Heliosphere 2265 – 06 – Die Bürde des Captains
Captain Cross und die Hyperion befinden sich auf heikler Mission: Sie sollen einen Präventivschlag auf die Heimatwelt der Parliden ausführen, bei dem Milliarden von Individuen zu Tode kommen würden. Gleichzeitig zieht sich die Schlinge um Cross' Hals und den seiner Vertrauten immer enger. Cross und seine Crew sind den neuen Machthabern ein Dorn im Auge – und so hat sich nicht nur der Captain tödlicher Attacken aus dem Hinterhalt zu erwehren.
Je länger und intensiver ich Heliosphere 2265 höre, desto häufiger fühle ich mich im besten Sinne an die Serie Gabriel Burns erinnert. Nicht weil die Handlung der dieser großen Unvollendeten auch nur im Ansatz ähneln würde oder auch sonst der Anschein erweckt würde, eine Kopie dieser einst so erfolgversprechenden Serie sein zu wollen – nein, sie ist vergleichbar ambitioniert, vergleichbar komplex, vergleichbar rätselhaft und vergleichbar rasant. Und darum eben auch vergleichbar mitreißend.
(Worauf glücklicherweise bei Heliosphere 2265 verzichtet wird, sind Fehler in der Kontinuität oder krude Plotverläufe: Beides Dinge, die bei Gabriel Burns über die Maße kritikwürdig waren und sich bei Heliosphere 2265 bisher gar nicht finden.)
Auch die hier vorliegende Folge kann man als SciFi-Abenteuer hören. Man wird dann gut unterhalten sein und den Hörgenuss hochzufrieden beenden. Wenn man aber, wie ich, die einzelnen Folgen mehrmals hört, dann fallen einem Bruchstücke auf, die sich über die einzelnen Episoden hinweg zu einem wenigstens erahnbaren Ganzen formen – oder doch wenigstens diesen Anschein erwecken.
Andere Szenen erschließen sich nicht so ohne weiteres dem Hörer und laden zum fröhlichen Spekulieren ein. Wir kennen die Kreativen von Greenlight Press und Interplanar mittlerweile als Menschen, die offenkundig sehr genau wissen, was sie tun und warum sie es tun. Mit diesem Wissen jedoch ist für den Hörer auch eine Bürde verbunden, denn er ist die ganze Zeit über angehalten, sich zu fragen: Sind die Dinge tatsächlich so, wie sie mir erscheinen – oder steckt noch etwas anderes dahinter. Und das macht einen großen Teil des Hörgenusses aus.
Hier haben wir gleich mehrere dieser Momente: Wie aus dem Nichts wird Captain Cross aus der Handlung gerissen. Er liegt halbtot auf der Brücke und ist über die meiste Zeit dieser Folge hilflos ans Bett gefesselt. Ein Grund für seinen Zustand wird uns genannt. Aber was will uns die Art der Inszenierung sagen? Steckt mehr hinter diesem Vorfall?
Ähnlich verhält es sich mit seinem Dialog mit Sjöberg, mit dem die tödliche Mission, auf die Cross und die Hyperion geschickt werden sollen, eingeleitet wird. Dieser Dialog kommt unvermittelt, fast schon traumhaft, und wir könnten geneigt sein, diese Szene zu hinterfragen. Steckt mehr dahinter, als auf den ersten Blick erkennbar ist?
Ein Gleiches trifft auf Cross‘ Genesung zu. Die ebenfalls ohne Zwischenschritte geschildert wird.
Natürlich kann darin eine ökonomische Erzählweise zum Ausdruck kommen. Aber ebenso könnte sich dahinter ein besonderer Clou verbergen, der erst im Fortgang der Handlung klar zum Vorschein kommt.
Immer wieder werden, quasi in Nebensätzen, Details eingestreut, die zunächst unwichtig erscheinen, es aber unter Umständen gar nicht sind. So erwähnt die geschasste Chefärztin Irina Petrova, die zusammen mit dem ebenfalls festgesetzten Zev Buckshaw auf dem verseuchten Planeten Pearl ihr Dasein fristet, während eines Gesprächs einen Captain Stark, von dem sie ältere Aufzeichnungen entdeckt habe, in denen aufschlussreiche Details zu den Parliden Erwähnung finden – was seinerzeit bei Michalew auf großes Interesse stieß.
Wir erinnern uns: Stark, das war der sieche Mann im Hintergrund Sjöbergs, der uns zum Ende der letzten Folge begegnet ist und sich selbst als Geist bezeichnete – wie zuvor schon McCall dies getan hatte. Haben wir hier, ohne es zu ahnen, ein weiteres Mosaiksteinchen erhalten, um seine Rolle in diesem Spiel zu erfassen?
Versuchen wir, diese Folge innerhalb des Seriengefüges zu verorten, so würde ich sie als eine Übergangsfolge bezeichnen. Es wurde in den ersten fünf Folgen ein weiter Bogen geschlagen. Nun kündigt sich der nächste an. Folge 6 dient, wie es scheint, in erster Linie dazu, die kommenden Ereignisse einzuleiten. Folgen wie diese braucht es in einer so episch angelegten Serie natürlich immer wieder mal, und wenn dies so temporeich und spannend erfolgt wie in der Episode Die Bürde des Captains, dann ist damit keinerlei Frustration verbunden, wenn man am Ende feststellt, dass die Handlung dieses Mal nicht ebenso rasant vorangetrieben wurde wie in den Folgen davor.
Und so endet das Ganze auch mit einem ordentlichen Cliffhanger, der einen stocken lässt: die Katastrophe unabwendbar, ein wichtiges Mitglied der Brücken-Crew tot – und ein Captain Cross, bei dem man zum Ende hin nicht mehr weiß, welche Funktion ihm in diesem Spiel der in Teilen noch unbekannten Mächte zukommt?
Ginge es hier um eine TV-Serie, würde man diese Folge vielleicht Midseason Finale nennen. Dies träfe Charakter und Ende dieser Episode wohl am besten. Gut, dass bereits neun Folgen dieser Serie erschienen sind. Wer jetzt erst einsteigt, muss sich nicht in Geduld üben – er kann direkt weiterhören.
Um mich nicht in jeder meiner Rezensionen zu dieser Serie ständig wiederholen zu müssen, sei mir nachgesehen, wenn ich einige Punkte, die in meinen vorherigen Besprechungen bereits ausführlich behandelt wurden, in meinen heutigen Ausführungen nur kurz abhandle. Als Sprecher hören wir in dieser Folge nämlich hauptsächlich jene, die zur Stammbesetzung gehören. Sie gesondert herauszustreichen, vor allem in der Wiederholung, erscheint mir nicht sinnvoll. Es sei jedoch konstatiert, dass sie allesamt wieder auf höchstem Niveau agieren. Einzig Captain Cross Wanja Gerick befremdet doch hin und wieder durch seine übergroße Nüchternheit angesichts der Ausmaßes dessen, was ihm so in Dialogen mitgeteilt wird. So scheint diese Figur angelegt zu sein, insofern möchte ich es nicht als Makel bezeichnen, doch es wäre natürlich schön (und inhaltlich vielleicht auch hilfreich), wenn man mal erführe, warum dieser Mensch, der ja eigentlich auch sensibel und hochmoralisch zu sein scheint, angesichts der Gräuel dieser Welt bewundernswert abgeklärt und kühl zu bleiben vermag.
Sven Hasper bekommt noch einmal Gelegenheit, uns seinen Alpha 365 zu präsentieren, den Sicherheitschef der Hyperion, bei dem es sich um eine Züchtung handelt, die auf gewisse Verhaltensweisen geprägt ist. Die Nüchternheit, mit der er seine Figur ausstatten, sorgt bei seinen Einsätzen nicht selten für Momente düsterer Komik. So plaudert er recht leichthin von seinem Verrat, den er an Tess Kensington begangen hat und ist auch dann nicht aus der Ruhe zu bringen, wenn sie darauf hinweist, welch weitreichende Konsequenzen das für sie haben könnte. Wunderbar!
Seine Auftritte legen nahe, dass diese Figur in Zukunft noch weiter an Tiefe gewinnen wird. Und ich freue mich ausdrücklich darauf. So, wie sie angelegt ist, und so, wie sie von Hasper interpretiert wird, hat sie das Zeug zu einem Publikumsliebling, und ich bin gespannt, was Andreas Suchanek für diesen Charakter noch alles bereithalten wird.
Interessant auch, dass mit dieser Folge Sebastian Fitzner als Lt. Michael Larik ins Seriengeschehen zurückkehrt, dieses Mal sogar als Mitglied der Brückenbesatzung. Wir erinnern uns: Wir sind ihm bereits in der ersten Folge begegnet, da war er der verängstigte letzte Überlebende der Protector, den allein seine Herkunft als eines der verlorenen Kinder des Mars vor dem Tod bewahrt hat. Wenn sein Einsatz auch nur sehr kurz ist, darf man die Tatsache, dass er noch oder wieder mit dabei ist, als weiteren Ausdruck eines breit angelegten Serienkonzeptes betrachten. Selbst Figuren mit kleiner Präsenz können später wieder auftauchen. Und vielleicht fällt dem einen oder anderen dann sogar eine größere Bedeutung zu. Diese Verfahrensweise lässt die Ausgestaltung der Welt bei Heliosphere 2265 sehr liebevoll und detailreich erscheinen, und ist für den aufmerksamen Hörer ein kleines Schmankerl, das die auch so schon hochklassig erzählte Geschichte noch einmal zusätzlich aufwertet.
Das Sounddesign bleibt der bisherigen Linie treu – kühl und fokussiert. Zu jeder Zeit der Handlung angemessen, ohne zu dominant zu sein. Und alles wirkungsvoll umspült von den Klängen der mittlerweile liebgewonnenen Musik, die das Erzählte wie in allen Folgen zuvor hervorragend einrahmt.
Im Ganzen also eine wieder einmal temporeiche Episode, die den Hauptcharakteren mächtig zusetzt und den mörderischen Plan des Präsidenten zum Vollzug zu bringen scheint. Wir lernen noch einmal: Niemand ist in dieser Welt sicher, und was sich für die Zukunft andeutet, ist mehr als vielversprechend.
Mörderische Attacken und ein drohender Genozid – mit dieser Folge werden die Weichen gestellt für das weitere Geschehen.
Explosiv, rasant und auf den Punkt gebracht: großartig!
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