Gabriel Burns - Die Serien-Besprechung

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    • Marco schrieb:

      Heliosphere! :winke:


      Sind aber bisher "nur" die Folgen 1-9.
      Vielen Dank für den Link! :]
      Aber das ist doch der Besprechungs-Thread von Cherusker!?
      Und auch er hat die zehnte Folge nicht besprochen mehr :wirr2: =)

      Hardenberg schrieb:

      Ja, Du hast recht. Zur Besprechung der #10 war ich damals nicht gekommen und hatte dieses Vorhaben dann aus den Augen verloren.


      Aber die folgt noch irgendwann. :)
      Naaa gut, dann bin ich ja beruhigt.
      Ich dachte schon ich kann es bloß nicht finden über die Suche =)
      Besser Illusionen die uns entzuecken als zehntausend Wahrheiten
    • So, heute komme ich endlich dazu, meine Besprechung fortzusetzen...

      Gabriel Burns – 13 – Die Kommission



      (Quelle: amazon)



      Und mit dem Kind kam das Grauen über Fairlane...

      SPOILER-Warnung!


      Nachdem das Methanwesen im Steinkohlebergwerk von Carmingay in einer elektrochemischen Reaktion vergangen ist und damit die Reste des Grubengases entzündet hat, versuchen Bakerman und Joyce Kramer, der tosenden Flammenhölle zu entkommen. Ehe es ihnen gelingt, sich zu befreien, entdecken sie in den Fels geritzte Zeichnungen: das Abbild eines Grauen Engels und eine Weltkarte, auf denen offensichtlich die zehn fahlen Orte von dem fremdartigen Wesen eingezeichnet worden sind.

      Später, von Steven Burns mit den Erfahrungen bei Yellow Ma konfrontiert, berichtet Bakerman von einer Mission im Auftrag der Trudeau-Kommission, an der er vor 32 Jahren teilgenommen hat, zusammen mit der Medizinerin Diane Reeves, zugleich Expertin für übersinnliche Phänomene und in der besonderen Grunst des Premierministers stehend, sowie einem jungen Mann mit militärischer Ausbildung, für ihre Sicherheit verantwortlich, der sich im Zuge der Handlung als der originale Luther Niles herausstellt. Der Einsatz hat zum Ziel, die Hintergründe einiger Morde in den Barren Grounds, genauer gesagt: in einem Hochsicherheitsgefängnis in Fairlane, At the Butcher‘s genannt, zu beleuchten. Fünf Tote hat es gegeben, alle Opfer waren unter 25 Jahre alt, und schnell wird klar, dass etwas Mörderisches von den Wärtern und den Gefangenen in Fairlane Besitz ergriffen hat, eine mysteriöse Krankheit, die ein violettes Netz auf der Haut entstehen lässt und all jene zu befallen scheint, die älter sind als 25 Jahre und sie dazu bringt, sich entweder gegenseitig hinzumetzeln oder aber auf die Jüngeren zu stürzen, weil deren Geruch sie unwiderstehlich lockt und sie dazu verleitet, sich über ihre Köpfe herzumachen. Warum? – Das bleibt zunächst im Dunkeln.

      Nachdem Diane Reeves einem Infizierten zum Opfer fällt, entdecken Bakerman und Niles in der Küche ein kleines Kind, kaum älter als zwei Jahre alt. Bakerman nimmt es an sich und sieht sich auf einmal mit einem riesenhaften Grauen Engel konfrontiert, der ihm offenbar das Kind entreißen will. Ehe es jedoch dazu kommt, verschwindet das Monstrum im Geschrei des verängstigten Kindes plötzlich spurlos, und erst viel später beginnt Bakerman zu verstehen, dass dieses Kind, das sich natürlich als Steven Burns entpuppt, über besondere Fähigkeiten verfügt.
      Bakerman erzählt Steven, dass niemand je hat herausfinden können, von woher er damals gekommen und wie er in Fairlane aufgetaucht war. Klar war nur, dass es Steven war, der die Krankheit in das Hochsicherheitsgefängnis eingeschleppt hatte. Schlimmeres wurde nur daurch verhindert, dass die extreme Kälte des Ortes die Krankheitserreger schnell zunichte gemacht hat, so dass sie sich nicht weiter ausbreiten konnten.

      Bakerman gab den kleinen Jungen anschließend an ein befreundetes Pärchen: die Burns. Diese hatten in der Vergangenheit vergeblich versucht, ein Kind zu bekommen, und diese Entscheidung gab Bakerman die Möglichkeit, die Entwicklung des Kindes im Auge zu behalten. (Später dann bekam das Ehepaar Burns dann aber doch noch ein eigenes Kind, wie wir wissen: Daniel.)
      Warum die Älteren damals in Fairlane die Jüngeren umgebracht haben, das allerdings blieb ein Rätsel.

      Die Kommission ist für mich, zusammen mit Die erste Erinnerung und der anschließenden Folge Die Verbündeten der absolute Höhepunkt der bisher erschienenen Folgen. Endlich erhalten wir tiefere Einblicke in die Hintergründe des Seriengeschehens, endlich gibt es erste Hinweise darauf, warum die Serie Gabriel Burns heißt und weshalb sich alles um den trostlosen Taxifahrer zu drehen scheint. Jetzt endlich wird das lange Warten belohnt, und man erhält erste Antworten. Und natürlich – Gabriel Burns wäre nicht Gabriel Burns, wenn sich nicht mit jeder Antwort neue Fragen ergäben. Fürs Erste jedoch dürfen wir uns über einige aufschlussreiche Informationen freuen.
      Neben den oben beschriebenen Details finde ich besonders bemerkenswert die Tatsache, dass Maggiore Fink zwar mit den fahlen Mächten im Bunde steht, aber doch offensichtlich kein sonderlich intensiver Austausch zu erfolgen scheint, denn wir erinnern uns: Weiner war im Auftrag des Maggiore im Bergwerk von Carmingay, um den dort verborgenen Ammoniten zu zerstören, wusste jedoch nichts von dem Methanwesen, das dort seit über dreißig Jahren hauste und ganz offensichtlich zuvor aus dem Ammoniten geklettert war.
      Warum?
      Und wer oder was ist denn überhaupt dieses Methanwesen?
      Welche Stellung nimmt es innerhalb der fahlen Hierarchie ein?
      Nichts Genaues weiß man nicht.
      Es scheint durchaus über gewisse intellektuelle Fähigkeiten zu verfügen, blitzgescheit wirkt es jedoch nicht gerade. In ihm einen typischen Vertreter dessen zu vermuten, was auf der anderen Seite der Wolframtore lauert, scheint mir daher abwegig.

      Die Folge ist wieder einmal sehr fesselnd und ereignisreich in Szene gesetzt. Startet sie wie die Fortsetzung der Vorgängerfolge, indem sie bei den Ereignissen in Carmingay ansetzt, wandelt sie sich später zu einer Art Einzelfolge, indem sie einen Punkt der Vergangenheit beleuchtet, der ein wenig losgelöst ist von der Haupthandlungsebene. Die Ereignisse in Fairlane werden dabei sehr pointiert geschildert; Weber und Sassenberg halten sich nicht lange mit endlosen Dialogen und Szenen ergebnisloser Suchen auf, sondern lassen die Protagonisten dieser Folge in halsbrecherischer Geschwindigkeit auf den Kern des Plots zurasen, so dass es auch dieses Mal nicht für eine Sekunde langweilig wird.

      Sounddesign und Musik sind dabei ein weiteres Mal ungemein treffend platziert, wobei Sassenberg es auch bei dieser Folge hervorragend versteht, zwischen intentsiven und explosiven auf der einen und ruhigen, oft geradezu nachdenklichen Hörspielmomenten auf der anderen Seite zu wechseln. Es wird deutlich: Hier weiß jemand gekonnt auf der Klaviatur der Hörspieleffekte zu spielen, und es gelingt ihm mühelos, auch zwischen gegensätzlichen Stimmungen punktgenau hin und her zu switchen. Für mich nach wie vor große Hörspielkunst.

      Die Sprecher sind durchweg hervorragend, stellvertretend nenne ich hier Antje von der Ahe, die als Gastsprecherin der Medizinerin Diane Reeves die Stimme leiht und diese in gleichem Maße sympathisch wie bestimmt klingen lässt.

      Einziger minimaler Wermutstropfen ist das Spiel von Simon Jäger, der zwar hochprofessionell spricht, seinen Luther Niles in dieser Folge jedoch genauso anlegt wie bei seinen bisherigen Auftritten. Offensichtlich hat ihm niemand mitgeteilt, dass es sich bei diesem Niles nicht um eine weitere Züchtung, sondern um den originalen Menschen handelt, so dass Jäger auch diesen Niles als stark unterkühlte, ja sogar kaltschnäuzige Züchtung spricht, obwohl der wahre Niles diesem Bild ja eben nicht gleichkommt: der Tod des Mädchens lässt ihn mitfühlen, sich erregen, so dass er die Beherrschung verliert und den Mörder erschießt – und nicht umsonst werden hier Erinnerungen wach an Larry Newmans Begegnung mit der Niles-Züchtung in Angst aus Eis, wo sich ein Ähnliches ereignete, allerdings mit Niles in der Rolle des skrupellosen Mörders. In der Kommission jedoch klingt Jägers Niles nicht wie seinerzeit Björn Schalla als Newman, sondern er klingt wie eine Züchtung – dieser wäre aber das Schicksal des Mädchens völlig egal. Hier hätte ich es schöner gefunden, stimmlich zwischen den verschiedenen Luther Niles‘ zu differenzieren. Das ist an dieser Stelle für meinen Geschmack nicht optimal gelungen, ist aber in der Gesamtwirkung dieser Folge ein zu vernachlässigendes Detail.

      Im Ganzen weiß Die Kommission also auf ganzer Linie zu überzeugen. Endlich lichtet sich zaghaft der Nebel, und wir dürfen erste Einblicke nehmen in die Mysterien der Burns-Welt, die in den vergangenen zehn, elf Folgen so mühsam errichtet worden sind. Noch dazu sind diese Einblicke eingewoben in ein durch und durch spannendes und mitreißendes Folgengeschehen. Spannung pur – und somit volle Punktzahl!

      Der süße Duft der Jugend – und ein mörderisches Verlangen danach. Diese Folge bietet exzellenten Thrill und offenbart uns obendrein Erschreckendes über Steven Burns.

      Großartig!

      :st: :st: :st: :st: :st:



      .
    • Hallo @Hardenberg , :huhu1:

      ich habe mir heute (endlich) mal die Zeit genommen und mir schon mal Deine ersten 3 Rezis durchgelesen.
      Vorab schon mal ein ganz dickes Lob an Dich, dass Du Dir dafür die Zeit und das Herzblut nimmst. Es macht Spass, sie zu lesen! :daumenhoch:

      Bei Deiner Rezi zu Experiment Stille habe ich aber ein paar Einwände:

      Hardenberg schrieb:

      Nun ist es so, dass die Wascos sehr menschenscheu sein müssen, wenn die Fregatte so viel Zeit und Geduld investiert, um eines dieser Exemplare habhaft zu werden. Gleichzeitig fischt aber rein zufällig ein Mann aus der näheren Umgebung ohne Schwierigkeiten eins dieser Viecher aus dem Wasser, als wäre das nichts. Und natürlich ausgerechnet zu der Zeit, als Burns und Kollegen in der Nähe sind, um der Wiederauferstehung beiwohnen zu können. Da wird Kommissar Zufall aber wieder mal sehr heftig bemüht.

      Aber okay, das kann man sich alles gedanklich ja durchaus noch zurechtbiegen.
      Aber was sollen die Geschehnisse auf der Öl-Plattform? Wozu wird Lance mit einem Schleimparasiten im Ohr willens gemacht? Wozu macht man sich die Mühe, Kit Elswa ebenfalls mit dem Wurm zu infizieren, um ihn später in ein Bassin mit trüber Brühe zu legen und auf der Plattform zu lagern?
      Das alles mag sehr eindringlich geschildert, gruselig und spannend und ein bisschen eklig sein - aber so richtig schlüssig ist es auch nach dem wiederholten Hören nicht. Der gesamte Handlungsstrang auf der Öl-Plattform läuft eigentlich den Motiven der Fregattenbesatzung völlig zuwider, denn sie sind natürlich im Grunde nicht interessiert daran, viel Aufsehen zu erregen, machen aber eben dies, indem sie ihre Parasiten ausstreuen und Lance mit Kit Elswa verfahren lassen, wie sie es tun.
      Ich meine nicht, dass es ein großer Zufall ist, denn Burns & Kollegen sind wegen des Dröhnens dorthin beordert worden, welches, wie wir inzwischen wissen, eigentlich vom Leviathan verursacht wird. Dieses Dröhnen lockt die Wascos an. Daher ist es auch kein wirklicher Zufall, dass einer von ihnen gefangen wird von Ivar, der dadurch wieder nach dem tödlichen Unfall aufersteht, weil er Berührung mit dem Wasco hatte.

      Ich glaube nicht, dass die Fregattenbesatzung etwas mit den Parasiten zu tun hatte. Die war doch lediglich von Majore Fink beauftragt, der durch das Secret der Wascos eine Art künstliches Ila alk Khalf herstellen wollte.
      Was es aber mit der Ölplattform auf sich hatte und wer denn da die Parasiten verteilt hat, erschließt sich mir leider auch nicht mehr. Dazu müsste ich mir die Folgen mal wieder ganz konzentriert anhören. ;)

      Übrigens habe ich das Wort "lediglich" vom Erzähler immer als Ironie aufgefasst. Anders kann es doch nicht gemeint sein, wenn man mal betrachtet, welch einen Aufwand Bakerman betrieben hat, nur um Steven zur Mitarbeit zu überreden. :muhaha: :pfeifen:
    • Hallo @AbdulAschbadri, danke für Dein Interesse. :winke:

      Naja, ich empfinde es schon als ziemlich großen Zufall, wenn jemand bewusst die Wascos anzulocken versucht, es ihm aber ums Verrecken nicht gelingt, dann aber ausgerechnet einem Fischer ein solches Vieh ins Netz geht, sein Gehilfe bei dem Fang stirbt und dieser punktgenau dann wiederaufersteht, wenn Steven Burns gerade zu einem Besuch vorbeischaut. Sorry, aber mir ist das zu konstruiert.

      Außerdem wird keine andere Lesart der Bohrinsel-Thematik ermöglicht. Das ist also ein bisschen wie die Geschichte aus der Brut mit den Erziehern, die getötet werden: Es ist total sinnlos.

      Denn wer sonst als Fink und seine Verbündeten sollten denn für die Ereignisse auf der Seahawk 5 verantwortlich sein? Allein schon die Parasiten weisen ja auf sie hin, denn die tauchen an anderer Stelle ebenfalls auf und sind dort fahlen Ursprungs.

      Weiteres Beispiel für das Überkonstruierte dieser Folge: Mit Kit Elswar ist ausgerechnet ein Abkömmling jenes Indianerstammes auf der Seahawk 5 zugegen, der die Legende über die Wascos überliefert hat. Und der begegnet nun auf Unterwassermission diesen Wesen, schreit es ins Mikro und wird dabei aufgenommen, so dass Bakerman und Co. auch gleich einen Anhaltspunkt haben, womit sie es zu tun haben.

      Na, so ein Glück, dass bei der ersten (und angeblich ja so seltenen) Begegnung mit diesen menschenscheuen Wesen ausgerechnet ein Mann anwesend ist, der sie zu identifizieren weiß. Sonst hätte man sie vielleicht schlicht für übergroße Muränen gehalten. =)

      Nee, echt jetzt, dafür, dass sie so selten zu sehen sind und es für die Fregatte so schwer ist, der Wascos habhaft zu werden, tummeln sich da aber schon eine Menge Viecher rum - und dann auch noch deutlich sichtbar für alle möglichen Leute, nur eben nicht für Fink, den Blindfisch... :wirr2:

      Sorry, aber davon, dass diese Folge nicht völlig konstruiert und in Teilen unglaubwürdig ist, wird mich niemand mehr überzeugen können, auch wenn ich ja in meiner Rezi bereits zugestehe, dass man sich all das mit viiiiel gutem Willen noch irgendwie zurechtbiegen kann. Bis auf die Seahawk-Geschichte, die bleibt völlig widersinnig.

      Ach - und zum "lediglich": Es ist ja nicht nur dieses eine Wort. Vorher sagt der Erzähler auch noch, Steven falle ein, wie leicht es Joyce gefallen sei, ihn für Bakermans Sache einzuspannen. Wie leicht? Es ist ihr doch gar nicht leicht gefallen. Sie musste einen verdammten Mord inszenieren, um das zu schaffen. Also wie man es dreht und wendet: Das ist keine Glanzleistung. Zumal im Vergleich zur wunderbaren #14, die ich aktuell höre... :)
    • Verlangt ja auch keiner. Ich erläutere, warum ich es so sehe, wie ich es sehe. Und freue mich natürlich über gute Argumente für eine andere Sichtweise.

      Ein reines: Stimme nicht zu! ist dagegen nicht sehr gehaltvoll. :zwinker:

      Du kannst mir natürlich gern die Hintergründe der Geschichte auf der Ölplattform erläutern, warum da die Männer mit Parasiten willens gemacht und in Nährlösung gebadet werden, obwohl das für die Handlung völlig unnütz ist.
      Ich bin gespannt. :)
    • Auch von mir mal wieder ein :danke: - schön für die letzten Besprechungen.

      Es ist nach wie vor sehr interessant und gleichermaßen unterhaltsam, detaillierte Rezensionen der Folgen zu lesen, direkt nachdem man die Serie gerade komplett durchgehört hat. Mit deinen Bewertungen stimme ich bislang meist überein. Mal sehen, ob das so bleibt :]
      :hammer: ... mit so *nem kleinen Richterhämmerchen allen auf die Birne kloppen und dabei jedes Mal "ABGELEHNT!" schreien - das wär's :hammer:
    • @Hardenberg Okay, im Großen und Ganzen stimme ich Dir da auch zu. Es wirkt schon ziemlich konstruiert. :]
      Ich denke aber, dass es Joyce nicht unbedingt schwer gefallen sein wird, ihren Mord vorzutäuschen. Ich kann mich jedenfalls
      nicht daran erinnern, dass sie sich in irgendeiner Art und Weise bei Steven dafür entschuldigt hätte oder auch nur ein schlechtes Gewissen gehabt hätte. Oder ist mir da etwas entgangen? :gruebel:
    • @AbdulAschbadri

      Schwer gefallen im moralischen Sinne ist es ihr sicher nicht. Dafür ist sie zu hartgesotten. Aber "Umstände" macht es ja schon. =) So einen Mord mit anschließender Verhaftung und Gefängnisaufenthalt schüttelt man ja nicht so einfach aus dem Ärmel.
      Ich hatte aber diese Folge auch besser in Erinnerung, bzw. schlüssiger, denn sie hat ja durchaus ihre spannenden Momente. Erst bei genauem Hinhören mit der Distanz und dem Wissen der nachfolgenden Episoden erschien sie mir auf einmal konstruierter als beim ersten Hören.


      @*dot*

      Wieder einmal besten Dank. Ich kann schon mal ankündigen, dass mein Überschwang mit Folge 14 ihr vorläufiges Ende findet. Ich bin gespannt, ob wir dann auch noch übereinstimmen. :)


      **********

      Und somit komme ich endlich zur Nummer 14...



      Gabriel Burns – 14 – Die Verbündeten



      (Quelle: amazon)


      Audienz beim Maggiore oder: Rendezvous mit dem Tod...

      SPOILER-Warnung!

      Larry Newman und Stuart Blumberg kehren nach Bukarest zurück, um mehr über das Netzwerk herauszufinden, das die rumänische Hauptstadt beherrscht. Dabei werden sie an die Geschwister Minku verwiesen, die einander wie Zwillinge ähneln, jedoch keine sind, sondern das Ergebnis von Experimenten an menschlichem Erbgut, die vor beinahe dreißig Jahren durchgeführt wurden und offensichtlich zum Ziel hatten, Wege zu finden, um die Sterblichkeit des Menschen zu überwinden. Es liegt nahe, hierin eine Parallele zur Technologie zu sehen, die einst in den Ammoniten gefunden wurde.
      Einer der letzten Wissenschaftler der damaligen Zeit, der noch unter den Lebenden weilt, ist Professor Lugoj, ein Mann, von dem es heißt, er habe den Verstand verloren und verkünde nun die Botschaft sogenannter Gesandter der zwei Horizonte.

      Newman und Blumberg forschen jenem Mann nach und landen unversehens in einer geheimnisvollen Versammlung, auf der Lugoj als eine Art Prediger auftritt und ein Zeitalter der Liebe und der Freiheit ankündigt. Graue Engel werden an der Decke des Raumes sichtbar, und es wird klar: Sie sind die Gesandten der zwei Horizonte. Newman und Blumberg ziehen es vor, die Versammlung zu verlassen, werden jedoch umgehend von bewaffneten Männern in Empfang genommen und per Flugzeug in die Region jenseits des Polarkreises entführt, wo Blumberg neben anderen Gefangenen in einen Käfig gesperrt wird und von einem Leidensgenossen, Chris Evans, erfährt, dass sie alle dazu ausersehen sind, Opfer schauerlicher Menschenversuche zu werden.

      Larry Newman dagegen wird von Maggiore Fink in Empfang genommen, der diesen davon überzeugen will, dass er nur Gutes im Sinn habe und in Wahrheit Bakerman der Übeltäter ist. Es wird klar, dass es Fink gewesen ist, der seinerzeit in der Nähe der Ölplattform Seahawk 5 versucht hatte, die Wascos anzulocken. Da er selbst einige Zeit beim kanadischen Militär gewesen sei, habe er noch beste Kontakte in diese Kreise. Fink möchte Larry auf seine Seite ziehen und bietet ihm sogar das legendäre Ila al Khalf an, um dieses Ziel zu erreichen.
      Unterdessen taucht Dorgan Fink auf und nutzt ein geplantes Verhör Blumbergs, um diesem zur Flucht zu verhelfen. Auf dem Weg ins Freie kommen sie an einem Wolframtor vorbei, und Dorgan erklärt Blumberg, dass die Verbündeten auf der anderen Seite Unmengen an Wolfram und Menschen fordern. Auch die Opfer der Menschenversuche müssten am Ende auf die andere Seite.

      Blumberg macht sich auf dem Weg zu einem Schiff, das ihn zurück nach Vancouver bringen soll. Auf dem Weg trifft er auf eine junge Inuit, Anahita, die ihn bei seiner Flucht unterstützt. Doch die Aktion ist nicht unentdeckt geblieben, und nach einer Attacke von Rattenhunden, bei der eine große Zahl an Schlittenhunden das Leben lässt, muss Blumberg allein weitergehen. Tatsächlich gelingt es ihm, das Schiff zu erreichen, und erleichtert lässt er sich von dem Kapitän den Weg weisen. Doch wie sich zeigt, ist er in eine Falle geraten. Hinter ihm baut sich ein mächtiger Grauer Engel auf und tötet Blumberg.

      Von allen bislang erschienen Folgen war Die Verbündeten immer meine Lieblingsfolge, und nach dem neuerlichen Hören bemerke ich, dass sich daran bis heute nichts verändert hat. Für mich ist diese Episode der Höhepunkt der ersten vierzehn Folgen, auf den alles zustrebt – als wäre sie eine Art Staffelfinale. Schon in den letzten Folgen lichtete sich der Nebel an einigen Stellen. Hier nun wird ein weiterer Teilaspekt beleuchtet, und wir bekommen endlich Bakermans Gegenspieler zu Gehör, den ebenso charmanten wie skrupellosen Maggiore Fink.
      Weber und Sassenberg haben diesen Charakter wirklich meisterlich in Szene gesetzt. Der Maggiore ist nicht einfach ein grobschlächtiger Haudrauf, der mit schurkischer Kälte die Menschen hinmetzelt. Er ist vielmehr ein kultivierter und für sich einnehmender Gesprächspartner, dem man für Momente beinahe abnimmt, dass er nicht bloß Getriebener eigener Egoismen ist.

      Wunderbar, wie dies auch szenisch aufgebaut ist: Parallel zu Newmans Besuch bei Fink in lauschiger Atmosphäre, sitzt Blumberg inmitten all des Menschenmaterials für die schaurigen Experimente in einem Käfig und wird dann von einer hinzutretenden Beobachterin ausgewählt. Gleich darauf versichert Fink dem gutherzigen Larry, dass Blumberg ganz sicher kein Leid geschehen werde.

      Diese parallel montierten Szenen sind wunderbar aufeinander abgestimmt und geben dem Gespräch zwischen Larry und Fink eine besonders eindringliche und bedrückende Note. So, wie es inszeniert ist, kommt der Maggiore noch tausend Mal bedrohlicher herüber, als wenn man ihn brutal und primitiv geschildert hätte. Hier beweist Sassenberg – und das nicht zum ersten Mal –, dass Gabriel Burns mehr ist als einer der vielen akustischen Ableger des Groschengrusels. Es ist das Wie, das Gabriel Burns immer wieder mit aller Deutlichkeit aus der Masse hervorstechen lässt.

      Wir erleben einen Maggiore, der sich mit dem unfassbar Bösen verbunden hat und offensichtlich glaubt, es kontrollieren bzw. für seine Zwecke einspannen zu können. Er ist ein Mann, besessen und trunken vom Glauben an die eigene Macht, und mit solchen Gestalten nimmt es selten ein gutes Ende, wie wir wissen.

      Was uns zu der Frage führt, wie wir das Ende dieser Folge einzuordnen haben. Wer ist letztlich verantwortlich für den Tod von Stuart Blumberg?

      Der naheliegendste Gedanke wäre natürlich: der Maggiore. Man könnte meinen, Blumbergs Flucht sei ihm nicht verborgen geblieben, und er hätte Maßnahmen ergriffen, um ihn an selbiger zu hindern.

      Wenn man aber genau darüber nachdenkt, erscheint das aber durchaus fragwürdig, denn dann müsste der Maggiore sich eigentlich denken können, wer Blumberg zur Flucht verholfen hat, und wer die weiteren Folgen kennt, weiß: Nichts spricht dafür, dass der Maggiore mit seinem Sohn entzweit ist, im Gegenteil: sein mangelndes Misstrauen gereicht ihm später sogar noch zum drastischen Nachteil. Außerdem erscheint es widersinnig, dass er, wenn er Larry Newman auf seine Seite zu ziehen versucht, ihm, um sein Vertrauen zu gewinnen, sogar zusichert, dass Blumberg nichts geschehen werde, diesen dann absprachewidrig töten läst. Das Risiko, das gerade erst gewonnene Vertrauen Larrys dadurch wieder zu verlieren, wäre natürlich viel zu groß.
      Es sei denn natürlich, Armintore Fink ist bereits so berauscht an sich selbst und der Macht, die er durch die Fahlen zu erlangen glaubt, dass er sicher ist, Larry durch die Aussicht auf ein weit ausgedehntes Leben durch Ila al Khalf eh sicher in der Tasche zu haben...

      Es könnte aber natürlich auch Dorgan gewesen sein, der auf diese Weise den Plan seines Vaters, Larry auf seine Seite zu ziehen, vereiteln will. Allerdings hätte er zu diesem Zweck wohl kaum das Leben seiner Gespielin Anahita aufs Spiel gesetzt, und außerdem erscheint es unglaubwürdig, dass Dorgan ohne das Wissen seines Vaters mit den fahlen Mächten paktiert. Denn Blumbergs Ende kommt ja in Gestalt eines Grauen Engels.

      Oder aber, dritte Möglichkeit, dem Maggiore ist entgegen der oberflächlich dargestellten Handlung längst das Heft des Handelns aus den Händen genommen worden: wenn es nämlich die Vertreter der fahlen Seite selbst waren, die an Fink vorbei die Flucht bemerkten und diese unterbanden. Es stellte sich dann aber natürlich die Frage, wer das Flugzeug befehligte, das die Eisfläche nach Blumberg absuchte. Die Existenz des Flugzeugs macht nur dann Sinn, wenn die fahlen Mächte neben Fink und ohne dessen Wissen längst eigene Handlanger in dessen Umfeld installiert haben, über die sie ohne das Wissen des Maggiore verfügen können.

      Beeindruckend immer wieder auch die Souveränität, mit der die Handlung wie selbstverständlich in einem unfassbaren Tempo vorangetrieben wird. Da geht es von Evans‘ Entführung direkt nach Bukarest zu Larry und Stuart Blumberg, mit ihnen zu den Minku-Schwestern, dann zu Lugoj und seiner Versammlung, es folgt die Entführung der beiden, der Flug in arktische Gefilde, mitten hinein in des Maggiore Reich, zu seinen Menschenversuchen, seinen (vorgeblichen) Motiven, wir begegnen Wolframtoren und Grauen Engeln und Beobachtern und Rattenmöpsen, bekommen eine halsbrecherische Flucht auf einem Schlitten geschildert und erkennen am Ende, dass all das schaurig endet, nämlich mit dem Tod einer gerade erst liebgewonnenen Nebenfigur. Weber und Sassenberg zeigen in dieser Folge ein solch atemberaubendes Talent zur Verdichtung, dass es einem wirklich schwindelig werden kann: keine Sekunde ist überflüssig, keine Sekunde ist zu viel. Hier stimmt einfach alles – auf den Punkt! Ich kenne keine andere Hörspielproduktion, die es in vergleichbarer Weise zustande gebracht hätte, auf so pointierte Art ihre Hörspiele anzulegen. In dieser Folge ist das wirklich meisterlich gelungen – und wenn ich meisterlich schreibe, dann meine ich das auch genau so!

      Was soll ich zu den Sprechern schreiben, ohne mich in meiner Begeisterung ständig zu wiederholen? Wir hören hier einen großartigen Helmut Gauß, der seinen Maggiore mit mephistophelischem Charme spielt, einen wunderbar indifferenten Björn Schalla, bei dem wir (beim Ersthören) nicht mit letzter Sicherheit zu sagen wissen, ob er sich von Fink für dessen Pläne einspannen lässt. Es kommt zu einem Wiederhören mit dem undurchsichtigen Dorgan (wieder einmal hörenswert: Timmo Niesner), der sich dem sympathischen Buchhalter Blumberg als letzte Rettung anbietet, Letzterer ein letztes Mal sehr sympathisch gesprochen von Alexander Beyer, und in seinem Bemühen doch schließlich scheitert.

      Die Geschichte ist so dicht, das Sounddesign so hervorragend und die Sprecher so überzeugend, dass die Abwesenheit eines großen Teils der Protagonisten – Burns, Kramer, Bakerman – gar nicht ins Gewicht fällt und man sich darüber freuen kann, dass die Handlung nicht durch parallele Handlungsstränge verwässert wird.

      Für mich, wie schon beschrieben, die Klimax der ersten vierzehn Folgen, und wenn ich eine Folge nennen müsste, die aufzeigt, was für mich Gabriel Burns im allerbesten Sinne ausmacht, dann würde ich immer wieder auf diese Folge verweisen.

      Ein kurzes Wort noch zum Cover: Es gefällt mir nämlich ausgesprochen gut, hat es schon immer, und auch wenn ich nicht wirklich etwas darauf erkenne, was mir auf den ersten Blick einen Zusammenhang mit den geschilderten Ereignissen erschließt, so weckt es doch Assoziationen zur arktischen Kälte, lässt mich an Wellen denken, zu denen sich die Ereignisse über die letzten Episoden aufgetürmt haben und die nun dabei sind, über den Protagonisten hereinzubrechen bzw. sie hinwegzufegen. Gleichzeitig sehe ich im Zentrum des Motivs etwas Vogelartiges, das mich an die Grauen Engel denken lässt. Dieses Cover ist kalt und düster und bietet gleichzeitig Raum für vielfältige Assoziationen. Eine ganz tolle Arbeit von Ingo Masjoshusmann.

      Bakermans Gegenspieler betritt die Bühne – und wir werden Zeuge einer ebenso brillanten wie atemberaubenden Hetzjagd um die halbe Welt, die uns alle Aufmerksamkeit abverlangt und am Ende mit einem tragischen Schlusspunkt aufwartet. Diese Folge bietet alles, was ein gutes Hörspiel haben muss: Es ist spannend. Es ist erhellend. Es bietet Raum für Spekulationen. Es präsentiert einen überzeugenden Bösewicht. Es lässt uns mit den Protagonisten mitfiebern. Und es bietet ein furioses Finale. Dieses Hörspiel ist nicht bloß ein Meisterwerk: Es ist ein Maßstab.

      Maximale Punktzahl mit Extra-Sternchen und ganz klar meine absolute Lieblingsfolge!


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      Schade, dass @Horace Pinker zur Zeit untergetaucht ist. Jetzt könnte ich gut noch einen Superlativ-Stern für meine Abschlussbewertung gebrauchen, einen etwas größeren, der dann in der Mitte steht - oder einen mit Krone oder so etwas in der Art. :zwinker: =)
    • Gabriel Burns – 15 – Ohne Bewusstsein



      (Quelle: amazon)

      Der nächste fahle Ort wird offenbart...

      SPOILER-Warnung!

      Steven Burns weilt nach den Offenbarungen der letzten Folgen zur Erholung in einem Sanatorium, während Bakerman drei Mitarbeiter nach Fairlane schickt, um herauszufinden, was einen fahlen Ort ausmacht – denn laut Felskarte im Bergwerk von Carmingay könnte es sich bei Fairlane um einen der zehn handeln. Die Mitarbeiter treffen in dem seit langem leerstehenden Hochsicherheitsgefängnis auf den Geist des ehemaligen Häftlings Frank Eldice, der seinerzeit vor 32 Jahren im Zuge der Ereignisse rund um Steven Burns‘ Entdeckung ums Leben gekommen war und die Mitarbeiter nun auffordert, Bakerman eine Nachricht zu übermitteln: Wasengu.

      Wie sich herausstellt, handelt es sich bei Wasengu um einen bürgerkriegsgeschundenen Ort im östlichen Kongo, einer Region, in der laut soeben erwähnter Felskarte ebenfalls einer der zehn fahlen Orte liegen soll.

      Bakerman unterhält Kontakt zu der kanadischen Ärztin Dr. Theron, die in eben jenem Ort ein Krankenhaus leitet, in das gerade erst ein Unbekannter eingeliefert wurde, den man in der Nähe aufgefunden hat und der ohne Bewusstsein ist. Bakerman mutmaßt, dass dieser auf demselben Wege nach Wasengu gelangt ist wie einst Steven nach Fairlane, und zusammen mit Burns macht er sich auf den Weg, um diese These zu überprüfen.

      Vor Ort angekommen, erfahren die beiden, dass die rätselhafte Krankheit, die seinerzeit in Fairlane um sich griff, nun auch in Wasengu ausgebrochen ist, und sie dringen mit Unterstützung der UN in die Region vor, in der der Unbekannte gefunden wurde, müssen sich aber zuvor einiger Attentate erwehren, bei denen ihnen der Heiler Patrice zu Hilfe kommt, der sich ihnen sodann als Führer anbietet, was dringend nötig erscheint, weil es den UN-Soldaten nicht möglich ist, Bakerman und Steven zu begleiten, ohne das Krankenhaus in Gefahr zu bringen.

      Die Folge endet damit, dass Bakerman samt seinem Wagen nach einer wilden Verfolgungsjagd vom Weg abkommt und in einen Abgrund rast.

      Die Handlung wird nahtlos vorangetrieben in diesem ersten von zwei Teilen, die der großartigen Folge 14 nachfolgen, und es wird sehr schnell klar, dass es sich bei dem Unbekannten, der in Wasengu aufgetaucht ist, um Chris Evans handelt – also jenen Mann, der zu Beginn der Episode Die Verbündeten auf seinem Heimweg verschleppt worden ist und wenig später neben Stuart Blumberg in einem der Käfige sitzt, in denen Maggiore Fink sein Menschenmaterial verwahrt. Nun also ist dieser Chris Evans in Wasengu aufgetaucht, und noch ehe Bakerman und Burns um die Identität des Aufgefundenen wissen, spekulieren sie, dass er auf demselben Wege dorthin geraten sein könnte wie seinerzeit Steven in Fairlane.

      Und genau hier setzt meine Kritik an: Warum eigentlich?

      Es gibt keinerlei Anhaltspunkt für eine solche Spekulation. Ein fremder, weißer Mann ist in Wasengu aufgetaucht und wird von einem Kriminellen in das Krankenhaus von Dr. Theron gebracht, weil dieser sich durch ihn ein fettes Lösegeld erhofft. Der Unbekannte ist nicht krank, und es gibt auch ansonsten keinerlei Hinweise darauf, dass er etwas anderes sein könnte als ein normaler Mann, der aus heiterem Himmel irgendwo in der Gegend um Wasengu das Bewusstsein verloren hat. Wie also kommt Steven Burns (denn er ist es ja, der diesen Gedanken aufbringt und nicht etwa Bakerman, der doch zumindest noch über uns unbekannte Informationen verfügen könnte) auf die Idee, dass es einen solchen Zusammenhang geben könnte?

      Nur weil ein Geisterwesen in Fairlane auf Wasengu verweist?

      Das ergibt keinen Sinn, denn Wasengu ist nicht gleich das Krankenhaus von Dr. Theron. Die Botschaft des Geistes könnte also auf vieles mehr hinweisen als auf das Krankenhaus, in dem ausgerechnet eine Bekannte Bakermans arbeitet – bei der dann auch, wie wir ja wissen, tatsächlich ausgerechnet der Mann eingeliefert wurde, auf den der Geist von Fairlane offensichtlich verweisen wollte.

      Und überhaupt: dieser Geist. Warum gibt er Bakerman einen Tipp?

      Bisher sind Geistwesen, die Fremde markieren, wie es in dieser Folge der Geist mit Tessa Aubrey macht (er verpasst ihr mit einem Kuss ein Brandmal), Vertreter der fahlen Mächte. Wir haben dies ja bereits beim Nebelsee verfolgen dürfen: Dort wurden die Frauen markiert. Später erfahren wir: um sie dem Rakshasa vorzuwerfen (eine Wendung, die ich fürchterlich blöd und auch wenig nachvollziehbar finde).
      Dieser hier will jedoch Bakerman einen Hinweis geben. Tut er dies im Auftrag der Fahlen? Warum sollte er? Die Fahlen hätten ja andere Möglichkeiten gehabt, diesen auf Wasengu zu verweisen.

      Also ein „guter“ Geist, der so etwas wie Aufklärung oder Warnung betreiben will? Doch warum ausgerechnet dieser Geist? Und warum scheint er der einzige dort zu sein? Was macht ihn zu einem besonderen Geistwesen, das Bakerman sogar auf wichtige Vorgänge hinweisen will?

      Wir erinnern uns: Die Mitarbeiter von Bakerman sind nur zufällig vor Ort. Nachdem Bakerman und Joyce die Karte von Carmingay gesehen haben und vermuten, dass Fairlane ein fahler Ort sein könnte, sollen sie ergründen, was einen Ort zu einem fahlen Ort machen könnte. Sie sind jedoch nicht auf der Suche nach Hinweisen wie dem, den sie dann wie aus heiterem Himmel erhalten.
      Das alles wirkt doch leider mal wieder sehr konstruiert.

      Zumal ja die Botschaft eigentlich gar nichts aussagt. Wasengu weist ja nicht auf etwas Konkretes hin. Wäre nicht zufällig Bakerman gut bekannt mit Dr. Theron, die in Wasengu das Krankenhaus leitet, hätte er nichts von dem Unbekannten erfahren, der gefunden worden ist – wobei ja allein die Tatsache, dass dies eine Nachricht wert ist und Bakerman stutzig macht, schon irritierend ist. Denn ein Unbekannter, der bewusstlos aufgefunden wird, weist ja nicht unmittelbar auf fahle Einflüsse hin.

      Nein, das überzeugt mich nicht.

      Ebenso wenig wie die Darstellung Steven Burns‘, der am Anfang noch als völlig niedergeschlagen, ja fast apathisch dargestellt wird, plötzlich aber voller Energie an der Seite von Bakerman durch die Weltgeschichte düst. Das hätte man überzeugender erarbeiten können, finde ich. Etwa indem man schon frühzeitig auf die Armbanduhr verwiesen hätte, die später im zweiten Teil gefunden wird und von besonderer Bedeutung ist. Diese Information hätte Burns sicherlich aus seiner Lethargie wecken können, doch Bakerman wusste zu diesem Zeitpunkt selbst noch nichts von der Uhr – und so erscheint doch Stevens Hilfsbereitschaft arg unverständlich. Zumal er ja zuvor mit Bakerman haderte, weil dieser ihn die ganze Zeit über belogen oder ihm zumindest wichtige Details vorenthalten hat.

      Was den Rest der Handlung dieses ersten Teils angeht, so ist er eigentlich, was die Substanz angeht, ziemlich mau. Entgegen dem Trend der letzten Folgen hat man hier den Eindruck, dass vieles so ausführlich nicht nötig gewesen wäre. Viele Szenen wirken ein wenig aufgebläht, um über die Länge des ersten Teils zu kommen. Wirklich wichtig für die Handlung oder auch nur spannend und mitreißend, wie ja in den letzten Folgen fast durchweg, sind sie aber nicht geraten.

      Die Mission in Fairlane mit Bakermans Mitarbeitern, das ganze Geplänkel mit den UN-Soldaten, das erste Attentat – all das hält die Handlung, auf die ja schon mit der ersten Szene beim Dialog zwischen Dr. Theron und dem finsteren Kyionga hingewiesen wird, mächtig auf, und so findet dieser erste Teil nicht einmal ansatzweise einen befriedigenden Abschluss, indem zum Ende hin sich der Kreis zur ersten Szene schließt, sondern er endet mit einem völlig überflüssigen Cliffhanger, als Bakerman nach einer Verfolgungsjagd mit seinem Wagen von der Straße abkommt und einen Abhang hinabsaust.

      Tatsächlich bangt man aber natürlich keine Sekunde um Bakerman. Selbstverständlich weiß man, dass diesem nichts geschehen wird. Diese Szene ist, um es mal ganz hart zu formulieren, reines Füllmaterial, um einen Plot, der bei einer vergleichbar genialen Verdichtung wie in den vorangegangenen Episoden locker auf eine einzelne CD gepasst hätte, auf zwei Teile ausdehnen zu können – warum auch immer man das für notwendig hielt!

      Leider unterbricht Herr Sassenberg damit seine Serie an sehr guten bis hin zu meisterlichen Hörspielen und driftet heftig ins Mittelmaß ab.

      Schade ist übrigens auch, dass hier drei Mitarbeiter von Bakerman eingeführt werden – Markowitz, Colin und Tessa Aubrey -, die im weiteren Verlauf des Seriengeschehens nie wieder Erwähnung finden. Ich finde das bedauerlich, denn Gabriel Burns lebte auch immer von der Reichhaltigkeit des Figurentableaus, doch über die Zeit dünnte dieses Tableau merklich aus, und es kamen für die ausscheidenden Charaktere für meinen Geschmack viel zu wenige prägnante neue Nebenfiguren hinzu. Dabei lebt eine Welt wie die von Gabriel Burns zu einem ganz erheblichen Teil eben auch von den schillernden Charakteren, die die Protagonisten flankieren.

      Was Sounddesign und Sprecher angeht, so muss ich gestehen, dass ich hier erstmals ein wenig enttäuscht bin. Natürlich wird die Handlung angemessen mit Geräuschen unterlegt, auch die Musik ist sicherlich nicht schlecht, aber für meinen Geschmack gelingt es gar nicht, auch nur im Ansatz ein Ostafrika-Feeling zu kreieren. Weder klingen die Menschen wie Bewohner dieser Region noch tut es die Welt, die uns geschildert wird. Und auch die Musik vermittelt nicht die Atmosphäre eines von Bürgerkriegswirren gebeutelten Gebiets in Zentralafrika. Was das angeht, fällt diese Folge weit hinter Episoden wie Angst aus Eis, Die Fänge des Windes oder auch dem Zweiteiler Diesseits der Kuppeln/Welt der Dämmerung zurück, die es meisterlich verstanden, die geschilderte Welt auch akustisch eindringlich und überzeugend darzustellen. Ohne Bewusstsein dagegen könnte, was die akustische Ausgestaltung angeht, ebenso gut an jedem anderen Ort dieser Welt spielen. Es wäre nicht weniger überzeugend.

      Das betrifft auch die Sprecher, die in keiner Sekunde wie die Figuren klingen, die sie darstellen sollen. Natürlich bin auch ich kein Freund von Klischees. Und natürlich ziehe auch ich es vor, als Akzente zu verzichten, wenn dies auf Kosten der Qualität der Darstellung geht. Aber hier hätte man sich doch ein wenig mehr einfallen lassen müssen, wie es gelingen kann, Sprecher wie Ozan Ünal, Alex Terboven oder Andreas Ksienzyk wenigstens ansatzweise wie Kongolesen klingen zu lassen. Mich überzeugen sie als Afrikaner keine Sekunde, auch wenn ich zumindest Ünals Sprecherleistung ansonsten überzeugend finde. Kyionga allerdings klingt mir viel zu stereotyp. Das ist im Ausdruck eine Figur, wie es sie so bisher bei Gabriel Burns nicht oder doch nur sehr selten gegeben hat: eindimensional böse. Wenn gerade noch der wunderbar in Szene gesetzte Maggiore Fink nachwirkt und auch sein herrlich undurchsichtiger Sohn, dann muss eine Figur wie Kyionga wohl zwangsläufig enttäuschen.

      Und auch der Einsatz von Jimmy Pop passt natürlich nicht wirklich ins Bild. Während alle anderen Sprecher ihre Kongolesen akzentfrei darstellen, gibt er seinen Attentäter als radebrechenen Einheimischen, der sich wie von Sinnen auf Bakerman und seine Begleiter stürzt. Diese Inkonsequenz bei der Sprecherführung ist mehr als unbefriedigend. Entweder verzichtet man auf Akzente ganz – oder man setzt sie konsequent ein. Es mal so, mal so zu praktizieren, klingt jedoch krumm und schief – zumal wenn der Akzent, wie bei Jimmy Pop, natürlich überhaupt nicht zum Hintergrund der dargestellten Figur passt.

      Das Covermotiv von Ingo Masjoshumann ist wieder einmal sehr stimmungsvoll und assoziativ, auch wenn sich der Bezug zur Episodenhandlung nicht erschließen will.

      Für mich also im Ganzen der enttäuschende Auftakt eines Zweiteilers, der etwas behäbig und zäh den Plot einführt und im Grunde nicht viel mehr als eine viel zu lang geratene Exposition ist. Die Herleitung der Ereignisse wirft Fragen auf und wirkt an manchen Stellen arg konstruiert, sogar unlogisch; es gelingt nicht, eine authentische Atmosphäre zu schaffen, die zum Setting dieser Episode passt. Von der cleveren Handlungsführung der letzten Folgen ist bei Ohne Bewusstsein leider nichts mehr spürbar.

      Wenig überzeugende Fortsetzung der furios endenden ersten vierzehn Folgen dieser wunderbaren Serie.
      Ein herber Rückschritt.





      .
    • Ich möchte übrigens meinen neuen Seriendurchlauf nutzen, um ungeklärte Fragen und Mysterien zu sammeln und vielleicht mit Interessierten zu erörtern.
      Es wäre schön, wenn auch Ihr die ein oder andere Frage bzw. Antwort beisteuern könntet.

      Außerdem wollte ich auch ein paar Fakten zusammenstellen, die für das Verständnis vielleicht nicht ganz unwichtig sind.

      Da hätten wir zunächst einmal die zehn fahlen Orte. Bisher bin ich bei Folge 16. Bis zu dieser Episode wissen wir relativ gesichert von vier fahlen Orten:

      Die zehn fahlen Orte

      01. Vancouver
      02. Bukarest
      03. Fairlane
      04. Wasengu
      05.
      06.
      07.
      08.
      09.
      10.

      Für wahrscheinlich halte ich zudem die Region um den Dranga-Gletscher, da eine der Stimmen, die im Zuge des Experiments Stille aufgenommen wurde, ja isländisch sprach. Aber gesichert ist das bisher nicht. Leider ist fast mein ganzes Wissen aus experiment-stille.de-Zeiten über die Jahre vom Nebel des Vergessens verschluckt worden, aber vielleicht lichtet sich der ja noch beim weiteren Hören.

      Außerdem gibt es ja noch die Orte, an denen die Ammoniten erschienen sind. Auch die sind für die Handlung ja nicht unerheblich:

      Ammonitenfunde

      01. Dranga-Gletscher
      02. Donau-Delta
      03. Bergwerk von Carmingay

      Warum die Ammoniten ausgerechnet an jenen Orten auftauchten und in welcher Verbindung diese mit den zehn fahlen Orten stehen, war mir immer ein Rätsel. Die Handlung gibt leider nicht viel Aufschluss darüber.

      Ungeklärte Fragen/Mysterien

      01. Was macht einen fahlen Ort zu einem fahlen Ort?

      02. Warum sind die Ammoniten an bestimmten Orten aufgetaucht?

      03. Was lauert am Grund des Nebelsees?

      04. Welche Bedeutung hat das Methanwesen von Carmingay?

      Vielleicht lichtet sich im Lauf der Zeit ja bei einigen Fragen das Dunkel. Wie gesagt, ich habe nach all den Jahren vieles nicht mehr so präsent.
    • Gabriel Burns – 16 – Infektiös




      (Quelle: amazon)


      Nachricht von Daniel...

      SPOILER-Warnung!

      Nachdem Bakerman mit seinem Wagen von der Fahrbahn abgekommen ist, werden Steven Burns und Patrice vom Rebellenführer Kyionga gefangen genommen. Dieser verspricht sich von dem Kanadier ein großzügiges Lösegeld. Nachdem jedoch Kyionga seinerseits bei einem Hubschrauberangriff seiner Fahrzeuge beraubt wird, ist er gezwungen, sich mit seinen verbliebenen Männern und den Gefangenen zu Fuß durchzuschlagen. Sie suchen Schutz in einer Höhle, doch das geheimnisvolle Virus, das aus der fahlen Welt ins Diesseits gelangt ist, greift auch in der Gruppe um sich. Patrice nutzt eine Gelegenheit der Unaufmerksamkeit Kyiongas, um diesen zu überwältigen.

      Bakerman, der nach dem Unfall nahezu unversehrt geblieben ist, erreicht das Krankenhaus Dr. Therons, muss aber feststellen, dass die meisten der Anwesenden bereits an dem Virus erkrankt sind. Die Infizierten werden unter starke Beruhigungsmittel gesetzt, damit von ihnen keine Gefahr ausgeht, und weitere Nachforschungen zeigen, dass es die Epiphyse junger Menschen ist, die einen für die Infizierten unwiderstehlichen Duft aussendet, so dass diese sich gezwungen sehen, die Jüngeren zu überwältigen, um ins Innere ihrer Schädel vorzudringen. Offensichtlich haben sie es auf das Melatonin abgesehen, dass diese bis zu ihrem 25. Lebensjahr produzieren und das dafür verantwortlich ist, den Alterungsprozess aufzuhalten.

      Auch Steven Burns und Patrice erreichen das Krankenhaus, und Steven Burns muss mit Schrecken erkennen, dass der bewusstlose Chris Evans jene Armbanduhr mit blauem Zifferblatt am Handgelenk trägt, die Steven vor vielen Jahren seinem Bruder Daniel an dessen letztem Geburtstag geschenkt hat. Sie zeigt noch jetzt den Zeitpunkt von Daniels Verschwinden an: 14:11 Uhr.

      Die Situation eskaliert, als Patrice sich plötzlich gegen Steven wendet und ihn angreift. Nur mit Mühe kann sich Bakerman zwischen die beiden Männer werfen. Doch dieser Angriff erweist sich als Prüfung für Bakerman. Aus Patrice erhebt sich die Stimme des Flüsterers und mahnt Steven noch einmal eindringlich, nicht weiterzugehen – niemals. Der Angriff des Heilers diente nur dem Zweck, herauszufinden, ob Bakerman bereit ist, alles für Steven Burns zu wagen.
      Der Flüsterer lässt Patrice sterben, indem er diesen sich selbst töten lässt.
      Chris Evans wird von Bakerman an einen sicheren Ort verbracht.


      Für mich hatte es schon bei Erscheinen dieses Zweiteilers den Eindruck, als gäbe es hier einen deutlichen Bruch. War die Handlung der Folgen 7-14 ungeheuer eindringlich und verdichtet umgesetzt, kann man mit diesem Zweiteiler den Eindruck gewinnen, als wäre die zur Routine gewordene Brillanz schlagartig verloren gegangen. Es hieß, diese beiden Hörspiele folgten noch den Skripten von Raimon Weber, ehe dieser das Produktionsteam verließ und schließlich von Andreas Gloge beerbt wurde. Doch mir kommt das nicht schlüssig vor. Das Skript zu Ohne Bewusstsein/Infektiös ist nur schwerlich derselben Hand zuzuordnen wie jener, die uns mit den letzten Folgen auf eine atemberaubende Odyssee geschickt hat. Viel eher erinnern diese beiden Episoden an die mitunter holprigen Anfänge der Serie, in denen vieles auf den oberflächlichen Effekt getrimmt war und am Ende doch einiges ein wenig unlogisch oder zumindest sehr konstruiert wirkte – Die Brut etwa, in der ohne schlüssige Erklärung Erzieher hingemetzelt werden, oder Experiment Stille, in der Arbeiter auf einer Ölplattform mit Parasiten infiziert und in Nährlösung gelegt wurden, ohne dass dies auch nur im Ansatz erkennbar Sinn machte.
      Handelt es sich also hierbei um ein älteres Skript Webers, das erst im Nachhinein dem Serienkontext hinzugefügt wurde? Oder sehen wir hier das inoffizielle Debüt von Andreas Gloge? Oder hat am Ende Volker Sassenberg selbst Hand angelegt? Man weiß es nicht.

      Klar ist für mich nur, dass hier erkennbar auf einem anderen Niveau die Geschichte weiter vorangetrieben wird als noch in den letzten sieben Episoden, mit denen ein durchgehend sehr hohes Niveau erreicht wurde.

      Wie schon der erste Teil bietet der zweite Teil wenig Substanz. Zwei Folgen lang läuft alles auf eine Erkenntnis hinaus, die am Ende jedoch hinfällig ist, weil man es eh schon wusste: Chris Evans ist der Mann, der in Wasengu aufgefunden wurde, und er hat die Fairlane-Seuche mitgebracht. Das war allerdings bereits seit einem Gespräch zwischen Steven und Bakerman im ersten Teil klar. Hinzu tritt eigentlich nur noch die Information, dass Evans die Armbanduhr von Daniel am Handgelenk trägt. Aber um uns das zu präsentieren, hätte es keine zwei Folgen gebraucht, in denen es im Grunde nur um den Weg zum Krankenhaus von Wasengu geht, der immer wieder durch irgendwelche Störungen aufgehalten wird.

      Dabei geht es nicht mal darum, dass hier unterm Strich nicht viel an Neuigkeitswert geboten wird. Das gab es auch vorher schon. Der Zweiteiler Diesseits der Kuppeln/Welt der Dämmerung bot uns auch nicht besonders viele neue Einsichten, aber er war atmosphärisch so dicht in Szene gesetzt, dass es ein Vergnügen war, dem Horrortrip in den Sphären zu lauschen. Es ging mitunter drastisch zu, aber alles schien der Geschichte, dem roten Faden verpflichtet.

      Bei Ohne Bewusstsein, vor allem aber bei Infektiös wirkt vieles reißerisch, auf den schnellen und drastischen Effekt getrimmt. Da überwältigt der Heiler Patrice den kriminellen Kyionga nicht bloß, er schneidet ihm zum Andenken auch noch ein Ohr ab! Und am Ende, wenn sich zeigt, dass Patrice vom Flüsterer besessen ist, lässt dieser den Heiler ohne erkennbaren Grund einfach sterben, nachdem er durch ihn seine Botschaft überbracht hat: Patrice schneidet sich selbst die Kehle durch!

      Ich habe nichts gegen drastische Gewaltdarstellungen, doch sie sollten stimmig in die Handlung integriert sein und nicht unmotiviert den Figuren aufgezwungen werden, um die Handlung dramatischer zu machen. Viel zu oft sollen solche Exzesse eh nur von Längen oder Logiklücken ablenken. Wie auch hier, wo man im Grunde einen Großteil der Handlung einfach hätte wegkürzen können, ohne dass viel für das Verständnis oder auch nur das Hörvergnügen verloren gegangen wäre.

      Ein weiteres Indiz für mich, dass wir hier einen Bruch innerhalb der Serie erkennen können, ist für mich der Eindruck, dass man die Regeln, unter denen die Plots bisher abliefen, nun ein wenig aufgeweicht hat, ein wenig willkürlicher mit den einzelnen Beigaben umgeht. Von dem Geist, der in Fairlane eine Botschaft für Bakerman hat, und eine seiner Mitarbeiterinnen markiert, sprach ich ja schon in der Rezension zum ersten Teil. Sein Auftritt mag sich nicht so recht fügen zu dem bisher Erzählten. Auch dass der Flüsterer plötzlich in einen Menschen fährt und diesen wie eine Marionette durch eine Folge führt, ist ein völlig neues Detail, das nicht so recht passen will zu der fernen Stimme am Telefon oder in Visionen. Dass er sein Medium dann auch noch so brutal dem Tod preisgibt, lässt den Flüsterer zudem auf einmal in einem völlig anderen Licht stehen. Mit einem Mal ist er nicht mehr der unbekannte Helfer Stevens – sondern er wirkt schlicht grausam und brutal.

      Das Sounddesign und die Musik sind, wie schon beim ersten Teil dieses Zweiteilers, gewohnt solide und handwerklich souverän, doch auch hier gelingt es nicht, ein authentisches Afrika-Feeling aufkommen zu lassen. Dass Sassenberg so etwas deutlich besser kann, hat er nicht zuletzt mit den atmosphärisch hervorragenden Folgen Die Fänge des Windes oder dem Sphären-Zweiteiler unter Beweis gestellt. Warum ihn hier das Glück verlassen hat, lässt mich rätseln.

      Die Sprecherleistungen sind größtenteils in Ordnung. Gundi Eberhard lässt ihre Dr. Theron zwar wie eine Kolonialherrin nach dem Assistenzarzt Oboja rufen, aber das mag ja irgendwie gewünscht gewesen sein. Oboja selbst jedoch, der von Alex Terboven gesprochen wird und im ersten Teil kaum ins Gewicht fällt, kann man fast als Totalausfall bezeichnen: Oboja spricht so hölzern und abgelesen, dass es schwerfällt, ihn als Figur überhaupt ernstzunehmen. Andreas Ksienzyk legt seinen Kyionga eindimensional böse an, und Ozan Ünal müht sich als Patrice nach Kräften, den irrwitzigen Wendungen des Skripts einen halbwegs überzeugenden Klang zu verleihen. Glanzleistungen gibt es in dieser Folge jedoch nicht zu vermelden.

      Es ist sehr bedauerlich, dass die Serie mit diesem Zweiteiler so unversehens aus der Spur gerät. Brauchte man die ersten sechs Folgen, um zu einem plausiblen und stimmigen Grundton zu finden, in dem man die Geschichte präsentieren will, hatte man mit den Folgen 7-14 zu einer vollauf überzeugenden Präsentation gefunden, inhaltlich genial verdichtet, atmosphärisch eindringlich und handwerklich geradezu meisterlich, bei der Mystery und Grusel gekonnt mit einer komplexen und durchaus auch anspruchsvollen Serienhandlung zusammengeführt wurde. Mit Ohne Bewusstsein und Infektiös verlässt man nun leider diesen Weg, walzt einen viel zu dünnen Plot breit aus, setzt statt auf Atmosphäre auf eher billige Effekte und schert sich, wie es scheint, auch nicht mehr darum, ob das Erzählte den Grundbedingungen der ersten vierzehn Folgen entspricht. Es wird hiermit ein Trend eingeläutet, der auch in den weiteren Folgen von mir immer wieder kritisch hinterfragt werden wird. Es ist wirklich tragisch, dass die Serie nicht auf dem Niveau der letzten sieben Folgen weitergeführt wurde. Mir scheint, der Weggang Raimon Webers hat der Serie einen Tiefschlag versetzt, und sie brauchte über zwanzig Folgen, um sich davon zu erholen.

      Im Fazit also eine kritikwürdige Fortsetzung eines ebenfalls wenig überzeugenden ersten Teils. Viel Lärm um nichts – kaum Substanz bei größtmöglichem Aufwand, das muss man nach dem Genuss dieses Zweiteiler wohl konstatieren. Die Atmosphäre überzeugt nicht, die Handlung setzt statt auf Originalität und Spannung mehr auf blutige Effekte, und auch die Sprecherleistung überzeugt nicht auf ganzer Linie. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man glauben, dass Sassenberg und Weber sich hier für zwei Folgen haben vertreten lassen. Haben sie aber wohl nicht. So bleibt am Ende nur Enttäuschung, auch wenn die Geschichte im zweiten Teil mit den Infizierten im Krankenhaus wenigstens für Momente zu berühren vermag.

      Auch der zweite Teil dieses Hörspiels weiß leider nicht zu überzeugen, ist jedoch immerhin um einen Hauch besser geraten als sein Vorgänger.
      Ist das tatsächlich noch dasselbe Team, das auch die Folgen 7-14 produziert hat?!

      :st: :st: :st3: :st2: :st2:


      .
    • Vielen Dank wieder einmal für deine tollen Ausführungen und Beschreibungen!
      Dadurch wird bei mir die Folge wieder etwas lebendig, auch wenn es schon viele, viele Jahre her ist.

      Dadurch ist mir wieder ins Gedächtnis gekommen, dass mir dieser Zweiteiler nicht gefallen hat damals.
      Und das liegt an den von dir aufgeführten Punkten und in erster Linie an das sinnlose und brutale Ende.
      Das habe ich damals als Schnitt empfunden, weil es vorher so nicht vorgekommen ist ( oder ich es nicht so wahrgenommen habe).
      Auch die Ungereimtheiten und die Frage was ist eigentlich in den 2 Folgen passiert, hat mich etwas enttäuscht die CD ausmachen lassen.

      Ich bin auf deine weiteren Besprechungen gespannt und freue mich darauf!

      Du hast ja angeboten das ich immer mit meinen Fragen um die Ecke kommen darf, deswegen:
      Was hat es eigentlich mit dem Flüsterer noch auf sich, wer steckt dahinter?
      Besser Illusionen die uns entzuecken als zehntausend Wahrheiten
    • Smeralda schrieb:

      Vielen Dank wieder einmal für deine tollen Ausführungen und Beschreibungen!

      (...)

      Du hast ja angeboten das ich immer mit meinen Fragen um die Ecke kommen darf, deswegen:
      Was hat es eigentlich mit dem Flüsterer noch auf sich, wer steckt dahinter?
      Wieder einmal vielen Dank für die Blumen. Freut mich sehr. :)

      Was Deine Frage angeht, so stellt sich doch der Flüsterer später als Abdul AshBadri heraus, der - ich habe das nicht mehr en detail im Kopf - in Vietnam festsitzt (im wahrsten Sinne des Wortes) und sich aus der Ferne an Steven richtet.

      Im weiteren Verlauf der Handlung ist da aber eine Wandlung zu beobachten. Scheint er am Anfang noch so etwas wie ein sich sorgender Begleiter zu sein, der Steven warnt, wird er später deutlich zwielichtiger beschrieben: Nicht nur zeigt er in der Folge Infektiös, in der er Besitz von Heiler Patrice ergriffen hat, eine übergroße Grausamkeit, als er diesen unnötigerweise sich selbst töten lässt - es stellt sich auch heraus, dass es offensichtlich eine Art Komplott gab, an dem er beteiligt war und das dem Ziel diente, Steven Daniel verschwinden zu lassen, um gewisse Entwicklungen damit auszulösen. (Ich hoffe, ich habe das einigermaßen korrekt wiedergegeben; ist schon lange her, dass ich mich mit diesen späteren Folgen befasst habe.)

      Ich habe das alles nicht so recht als in sich konsistent empfunden. Mir behagte weder diese Wandlung des Flüsterers noch die Entwicklung, die man sich später dür Daniel ausgedacht hat. Aber das werde ich, wenn ich bei diesen Folgen angelangt bin, dann sicherlich noch ausführlich besprechen. :zwinker:

      +++++

      So - und damit zur nächsten Folge in meinem Burns-Marathon:


      Gabriel Burns – 17 – Was ist das Leben



      (Quelle: amazon)

      Familientreffen nach Art des Hauses...

      SPOILER-Warnung!

      Stuart Blumberg ist tot. Seine Leiche wird Bakerman per Post zugestellt. Doch die Ereignisse lassen kaum Zeit für Trauer: In einer Wiege auf dem Dachboden im Haus von Joyce Kramer sind vor einiger Zeit zwei kleine marionettenhafte Körper erschienen, die aussehen wie Joyces Eltern. Diese liegen seit Jahren bewusstlos in einer Hütte im Katmai-Tal, nachdem Alfred Kramer dort vor dreißig Jahren im Auftrag der Trudeau-Komission eine fremdartige Kraft, ein Störfeld untersuchen sollte, das elektronische Geräte lahmgelegt hatte (ähnlich wie jüngst in Eden Creek, am Drangar-Gletscher oder in Fairlane). Bei seinen Untersuchungen lernte er Joyces Mutter Marja kennen, eine Tlingit-Indianerin, und blieb bei ihr, auch als das Störfeld später aus ungeklärten Gründen wieder verschwand.

      Die Erscheinungen auf Joyces Dachboden erschienen kurz nach den Ereignissen in Carmingay, und zeitgleich zeigte sich erhöhte seismische Aktivität im Katmai-Tal. Grund genug also für Joyce und Steven Burns, diesem Ort einen Besuch abzustatten. Die Erscheinung, die sofort verschwindet, als Steven Burns sie zu berühren versucht, könnte, so vermuten sie, ein Hilferuf gewesen sein. Immerhin hörte Steven Daniels Stimme, als er sie zu berühren versuchte, und die Armbanduhr seines Bruders, die er am Handgelenk trägt, läuft auf einmal wieder.

      Und noch etwas gibt Bakerman zu denken: Nach dem Verschwinden des Störfelds vor dreißig Jahren kam es zu einer Serie von Säuglingssterben im Katmai-Tal, hinter der die Kramers eine andere als die offizielle natürliche Todesursache vermuteten. Alle Mütter waren Tlingit-Indianerinnen, und Bakerman sieht einen Zusammenhang zu den markierten Frauen am Nebelsee und der Suche nach Ila al Khalf.
      Vor Ort treffen Steven und Joyce auf einen Mann namens Payton, der die beiden in die Indianersiedlung im Katmai-Tal bringt, und es stellt sich heraus, dass es sich bei ihm um den Vater des Kindes handelt, das Joyces hochschwangere Schwester Eileen erwartet. Die Geschwister stehen sich nicht besonders nah und sind nicht gemeinsam aufgewachsen. Joyce wuchs zwölf Jahre lang in einem Sanatorium namens Ravenstone auf und verließ dieses erst, als sie 21 Jahre alt war und Bakerman auf der Bildfläche erschien, um ihr eine Perspektive zu geben. Ihre Erinnerungen an die Zeit in diesem Haus sind offensichtlich sehr schmerzlich.

      Für die Tlingit-Indianer, so erfahren wir zudem, besitzt alles im Universum eine Seele, und sie glauben an Wesen aus einem Grenzreich, die Jagd machen auf diese Seelen.

      Im Gespräch mit Eileen erfährt Steven, dass die weiße Hütte, in der die Eltern seit vielen Jahren bewusstlos liegen und die Steven auffallend an die Weiße Villa erinnert, in die ihm seinerzeit Lil Hastings geführt hatte, verflucht sei und in der Umgebung die Bäume und die Tiere sterben, und sie deutet zudem an, dass ihre Mutter über besondere Gaben verfügt habe. Kaum wird Steven zu den Kramers geführt und berührt die Stirn der Mutter, da bricht auch schon der Mount Katmai aus.

      Unterdessen lässt Bakerman den zurückgekehrten Larry Newman gewaltsam in ein Refugium aus ehemaligen U-Bahnschächten tief unter Vancouver bringen und von Dr. Philipps verhören. Als er sich versichert hat, dass Larry nach wie vor zu vertrauen ist, führt er ihn in ein Gewölbe unter der English Bay, wo der Krypto-Zoologe Jiang Luong einen 46m großen Riesenkalmar gefangen hält, in dessen Bauch sich ein unverdauter Wasco befindet. Bakerman erläutert noch einmal, dass nur das Extrakt aus der obersten Hautschicht des Wasco-Muttertieres der Wirkung von Ila al Khalf gleichkommt und erste Hinweise auf diese Essenz offensichtlich in den Ammoniten gefunden worden waren. Bakerman und Luong planen, den bewusstlosen Chris Evans mithilfe des Wascos im Magen des Kalmars aus seinem Koma zu erwecken, um von ihm Informationen über die fahlen Mächte zu erhalten. Larry ist entsetzt über dieses Vorgehen.

      Wieder haben wir es hier mit dem ersten Teil eines Zweiteilers zu tun, auch wenn es sich dieses Mal um einen nur inoffiziellen Zweiteiler handelt. Die Handlung ist randvoll gefüllt mit Informationen und Details, und es ist nicht ganz leicht, allem angemessen zu folgen, denn dieser Episode fehlen die Momente, bei denen sich das Gehörte erst einmal setzen könnte. Sie bietet weniger Wechsel von detailreichen Schilderungen und emotionalen Szenen, in denen der Informationsfluss mal für Momente stockt. Es scheint ein bisschen so, als wäre der Autor dieser Folge etwas überambitioniert gewesen in seinem Versuch, dem Plot noch eine verblüffende Wendung mehr, eine weitere Andeutung, einen weiteren Bezug zu vergangenen Folgen abzutrotzen – und so weckt diese Episode in mir die Assoziation zu einem Wimmelbild, in dessen Angesicht man sich beinahe erschlagen fühlt von den vielen Reizen, die sich dem Auge bieten. Insofern kann man dem ersten Teil dieses Zweiteilers sicherlich nicht mangelnden Ehrgeiz oder unzureichende Phantasie vorwerfen – aber durchaus eine gewisse Überfrachtung und damit einhergehend eine große Schwergängigkeit, die Folgen wie Die Fänge des Windes, Die Kommission oder Die Verbündeten bei aller Liebe zum Detail und zur Thematisierung von Teilaspekten des Burns-Mysteriums nie auszeichneten.

      Da muss in dieser Folge das Flugzeug, in dem Burns und Joyce sitzen, Motorprobleme haben und nach einer Kollision mit einem Vogelschwarm abstürzen. Joyce muss, im Katmai-Tal angekommen, mit Horror-Visionen aus der Vergangenheit konfrontiert werden, bei der sich eine diffuse Masse um ihren Körper legt, und Joyces Schwester Eileen redet die ganze Zeit über seltsam kraftlos und gleichzeitig bedeutungsschwanger daher, ohne jedoch letztlich besonders viel auszusagen, zeigt sich jedoch gleichzeitig dem finsteren Vater ihres ungeborenen Kindes gegenüber ziemlich unbedarft.

      Das alles weckt nicht Neugierde. Es nervt. Und hält die im Grunde durchaus interessante Haupthandlung unnötig auf, weil es ständig den Fokus umherhüpfen lässt, anstatt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, wie in den besten Folgen der Serie.

      Noch dazu wird dieses üppige Maß nicht einmal überzeugend umgesetzt. Der Flugzeugabsturz wird in Kurzzeit abgehandelt, der verbrannte Pilot ist kaum einen Nebensatz wert, und Steven und Joyce machen im Folgenden nicht den Eindruck, auch nur im Mindesten beeindruckt zu sein von dem, was ihnen gerade widerfahren ist. So verkommt dieser Absturz zu einem billigen Effekt, mit dem die Handlung aufgewertet werden sollte. Durch eine solche Umsetzung ist aber genau das Gegenteil eingetreten.

      Überhaupt die Charaktere… Die handeln in dieser Folge seltsam willkürlich und wenig nachvollziehbar. Als würden sie von einem Autoren durch die Ereignisse dieser Folge getrieben, der sich nicht ausreichend Mühe gemacht hat, sie im Kontext der bisher erschienenen Folgen zu sehen.

      So zeigt sich Steven Burns völlig indifferent: War er in Folge 14 noch verzweifelt und zu Beginn von Nr. 15 dann apathisch in einem Sanatorium, verdrückt er nun angesichts des verstorbenen Blumberg, den er laut eigener Auskunft kaum kannte, erst eine Träne, um wenig später mit übertriebener Coolness bei Joyce Kramer aufzutauchen, damit sie ihm das Schicksal ihrer Eltern berichten kann. Und danach zeigt er sich dann angesichts eines Flugzeugabsturzes und des Todes des Piloten mit einem Mal seltsam ungerührt. Das passt irgendwie alles nicht so recht zusammen, und nicht zum letzten Mal habe ich den Eindruck, die Beteiligten wüssten selbst nicht so genau, mit wem sie es eigentlich zu tun haben, wenn sie über Steven Burns schreiben.

      Oder Bakerman. Er lässt Larry gewaltsam zu sich bringen, indem er einen vermeintlichen Priester einen Elektroschock auf ihn abgeben lässt und erklärt dies später damit, dass er eventuell an Larry platzierte Sender damit zerstören wollte. Das jedoch hätte sich auch anders machen lassen. Und selbst wenn ich bedenke, dass er selbst bei Larry gewisse Manipulationen durchführen wollte, überzeugt diese Art des Vorgehens nicht. Denn wie Maggiore Fink ist ja auch Bakerman daran gelegen, sich das Vertrauen Newmans zu erhalten. Dies jedoch ist keine vertrauensbildende Maßnahme und insofern ein völlig widersinniges Vorgehen. Oder formal betrachtet: eine rein auf den Effekt abzielende Beigabe zum Plot.

      Überhaupt: Wo kommt das neue Refugium Bakermans unter der Erde Vancouvers auf einmal her? Nach dem zurückliegenden Bombenanschlag wich man noch nach Red Deer aus. Will man uns also jetzt erzählen, man hätte in der kurzen Zwischenzeit die ehemaligen U-Bahnschächte zu einem neuen Quartier umfunktioniert?

      Oder Payton: Ausgerechnet er ist es, der Joyce und Steven nach ihrer Ankunft im Katmai-Tal in Empfang nimmt und in die Indianersiedlung bringt – der Mann, der sich dann in weiteren Verlauf der Handlung als der Lebensgefährte von Joyces Schwester Eileen herausstellt, mit der zusammen er ein Baby erwartet, das natürlich ausgerechnet zeitgleich mit der Erscheinung auf Joyces Dachboden und dem Ausbruch des Mount Katmai geboren werden soll. Und, wie wir noch erfahren werden, ist er zudem der Nachfahre jenes Mörders, der vor vielen Jahren für die neun Säuglingsmorde verantwortlich war und nun versucht, die Tat seines Vaters zu vollenden. Wie sagt Payton so schön, als sich herausstellt, dass Joyce Eileens Schwester ist: Na, so ein Zufall! Da scheint dem Skriptautoren der Bock offensichtlich bewusst gewesen zu sein, den er da gerade geschossen hat.

      Nein, mir ist das alles zu überfrachtet und unglaubwürdig umgesetzt. Da rebelliert etwas in mir alle paar Minuten und ruft ironisch: wie realistisch!

      Aber genau das war es, was die besten Folgen dieser Serie bisher auszeichnete: dass sie inhaltlich plausibel erschienen, wie ein großes, in sich konsistentes Gesamtkonstrukt, von dem wir in jeder Folge einen mal größeren und mal kleineren Ausschnitt geboten bekommen. Es galten Regeln in dieser Welt, an die sich der Skript-Autor streng zu halten schien. Hier dagegen scheint vieles nicht mehr zusammenzupassen. Und die Serienkontinuität scheint keine Priorität mehr zu haben.

      Was das Sounddesign angeht, so ist diese Folge sicherlich wieder auf höchstem Niveau anzusiedeln. Auch die Musik, mal leise und mysteriös, mal krachend und dramatisch, ist zu jeder Zeit perfekt eingesetzt. Auch die Sprecher zeigen sich allesamt gut aufgelegt, auch wenn ich in Teilen nicht so recht zufrieden sein mag mit der Auswahl und der Art, wie sie durch die Regie geführt wurden.

      Wie oben bereits angedeutet, spricht mir Claudia Urbschat-Mingues ihre Eileen Kramer viel zu geziert – zu unheil- und bedeutungsschwanger. Ihre Performance erinnert an Jana Heseltines Auftritt im Nebelsee, doch während sich dort dieses Spiel wunderbar in die düster-mysteriöse Atmosphäre in Desmond einfügte, wirkt es hier manieriert und allein auf den Effekt hin ausgerichtet. Im Grunde hat diese Figur nämlich wenig auszusagen, doch man verschleiert dies, indem man sie immer wieder bedeutungsschwangere Sätze beginnen lässt, die dann wiederholt im entscheidenden Augenblick unterbrochen werden, ehe ihr die eigentlich relevante Aussage über die Lippen kommt. So etwas gab es bisher nicht bei Gabriel Burns. In Zukunft wird uns dieser Kniff immer wieder einmal begegnen, und ich gestehe hier offen, dass ich diese Praxis ärgerlich finde, denn es ist ein simpler Trick, um Komplexität und Tiefsinn vorzugaukeln, wo sie nicht sind.
      Alles in allem also eine Folge, die durchaus interessante Ansätze bietet, im Ganzen aber nicht zu überzeugen weiß. Die Handlung ist überfrachtet mit unwichtigen und unglaubwürdigen Details, die Figuren und ihre Motivationen erscheinen nicht glaubwürdig, und der Kern der Geschichte gerät unter der Konstruiertheit des Plots viel zu oft aus dem Fokus. So erstickt diese Episode am Ende unter der Last all seiner Beigaben und der Ambition, eine Serienkontinuität unter Beweis zu stellen, die sich aber im einzelnen als nicht so recht überzeugend erweist.

      Ein kurzes Wort noch zu dem Cover: Es ist sehr stimmungsvoll und zeigt auch Bezüge zur Handlung - aber eher auf die des zweiten Teils dieses Zweiteilers. Die dargestellte Szene kommt in dieser Folge noch gar nicht vor. Nichtsdestotrotz eine gute Arbeit von Ingo Masjoshusmann.

      Nachdem schon der zurückliegende Zweiteiler irgendwie aus dem Rahmen des bisher Erzählten zu fallen schien, auch wenn offiziell noch Raimon Weber für das Skript verantwortlich zeichnete, erscheint nun auch diese Folge stilistisch und inhaltlich einen anderen, einen neuen und leider beileibe keinen besseren Weg aufzuzeigen, und es liegt nahe, dafür den Wechsel des Autoren verantwortlich zu machen, der in dieser Folge ja auch einen Gastauftritt als Paketbote hat. Der Verdacht liegt nahe, dass mit Raimon Weber auch das Wissen um die folgenübergreifende Handlungsstruktur das Produktionsteam verlassen und Volker Sassenberg nun mit Andreas Gloge versucht hat, das bisher Erzählte adäquat fortzusetzen. Sollte dies so sein, bleibt für mich nur festzustellen, dass dies weder in dieser Episode noch in den beiden davor auch nur im Ansatz befreidigend gelungen ist. Im Gegensatz zu den Folgen 1, 4, 7-14 macht diese Folge aufgrund oben genannter Mängel auf die Gesamtlänge betrachtet keinen Spaß, auch wenn sie natürlich nicht völlig misslungen ist. Die Regie zeigt sich unverändert souverän, doch das Skript offenbart deutliche Schwächen.

      Ein wenig wirr und deutlich überfrachtet – eine Folge, die höchstens in einzelnen Ansätzen überzeugt, aufs Ganze gesehen jedoch für meinen Geschmack deutlich unterdurchschnittlich ist.

      :st: :st: :st2: :st2: :st2:



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    • Gabriel Burns – 18 – Neun Morde



      (Quelle: amazon)

      Viel Lärm um nichts...

      SPOILER-Warnung!

      Als Evans erwacht, legt ein Stromausfall die unterirdische Anlage lahm, und Bakerman muss über die Lüftungsschächte den Weg zum Labor finden. Unterwegs trifft er auf Dr. Philipps und muss sich gemeinsam mit ihr plötzlich auftauchender, anemonenartiger Wesen erwehren, die imstande sind, Stahl zu zersetzen und deutliches Interesse an menschlichem Blut zeigen.

      Derweil gerät der Riesenkalmar außer Kontrolle, tötet Dr. Luong und ergreift erst Evans, der verzweifelt ausruft, er sei ein Köder, und wenig später auch Bakerman, als dieser endlich das Labor erreicht. Gemeinsam mit Larry schafft er es, das Ungeheuer zu töten.

      Im Katmai-Tal bricht unterdessen der Mount Katmai aus. Die Gruppe um Joyce und Steven flüchtet sich auf ein Hausboot, um den herannahenden Lavamassen zu entkommen. Alfred und Marja Kramer sind mit Stevens Hilfe aus ihrem komatösen Zustand erwacht. In einer Vision nennt Joyces Mutter Steven Gabriel und mahnt das Festhalten an seinem Anker an: die Stimme von Daniel wird hörbar.

      Eileens Kind drängt auf die Welt. Auf ihrem Bauch zeigt sich ein Handabdruck, wie seinerzeit bei den Frauen in Desmond. Alfred Kramer berichtet Joyce und Steven, dass er und seine Frau im Grunde längst tot seien und nur Marja Kramers Gabe sie gehalten habe. Unter der Oberfläche des Katmai-Tals ruhten uralte, untergegangene Kontinente: gigantische Friedhöfe zwischen Erdmantel und Erdkern. Der Ausbruch des Mount Katmai sei nur ein Funke dessen, was geschehen könne.

      Die Kramers hätten seinerzeit Tunnel entdeckt und eine Verbindung zu den neun Säuglingsmorden gesehen. Sie fanden Spuren, die darauf hinwiesen, dass die Essenz des neuen Lebens durch diese Tunnel fortgeleitet werden sollte. Der Mörder war ein Schamane der Tlingit, und Marja Kramer versuchte erfolglos, sich selbst und ihren Mann durch die weiße Hütte vor der Macht dieses Schamanen zu beschützen. Alle drei verloren schließlich bei dem Kräftemessen das Leben.

      Kaum endet Joyces Vater mit seinem Bericht, als Payton sein wahres Gesicht zeigt. Er tötet Marja Kramer und gibt sich als Sohn des Schamanen zu erkennen, der nun das Werk seines Vaters zu vollenden trachtet. Es kommt zu einem Kampf, bei dem Payton und Alfred Kramer über Bord gehen und in die Lavamassen stürzen.

      Eileens Kind ist unversehrt – und Joyce froh darüber, durch Steven die Möglichkeit erhalten zu haben, sich von ihren Eltern zu verabschieden.

      Ganz am Ende hören wir noch einmal Larry, wie er nach einem Gespräch mit Bakerman zum Telefonhörer greift und sagt: Fink, Sie hatten recht. Ist er also am Ende tatsächlich zum Verräter mutiert?


      Der zweite Teil dieses Zweiteilers kommt weniger überfrachtet und weniger gedrängt daher, hier gibt es also keine so gewaltige Flut an Informationen wie im ersten Teil, nichtsdestotrotz wirkt auch die Fortsetzung dieser Geschichte im Ganzen nicht zufriedenstellend. Die geschilderten Ereignisse erscheinen mitunter wenig plausibel, teilweise gewinnt man den Eindruck, der Autor bediene sich nach Belieben aus einem Ideenpool gängiger Mystery- und Horror-Fiktion, ohne dabei große Rücksicht zu nehmen auf das, was in dieser Serie bisher geschehen ist und welchen Gesetzmäßigkeiten die früheren Plots gehorchten.

      So tauchen mit einem Mal in Bakermans unterirdischem Refugium anemonenartige Wesen auf, die sich durch Stahl fressen können und blutdurstig auf ihn und Philipps stürzen wollen. Wo diese Wesen auf einmal herkommen und zu welchem Zweck sie bestimmt sind, bleibt unklar, wenigstens handlungsintern – formal versteht man gleich: Sie dienen allein dem Zweck, Bakerman auf seinem Weg ins Labor aufzuhalten und insofern die Handlung aufzuhalten, damit sie lang genug ist für einen zweiten Teil; außerdem soll sie noch einmal für einen Spannungsmoment sorgen. Und dieses Gefühl wird mich in dieser neuen Gabriel-Burns-Phase nicht zum letzten Mal beschlichen haben: dass nämlich gewissen Wendungen sich nicht logisch aus der Handlung heraus ableiten lassen, sondern sie allein dem Willen und der Konstruktion des Autoren geschuldet sind. Wenn dies jedoch zu augenfällig wird, ist das mehr als unbefriedigend.

      Einfach so aus dem Nichts heraus eine neue Gattung an mit den Fahlen verbundenen Wesen einzuführen, die wie aus dem Nichts und relativ unmotiviert dicke Stahlwände zersetzen können, letztlich dann aber doch ganz schnell zu überwinden sind, das ist für mich, dramaturgisch betrachtet, unausgegorener Murks, bei dem es allein um den kurzfristigen Effekt geht.

      Das trifft auch auf die Ausgestaltung des Auftritts von Joyces Eltern zu. Den ganzen ersten Teil über wird die Wiedererweckung der beiden Kramers vorbereitet – und kaum sind sie dann aus ihrem jahrelangen Koma erwacht, dürfen sie gerade mal ein paar kryptische Details von sich geben, ehe sie wieder im ewigen Nichts verschwinden.

      Und bei all dem gerät das Wiedersehen zwischen Eltern und Kindern noch so unglaubwürdig, dass man sich die Haare raufen könnte. Alle Beteiligten wirken emotional völlig unbeteiligt. Überlegt man sich mal, dass dies die erste Begegnung mit den (lebenden) Eltern seit den Kindertagen ist, ist dieser Langmut, den etwa Joyce zeigt, schon äußerst beachtlich (Ironie!). Man hört sie kaum miteinander reden, schon gar nichts Persönliches, und verschenkt somit ein Riesenpotential. Hier wäre großes Ohr-Kino möglich gewesen, wenn man dies richtig umgesetzt hätte und nicht reinem Kitsch verfallen wäre. Stattdessen klammern Sassenberg und Gloge die ganze emotionale Seite dieses Wiedersehens aus, und als die Eltern dann nach kürzester Zeit wieder gewaltsam von der Bildfläche verschwinden, scheint das auch niemanden so recht zu bekümmern. Stattdessen sagt Joyce schon beinahe flapsig, als Steven ihr kondoliert: Wenigstens konnte ich mich von ihnen verabschieden. – Nee, konnte sie eben nicht, denn die Handlung des ersten Teils war so vollgepfropft mit unwichtigem Kram, dass man nun, im zweiten Teil, leider keine Zeit mehr hat, diese Facette der Geschichte zu erzählen.

      Und überhaupt – die Kramers. In Was ist das Leben? wird von Joyce explizit gesagt, dass ihre Eltern sich in all der Zeit des Komas äußerlich überhaupt nicht verändert hätten. Überlegen wir uns nun also mal, wie alt sie dann heute sein müssten, dann kommt man zu dem Schluss, dass die Stimmen für diese beiden Figuren völlig unpassend sind: denn beide klingen ja gerade, als wäre die Zeit NICHT stehengeblieben. Tatsächlich müssten sie aber, wenn sie unverändert wären, deutlich jüngere Stimmen haben als die der Sprecher, die Sassenberg eingesetzt hat.

      Nebenbei bemerkt, wäre es auch interessant gewesen, die näheren Umstände ihres Sturzes in die Bewusstlosigkeit zu erfahren, zumindest aber eine ungefähre zeitliche Einordnung. Denn offensichtlich waren beide ja noch wohlauf, als das Störfeld verschwand, denn es heißt ja explizit, dass die beiden auch nach dem Verschwinden dieser Anomalie im Katmai-Tal blieben und weiter forschten.

      Hört man das Hörspiel, macht es den Eindruck, als fände alles Geschilderte dicht nacheinander statt: erst das Auftauchen des Störfelds, dann verschwindet es wieder, als nächstes geschehen die neun Morde (die ja ebenfalls vor dreißig Jahren stattgefunden haben sollen, wie explizit erwähnt wird) und dann der Kampf gegen den Schamanen, der ja mit der Ohnmacht bzw. eigentlich sogar mit dem Tod der Beteiligten endete.

      Rechnet man all das nach, lässt einen die Chronologie ein wenig ratlos zurück, denn wie wir ja erfahren haben, tauchte das Störfeld vor DREISSIG Jahren im Katmai-Tal auf und erst ANSCHLIESSEND wurde Alfred Kramer von Bakerman dorthin geschickt, um dieses Phänomen zu untersuchen; DANN lernte er Marja kennen. Bedenkt man nun, dass Joyce zu Beginn der Serie 29 Jahre alt ist, muss man zu dem Schluss kommen, dass das alles ein bisschen knirscht und quietscht.

      Aber gut, gehen wir davon aus, dass Marja und Alfred eine überbordende Leidenschaft füreinander überfiel und sie direkt ein Kind miteinander zeugten, dann fragt sich natürlich, wann sie die Zeit dafür fanden, ein zweites Kind (Eileen) zu bekommen, denn Joyces Zeugung und Geburt muss ja parallel zu den Geschehnissen stattgefunden haben, da ja auch die Morde, die bekanntlich NACH dem Verschwinden des Störfelds geschahen, vor dreißig Jahren stattgefunden haben. Die Kramers mutmaßten ja einen Zusammenhang zwischen den Morden und dem Tunnelsystem und machten den Schamanen der Tlingit als Urheber dieser Verbrechen ausfindig, woraufhin es zu einem Kampf kam, bei dem dann alle drei ums Leben kamen. Nun fragt sich natürlich, was Joyce in dieser Zeit gemacht hat. Und ist es wahrscheinlich, dass während all dem noch ein zweites Kind gezeugt und geboren worden ist?

      Und selbst wenn wir das so hinnehmen, dann bedeutet das, dass Joyce direkt nach ihrer Geburt zur Vollwaise wurde. Nach Ravenstone kam sie jedoch erst mit neun – mit der Begründung, dass sie die Ereignisse um ihre Eltern nicht verkraftet habe. Aber das klingt wenig glaubwürdig, wenn Joyce damals noch ein Baby war. Wo war sie denn dann in der Zwischenzeit? Und ihre Schwester?

      Sorry, aber das klingt alles ziemlich verworren.

      Was außerdem auffällt: Vor dreißig Jahren unternahm Paytons Vater den Versuch, zehn Säuglinge um die Essenz ihres neuen Lebens zu bringen und diese dann durch die unterirdischen Tunnel zu den Fahlen abzuleiten – warum auch immer!, denn allein diese Motivlage erscheint ja schleierhaft, weil bisher nirgendwo sonst diese Essenzen geraubt wurden, obwohl die fahlen Mächte sich ja sehr umtriebig zeigen und vielfältige Möglichkeiten hätten, dies zu tun. Aber gut, wenn es denn so sein soll: Warum vergehen dann zwischen den neun Morden und dem zehnten so viele Jahre? Payton klingt nicht wie ein 18jähriger, bei dem ich mir denken könnte: Klar, der muss erst selbst erwachsen sein und eine Frau finden, die ihm ein Opfer gebiert. Und warum überhaupt das eigene Kind? Paytons Vater scheint da nicht so wählerisch gewesen zu sein, und eines fremden Kindes habhaft zu werden, wäre sicherlich deutlich weniger mühsam gewesen.
      Nee, tschuldigung, das überzeugt mich alles nicht.

      Es fällt auch auf, dass seit Folge 15 Steven Burns‘ Bruder Daniel mehr Gewicht verliehen wird. War mit ihm bisher das Drama verknüpft, an dem sich alles weitere entzündete, Motor und Antrieb für Steven, die Hintergründe seines Schicksals beleuchten zu wollen, so ist nun spürbar, dass die Rolle des kleinen Bruders aufgewertet und vielleicht auch abgewandelt wurde. Auf einmal taucht seine Armbanduhr auf, seine Stimme erscheint immer öfter in Stevens Visionen (während sie vorher nur der leise Hall seiner schmerzenden Erinnerung war), und es ist Daniel, den man hört, wenn Marja Kramer den Anker beschwört, an den Steven immer denken solle.

      Durch diesen beinahe inflationären Gebrauch von Daniel und seinen Rufen nutzt sich der dramatische Effekt der Kindheitserinnerung über die Zeit jedoch leider ab. War es in den ersten vierzehn Folgen noch so, dass allein die Erinnerung an das kindlich-unschuldige Wimmern, während der kleine Junge in die Kiste steigt, es einem eiskalt den Rücken herunterlaufen ließ, stumpft dieser Effekt über die andauernde Wiederholung merklich ab, und es kommt sogar zu einer gewissen Übersättigung.

      Auch die Evans-Geschichte verpufft einfach. Eine Doppelfolge lang sind wir Bakermans dornigem Weg gefolgt, als er des aufgefundenen Evans habhaft werden wollte. Nun hat er ihn, bringt ihn mühsam ins Leben zurück, und alles, was letztlich dabei herum kommt, ist, dass er brüllt: Ich bin ein Köder! und Der erste der zehn steht kurz vor dem Fall!

      Und all das wird verpackt in ein irres Inferno rund um eine außer Kontrolle geratene Monsterfigur wie aus einem Groschengruselheft – einem Riesenkalmar, der sich außerhalb seines Wasserbassins beeindruckend wendig und kraftvoll zu bewegen weiß und dem es problemlos möglich ist, Menschen nicht nur zu ergreifen und zu heben, sondern sie auch mit seinen Tentakeln in der Luft zu zerreißen. Mit einer solchen Story bewegen wir uns nun aber wirklich auch abseits der Serienprämisse ganz weit von der Realität weg und befinden uns plötzlich im Bereich der reinen Fantasy.

      Diese ganze Geschichte wirkt wie der aus dem Ruder gelaufene Versuch, nach dem plötzlichen Wegfall des Hauptautoren die vielen losen Fäden, die sich über die ersten vierzehn Folgen ergeben haben, irgendwie wieder zu einem geordneten Ganzen zu bekommen. Um dem Verdacht zu entkommen, keine Ahnung zu haben, worauf der frühere Autor eigentlich hinauswollte, gaukelt man Kontinuität vor, in dem man immer wieder Versatzstücke aus älteren Folgen einflicht, wie etwa Daniel und seine Armbanduhr, der man dann befiehlt, dass sie in der Sekunde, als Steven Marja Kramers Stirn berührt, plötzlich wieder laufen soll – doch warum eigentlich?! – oder platziert nochmal schnell einen der berüchtigten Handabdrücke aus dem Nebelsee auf dem Bauch der schwangeren Eileen, so dass wir damit nun schon die dritte Kategorie von Frauen haben, die damit gezeichnet werden: die für den Rakshasa bestimmten, die für die Opferung bestimmten – und die, die einfach aus Jux vom Geist eines ehemaligen Häftlings in Form eines Knutschers hinterlassen werden. So viel zur Kontinuität des Ganzen.

      Es ist nun nicht so, dass diese Folge unerträglich wäre. Gerade weil sie nicht so überfrachtet ist wie der erste Teil, ist sie sogar deutlich angenehmer und weiß mit einigen spannenden Momenten aufzuwarten. Aber es ist schon spürbar, dass die Welt von Gabriel Burns seit Folge 15 eine weniger differenzierte ist. Eine Neigung zur Schwarz-Weiß-Zeichnung der Charaktere wird erkennbar, die es so bisher nicht gegeben hat, auch eine Tendenz, die Phantasie übersprudeln zu lassen und die Grundbedingungen des bisher Erzählten dabei ganz oder teilweise außer Acht zu lassen. Gabriel Burns trägt nun eine andere Handschrift. Und das tut der Serie bisher alles andere als gut.
      Für mich ist der Plot eines Hörspiels sein Kern. Alles andere baut darauf auf. Aber wenn dieser Kern nicht stimmt, dann kann ein Hörspiel auch die beste Regie, die beste Musik, können ihm auch nicht die besten Sprecher dabei helfen, über diese Unzulänglichkeit hinwegzukommen.

      Sehr schön ist übrigens das Cover von Ingo Masjoshusmann geraten, das ein weiteres Mal herrlich diffus und gleichzeitig andeutungsreich ausgefallen ist, auch wenn Hinweise auf einen direkten Bezug zum Episodengeschehen eigentlich fehlen.

      So lässt mich dieser zweite Teil des Zweiteilers im Ganzen also äußerst unbefriedigt zurück. All der Aufwand, den man im ersten Teil betrieben hat, um die Spannungskurve in immer größere Höhen zu treiben, verpufft am Ende ungenutzt: die Kramers sterben kurz nach ihrer Erweckung, Evans brüllt zwei Sätze, und alles weitere löst sich in Wohlgefallen auf. Bei Shakespeare hieß das seinerzeit in der deutschen Übersetzung: Viel Lärm um nichts. So hätte man auch die letzten vier Folgen überschreiben können.

      Der überfrachtete erste Teil mündet in einen unterkomplexen, unglaubwürdigen und noch dazu inhaltlich unergiebigen zweiten Teil, bei dem ein großes Feuerwerk davon ablenkt, dass eigentlich nicht viel Substanz dahintersteckt.



      :st: :st: :st2: :st2: :st2:




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    • Vielen Dank für deinen Mühen wieder einmal!
      Toll und spannend zu lesen :thumbup: :hutheb:

      Aus meinen fahlen Erinnerungen weiß ich, dass mich das flotte Ableben der Eltern enttäuscht zurücfkgelassen hat.
      Soviel Aufwand und dann hat sich nach der langen Zeit der Sohn des Schamanen genau richtig platziert und kann zuschlagen.
      Wer hat den Sohn (der damals ja auch noch sehr jung gewesen sein muss) über die Machenschaften seines Vaters unterrichtet?

      Ein sehr unrunder Zweiteiler leider.
      Besser Illusionen die uns entzuecken als zehntausend Wahrheiten
    • Gabriel Burns – 19 – Die welke Saat des Lotus


      (Quelle: amazon)
      Gabriel Burns... als Groschengrusel

      SPOILER-Warnung!

      Am Hafen von Vancouver werden drei übel zugerichtete Leichen aus den Abwasserrohren gezogen, deren Augen seltsam phosphoreszieren. Wie sich herausstellt, handelt es sich bei den Toten um zwei Obdachlose – und Kim Noon, eine Frau, mit der Steven Burns vor langer Zeit eine Beziehung unterhielt. Sie sind nicht die ersten Leichen dieser Art, die man in Vancouver gefunden hat.

      Nachforschungen ergeben, dass Kim Noon vor sechs Jahren als Zeugin in einem Gerichtsprozess gegen den Bordellbesitzer Jefferson Carter ausgesagt und diesen beschuldigt hatte, Frauen drogenabhängig gemacht und an Menschenhändler verkauft zu haben. Kim Noon vermutete damals, dass die Frau getötet worden sind und berichtet, dass ihnen ebenso wie ihr selbst eine Substanz verabreicht worden sei, das zu schlechten Träumen führte und überdies auslöste, dass etwas nach ihnen suchte. Carter ließ damals alle Beherrschung fallen und bezeichnete sich während des Prozesses als Bote der zwei Horizonte.

      Aus damals aufgefundener Korrespondenz von Carter geht hervor, dass es eine Verbindung gibt zwischen im und Professor Lugoj, den Wissenschaftler, der in Bukarest grausame Menschenversuche betrieb. Joyce und Larry folgen daher Carters Anwalt Murtogh, um über ihn zu Carter zu gelangen und geraten unversehens in ein Haus im vornehmen Vorort Rickmond, in dessen Keller ein Zellentrakt eingelassen ist, in dem geschundene Menschen mit leeren Augenhöhlen vor sich hinvegetieren, Obdachlose, wie es scheint, die zu grausamen Experimenten missbraucht wurden. Offensichtlich wurde auch hier das Wissen aus den Ammoniten getestet, um eine neue Form der Existenz zu erzeugen.
      Wie Steven unterdessen von Kims Schwester Shelley erfährt, blieb die junge Frau auch nach dem Prozess in dem Club, aus dem die Frauen verschwanden, um dort zu arbeiten. Dieser wechselte jedoch den Besitzer und wurde nun von Lin Zisheng übernommen, der rechten Hand des Mediums Yellow Ma. Als Burns diesen mit seinem Wissen konfrontiert, bezeichnet er Steven als eine Waffe. „Für einen Krieg braucht man Waffen. Und Sie, Mister Burns, sind eine Waffe.“

      Wie sich zeigt, gibt es eine fremdartige Droge, das Licht genannt, das dazu führt, dass die mit ihr Infizierten den eigenen Tod vorausahnen und durch etwas Fremdes heimgesucht und bestialisch getötet werden. Auch Jefferson Carter selbst und sein Anwalt Mertogh fallen dieser Substanz zum Opfer. Lin Zisheng hat nichts mit den Toden zu tun, sorgte aber dafür, die bei ihm aufgefundenen Leichen durch einen Schacht in die Kanalisation zu beseitigen. Steven folgt dieser Spur und begibt sich in den Untergrund. Dort gerät er schnell unter den Einfluss eine fremden Macht und gelangt in ein verborgenes Gewölbe, in dem ihm nicht nur ein aus Leichenteilen zusammengesetztes Mosaik, das einen Grauen Engel darstellt, begegnet, sondern auch ein steinerner Trichter, der ins Erdinnere führt und aus dem nun ein muränenartiges Wesen auftaucht, das Steven mit sich nehmen will. Nur durch die Intervention des Flüsterers, der ihn gemahnt, zurück zu bleiben, gelingt es Steven, sich des Wesens zu erwehren. Der Flüsterer fügt noch hinzu: Bald!, doch es wird nicht klar, was er damit meint.
      Als Drahtzieher hinter allem entpuppt sich schließlich Ming-Tsai, ein Mitarbeiter Lin Zishengs, der offenbart sowohl Burns als auch seinen hinzueilenden Kollegen Larry und Joyce, dass die Experimente nun ein Ende gefunden hätten, da man wisse, was man zu wissen wünschte, doch ehe er noch über die Hintergründe seiner Taten, etwa was man mit der fremdartigen Substanz anzulocken versucht oder wer seine Auftraggeber sind, verlautbaren kann (er bemerkt vielsagend: Wenn Sie wüssten!), tritt Kim Noons Schwester hinzu und erschießt Ming Tsai.
      Steven schweigt über das, was er in der Kanalisation erlebt hat.

      Auch diese Folge ist mal wieder randvoll gefüllt mit Details, schnellen Szenenwechseln und wortreichen Erklärungen, doch bei einer genauen Analyse ergibt sich auch hier erneut der Eindruck, dass vieles von dem, was diese Geschichte ausmacht, nicht sonderlich viel Substanz besitzt. Es ist, als wäre da am Anfang des Schreibprozesses eine knappe, aber äußerst prägnante Idee gewesen – die Verbündeten der Fahlen nutzen eine fremdartige Droge, um Menschen zu infizieren und durch sie dann etwas aus dem Untergrund hervorzulocken –, die dann im Folgenden mit vielerlei Ideen ausgewalzt wird und um Bezüge zum bisherigen Geschehen ergänzt. Dennoch wirkt all das nicht überzeugend, nicht fließend angesichts des bisher Erlebten, und wie schon in den letzten vier Folgen behauptet man die Kontinuität viel mehr, als dass man sie durch vertiefende Schilderungen der vertrauten Handlungselemente auch tatsächlich unter Beweis stellte. War es in der Vergangenheit so, dass gewisse Details nur in Ausschnitten zu sehen waren und über die ersten vierzehn Folgen immer weiter an Kontur gewannen, ist es nun so, dass scheinbar mit jeder Folge etwas völlig Neues präsentiert wird, das so bisher noch nicht da gewesen ist, von dem aber krampfhaft behauptet wird, dass es in Bezug dazu steht.

      Hier nun soll uns vermittelt werden, dass es noch weiteres Wissen in den Ammoniten gegeben hat, das aber bisher noch keine Erwähnung gefunden hat: eine mysteriöse Substanz, die Blut und Augäpfel der Infizierten zum Leuchten bringt und aus der Tiefe etwas Grauenvolles hervorzulocken vermag. Es klingt aber erst mal nicht nachvollziehbar, warum diese Substanz in den zurückliegenden Folgen keine Erwähnung gefunden hat. Nachvollziehbarer wäre gewesen, hier nicht zwingend die Serienkontinuität zu bemühen, sondern die Ursprünge der Substanz so zu erläutern, dass es den Hörer nicht wundern muss, dass sie bisher nie erwähnt wurde. Und das wäre ja problemlos möglich gewesen.

      Auch die Rolle Lin Zishengs wirkt sehr bemüht. War er bisher die rechte Hand des Mediums Yellow Ma, taucht er nun als äußerst zwielichtiger Bordellbesitzer in Erscheinung, der auftritt wie ein Unterweltboss. Letzteres mag aber nicht so recht passen zu seiner nachgeordneten Rolle bei Yellow Ma. Überzeugender wäre es gewesen, eine andere Figur an seiner Stelle einzuführen, doch man wollte wohl ein weiteres Mal unbedingt den Anschein erwecken, dass sich nach dem Abgang von Raimon Weber an der Serienkontinuität nichts geändert hat und beschloss darum, auf ihn zurückzugreifen, auch wenn das im Ergebnis etwas krumm wirkt und den Eindruck hinterlässt, dass hier auf einmal die Handlung einen Schwenk um gefühlte hundertachtzig Grad macht.

      Auch fällt auf, dass sich die Handschrift deutlich geändert hat. Dominierte bei den ersten vierzehn Folgen noch das rätselhaft Mysteriöse, treten nun immer mehr Horror- und Ekelelemente in den Vordergrund, Szenen reihen sich aneinander, in denen explizit von abgetrennten Gliedmaßen und aus dem Schädel entfernten Augen berichtet wird, Sprachbilder werden bemüht, die eher zum Groschengrusel passen (ich erwähnte ja in einer meiner letzten Besprechungen das Körperinnere, das wie aus einem umgestülpten Marmeladenglas heraustroff – was noch dazu eine völlig unpassende und in sich unsinnige Umschreibung ist, da man Gläser ja gar nicht umstülpen kann) – und insgesamt kann man den Eindruck gewinnen, dass mit solchen kurzfristigen Effekten und drastischen Beschreibungen über inhaltliche Mängel und Probleme bei der Serienkontinuität ein großes Stück weit hinweggetäuscht werden soll – da trägt Joyce in einer Schachtel zwei phosphoreszierende Augäpfel mit sich herum, in einem Zellentrakt kreuchen Menschen, denen ebensolche herausgeschnitten wurden, Beinstümpfe ragen aus Lin Zishengs Müllschlucker und in einem Gewölbe in der Kanalisation zeigt ein Mosaik auch abgetrennten Gliedmaßen die Darstellung eines Grauen Engels. Ich habe ganz sicher nichts gegen auch drastische Umschreibungen einzuwenden, zumal in einem Genre wie diesem – aber es muss halt passen und inhaltlich begründet werden und nicht bloß als reißerischer Effekt dienen, um über Schwächen des Skripts hinwegszutäuschen. So aber wirkt es in dieser Folge ganz entschieden, und schaut man sich die einzelnen Handlungselemente genauer an, fühlt man sich darin auch deutlich bestärkt.

      Die Lichtinfizierten dienen also Experimenten, bei denen der Versuch unternommen werden soll, etwas aus dem Untergrund an die Erdoberfläche zu locken. Nun lässt dies erst einmal aufmerken, denn bisher war es so, dass die Wesen aus dem Untergrund Atemmasken oder veränderte Luftverhältnisse brauchten, um an der Erdoberfläche leben zu können (wir erinnern uns an die Beobachter und an das seltsame Methanwesen von Carmingay). Davon ist jetzt keine Rede mehr. Das muränenartige Wesen in dem unterirdischen Gewölbe, das aus dem Trichter hervorkriecht und in der oberflächlichen Beschreibung entfernt an einen Wasco erinnert, aber wohl doch keiner sein kann (denn das passte ja nicht), stört sich jedenfalls nicht an den Luftverhältnissen über Tage.

      Nehmen wir dies einfach hin, kommen wir also zu den Obdachlosen, an denen die Experimente durchgeführt wurden, weil niemand diese Menschen vermissen würde. Das klingt nachvollziehbar und deckt sich mit der bisherigen Praxis, denn auch Evans war ja ein solcher Mensch, den niemand vermisst, wenn er verschwindet. Warum aber wurde dann Kim Noon infiziert? Denn diese hatte ja ein soziales Umfeld, das ihr Verschwinden bemerken würde. Und auch dass man Jefferson Carter oder Murtogh auf dieselbe Weise tötet, erscheint unverständlich, denn so gibt es größeres Aufsehen, die Leichen werden gefunden, eine offizielle Untersuchung eingeläutet – all das widerspricht doch eigentlich Umtrieben im Verborgenen Agierender, die gewöhnlich eben NICHT mit ihren Taten ans Licht der Öffentlichkeit drängen. Man hätte all die Menschen, die einem lästig waren, weil sie zu viel wussten, auch dezenter verschwinden lassen können. Hier überzeugt die Handlung nicht.

      Das trifft auch für die Menschen in dem Kellerverschlag in Richmond zu, denen man aus unerfindlichen Gründen die Augen entfernt hat und die nun blind in ihren Zellen ausharren. Wozu? Und warum werden sie, als sie sich befreien können, für Larry und Joyce zu einer Gefahr? Und überhaupt: Was geschieht eigentlich mit ihnen, als Joyce und Larry ins Freie rennen? Überlassen sie die Menschen einfach ihrem Schicksal? Nichts von alledem findet Erwähnung. Und ein weiteres Mal nach der genialen Folge 14 habe ich den Eindruck, dass wir es nun mit einem Autorenteam zu tun haben, dass es sich viel zu leicht macht bei seiner Plotgestaltung. Alles ist auf die vordergründige Wirkung hin ausgelegt, aber eine plot- oder serieninterne Logik sucht man oft vergebens. Ein erschreckender Qualitätsabfall geht damit einher.
      Gerät die Geschichte an einen Punkt, an dem vielleicht eine Einordnung geboten wäre, um das Erzählte in einen logischen Kontext zum bisher Erlebten zu setzen, macht es sich das Skript nicht selten leicht und macht einfach einen Schwenk, um den Fokus auf etwas anderes zu legen und eine Antwort einfach schuldig zu bleiben.

      Warum etwa vermutet niemand aus dem Bakerman eigentlich die Rattenmöpse, denen wir zuvor schon begegnet sind, als berichtet wird, dass die nun aufgefundenen Toten durch Bisswunden starben, die an die von Hunden erinnern?

      Warum stirbt Kim Noon im Gegensatz zu den anderen Frauen, denen vor sechs Jahren mit ihr zusammen die geheimnisvolle Substanz verabreicht worden ist, erst heute, wo doch die anderen recht unmittelbar von den Mächten aus der Tiefe heimgesucht worden sind?

      Warum entsorgt Lin Zisheng die Leichen, die er bei sich auffindet, ausgerechnet in der Kanalisation, aus der, wie wir später erfahren, das Böse dann auch hervorkriecht? Und wo hat er die Leichen überhaupt gefunden? Wenn sie in der Kanalisation selbst oder wenigstens in der direkten Näher ihrer Zugänge gestorben wären, wäre das logisch erschienen, da ja die Wesen von dort an die Erdoberfläche kriechen können. Zishengs Bericht deutet jedoch anderes an, auch wenn er seltsam unkonkret bleibt. So müssen wir davon ausgehen, dass er sie irgendwo auffand und dann rein zufällig in der Kanalisation versenkte. Was praktisch für den Skriptautoren ist, denn ohne diese Verfahrensweise wäre Steven nicht in die Kanalisation gestiegen und somit auch nicht auf den seltsamen Trichter gestoßen.

      Aber warum steigt er überhaupt dort hinunter? Was glaubt er dort zu finden? Was glaubt er dort ausrichten zu können – ganz allein, mit Kim Noons Schwester an seiner Seite, der er auch noch seine einzige Waffe abtritt? Das klingt doch alles sehr unglaubwürdig.

      Und überhaupt: der Trichter. Mit ihm scheint es nun eine direkte Verbindung zwischen der Unterwelt und der Oberfläche zu geben. Ähnliches wurde ja schon in den letzten Folgen angedeutet, als im Katmai-Tal unterirdische Tunnelsysteme entdeckt wurden. Wie aber passt das zum bisher Erzählten, wo ein glimmendes Wolframtor und eben auch atemtechnische Ausrüstung nötig war, um zwischen diesen Ebenen zu pendeln?

      Wie stirbt letztlich Jefferson Carter? Wir wissen, er wurde ebenfalls infiziert, und er ist laut Larrys Aussage übel zugerichtet, liegt aber gleichzeitig in einer Wanne innerhalb der Opiumhöhle, in der er gewöhnlich seiner Sucht frönt. Wie aber soll dorthin eines der Wesen aus der Unterwelt hervorgekrochen sein?

      Auch die Kanalisation wird seltsam geschildert. Erst wandert Steven ganz normal durch die Gänge, dann nähert sich ihm etwas unter der Wasseroberfläche (was zunächst an einen Wasco denken lässt), Steven verliert den Halt und stürzt in so tiefes Wasser, dass er untergehen, ein verstecktes Rohr finden und hindurchtauchen kann. Was soll das denn für eine eigenartig beschaffene Kanalisation sein?!

      Und wir werden leider auch dieses Mal nicht verschont vor Dialogen, in denen enorm großes, supergeheimes Wissen angedeutet, aber dann natürlich nicht mehr offenbart werden kann. So wird Lin Zisheng, nachdem er berichtet hat, woher das Leuchten der Augen kommt, von Steven gefragt, was mit den Bisswunden sei, aber statt zu antworten, klingelt in diesem Moment natürlich Zishengs Telefon, und er muss erst einmal telefonieren, wird auf weitere Entwicklungen hingewiesen und es geht weiter, ohne dass auf die Frage noch einmal eingegangen würde.

      An anderer Stelle gesteht Ming Tsai seine Beteiligung an den Experiment, doch natürlich auch hier: Ehe er etwas zu der Frage sagen kann, was man denn nun aus der Tiefe hat hervorlocken wollen und wer sein Auftraggeber ist, platzt Kim Noons Schwester hinein und erschießt den Schurken, obwohl eine Antwort auf diese Fragen sicherlich auch für sie von besonderem Interesse gewesen wäre. Immerhin schafft er es dank des Einsatzes des ambitionierten Skriptautoren noch, im Hinblick auf seinen Auftraggeber andeutungsreich zu sagen: Wenn Sie wüssten… Wäre ja auch schade, wenn man nicht noch einmal vor dem geneigten Hörer betonen würde, dass man ihn jetzt ein weiteres Mal im luftleeren Raum hängen lässt.

      Es sind dies ebenso ärgerliche wie unnötige Tricks aus der Mottenkiste von Skriptautoren. So etwas hatte diese Serie in den ersten vierzehn Folgen nicht nötig, nicht mal in den weniger gelungenen Folgen. Anstatt ausschnittweise die Komplexität des Serienuniversums zu präsentieren, wird diese nun oft einfach nur noch behauptet, ohne jedoch unter Beweis zu stellen, ob es ein solches in sich stimmiges Konzept überhaupt (noch) gibt. Stattdessen wird mit billigen Effekten, mit expliziter Darstellung von Gewalt und Ekelmomenten sowie mit trivialen dramaturgischen Taschenspielertricks über gravierende Unzulänglichkeiten in der Plotausgestaltung hinwegzutäuschen versucht – was jedoch leider viel zu oft nicht gelingt. Hinzu kommt eine Lust an der Ausschmückung, die in dieser Folge Ausmaße annimmt, die die Grenze des mir Erträglichen zumindest deutlich berührt. Das chinesische Neujahr, der Besuch im Haus in Richmond, der Vorfall im Keller (der, das muss man zugestehen, zumindest sehr stimmungsvoll geraten ist), der lange Vorlauf in der Opiumhöhle, das Einstiegsgeplänkel mit Lin Zisheng und immer wieder ein Breitwalzen von Ekelbeschreibungen – wenn man ehrlich ist, hätte man hier an vielen Stellen radikal den Rotstift ansetzen können, vielleicht sogar müssen, denn vieles von dem, was uns da präsentiert wird, bringt die Handlung nicht wirklich weiter und ist überdies nicht mal unterhaltsam.

      Die Art, wie Gabriel Burns erzählt wird, hat sich merklich verändert – ich erwähnte es bereits in meinen letzten Besprechungen. Gab es bei Raimon Weber eine phantastische Prämisse – Graue Engel, fahle Mächte, Steven Burns –, die eingewoben war in die Realität, wie wir sie kennen (das Motto darum: Es ist an der Zeit, dass Sie die Wahrheit erfahren), wirkt die Burns-Welt bei Gloge nur noch phantastisch und höchstens angereichert mit Versatzstücken aus der Realität. Aber diese Sprengsel sind nicht authentisch: die scheinbar reale Welt gehorcht nicht denselben Regeln, die Menschen in ihr verhalten sich oft nicht so, wie sie es in unserer tun würden, ja nicht mal Tiere reagieren so, wie man es erwarten würde: Der Kampfhund in Die welke Saat des Lotus stürzt sich nicht etwa auf die Eindringlinge, die unaufgefordert in das Haus in Richmond eindringen – nein, er wartet erst seelenruhig, bis sie durch den Hausflur treten, um sich dann knurrend vor sie zu stellen. Der Autor dieses Skripts zeigt ganz deutlich, dass er nicht gewillt ist, sich irgendwelchen Konventionen zu beugen. Seine Figuren haben das zu tun, das zu denken, das zu empfinden, was er sie tun, denken, empfinden lassen will, selbst wenn das jeder Lebenserfahrung, jedes Funkens von Glaubwürdigkeit widerspricht (mit Grauen denke ich an den äußerst agilen und kraftvollen Riesenkalmar in der letzten Folge zurück).

      Auch schlechte Sprachbilder finden wir nun immer häufiger. Das trashige umgestülpte Marmeladenglas habe ich ja schon erwähnt, in Die welke Saat des Lotus heißt es nun an einer Stelle: Die Luft war faul und modrig, verbraucht vom Vergehen der Zeit. Nun kann man vielleicht noch darüber streiten, ob Luft tatsächlich modrig SEIN kann (riechen kann sie so sicherlich, aber sein?!), aber sie wird nun ganz sicher nicht allein durch das Vergehen der Zeit VERBRAUCHT. Bekanntlich atmet die Zeit nicht.

      Aber all die Kritik darf auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Inszenierung selbst handwerklich wie immer auf höchstem Niveau erfolgt. Sassenberg zeigt sich eigentlich durchweg auf höchstem Niveau, selbst bei deutlich kritikwürdigen Skripten – aber auch er mit seinem überragenden Talent vermag es nicht, aus schlechten Skripten gute Hörspiele zu machen. Es wäre dies auch ein Wunder, das von keinem Regisseur zu verlangen ist. Da Herr Sassenberg jedoch gleichzeitig der Mastermind hinter Gabriel Burns ist, darf man natürlich davon ausgehen, dass nichts geschieht, was er nicht möchte. Also hat er dieses Skript für gut befunden. Und ist insofern natürlich auch verantwortlich für das, was er uns mit dieser Folge als Hörspiel umgesetzt präsentiert.

      Im Fazit also für mich ein neuer Tiefpunkt dieser bisher über weite Strecken so hochwertigen Serie. Krampfhafte Bezüge zu bereits bekannten Elementen, die sich jedoch nicht befriedigend in den Kontext einfügen lassen wollen, ein ausgeprägter Schlendrian bei der Plotausgestaltung, Sprachbilder auf Groschengruselniveau und eine bis zum Exzess getriebene Auswalzung von Ekelbeschreibungen machen diese in ihrer Grundidee durchaus interessante Geschichte zu einem mir beinahe unerträglichen Hörmoment. War mit Folge 14 noch der Höhepunkt an Meisterschaft erreicht, haben wir es fünf Folgen später mit der banalsten und trashigsten Folge dieser doch so genial gestarteten Serie zu tun. Nicht umsonst war dies schon früher die Episode, mit der ich überhaupt nichts anfangen konnte. Nachdem ich sie nun für eine redliche Besprechung drei Mal hintereinander gehört habe, werde ich jetzt erst einmal für ein paar Jahre in den Streik treten, bis diese Folge noch einmal den Weg an mein Ohr wird finden dürfen.

      Dabei hatten doch eigentlich der wunderbar poetisch klingende Titel (der jedoch im Grunde keinen Bezug zur Handlung hat) und das gelungene Cover-Motiv von Ingo Masjoshusmann etwas ganz anderes erwarten lassen.

      Gabriel Burns goes Trash – ein absoluter Tiefpunkt der Serie!




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    • @Smeralda

      Ein weiteres Mal ganz herzlichen Dank. :)

      Ja, auf den Schamanen gehe ich absichtlich gar nicht so groß ein, denn der Autor hat ihn ja in weiser Voraussicht im Ungefähren belassen - so ist dann alles oder nichts denkbar. Was ja eine sehr bequeme Erzählhaltung ist. :zwinker:

      Mir macht das Hören im Moment echt Mühe, denn mit dem Abstand der Jahre fällt mir noch viel deutlicher auf, wie viel schlechter die Folgen direkt nach der 14 eigentlich sind, und ich frage mich wirklich, wie es wohl weitergegangen wäre, wenn Raimon Weber an Bord geblieben wäre. Nachdem ich jetzt nochmal die Folgen 7-14 mit so großem Genuss gehört habe, bedaure ich dessen Weggang noch einmal ganz besonders. Er hatte nämlich nach einem holprigen Start wirklich sehr gut in die Serie gefunden und verdammt gute Arbeit geleistet. Sein Anteil fehlt wirklich. Weber als Autor und Sassenberg als Regisseur - das war, was das Ergebnis angeht, ein echtes Dreamteam.

      Schade, dass es das nicht mehr gibt.

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    • @Hardenberg

      Du hast sicherlich Recht damit, dass die Kontinuität der Geschehnisse nicht mehr so nahtlos wie früher ist.
      Für mich sind viele deiner Kritikpunkte aber keine, wenn ich davon ausgehe, dass die "Fahlen Mächte" aus der anderen Ebene die Ammoniten in unsere Welt hinüber schickten um verschiedene Wege auszuprobieren die Menschheit auszulöschen und die Erdatmosphäre umzuwandeln (wie in den russischen Biosphären).
      Da hätten wir die Skorpionwesen, das Methanwesen und jetzt halt ein Wesen, dass aus dem Erdinneren hervor gelockt wird. Aber auch auf "unserer" Erde gibt es ja hier seltsame Wesen, wie die Wascos oder den Riesenkalmar.
      Die Fahlen probieren halt viele Waffen in ihrem "Krieg" um den Planeten aus, eine davon ist schließlich Steven "Gabriel" Burns, der "Erzengel Gabriel", der dazu erschaffen wurde, um die Heerscharen der grauen Engel anzuführen im Krieg gegen die Menschheit.
      Dass er seinem Zweck aber (zu früh) entkam und menschliche Verhaltensweisen annahm, dadurch dass er bei den Burns aufwuchs und eine Bindung zu den Menschen (durch Adoptivbruder Daniel und elterlicher Liebe) aufbaute, kommt doch in einer späteren Folge heraus.
      Auch dass Yellow Ma ihren Lebensunterhalt mit kriminellen Machenschaften verdient und dass da auch Prostitution dazu gehört, welche von ihrem Adjutanten organisiert wird, ist für mich keine Unlogik, ebenso wie irgendwelche unterirdischen Quertunnel in einer Kanalisation, denn wenn man sich mit solchen etwas beschäftigt, weiß man, dass solche tatsächlich existieren, aus Zeiten älterer Kanalanlagen darunter.
      Ebenfalls empfinde ich persönlich sprachliche Umschreibungen wie das Umstülpen eines Marmeladenglases nicht als störend (ich kann mir das nämlich sehr gut vorstellen, auch wenn es bei der normalen physikalischen Beschaffenheit von Glas nicht möglich ist, bei Erhitzen aber schon) oder Übertreibungen wie die Auswirkungen der Zeit auf die Beschaffenheit der Luft.
      Den Katmai-Zweiteiler empfand ich genau so unlogisch wie du und sehr viel schlechter als diese Folge, welche ich - nicht zuletzt durch die ekligen Beschreibungen - als sehr beklemmend und gruselig empfand.

      Danke auch von mir für deine sehr detailierten Rezensionen! :thumbup: