Wenn Wilde und Holmes Vampire jagen... Serienuniversen zwischen Realität und Phantastik

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    • Wenn Wilde und Holmes Vampire jagen... Serienuniversen zwischen Realität und Phantastik

      Ich verpflanze die Diskussion mal aus dem Ankündigungsthread der neuen Moriarty-Serie von maritim in diesen Thread, weil sie doch über diese einzelne Folge hinausreicht.

      @Fader hat da (mal wieder) eine sehr schöne Frage aufgeworfen, die ich gern mal zur Diskussion stellen würde.

      Fader schrieb:

      Hardenberg schrieb:

      Mir wird da auch einfach viel zu viel in einen Topf geworfen: Figuren mit realem Vorbild wie Oscar Wilde, der gesamte Holmes Kosmos, dazu Verne-Figuren, Dracula und Frankenstein.
      Interessanter Gedanke -- es sind halt wirklich DREI Weltentwürfe, die da vermixt werden: real existente historische Personen wie Poe und Wilde, fiktionale aber "theoretisch mögliche" Personen wie Holmes, Adler und Fogg und Phantastik wie Frankenstein und Dracula. Das Mythenzusammenwerfen kenne ich aus der Serie Faith, aber da war es halt "nur" das Alleinegestelltsein jeder dieser Welten, die dran glauben musste, wenn z.B. Dracula mit dem Teufel und Cthulhu zusammentraf.

      Ich finde, Du hast das Problem sehr schön auf den Punkt gebracht. Ich könnte mir aber denken, dass es Menschen gibt, die gerade das, was mich eher befremdet, besonders reizvoll finden.

      Ja, es wird da vieles gemischt, was auf den ersten Blick nicht zusammengehört. Holmes ist ja eben nicht einfach nur ein x-belibiger Detektiv, sondern druchaus einer mit sehr starkem Realitätsbezug. Nun könnte man sagen, durch die vielen Umsetzungen, die es mittlerweile zu Holmes gibt und bei denen zum Teil wirklich sehr, sehr frei mit den Vorlagen von Doyle umgegangen worden ist, ist diese klare Umrissenheit der Figur und mit ihr der starke Realitätsbezug sukzessive aufgewiecht worden, so dass es einen heute kaum mehr verwundern dürfte, wenn es dereinst auch einen SciFi-Holmes gäbe.

      Bei Wilde ist mir bisher durch das, was ich über die Serie gelesen habe, noch nicht so recht klar geworden, welchen zwingenden Grund es gegeben hat, ihn zu einer Figur in einem durch und durch fiktionalen Werk mit phantastischen Anklängen zu machen. Mal abgesehen von dem bekannten Namen. Wird denn eigentlich irgend etwas, was diesen Menschen ausmachte, in der Serie überhaupt berücksichtigt?

      Ähnlich verhält es sich ja bei Margaret Rutherford in der gleichnamigen Serie, die ja auch nur deshalb namentlich genutzt wird, weil "Miss Marple" nicht verwendet werden darf. Aber eigentlich ist die Figur nicht an die Schaupielerin, sondern an die von ihr dargestellte Filmfigur angelehnt, Mit der echten margaret Rutherford hat sie nichts zu tun.

      Wie steht Ihr denn eigentlich generell zu solchen Vermischungen der Welten?

      Seid Ihr Fans davon, wenn diese verschiedenen Ebenen gemischt werden?
      Oder bevorzugt Ihr es, wenn die Grenzen der einzelnen Weltentwürde, wie Fader es nannte, gewahrt bleiben - also dass für ihren Realismus bekannte Figuren nicht in phantastische Welten gepflanzt werden sollten und umgekehrt?

      Und welche weiteren Durchmischungen gibt es neben dem Fogg/Wilde/Holmes-Kosmos noch?
    • Hardenberg schrieb:

      Seid Ihr Fans davon, wenn diese verschiedenen Ebenen gemischt werden?
      Ist soweit okay und höre ich, je nachdem, ob mich das Genre interessiert, gern mal an.
      Aber da spielt für mich, sobald es um historische Figuren geht, auch deren "posthume Würde" mit hinein.
      Es gibt gewisse Grenzen, die nicht überschritten werden sollten.
      Sobald die reale Figur im Hörspiel sehr anders dargestellt wird, man sie irgendwie verunglimpft, zum Verbrecher o.ä. macht, nur weil das jetzt mal gerade so nett in die Handlung passt und bisher noch nie da war :pfeifen: , ist ein Punkt erreicht, bei dem ich raus bin.
    • Hardenberg schrieb:

      Wie steht Ihr denn eigentlich generell zu solchen Vermischungen der Welten?
      Ich finde, das nimmt beiden Seiten was von ihrem Reiz.

      "Reale" oder welche mit dem Anspruch, mal real zu werden (z.B. auch SF-Stories ohne Fantasy-Anteile) haben ganz grundsätzlich die Möglichkeit, beim Hörer den Gedanken auszulösen "das ist vielleicht auch für Dein Leben relevant, das könnte (auch) Dir passieren". Also z.B. der Krimi, der reale Täter und -motivationen zeigen will.

      Gut umgesetzte Phantastik (die nicht nur auf Effekte setzt) öffnet den Raum des Mythologischen, bei dem es es eigentlich immer um den Menschen und seine Existenz geht, aber eben gespiegelt in ein phantastisches Bild (Dämonen sind eigentlich Spiegelbilder innerer Kräfte IM Menschen, nicht Figuren, die da draußen rumlaufen).

      Vermischt man diese Welten so, dass sie "real wirken" sollen, geht beides verloren, und man hat nur noch eine Story, die halt unterhaltsam sein mag (je nach Können des Autors), aber die, da weder das Eine noch das Andere greift, etwas von Weißbrot hat: kurzfristige Sättigung, aber kein Nährwert.

      Ich wäre daran interessiert, von Hörern solcher Serien zu erfahren, ob sie jenseits der möglicherweise kurzweiligen Story beim Hören auch noch etwas "mehr" mitgenommen haben, und wenn ja, was. Ich kann mir das eben nur schwer vorstellen.
      Versuchen Sie es. Manche Menschen sind in der Lage, es zu vermeiden, dass man sie wahrnimmt.
    • Hardenberg schrieb:

      Wie steht Ihr denn eigentlich generell zu solchen Vermischungen der Welten?

      Seid Ihr Fans davon, wenn diese verschiedenen Ebenen gemischt werden?
      Das hängt halt extrem von der Qualität ab. Dass man aus Holmes und Phantastik was Vorzeigbares machen kann, das hat ja WinterZeit bewiesen.
      "The period of the Daddschals dominion is generally set at forty days, the first day being like a year, the second like a month, the third like a week, and the remainder “like your days,” that is, days of normal duration (Kašmīrī, p. 112)"
    • Generell finde ich solche Vermischung von Genres reizvoll, und je gegensätzlicher und eigentlich unvereinbar scheinender die Aufeinandertreffenden sind, desto besser (Cowboys & Aliens). Selbstverständlich abhängig von der Qualität der in Frage stehenden Geschichte (Script, Umsetzung usw.). Hatte mir irgendwann mal Gedanken über eine Matrix/Bond-Geschichte gemacht (Neo gegen 007). Fand ich ausbaufähig. Hatte dann aber nicht die Ausdauer das auszuformulieren.
      Würde aber Agatha unbedingt zustimmen, dass man bei Einbeziehung von realen Personen (toten und natürlich erst recht noch lebenden) extreme Vorsicht und äußerstes Feingefühl walten lassen muss. Das ist mir in dem Holmes/Wilde/Fogg/usw.-Kosmos auch schon früher sehr negativ aufgestoßen. Was sie aus Wilde gemacht haben, kann ich ja noch hinnehmen, aber was sie z.B. Charles Darwin unterstellen (auch wenn’s ohne Frage und völlig eindeutig fiktiv ist), grenzt schon an Ehrabschneidung. Frei nach Tucholsky: „Was darf Kunst? Alles!“ Was nicht bedeutet, dass sie alles, was sie machen dürfen sollte, auch unbedingt machen muss.
    • Gibt es da eigentlich noch mehr Beispiele für diese Art Vermischung der Sphären in Hörspielen: also fiktive, aber realitätsnahe Figur trifft auf eine Figur mit realem Hintergrund und beide werden mit einer Fantasy- oder Gruselfigur konfrontiert... also dieser Dreiklang, den @Fader ansprach?

      Würde mich mal interessieren.

      Oder ist das eine neue Nische, die maritim mit Holmes/Wilde/Dracula da geschaffen hat? :gruebel:
    • marc50 schrieb:

      hsp3 schrieb:

      Bei Faith - The Van Helsing Chronicles gibts auch einen recht wilden Mix aller möglichen Universen aus Film und Literatur.
      Guter Punkt!
      Ja, aber in Faith ist mMn bisher keine historische Figur aufgetaucht, also eine, die wie Verne oder Wilde wirklich gelebt hat.
      Versuchen Sie es. Manche Menschen sind in der Lage, es zu vermeiden, dass man sie wahrnimmt.
    • Hardenberg schrieb:

      Gibt es da eigentlich noch mehr Beispiele für diese Art Vermischung der Sphären in Hörspielen: also fiktive, aber realitätsnahe Figur trifft auf eine Figur mit realem Hintergrund und beide werden mit einer Fantasy- oder Gruselfigur konfrontiert...

      Ein Markenzeichen der alten Van-Dusen-Hörspiele des Rias/DeutschlandRadio seit Ende der 1970er Jahre war, dass Michael Koser seine Protagonisten auf ihrer Weltreise auch schon auf jede Menge reale und fiktive Personen der Zeit hat treffen lassen: Sherlock Holmes, Arsène Lupin, Dr. Tschu Man Fu (Fu Manchu), König Edward VII. von England, Kaiser Wilhelm II. von Deutschland, Präsident Teddy Roosevelt, Jules Verne, H.G. Wells, Edgar Wallace, G.K. Chesterton, die Mutter von Kommissar Maigret, sogar Graf Dracula, den Geist von König Artus und den schrecklichen Schneemenschen und viele, viele mehr. Natürlich alles sehr viel mehr im „Realen“ verankert, schließlich ist der Professor rationaler Wissenschaftler, kein Geisterjäger (weswegen z.B. Dracula kein Vampir sondern ein „normaler“ rumänischer Edelmann zu sein scheint), und wenn er doch mal Geister jagt, dann entpuppen sie sich (bzw. entpuppt er sie) als Fake. Und da Koser nicht nur Autor sondern auch Historiker war, und sich zudem sehr gut in der Hoch- und Trivialkultur auskannte, hatten alle auftretenden oder auch nur nebenbei erwähnten Personen, die realen und sogar die fiktiven, Hand und Fuß. („Und wie Dr. Fell in seinem voluminösen Buch ‘1001 Mordmethode im hermetisch verschlossenen Raum nebst ihrer kriminologischen Aufklärung’ so richtig bemerkte,…“)
    • Ich habe mit einem "Real-Fiktions-Mix" auch keine Probleme.

      Ich hätte sogar eine Idee für eine Hörspielserie, also dass die Figuren des Autors mit dem Autor im echten Leben interagieren und Abenteuer bestehen. Wenn es mal Geld regnen sollte, dann würde ich das produzieren. Ist aber eher was für Kinder.

      Hoerspielecho.de - Reden wir darüber.
    • Hardenberg schrieb:

      Aber wenn sich alles am Ende auflöst, ist es ja doch keine Mischung aller drei Ebenen.

      Nun ja, da hast du wohl recht, es kommen zwar alle drei Ebenen (irgendwie) vor (auch wenn Dracula kein Vampir ist, das Rätsel um Artus’ Geist und den Schneemenschen wird am jeweiligen Hörspielende nicht geklärt), aber nicht gleichzeitig.

      Audioromane schrieb:

      Ich hätte sogar eine Idee für eine Hörspielserie, also dass die Figuren des Autors mit dem Autor im echten Leben interagieren und Abenteuer bestehen. Wenn es mal Geld regnen sollte, dann würde ich das produzieren. Ist aber eher was für Kinder.

      So was ähnliches gab’s mal – naja, bloß ganz anders und nicht als Serie: Der Mann, der bei Kapitel eins aufhörte von Roderick Wilkinson. Ein Krimiautor will nicht mehr weiterschreiben, und seine Figuren rebellieren. Bloß, dass der Autor hier eben auch fiktiv ist, die dritte Ebene, dass auch noch der tatsächliche Autor Wilkinson auftritt, haben sie jetzt nicht aufgemacht. Nun ja, das würde dann auch wirklich reichlich meta und böte Gelegenheit für jede Menge Philosophie… So ’n bisschen „Sofies Welt“.

      Halt, viel besseres Beispiel:
      Der Mann, der Dracula schrieb von Bernd Mellaire (ich war mir eigentlich ziemlich sicher, das wäre Bernd Grashoff gewesen). Bram Stoker himself übernimmt Jonathan Harkers Rolle und fährt nach Transsylvanien. Gibt am Ende Stokers tatsächlichem Tod 1912 „an Erschöpfung“ eine ganz neue Bedeutung (die Male am Hals hat man wohl übersehen), und der Graf dampft am Ende mit der Titanic in den Sonnenuntergang…
    • @Audioromane und @Andy-C: Kennt Ihr noch die Fernsehserie "Lemmy und die Schmöker"? Da wurden Buchfiguren beim Vorstellen des Buches (für Kinder) lebendig und erzählten. In Stephen Kings "The dark half" wird ein Pseudonym lebendig, nachdem der Autor es hat sterben lassen.

      Ich persönlich finde solche Genremixe ganz reizvoll, wenn sie denn gut gemacht sind und irgendwie nachvollziehbar. Zur Zeit höre ich Amadeus, da tauchen ja auch Sci-Fi-Elemente wie Zeitreisen auf, die (meines Wissens :zwinker: ) so gar nichts mit der realen Figur W. A. Mozart zu tun haben.
      Die Verwendung von Sherlock Holmes kann ich gut nachvollziehen. Der Detektiv hat ja durchaus seine dunklen Abgründe, die man gut ausleuchten kann und ist durch seine leichte Skuriliät und gleichzeitig nüchterne/trockene Art ein interessanter Gegenpol zu fantastischen Themen, die er häufigt ja auch versucht, rational aufzuklären.

      Wenn einer realen Figur völlig wesensfremde Züge angedichtet werden, mag ich das aber auch nicht. Es muss schon stimmig sein.
      Potz Hokus, Pokus, hi und hu!



      „Dürfen wir auf fremde Lebensformen einfach draufhauen?”
      „Wenn sie in unseren Schlafsäcken sind, ja!"


      Enterprise, Folge Geistergeschichten

    • Aponogeton schrieb:

      Kennt Ihr noch die Fernsehserie "Lemmy und die Schmöker"? Da wurden Buchfiguren beim Vorstellen des Buches (für Kinder) lebendig und erzählten. In Stephen Kings "The dark half" wird ein Pseudonym lebendig, nachdem der Autor es hat sterben lassen.
      Ich persönlich finde solche Genremixe ganz reizvoll, wenn sie denn gut gemacht sind und irgendwie nachvollziehbar. Zur Zeit höre ich Amadeus, da tauchen ja auch Sci-Fi-Elemente wie Zeitreisen auf, die (meines Wissens :zwinker: ) so gar nichts mit der realen Figur W. A. Mozart zu tun haben.
      Nee, kenn’ ich beide nicht.
      Und ja, „Amadeus“ passt auch noch gut in die Kategorie.
    • MonsterAsyl schrieb:

      Aponogeton schrieb:

      ...die Fernsehserie "Lemmy und die Schmöker"...
      Also ich habe diese Serie damals geliebt, vor allem zu Weihnachten saß ich da immer vorm Fernseher. :]
      Das kannte ich bis eben nicht und war auch vor meiner Zeit.
      Bei Wikipedia habe ich gerade nachgelesen und finde es schade, dass es so ein Format gar nicht mehr gibt.
      Um Kinder vielleicht wieder mehr an Bücher ranzuführen, wäre das ideal.
      Besser Illusionen die uns entzuecken als zehntausend Wahrheiten
    • Hardenberg schrieb:

      Wie steht Ihr denn eigentlich generell zu solchen Vermischungen der Welten?
      Wenn es gut gemacht ist (und das ist es meiner Meinung nach bei Maritim), dann finde ich eine Vermischung mehrerer fiktiver Welten sehr interessant.
      Reale Personen dazu finde ich nicht schlecht, aber man sollte darauf achten, dass die Figuren zu der Handlung passen und nicht zu stark verändert werden.

      Eine reale Person, die sehr gut in diesen Kosmos passen würde, wäre da z.B Jack the Ripper. Seine Morde geschahen damals in London, er schnitt den Leichen Organe raus und Scotland Yard kümmerte sich darum.

      In der Fiktion könnte man dann sagen, dass er Teil des Zirkels war und im Auftrag gearbeitet hat (Frankenstein braucht Organe für eine OP etc.)