Gruselkabinett - 153 - Bulemanns Haus

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    • Gruselkabinett - 153 - Bulemanns Haus



      Gruselkabinett - 153 - Bulemanns Haus

      Zum Inhalt:
      In Norddeutschland, hoch oben an der Küste, steht Bulemanns altes, verwittertes Haus, in das schon lange niemand mehr hinein oder hinaus geht. Doch wieso wurde es verlassen, und was ist mit seinem Besitzer geschehen...?

      Zur Produktion:
      Hans Theodor Woldsen Storm (14.09.1817-04.07.1888) ist eigentlich für seine Novellen und Prosa des deutschen Realismus bekannt, aber die meisten werden ihn mit den Erzählungen, die auch phantastische Elemente beinhalten, verbinden. Zu seinen beliebtesten Arbeiten zählen "Pole Poppenspäler"(1874), "Die Regentrude"(1862) und natürlich sein wahrscheinlich berühmtestes Werk "Der Schimmelreiter"(1888), welches Titania Medien bereits in Folge 98 der Reihe "Gruselkabinett" als Hörspiel adaptiert hat.
      Während die vorgenannten Geschichten allesamt bereits mehrfach als Radioproduktionen erschienen sind, ist es, meines Wissens nach, das erste Mal, daß "Bulemanns Haus" werkgetreu vertont wurde. Bisher gab es lediglich "Die Nacht in der Wasserreihe"(1954) des niederdeutschen Autors Ludwig Hackerott, das aber lediglich lose auf der Novelle basiert. "Bulemanns Haus", erschienen 1862, wird zwar zu Storms Märchen gezählt, erfüllt meiner Meinung nach jedoch nur sehr bedingt die notwendigen bzw. vordefinierten Kriterien. Für mich handelt es sich hier vielmehr um eine Gruselgeschichte, nur sind die ja auch eine Art von "Märchen". Interessanterweise hat Storm ebenfalls ein Gedicht mit ähnlich lautendem Titel verfasst: "In Bulemanns Haus", das man im Internet unter der Adresse staff.uni-mainz.de/pommeren/Gedichte/Storm/bulehaus.htm. finden kann. Bedauerlicherweise ist nicht bekannt, ob dieses Gedicht vor oder nach der Novelle verfasst wurde, einige Quellen nennen jedoch das Jahr 1852. Inhaltlich gibt es allerdings wesentliche Unterschiede, die Gemeinsamkeiten beschränken sich auf den Handlungsort, Bulemanns altes, verfallenes Haus und die inzwischen dort wohnenden Mäuse. Für beide Texte diente Storm ein alter Kinderreim als Inspiration, der mit den Zeilen „In Bulemanns Haus / In Bulemanns Haus / Da schauen die Mäuse / Zum Fenster hinaus…“ beginnt. Diese Anfangszeilen zitiert der Verfasser dann auch wörtlich zu Beginn seiner Geschichte, die auf geradezu geniale Weise von Skriptautor Marc Gruppe für das Medium Hörspiel adaptiert worden ist. So hat er den überwiegenden Teil des Erzählparts in Spielszenen umgeschrieben, wodurch dieser nur noch selten zum Einsatz kommt. Damit erhöht er nicht nur wesentlich die Dynamik der Handlung, sondern macht das Ganze für den Hörer auch gefälliger und lebendiger. Gleiches gilt hinsichtlich verschiedener heutzutage veralteter Ausdrücke, die er behutsam modernisiert hat. So wird aus "derzeit" das heute gebräuchlichere "damals", statt "an ihn geschickt" heißt es hier "zu ihm geschickt". Wie sehr sich diese Änderungen auf das Verständnis auswirken können, sei anhand folgender Beispiele erläutert: "im Schwange ging" wird durch "im Umlauf" ersetzt, und die Katzen dürfen, statt zu "spinnen", wieder "schnurren". Ohne die Umformulierungen durch den Skriptautor, würden sich diese Begriffe heutzutage, wenn überhaupt, nur noch aus dem Kontext erschließen. Davon abgesehen, ist Storms Text nahezu unverändert geblieben. Gruppe hat nur ganz wenige Sätze gekürzt bzw. ergänzt, lediglich das Ende ist etwas zusammengestrichen worden. Diese Einsparungen sind jedoch nicht technischer Natur, denn das Hörspiel hat eine Laufzeit von ca. 58 Minuten, und somit wäre durchaus noch Platz auf der CD gewesen, sondern der Dramatik geschuldet, da auf diese Weise unnötige Längen vermieden werden. Wer sich selbst ein Bild von den Unterschieden zwischen Hörspieltext und Storms Novelle machen möchte, findet letztere im Internet unter gutenberg.spiegel.de/buch/bulemanns-haus-3462/1.
      Wenn alles wie aus einem Guß klingt, so wie hier der Fall, und man es sich gar nicht anders vorstellen könnte, dann haben die Produzenten (Stephan Bosenius und Marc Gruppe) ganze Arbeit geleistet! Die ohnehin immer üppige Geräuschkulisse klingt hier noch voller als sonst, und jede Szene ist quasi mit Leben erfüllt. Dabei decken die unterschiedlichen Töne eine enorme Bandbreite ab. Von schreienden Möwen, Kirchturmglocke, Brandung, über das prasselnde Kaminfeuer, den im Gemäuer heulenden Wind, die knarrenden Schuhe oder den rasselnden Schlüsselbund, bis hin zu den unterschiedlichsten Katzenlauten, den piepsenden Mäusen und dem klassischen Ticken einer alten Standuhr, ist wirklich jede akustische "Kleinigkeit" bedacht und wirkungsvoll umgesetzt worden. Gleiches gilt auch für die immer stimmungsvolle Musik, die unter anderem mit Orgel, Geigen und weiteren Streichinstrumenten sowie Flöten bzw. Oboen und natürlich auch dem Synthesizer eingespielt worden ist. Dabei wechseln sich langezogene, düstere und bedrohlich wirkende Klänge mit harmonischen Melodien (ich meine einmal Anklänge an den "Zauberlehrling" gehört zu haben) ab. Darüber hinaus ertönt noch ein Choral und am Ende passenderweise ein schwermütiges Musikstück.

      Zu den Sprechern:
      Wie schon weiter oben erwähnt, kommt die heisere, jederzeit punktgenau Stimme von Peter Weis(Erzähler) wenig zum Einsatz, aber wenn er spricht, wirkt es auf mich so, als ob die anderen Sprecher mit ihren Texten seine Sätze noch unterstreichen. Dieses großartige Zusammenspiel ist unter anderem der sorgfältigen Regie von Stephan Bosenius und Marc Gruppe, zuzuschreiben. Sascha von Zambelly(Fremder) ist ausgezeichnet als Ortsunkundiger, der sich für Bulemanns Haus und dessen Geschichte interessiert. Ganz auf Augenhöhe ist auch Beate Gerlach(Alte), deren leicht krächzende Stimme ihrer Figur etwas Unheimliches verleiht. Bodo Primus(Wächter) intoniert den alten Nachtwächter mit einem geheimnisvollen Unterton in der rauen Stimme, und Eckart Dux(Organist Leberecht) spricht den freundlichen, auch mal schwermütig seufzenden Musiker mit viel Gefühl. Dirk Petrick(Junger Leberecht) kann als dessen jüngeres, leicht eingeschüchtertes Alter Ego auf ganzer Linie überzeugen, Thomas Balou Martin(Bulemanns Vater) hat einen recht kurzen, aber prägnanten Auftritt als hämisch lachender, finsterer Erzeuger der titelgebenden Figur, die von dem Sprecher-Urgestein Horst Naumann(Daniel Bulemann) kongenial intoniert wird. Naumann ist einfach toll als übellauniger, geradezu bösartiger Sklaventreiber, der Mensch und Tier gleichermaßen abfällig be- und misshandelt. Da bekommt man schon beinahe Mitleid mit seiner Wirtschafterin, gespielt von Hörspielegende Dagmar von Kurmin(Frau Anken). Ihr Portrait der alten Haushaltshilfe, die scheinbar jede Demütigung gleichgültig akzeptiert, aber in unbeobachteten Momenten ständig vor sich hin schimpft und dabei einen Hang zum Sadismus offenbart, ist wie immer beeindruckend, und es gibt nur wenige Sprecher, deren Spiel einen so mitreißen kann. Ebenfalls eindrucksvoll ist Claudia Urbschat-Mingues'(Christine) Darstellung der verzweifelten Halbschwester Bulemanns, deren Flehen und Schluchzen wohl jeden Hörer rühren dürfte. Christopher McMenemy(Christoph) in der Rolle ihres Sohnes, steht dem in Nichts nach, und seine Interpretation des kranken Jungen ist mehr als beachtlich. In weiteren Nebenrollen treten noch Martina Linn-Naumann(Tote Mutter) als gute Wünsche äußernder Geist und Michael Pan("Knecht Ruprecht") als verkleideter, angetrunkener Prahlhans auf.
      Während das Kneipenpublikum keine Erwähnung findet, ist die Kindergruppe, bestehend aus Marlene Bosenius, Edward McMenemy, Freya McMenemy, James McMenemy und (erneut) Christopher McMenemy, welche den "Bulemann"-Reim singt und "Seelenverkäufer" schreit, im Booklet aufgeführt.

      Fazit:
      In allen Punkten überzeugende Hörspieladaption von Theodor Storms gleichnamiger Novelle.

      Das Hörspiel Gruselkabinett - 153 - Bulemanns Haus
      gibt es bei
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      POP.de


      OTR-Fan
    • Auch von mir Dank und Respekt für Deine Arbeit. @MonsterAsyl

      Tatsächlich kenne ich die Vorlage gar nicht und kann mir inhaltlich so gar nichts drunter vorstellen. Oberflächlich erinnert mich das, was ich von dem Plot gelesen habe, etwas an Das Haus des Richters aus derselben Reihe.

      Mal sehen, ob und wann ich da mal reinhöre.
    • Danke für die sehr interessante und ausführliche Rezi. :hutheb:

      Bin dadurch neugierig auf das Hörspiel geworden und habe es dann auch sogleich gehört.
      Hat mir sehr gut gefallen, sowohl von der Geschichte her als auch der Hörspielumsetzung. :]

      Gruß, Frank
      Wo Leidenschaft ist, da ist auch Hoffnung.
    • Bulemans Haus

      Ich habe die Folge gestern Abend gehört und sie ist natürlich wie immer sehr gut produziert. Aber die Geschichte selbst war irgendwie total anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Sehr ruhig und nicht gruselig oder bedrohlich. Die Ansätze waren da und die Sprecher top, aber im Grunde habe ich keine Lust sie wieder zu hören. ;)

      5/10
    • Hardenberg schrieb:

      Auch von mir Dank und Respekt für Deine Arbeit. @MonsterAsyl

      Tatsächlich kenne ich die Vorlage gar nicht und kann mir inhaltlich so gar nichts drunter vorstellen. Oberflächlich erinnert mich das, was ich von dem Plot gelesen habe, etwas an Das Haus des Richters aus derselben Reihe.

      Mal sehen, ob und wann ich da mal reinhöre.
      Jetzt hast du mich auf eine Idee gebracht, ich werde mal wieder Das Haus des Richters hören :zustimm:
    • Dickens, der übrigens relativ zeitgleich mit Storm lebte, hat zumindest zeitlich mit "A Christmas Carol" klar die Nase vorn - das ist ungefähr 20 Jahre früher erschienen als "Bulemanns Haus". Vielleicht hat sich Storm hier ja tatsächlich etwas Inspiration geholt? Immerhin gilt "Bulemanns Haus" als eine der wenigen echten deutschen "Gothic Novellen".
      Eins und eins ist zwei -- von London bis Shanghai!

    • gruenspatz schrieb:

      Vielleicht hat sich Storm hier ja tatsächlich etwas Inspiration geholt?
      Wobei seiner Fieslingsfigur ja etwas ganz Entscheidendes fehlt - im Gegensatz zu der von Dickens. ;)
      Ob sich da tatsächlich Inspiration geholt wurde, kann man halt nie sagen, gekannt haben dürfte Storm die Geschichte von Dickens aber mit ziemlicher Sicherheit.
    • Securitate schrieb:

      Hardenberg schrieb:

      [...] erinnert mich das, was ich von dem Plot gelesen habe, etwas an Das Haus des Richters [...]
      "Bulemanns Haus" hat mit "Haus des Richters" inhaltlich und vergleichbar so viel gemeinsam, wie "Tomatensaft" mit "Alkoholfreiem Bier". =)

      Ich weiß gar nicht, was Du hast. Beides ist flüssig und ekelhaft - das sagt doch schon ne Menge aus. :green: =)

      Okay, dann täuschen die zwei, drei Sätze, die ich zum Inhalt bisher gelesen habe.
    • Nein, mit dem "Haus des Richters" hat "Bulemann" wirklich nichts zu tun. :nein:

      Habe das Hörspiel gestern gehört und muss auch sagen, dass man da aus dieser Geschichte, die ja nicht gerade zu den besten oder bekanntesten Werken Storms gehört :zwinker: , herausgeholt hat, was ging.
      Die Produktion ist wirklich gelungen, gute Sprecher, sehr atmosphärische Musikuntermalung, alles top!
      Ob einem der Inhalt nun gefällt, ist und bleibt Geschmackssache.
      Im Unterschied zu "Ebenezer Scrooge", ist der zentrale Charakter hier ja
      Spoiler anzeigen
      ein unbelehrbares Ekel, das alle in seiner Umgebung mit ins Elend zieht und so schließlich auch ein ganz besonders perfides "Ende" findet.
      Von zwei zu Dämonen gewordenen misshandelten Katern im Haus gefangen gehalten zu werden und dort quasi "tot" weiterleben zu müssen, bis sich Gott vielleicht doch erbarmt, das ist natürlich stärkerer Tobak, als man ihn in "Eine Weihnachtsgeschichte" zu hören bekommt.
      Ich muss sagen, dass ich den Schluss doch sehr berührend fand, der ist toll umgesetzt!
      Für mich hat das Ganze irgendwo schon Märchencharakter, aber mit ein bisschen Grusel und
      Spoiler anzeigen
      vor allem Traurigkeit, denn es gibt ja nicht mal ansatzweise ein Happy End...
    • Danke für die, wieder mal, sehr spannende und fundierte Rezie!

      Ich bin mit der Geschichte aufgewachsen, komme aus dem Norden.Vielleicht lag es an meiner Stimmung, vielleicht kenne ich die Vorlage zu gut und das Kopfkino spult sich von alleine ab, vielleicht war diese Folge besser inszeniert als andere, aber ich fand sie wirklich gut. So hab ich mir das immer vorgestellt :) Nicht besonders gruselig, aber schon unheimlich, dunkel und knorrig. Wie es halt so war, im Norden :P
      Bäume! Große Bäume! Mit viel Laub und Rauschen
    • Oha, da ist man hier aber wirklich wieder in die alten Muster zurückgefallen. Leider. Dieses Hörstück kann man ja nun wirklich nicht Hörspiel nennen, denn im Grunde wird die ganze Geschichte vom Erzähler (noch dazu wieder mal Peter Weis) vorgetragen, und die Inszenierung beschränkt sich darauf, das Erzählte in kurzen Einsprengseln zu vertonen.

      Erzähler: Eine Katze sprang vom Dach.
      Katze: Miau!
      Erzähler: Bulemann schritt durchs Zimmer und murmelte vor sich hin.
      Bulemann: murmelmurmel
      Erzähler: Da klopfte es an die Tür.
      *klopfklopf*

      Und so geht es im Grunde die ganze Zeit. Die Figuren sind völlig schwarzweiß gezeichnet, eine richtige Geschichte im Grunde nicht gegeben.

      Ich sag mal so: Einige Geschichte sind völlig zurecht etwas in Vergessenheit geraten, und wenn man bei dieser Geschichte Bezüge zu Dickens und seinen Scrooge sieht: Für mich liegen da in der Ausgestaltung der Handlung Welten dazwischen.

      Die Geschichte ist also eher reizlos, Inszenierung und Sprecher solide, aber ohne eigenen, besonderen Reiz; mir kam im Grunde das ganze Hörspiel bekannt vor, als hätte ich es schon mal gehört - was aber nicht der Fall war.

      Brauche ich nicht nochmal.