne Elemente enthält – auch in den Erzähltexten, die dadurch viel Schwung erhalten. Gut gefällt mir auch der vielseitige Einsatz der Geräusche, was viel Leben in die Szenen mit einbringt.

      Das Cover zu dieser Episode gefällt mir außerordentlich gut, auch wenn das Motiv eines herrschaftlichen Schlosses in einer gewittrigen Nacht natürlich nicht allzu originell ist. Doch die kühle, bläulich weiße Farbgebung und die interessante Perspektive lassen gemeinsam mit dem Wissen um die Wirkung von Blitzen in dem Originalroman lassen ein sehr passendes Titelbild entstehen. Wie bei vielen anderen Produktionen des Labels sind im Inneren keine Extras zu finden, ebenso wie die Sprecher bereits auf der Rückseite aufgelistet sind.

      Fazit: Egal, ob man die anderen Serien um den „Zirkel der Sieben“ bereits kennt oder mit der Serie um „Frankenstein“ Neuland betritt: „Am Abgrund der Nacht“ ist eine spannende und lebendig erzählte erste Episode, die mit einer sehr dichten Stimmung überzeugt. Die Charaktere werden genau beleuchtet, aber auch die Handlung wird flüssig und temporeich erzählt – sehr hörenswert!

      VÖ: 9. Oktober 2020
      Label: Maritim
      Bestellnummer: 9783962823504
      :besserwisser:
    • DerPoldi schrieb:

      Egal, ob man die anderen Serien um den „Zirkel der Sieben“ bereits kennt oder mit der Serie um „Frankenstein“ Neuland betritt: „Am Abgrund der Nacht“ ist eine spannende und lebendig erzählte erste Episode,
      Das heißt, die lässt sich also auch vollkommen losgelöst von den übrigen Serien hören und verstehen?
      Wäre ja ein großer Vorteil für alle, die erst mal nur bei einer davon einsteigen möchten.
    • Agatha schrieb:

      Das heißt, die lässt sich also auch vollkommen losgelöst von den übrigen Serien hören und verstehen?Wäre ja ein großer Vorteil für alle, die erst mal nur bei einer davon einsteigen möchten.
      Momentan ist das meiner Meinung nach durchaus möglich. Aber ich könnte mir vorstellen dass das ganze in Zukunft etwas mehr miteinander Verzahnt wird.
      :besserwisser:
    • So, nach dem durchaus nicht zu bestreitenden Hörvergnügen bei der Schwester-Serie Dracula und der Zirkel der Sieben habe ich nun auch mal in diese Serie reingehört. Was geboten wird, ist ein Weiterspinnen der altbekannten Geschichte von Mary Shelly, nur eben viele Jahre später. Dafür geht es nach einem kurzen Zwischenspiel in London auf den Familiensitz der Frankensteins, wo Familienverstrickungen direkt in die weitere Handlung führen.

      Wie schon bei Dracula ist die Handlung in dieser ersten Folge von Frankenstein sehr stimmungsvoll und düster herübergebracht. Der Plot wird ohne Erzähler in jederzeit spannenden Spielszenen ohne jegliche Längen erzählt, die Handlung bleibt dabei sehr nah an der Ursprungsgeschichte und variiert diese quasi in der erzählten Gegenwart. Das ist durchaus über weite Strecken gut gelungen. Je weiter die Handlung jedoch voranschreitet, desto mehr gleitet die Geschichte leider ab ins psychologisch Fragwürdige, ja sogar auf die Ebene des Storytellings, wie man es von Geschichten wie John Sinclair gewohnt ist und wo Wendungen und Motivationen, mit denen sich die Figuren konfrontiert sehen, gar nicht oder nur sehr oberflächlich thematisiert werden, um die Handlung voranzupeitschen.

      So auch hier. Dem deutlichen Widerwillen des Vaters angesichts seines Sohnes und dessen Treibens in der Vergangenheit folgt der plötzliche Schwenk ins Gegenteil: Auf einmal sind alle moralischen Skrupel abgeworfen, und die Mittel des Sohnes plötzlich ein gangbarer Weg. Was es gebraucht hätte, um dies alles plausibel erscheinen zu lassen, echte Verzweiflung, eine spürbare Auswegligkeit, ein vorheriges heftiges Ringen mit sich selbst - all das bleibt ausgespart, und der Vater macht inneerhalb einer einzelnen Szene plötzlich eine Wendung um 180 Grad. Und dies wird von niemandem hinterfragt.

      Ebenso ergeht es Frankenstein, dem düsteren Helden dieser ersten Folge, der zunächst verstrickt ist in den mysteriösen Zirkel, um dann im Angesicht seines Vaters den von der Vergangenheit Beschwerten zu geben und schließlich ohne überzeugenden äußeren Zwang heftigste Grenzen zu überschreiten und dabei einen Menschen mit hineinzuziehen, der ihm viel bedeutet. Das alles - so einnehmend und spannend es auch geschildert ist - ist für mich Figurenzeichnung bzw. Charakterentwicklung auf Groschengruselniveau. Dabei hätte es dieser Schwächen überhaupt nicht bedurft. Man hätte das alles in derselben Pointiertheit auch anders, nachvollziehbarer, weniger trashig herleiten können. Es mag an einer gewissen Laxheit bei der Plotgestaltung insgesamt bei deutschen Hörspielskriptautoren liegen, dass so etwas ein Lektorat (falls überhaupt vorhanden) passiert, ohne hinterfragt zu werden, aber betrachtet man den weiteren Fortgang der Handlung scheint dies durchaus kein versehen zu sein, denn nach diesen beiden Stolpersteinen gleitet die Handlung nun vollends aufs Sinclair-Niveau hinab, wenn...

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      ...die gerade frisch Operierten offensichtlich völlig ohne Rekonvaleszenz von ihren Lager springen und zurück ins Leben schreiten können. Im Falle von Alessia geschieht dies zudem auf völlig absurde Weise, indem sie zunächst kurz verwundert feststellt, dass sie ja tot war, dann, ohne groß zu reflektieren, beinahe im Ton größter Sachlichkeit beschließt, dass dies kein erstrebenswerter Zustand ist - und dann ankündigt, sich selbst das Leben nehmen zu wollen, aber zuvor noch alle, die Frankenstein am Herzen liegen, töten zu wollen. Und wie könnte es anders sein: mit dem obligatorischen bösen Lachen verschwindet sie, um ihr Ansinnen in die Tat umzusetzen.

      Auch dass Frankenstein sich überhaupt auf dieses Experiment einlässt, ist ja völlig unverständlich, denn immerhin beginnt er ja zarte Bande zu Alessia zu knüpfen. Das Verhältnis zu seinem Vater ist zerrüttet, und von seiner Halbschwester wusste er bislang noch gar nichts - die Familienbande können also noch nicht sher stark sein. Es ist völlig unverständlich, dass er sich auf diese Sache überhaupt einlässt, anstatt dem Vater die Pistole auf die Brust zu setzen und zumindest zu verlangen, eine andere Frau für diesen Eingriff zu finden. Später macht es dem Vater ja auch keinerlei Mühe, eine weitere Frau herbeizuschaffen. Es ist nicht einzusehen, warum das hier nicht möglich gewesen sein soll. Und es ist vor allem nicht einzusehen, warum Frankenstein so völlig bereitwillig auf dessen Forderung eingeht und die Frau opfert, für die er gerade erst Gefühle zu entwickeln beginnt.



      Das bleibt leider alles völlig unter den Erwartungen, die man nach dem wirklich einnehmenden Einstieg in diese Folge haben durfte, der vor allem durch die intensive und düstere Atmosphäre und die hervorragende Musikauswahl bestach.

      Inhaltlich zu beanstanden ist auch, dass zu Beginn ein Verweis auf den Zirkel der Sieben platziert wird, ohne dem Ersthörer einen kurzen Einblick darüber zu geben, was es mit diesem Zirkel überhaupt auf sich hat. Das wird einfach als gegeben vorausgesetzt (und auch im zweiten Teil nicht näher beleuchtet, obwohl dieser auch da aktiv in Erscheinung tritt). Es mag das eine sein, eine Welt zu kreieren, die sich über mehrere Serie zieht, aber ein anderes ist es, die Informationen aus der einen als gegeben für die andere anzusehen. Zwar mag man einwenden, dass der größte Teil der Handlung von diesem Zirkel losgelöst geschieht, eine tiefere Kenntnis also nicht vonnöten ist, um die Geschehnisse in der Schweiz nachvollziehen zu können, aber da die Serie den Zirkel bereits im Titel trägt und der Protagonist als Teil dessen eingeführt wird, wäre ein kurzer Hinweis darauf, um was es sich dabei eigentlich handeln soll, schon vorteilhaft gewesen.

      Die Sprecher sind gut ausgewählt und geben ihr Bestes, diesem nicht immer befriedigenden Handlungsverlauf mit ihrem Spiel gerecht zu werden. Dietmar Wunder spricht seinen Viktor Frankenstein dabei mit dunkel-düsterer Stimme, stellt aber die anfängliche Zerrissenheit seines Charakters sehr überzeugend dar (im Rahmen dessen, was der Plot hergibt). Jürgen Thormann braucht etwas, um in seine Rolle als Frankenstein senior zu finden, anfangs klingt so mancher Satz von ihm noch recht abgelesen, doch später findet er sich in seiner Rolle und verleiht dem nicht immer vorzüglichen Skript mit seinem Spiel gewissen Glanz.

      Doch alles in allem kann sowohl das Spiel der ambitionierten Sprecher als auch die gelungene, weil sehr atmosphärische Umsetzung nicht darüber hinwegtäuschen, dass das zugrundeliegende Skript, vor allem zum Ende hin, nicht über Groschengrusel-Niveau hinausreicht. Wer sich also daran nicht stört und über gewisse Inkonsistenzen hinwegzuhören weiß, kann an dieser Folge durchaus seinen Spaß haben. Man darf halt nur hinterher nicht groß drüber nachdenken.

      Vielversprechender Auftakt, verliert sich dann jedoch im Groschengrusel: atmosphärisch stark, inhaltlich zum Ende hin sehr enttäuschend.



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