Gewalt in Hörspielen: Was darf, was kann, was muss - und wo ist die Grenze?

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen zum Thema Cookies finden Sie hier und in unserer Datenschutzerklärung

    • Im Thread zum neusten Fitzek-Hörspiel auf Audible kam dieses Thema auf - ich finde, es lohnt einen eigenen Thread.

      In vielen Hörspielen geht es um Gewalt. Diese kann eher unblutig geschildert werden, wie in den diversen Whidunit-Formaten, oder aber auch explizit wie in Reihen und Serien wie Gabriel Burns, John Sinclair, Dorian Hunter oder auch MindNapping. Da viele Hörspielserien dem Bereich des Grusels oder des Horrors angehören oder eben des Krimis und des Thrillers, scheint eine Auseinandersetzung mit Gewalt unumgänglich. Die Frage ist natürlich immer, was es unbedingt braucht, um ausreichend Spannung und Identifikation des Hörers mit dem Stoff zu erreichen - und wann eine Grenze des Erträglichen überschritten ist.

      Diese Frage kann man für sich persönlich beantworten; man kann aber ebenso fragen, ob es eine breiter gefasste Grenze des Erträglichen gibt, die nicht überschritten werden sollte.

      Wie ist Eure Ansicht zum Thema?
      Wie steht Ihr zu Gewalt in Hörspielen?
      Und wo ist Eure persönliche Grenze erreicht?
      Gibt es eine objektive Grenze, die nicht überschritten werden sollte - ein Punkt, an dem es nicht mehr nur eine rein private Vorliebe ist?

      Sehr schön fände ich auch Beispiele für einen besonders gelungenen Einsatz von Gewalt - oder auch für Fälle, wo Eure Grenze des guten Geschmacks berührt oder sogar überschritten worden ist.

      Zur Definition des Begriffs Gewalt: Damit ist natürlich in erster Linie physische Gewalt gemeint: explizite Schilderungen von körperlichen Misshandlungen oder Tötungen, natürlich auch sexuelle Gewalt, sofern es diese in Hörspielen gibt.
      Und wenn es erwünscht ist oder als notwendig erachtet wird, kann natürlich auch psychische Gewalt unter diesen Gesichtspunkten betrachtet werden.

      Ich würde mich über eine angeregte, gleichzeitig aber auch für alle erquickliche Diskussion freuen. :)
    • Und eine Antwort zum Thema auch gleich von mir, in der ich Bezug nehme auf Beiträge aus dem Augensammler-Thread.

      Agatha schrieb:

      Ich kann sowas nicht hören, war schon immer so und wird auch so bleiben.
      Dazu muss ich nicht mal selbst Kinder haben.
      Allein schon der Gedanke daran ist mehr als nur furchtbar.... :arg4:
      Diese Art von Psycho-Horror ist für mich weder eine Form der spannenden Unterhaltung noch brauche ich solche Geschichten, um mich mal richtig schocken zu lassen.
      Aber es muss wirklich jeder selbst entscheiden dürfen, wieviel Grauen und Abartigkeit er/ sie beim Lesen oder Hören vertragen kann - auch in dieser Hinsicht.
      Und scheinbar kommen solche Bücher ja gut an, sonst gäbe es nicht so viele davon.

      Zur Erläuterung: Es ging um Gewalt an Kindern in Hörspielen. In betreffendem Hörspiel werden Kinder von einem Serienmörder getötet und ihnen jeweils ein Auge entfernt.

      Ich selbst kenne keinen grundsätzliche Grenze bei Gewaltdarstellungen in fiktiven Werken. Für mich ist maßgeblich: Es muss tatsächlich fiktiv sein. Dann gehört es in die Sphäre des Künstlichen/Künstlerischen und ist wegen dieser anderen Dimension per se erst mal grundsätzlich akzeptabel für mich.

      Ob ich es dann auch goutiere, ob ich es überhaupt ertrage, steht dann auf einem anderen Blatt. Ich würde mich selbst als durchaus hartgesotten bezeichnen, doch ich merke, dass ich mit zunehmendem Alter sensibler auf bestimmt Dinge reagiere als noch in meiner Jugend. Bestimmte Geschichten, bei denen es um das Leid von Kindern geht und die einen sehr authentischen Rahmen abbilden und damit realistisch wirken, gehen mir oft sehr nahe. Vor allem natürlich seit ich selbst Vater bin. Wenn ich weiß, das, was da geschildert wird, passiert tatsächlich irgendwo auf der Welt, und dieses Leid wird sehr eindringlich geschildert, dann trifft es mich voll.

      Wenn ich dagegen innerhalb einer Geschichte, die eine große Distanz zum realen Leben und Erleben aufweist, mit Gewalt konfrontiert werde, verlasse ich nie die Ebene des Konsumenten eines fiktiven Werks und weiß die ganze Zeit über, dass das nur eine Story ist. Wenn also etwa bei einer TV-Serie wie The Walking Dead ein Kind als Zombie aus einer Scheune hervorbricht, dann mag mich das innerhalb der Geschichte packen, aber es berührt mich natürlich nicht so intensiv wie die realistische Nachzeichnung einer menschlichen Tragödie innerhalb einem Formats wie etwa Bella Block, das eher so etwas wie eine Sozialstudie gleichkommt.

      Oder auf Hörspiele bezogen: Wenn bei Gabriel Burns eines der grauhaarigen Kinder stirbt, dann ist mir das emotional völlig fern. Der Abstand zur Realität ist zu fern.

      Wenn ich aber bei derselben Serie den kleinen Daniel höre, wie er ängstlich in die Kiste steigt, obwohl er es eigentlich gar nicht will - und er dann mit einem spitzen Schrei für immer verschwindet, dann trifft mich das mitten ins Herz. Nicht weil es realistisch wäre, dass ein Kind einfach so plötzlich weggezaubert würde, sondern weil ich es nachempfinden kann, dass man ein Kind vielleicht zu etwas nötigt, was es gar nicht möchte - und dann erleidet es dadruch Schaden. Und man selbst bleibt zurück und macht sich ein Leben lang Vorwürfe. Das ist universeller Natur und kann jeden treffen: dass des anderen Leid durch mich begründet wird, auch wenn ich das gar nicht wollte.

      Dabei gibt es in dieser Szene nicht einmal Gewalt im klassischen Sinne. Doch so etwas trifft mich halt weitaus mehr.

      Thorsten B schrieb:

      Ich habe mal in einer Pater-Brown-Folge offscreen ein Kind ertrinken lassen. Keine Gewalttat, reiner Unfall. Trotzdem würde ich das in so einem klassischen "Cozy"-Krimi nach derzeitigem Stand kein zweites Mal mehr machen. Das ist eine Art von Dramatik und Thematik, die die Grenzen dieses Genres doch irgendwie sprengt, da es viele Menschen auf einer sehr persönlichen und emotionalen Ebene trifft und eben nicht auf einer rein unterhaltenden. Der Schutz des Nachwuchses ist eben im Wesen beinahe jeder Spezies verankert.

      Im Bereich Thriller oder Horror sieht das natürlich schon wieder etwas anders aus.

      Ich weiß nicht, ob ich das so nachvollziehen kann oder möchte. Was das Geschmacksempfinden einiger Hörer angeht - okay. Aber würde man sich nicht selbst zu sehr beschränken, wenn man sich solche Wendungen von vornherein versagte? Zumal es ja immer nur ein Bruchteil der Leute ist, die ihren Unmut artikulieren. Alle anderen fanden es ja vielleicht angemessen.

      Der Unmut spricht ja auch dafür, dass es berührt hat. Insofern könnte es ja auch Ausweis dafür sein, dass die betreffenden Szenen gelungen sind. Denn immerhin sollten sie ja berühren. :zwinker:

      Außerdem leuchtet es mir nicht ein, warum für einen Menschen der Tod eines Kindes in einem Krimi-Format nicht akzeptabel sein sollte, derselbe Mensch aber bei einem Horror-Splatter-Hörspiel die Verstümmelung von Kindern als gruselige Unterhaltung empfindet. Da passt für mich etwas nicht zusammen. Entweder man verabscheut solche Szenen - dann aber doch wohl generell - oder man verabscheut zumindest eine bestimmte Grenzüberschreitung (die dann ja aber eher beim Splatter erreicht wäre als beim Offscreen-Unfall im Krimi) oder eben Gewalt gegen Kinder generell. Warum für einzelne die Erträglichkeit am Genre hängt, erschließt sich mir nicht.

      (Was, um es noch einmal zu betonen, nicht als Kritik zu verstehen ist, sondern als echtes Unverständnis. Ich würde es gern verstehen.)

      Cherusker schrieb:

      Wenn Kinder betroffen sind, ist das natürlich nochmal eine Stufe schlimmer. Vor allem wenn man selber Kinder hat. Da wird die Geschichte aber auch noch emotionaler and intensiver durch. Ich kann verstehen, warum das abschreckend auf manche wirkt. Fitzek‘s Geschichten sind für mich Pflichtkauf.

      Wie ich ja schon im anderen Thread schrieb, scheint Fitzeks Literatur einigen ja als Gewaltpornographie zu gelten. Ich selbst kann das nicht beurteilen.

      Für mich ist bei Gewaltdarstellungen tatsächlich der Kontext entscheidend.

      Was ich gar nicht mag, ist explizite Gewaltdarstellung als reiner Effekt. Als Selbstzweck. Das stößt mich ab. Weil ich da die Lust an der Gewalt weniger bei der Figur im Hörspiel als beim Macher (und beim pot. Hörer) unterstellen muss. Oder weil es auf Mängel im Skript hinweist, die dadurch überlagert werden soll. (Letzteres die häufiger anzutreffende Variante.)

      Gewalt, auch explizite, ist dagegen in Ordnung, wenn durch sie handlungsintern etwas transportiert werden soll in Bezug auf die handelnden Personen. Wenn sich also durch die Darstellung der Gewalt die Persönlichkeit des Täters zeigt - oder auch die des Opfers. Oder bestimmte Figurenkonstellationen durch sie verdeutlicht werden. usw.

      Grundsätzlich bevorzuge ich es jedoch, wenn die Inszenierung der eigenen Phantasie Raum lässt, gewisse Leerstellen selbst zu füllen. Allzu explizite Beschreibungen verflachen eher den Effekt und führen zu einer größeren Distanz. Dann überdeckt letztlich nur der Ekel die Empathie, das Miterleben.

      Entscheidend ist natürlich auch die Erzählhaltung, die allem zugrunde liegt. Bei 24 hat mich damals die explizite Gewaltdarstellung in späteren Staffeln extrem abgestoßen, weil die Taten durch den Protagonisten begangen wurden und das auch gutgeheißen bzw. als zielführend dargestellt wurden. Wenn die Taten dagegen von einer Figur begangen werden, die ihrer Stellung nach "das Böse" verkörpert, sind solche Taten natürlich deutlich besser auszuhalten. Unnötig zu erwähnen, dass ich Gewalt verabscheue. Darum ist das für mich ein entscheidender Unterschied. Einen Helden, der das Gesetz selbst in die Hand nimmt und dem Gewaltexzess frönt, brauche ich nicht.

      Beispiele für Gewalt, die ich unerträglich fand?

      Mir fällt dazu Dopamin von MindNapping ein, Hörspiel nach dem Skript des von mir geschätzten Marco Göllner. Aber bei diesem Hörspiel lag er in meinen Augen total daneben, denn die Art wie die Frau und ihre Sexualität (und mit ihr die Gewalt) geschildert wurden, war das für mich total abgeschmackt und abstoßend. Eine feuchte Männerphantasie. Völlig daneben. Da habe ich mich wirklich geärgert.

      Und bei Gabriel Burns fand ich die die Gewalt oft einfach unpassend, weil sie reine Effekthascherei war und vom undurchdachten Skript ablenkte. Bei Raimon Weber hat die Dosis gestimmt, Andreas Gloge neigte dagegen dazu, ein paar Schippen zu viel draufzulegen, um Leerstellen zu verdecken. Dabei waren die entsprechenden Szenen aber gar nicht berührend, sondern einfach nur ekelhaft auf eine sehr oberflächliche Art. Das fand ich aber eher doof als in der Darstellung unerträglich.

      Widerlich fand ich, anderes Medium, vor Urzeiten meinen Ausflug in die Gedankenwelt des Marquis de Sade. Aus Gründen der Allgemeinbildung nahm ich mal eines seiner Bücher zur Hand und habe es dann sehr schnell wieder aufgrund der expliziten Gewaltdschilderungen (vor allem gegen Kinder) wieder weggelegt. Ekelhaft! Und für mich eindeutig weit jenseits aller Grenzen des mir Erträglichen.
    • Es kommt bei mir immer darauf an . Höre ich Fitzek, Franz oder gar Zuiker etc.
      Da erwarte ich Szenen die brutal und detailliert sind. Gerade wenn es Themen wie Organ- oder Menschenhandel sind.
      Oder wenn in den Simon Beckett Romanen beschrieben wird wie auf einer "Body Farm" gearbeitet wird.

      Beim hören von Sherlock Holmes etc. würde mich solch eine Darstellung aber stören.


      Thorsten B schrieb:

      Im Bereich Thriller oder Horror sieht das natürlich schon wieder etwas anders aus.
      Genau so sehe ich es auch.

      Detallierte Gewalt in Thrillern ist ok, aber bitte nicht in einem normalen Krimi oder gar in einem Genre das eigentlich "Familentauglich" sein sollte.

      Manchmal wünschte ich mir darum auch bei anderen Medien ausser Filmen und Spielen eine Altersfreigabe wie USK und FSK.
      "Great men are forged in fire. It is the privilege of lesser men to light the flame"
    • Solange es Fiktion ist, habe ich eigentlich kein Problem mit Gewaltdarstellungen. Mir ist allerdings aufgefallen, dass mich Geschichten mit durchgehenden Gewaltdarstellungen eigentlich eher nerven. Ich verliere dann einfach das Interesse an der Geschichte. Daher habe ich wohl auch bisher, außer bei den beiden Hörspielen "Das Kind" und der Seelenbrecher, noch kein Hörbuch/Hörspiel von Fitzek bis zum Ende gehört. Und bei letzterem hat mich die Gewaltdarstellung am Anfang auch schon fast abschalten lassen.

      Mein erstes Hörbuch, das ich überhaupt gehört habe, war "Blutadler" von Craig Russel. Einmal anhören hat mir gereicht. Wenn ich mir dagegen vorstelle, dass es früher eine gängige Foltermethode war, wird mir schon ganz anders.

      Wenn Gewalt in die Handlung passt, dann ist es für mich okay. Wenn die Handlung nur aus Gewalt besteht, interessiert es mich einfach nicht.

      :moin2:
    • Den hatte ich sogar gesehen, aber weil er so alt ist und vor allem wegen der äußerst absurden Diskussion zum Thema, ob eine Frau ebenso schützenswert sei wie ein Tier, hielt ich es für sinnvoller, einen neuen Thread zu starten. :zwinker:

      Tut mir leid, wenn Dir deshalb nun zusätzliche Mühen entstanden sind. Das lag nicht in meiner Absicht.

      Und @all
      Bitte diesen Teil der alten Diskussion hier nicht fortsetzen. :)
    • @Ben Kenobi

      Ich verstehe Dich also richtig: Explizite Gewalt stört Dich nicht per se, wird von Dir aber unter Umständen in bestimmten Genres als unpassend empfunden?

      Gibt es denn auch Hörspiele, bei denen die Gewalt zwar ins Genre passt, wo es Dir aber zu viel oder zu heftig ist?


      @S.R.-Fan

      Ja, ein Zuviel an Gewalt in Hörspielen ist einfach langweilig. Was aber auch damit zusammenhängt, dass sich der reine und oberflächliche Ekel-Effekt sehr schnell wieder abschwächt. Der psychische Thrill, der durch Andeutungen und Auslassungen entsteht, ist da deutlich wirksamer und auch nachhaltiger, weil die Lücken mit eigenem Erleben, mit eigenen Empfindungen aufgefüllt werden und das Geschilderte dadurch einen persönlichen Bezug bekommt.
    • Eine Frage ist dann auch, in wieweit eine Geschichte real erscheint, also nicht voellig aus der Luft gegriffen. Meine Mutter schaut am liebsten Pilcher. Ihr geht Tatort schon zu weit. Also jeder hat seine eigene Erwartungshaltung, was man von einer Geschichte erwartet. Sie moechte heile-Welt sehen, und das bewerte ich gar nicht negtiv. Jeder hat seine eigene Erwartungshaltung. Und Fitzek oder Smokey Barret oder Hannibal Lecter Geschichten sind das meiner Meinung nach REAL-HORROR Geschichten.

      Im Prinzip erzeugen sie einen Horror in uns, wie das auch normale Horror-Geschichten mit Zombies, lebenden Toten oder anderen Angst erzeugenden ELementen machen. Aber diese Real-Horror Geschichten sind fuer mich noch eine Stufe extremer, da sie real wirken. Bei einer Horror Geschichte mit Zombies, Aliens oder auferstandenden Monstern weiss ich, dass das alles Quatsch ist. Daher wirkt das nicht real. Da koennen die Koepfe abgehackt werden, das Blut spritzen, das macht mir nichts aus, da ich weiss, dass das alles Quatsch ist. Der extreme Faktor von REAL-HORROR Geschichten ist halt, dass sie real wirken und moeglich waeren. Ich fand z.B. eine "Die Wiecherts von nebenan" Folge der totale Horror. In einer Folge ist die Person, die Jochen Schroeder gespielt hat, in einer Fabrik bei einem Unfall ums Leben gekommen. Da lag er mit einmal mit einem verbrannten Gesicht, tot auf dem Boden. Da mein Vater damals in einer Zuckerfabrik gearbeitet hat, hat mich das total bewegt und mir Angst gemacht, dass dies meinem Vater auch passieren koennte. Genauso wirkt Gewalt an Kindern fuer Eltern viel extremer, da man sich dann fuerchtet, dass dem eigenen Nachwuchs auch so etwas passieren kann.

      Also ich denke, dass diese Real-Horror Geschichten etwas sind fuer Personen, die keine heile Welt von ihren Filmen oder Geschichten erwarten, sondern die gerne den Horror fuehlen wollen. Und dieser Real-Horror ist halt noch einige Stufen extremer, da er real erscheint und absolut moeglich ist im Gegensatz zu dem fiktiven Horror mit uebersinnlichen Elementen.
    • Hardenberg schrieb:

      Gibt es denn auch Hörspiele, bei denen die Gewalt zwar ins Genre passt, wo es Dir aber zu viel oder zu heftig ist?
      Ja gibt es. z.B. Kuru - der lachende Tod.


      Hardenberg schrieb:

      Explizite Gewalt stört Dich nicht per se
      Hier stellt sich wieder eine ganz bestimmte Frage was bezeichnest du als "störend"?
      Wenn z.B. in einem Hörbuch bei dem es um Organhandel geht, eine Szene beschrieben wird, bei der an einem lebendigem Kind eine Vivisektion vorgenommen wird, da braucht es nicht mal ins Detail zu gehen um unangenehme Gefühle zu erzeugen.
      "Great men are forged in fire. It is the privilege of lesser men to light the flame"
    • Hardenberg schrieb:

      Der Unmut spricht ja auch dafür, dass es berührt hat. Insofern könnte es ja auch Ausweis dafür sein, dass die betreffenden Szenen gelungen sind. Denn immerhin sollten sie ja berühren.
      Das "Problem" ist auch nicht einzelner Unmut, sondern dass mich die Umsetzung ebenfalls berührt hat. ;)

      Zumindest soweit, dass ich mir sage, für einen "Cosy"-, oder "Feelgood"-Krimi war das dann vielleicht doch eine Spur zu viel. Natürlich ist alles rund um den Unglücksfall so aufgebaut, dass es berühren soll. Ein Dorf im Niedergang, in dem jedes einzelne Kind wichtig und wertvoll ist, der Drang des Kindes auf etwas zu hoffen, was dann mit tödlicher Konsequenz nicht eingetreten ist, und natürlich die Szene, in der der Schäfer den Leichnam zur Dorfgemeinschaft bringt. Das lässt sich alles nicht so schwer schreiben, aber wenn es dann durch professionelle Sprecher zum Leben erwacht, hat das noch mal eine ganz andere, realer empfindbare Tragik.

      Von daher sehe ich im Moment drei große Punkte, von denen die jeweilige, subjektive Empfindung von Gewalt abhängt: Erwartungshaltung, Kontext, Inszenierung.

      Und dann gibt es manche Menschen, die das gewissenermaßen binär empfinden (Gewalttat xy lehne ich immer/nie ab) und jene, mit einer differenzierteren Einstellung dazu, bei denen es hauptsächlich auf die letztendliche Ausgestaltung der drei genannten Punkte ankommt, wie sie es empfinden.
      "Was sagt man darüber, wie man Bücher schreibt? Man denkt sich etwas aus und zwingt sich, es aufzuschreiben."

      Ariadne Oliver, Poirot: Wiedersehen mit Mrs. Oliver
    • Für mich geht Gewalt da gar nicht, wo sie zum Selbstzweck wird, wenn ich den Eindruck habe, sie wird mir krasser geschildert als nötig, nochmal drauf, noch weiter quälen und erniedrigen, so richtig "zelebrieren", obwohl man als Rezipient schon längst begriffen hat, dass da etwas absolut Schreckliches passiert und es genug des Schockierens wäre!
      Da bin ich dann nur noch angewidert und habe schon keine Lust mehr auf den Rest des jeweiligen Machwerks.
      Suche mir aber solche Stoffe auch praktisch nie bewusst aus.
      Wer mag, der kann ja gern Bücher von Jack Ketchum, Michael Merhi und ähnlichen Autoren lesen, ich bin da raus.
      "Quäl das Fleisch" oder "Ich hasse und kille alles"-Gewaltexzess-Sachen, am besten noch mit pornographischem Hintergrund, so nach dem Motto: "Ach eigentlich will die Frau das da ja, die lernt durch die Folterungen doch erst, was richtig guter Sex ist!" sind für mich einfach nur krank, und ich frage mich halt auch, wie die Autoren selbst so drauf sind bzw. was die damit womöglich verarbeiten müssen...

      Cherusker schrieb:

      Genauso wirkt Gewalt an Kindern fuer Eltern viel extremer, da man sich dann fuerchtet, dass dem eigenen Nachwuchs auch so etwas passieren kann.
      Nein, man muss keine Kinder haben, um derartige Szenen sehr, sehr schlimm zu finden!
      Das ist eine Sache der eigenen Einstellung, der Empathie, wie man es immer nennen will.
      Ein kleiner, hilfloser Mensch, der gequält wird, tut mir einfach extrem leid, ich muss nicht selbst einen zuhause haben, um so zu fühlen!
      (Okay, es ist IMMER heftig, wenn jemand gequält wird, um es genau zu nehmen, aber bei Kindern kaum zu ertragen!)
      Mag auch zusätzlich eine Sache des Alters sein, denn ich finde, man wird definitiv sensibler und dünnhäutiger mit den Jahren.

      Was No-Go-Themen angeht, dazu gehören für mich Serien-Morde, bei denen der Täter auch noch besonders pervers vorgeht, als habe der Verfasser erst mal überlegt, wie er sein Publikum besonders nachhaltig "beeindrucken" kann, um ihm so richtig im Gedächtnis zu bleiben mit seinen Todesarten.
      Das grenzt doch teilweise schon an eine Art "Wettbewerb", so nach dem Motto: "Was hatten wir denn noch nicht an Grausamkeiten, DAS nehme ich dann mal!"

      Je realer der Horror, desto schlimmer wird er halt von den meisten von uns empfunden.
      Morde und Gesplattere in sehr weit hergeholten Szenarien, in Märchenwelten, beim Kampf gegen Orcs, Hexen, Monster und Mutanten :zwinker: , die unsere eigene Lebenswirklichkeit kaum oder gar nicht betreffen, empfinden wir ja längst nicht als so erschütternd wie etwas, das uns/unserer Familie jederzeit auch passieren könnte.
      Es laufen schließlich genügend Abartige da draußen herum...
      Ich gehöre definitiv zu den Menschen, die das nicht im Übermaß und richtig breit ausgewalzt im Hörspiel haben müssen. Weder in Form von Folter noch Vergewaltigung oder eines sinnlos ausgewalzten, minutenlangen *zerschlitz* *bratsch* *blutspuck* *stöhn* Todeskampfs.
      Das hat gar nichts mit "Heile-Welt-Mentalität" oder "Nix-Vertragen-Können" zu tun, das ist die alte Frage, die auch hier schon in einigen (Film-)Threads gestellt wurde, warum sich der eine eben gern blutig und explizit schocken lässt, der andere nicht. ^^
      Psychologisches, unterschwelliges Grauen, z. B. all das, was nicht direkt erklärt wird, weil man es eben nur hört oder sich selbst anhand von Andeutungen ausmalen muss, ist natürlich besonders wirkungsvoll und kommt längst nicht so plump daher, wie plakative Gewaltszenen.
      Wenn ich MoAs' Rezi zu der neuen Staffel von "Weisse Lilie" so lese, dann scheint das z.B. auch dort an einigen Stellen der Fall zu sein. Ich selbst habe die Folgen noch nicht gehört.
      Oder bei "Krieg der Welten" von der "Mediabühne", diese Szene im Dreibeiner, bei der die Gefangenen genau wissen, was ihr Schicksal ist, ohne das Verspeisen anderer schon direkt miterlebt zu haben, sie alles versuchen, dem zu entgehen, es aber nicht schaffen - das fand ich extrem aufrüttelnd, weit stärker, als es jede "Aaaah, er wird zerschreddert, das Blut spritzt!"-Szene gekonnt hätte.
      Mit dem "arbeiten", was man nicht sieht, ist halt eh Aufgabe des Hörspiels :zwinker: , von daher muss man sich in seinem Fall ja immer vieles vorstellen, was einem der Film "in Blood Color" :biggrin: bieten kann.
      Und es ist nun mal ziemlich heftig, wenn es da z.B. um Vergewaltigungen geht, die man eigentlich nicht sehen, aber auch erst recht nicht hören möchte!
      Denn um akustisch "plastisch" zu wirken, muss die Frau nun mal ganz besonders viel schreien, wimmern usw.. :schreck: :panic:
    • Hmm, also bei mir ist es folgendermassen: während ich in meiner Jugend immer gern den "Kick" gesucht habe, also je härter und krasser desto besser, hat sich das im Laufe der Jahre doch sehr geändert. Ich denke mal das hängt auch mit dem Alter und den eigenen Erfahrungswerten zusammen. Extreme Gewalterlebnisse sind für die Mehrheit von uns ja erfreulicherweise doch nur sehr "abstrakt" und große "Schmerzerlebnisse" hat man in der Jugend ja meistens nicht. Das ändert sich im Laufe des Lebens und je mehr Schmerzen man am eigenen Leib erfahren hat, desto eher berühren einen auch die Schmerzen anderer. So geht es mir jedenfalls. Dabei spielt es für mich auch keine Rolle, wem da nun Leid zugefügt wird, mitfühlen tu ich bei allen.
      Trotzdem fände ich es schade, wenn sich ein Autor quasi einer Selbstzensur unterwerfen würde und bereits beim Verfassen eine Schere im Kopf ansetzt, nur um niemanden zu vergraulen. Je nach Geschichte gehört Gewalt und deren Darstellung eben dazu, wie z.B. bei der weissen Lilie. Das ist zwar (für mich) teilweise harter Stoff, aber ohne diese Szenen würde das Hörerlebnis nur halb so intensiv ausfallen. Ich kann mich auch nicht erinnern, jemals ein Hörspiel wegen zuviel Gewalt abgebrochen zu haben. :denk: Gehört habe ich immer bis zum Schluß, aber bei vielen dieser Hörspiele blieb es dann eben auch beim einmaligen Hören, wie z.B. Kuru.


      OTR-Fan
    • MonsterAsyl schrieb:

      aber bei vielen dieser Hörspiele blieb es dann eben auch beim einmaligen Hören, wie z.B. Kuru.
      Jap, das ist dann halt auch eine Folge von zu übertriebenen Gewaltdarstellungen im Hörspiel - man steckt es einmal in den Player, dann war es das und man könnte die CD theoretisch gleich wegschmeißen, verschenken, verkaufen, was auch immer, aber hat nie wieder selbst seinen Spaß daran.
      Brauche ich generell nicht, solche "Eintagsfliegen".
    • Benutzer online 1

      1 Besucher