Gruselkabinett - 126 - Kalte Luft

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen zum Thema Cookies finden Sie hier und in unserer Datenschutzerklärung

    • Gruselkabinett - 126 - Kalte Luft



      Gruselkabinett - 126 - Kalte Luft

      Zum Inhalt:
      Auf der Suche nach einer bezahlbaren und sauberen Unterkunft landet der junge Schriftsteller James Russell in einem etwas heruntergekommenen, vierstöckigen Mietshaus. Zu seinem Erstaunen kostet die Wohnung nur 5 Dollar in der Woche, was seine Vermieterin Senora Herrero mit dem Lärm der vorbeifahrenden Straßenbahn begründet. Da seine Wohnung im dritten Stock liegt, einen gepflegten Eindruck macht und sich der Lärm eigentlich in Grenzen hält, willigt Russell ein. Drei Wochen nach seinem Einzug tropft es abends plötzlich von der Zimmerdecke. Zu seinem Erstaunen kennt die von ihm alarmierte Vermieterin sofort die Ursache. Sie erzählt ihm, daß der Mieter der vierten Etage, ein gewisser Dr. Munoz, immer wieder Chemikalien auf dem Boden verschütte, ansonsten aber ein guter Arzt sei. Als Russell einige Tage später einen Herzanfall erleidet, wendet er sich hilfesuchend an den Doktor, nicht ahnend, wie sehr diese Begegnung sein restliches Leben verändern wird...

      Zur Produktion:
      Der amerikanische Schriftsteller Howard Phillips Lovecraft (20.08.1890-15.03.1937) wird den meisten Hörern in erster Linie aufgrund seiner Geschichten um den Cthulhu-Mythos ein Begriff sein, aber der Autor hat auch Werke verfasst, die entweder gar nichts oder nur sehr wenig mit diesem zu tun haben. Nachdem Titania Medien bereits neun Hörspiele [Gruselkabinett 24 & 25, 39,44 & 45,58, 66 & 67, 78, 90, 100, 114-115] zu Lovecrafts Hauptthema veröffentlicht hat, basiert die neueste Folge auf der ursprünglich im März 1926 geschriebenen und ziemlich exakt zwei Jahre später im Magazin "Tales of Magic and Mystery" veröffentlichten Kurzgeschichte "Cool Air". Sie enthält nur einen einzigen Verweis auf das Cthulhu-Universum, in Form eines sehr vage gehaltenen Satzes. Stattdessen schlägt Lovecraft hier einen anderen Weg ein und verarbeitet seine eigene Sensibilität gegenüber Kälte und physischem Niedergang. Einige Literaturexperten behaupten, daß sich der Schriftseller vor allem durch Edgar Allan Poes Erzählung "Die Fakten im Fall Valdemar" habe inspirieren lassen, die interessanterweise als Gruselkabinett 127 veröffentlicht wird und deren Handlung durchaus gewisse Parallelen erkennen lässt. Lovecraft selbst erklärte allerdings, ihm sei die Idee nach der Lektüre von Arthur Machens Buch "The Novel of the white Powder" gekommen, das sich ebenfalls mit körperlichem Verfall befasst.
      Ich freue mich immer, wenn sich Skriptautor Marc Gruppe der großen Herausforderung stellt, ein Werk zu vertonen, welches als schlecht bis gar nicht auf andere Medien übertragbar gilt. Es kam in der Vergangenheit schon vor, daß ich mit Gruppes Interpretation nicht ganz so zufrieden war, aber dieses Mal bin ich mehr als begeistert! Zum einen, weil er der Versuchung widerstanden hat, die recht kurze Handlung mit Fülldialogen unnötig aufzublasen, zum anderen, weil es ihm gelungen ist, die Lovecraftsche Vorlage in einigen Aspekten noch zu übertreffen. Stellvertretend sei hier das Verbrennen der Briefe des Doktors genannt. Während Lovecraft diese Tat bereits sehr früh in das Geschehen einbaut und damit für Verwunderung beim Leser sorgt, denn zu diesem Zeitpunkt ist sie überhaupt noch nicht nachvollziehbar, setzt Gruppe diesen Aspekt ans Ende des Hörspiels, was den logischen Aufbau erheblich verbessert. Um den Ablauf flüssig zu halten, musste er allerdings die Figur der Vermieterin leicht abändern. Während sie bei Lovecraft als unaufdringlich und eher einsilbig beschrieben wird, hat Gruppe ihr hier sehr viel mehr Text gegeben, um dem Hörer die Monologe des Hauptcharakters in Dialogform präsentieren zu können. Damit weicht er zwar etwas von der Quelle ab, doch das kommt dem Hörgenuß sehr zugute. Das Geschehen bleibt durchweg spannend, auch wenn man als aufmerksamer Hörer schnell dahinterkommt, auf welches Finale die Handlung zustrebt. Der Schluß ist auch das Einzige, was ich ein wenig zu bemängeln habe. Während Lovecraft die Geschichte mit der erkärenden Offenbarung des Doktors beendet, (Interessierte können die Geschicht im englischen Original im Internet unter en.wikisource.org/wiki/Cool_Air nachlesen), lässt Gruppe James Russell noch einen zusätzlichen Monolog halten. Dieser dauert zwar nicht allzu lange und ist auch effektvoll mit dem dämonischen Lachen des Doktors unterlegt, aber letztlich verwässert er doch das ursprüngliche, meiner Meinug nach effektvollere Ende.
      Produktion und Regie durch Stephan Bosenius und Marc Gruppe sind wie gewöhnlich bestechend. Die Sprecher wurden gekonnt geführt und liefern jederzeit nachvollziehbare Portraits ihrer Charaktere. Die einzelnen Szenen sind mit viel Liebe zum Detail gestaltet worden. Gespräche im Treppenhaus hat man z.B. mit Hall verfremdet und Stimmen hinter einer Tür dumpfer klingen lassen. Darüber hinaus haben Bosenius und Gruppe darauf geachtet, daß jeder Handlungsort durch unterschiedliche Geräusche lebendig wirkt. Besonders beeindruckend ist der starke Kontrast zwischen den hektischen Straßen New Yorks und der vergleichsweisen ruhigen Wohnung des Hauptdarstellers, in der man ihn sogar mit der Zeitung rascheln hört. Nicht ganz so überzeugen konnte mich hingegen der Sound, den die Eiswürfel beim Eingießen machen und der mich eher an etwas wie Holzscheite, die ausgeschüttet werden, erinnert hat. Davon abgesehen ist die Geräuschkulisse jedoch makellos.
      Da die Handlung im Jahr 1923 angesiedelt ist und man als Hörer mit dieser Zeit hauptsächlich Musik verbindet, die nicht recht zu einem Gruselhörspiel passen will (Jazz und Swing), haben sich Bosenius und Gruppe entschlossen, hier vermehrt auf den Synthesizer zu setzen. So erklingen bereits anfangs düstere, wabernde Töne, welche eine passende Grundstimmung erzeugen. Im Verlaufe des Hörspiels gibt es dann aber auch immer wieder unterschiedlichste Melodien, die mal unterschwellig treibend, mal offensichtlich beruhigend ausfallen und mit einem opulent in Szene gesetzten Stück enden.

      Zu den Sprechern:
      Timmo Niesner(James Russell) eröffnet das Hörspiel mit einem eindringlich vorgetragenen Monlog, der bereits erahnen lässt, daß der Protagonist in seinem Leben schon einiges mitgemacht hat. Er ist eine ausgezeichnete Besetzung für den jungen Schriftsteller mit gesundheitlichen Problemen. Ob es der ausdrucksvoll gespielte Herzanfall ist oder die Art und Weise, wie er seinen Text regelrecht abgehackt intoniert, um seine Atemlosigkeit und Gehetztheit darzustellen, Niesner bleibt immer absolut perfekt! Auch Monica Bielenstein(Senora Herrero) als herrische Vermieterin mit südländischem Akzent, weiß zu überzeugen, wenn sie sich mal wieder über ihren seltsamen Mieter Doktor Munoz ärgert. In einer Nebenrolle tritt Tom Raczko(Esteban Herrero) als ihr genervter und gegenüber Dritten sehr abweisender Sohn auf, aber sprecherisches Highlight ist für mich ganz klar Peter Weis(Doktor Munoz), als seltsamer alter Kauz mit rauer Stimme. Während er zunächst noch freundlich wirkt, wandelt sich seine Stimme im Verlauf des Geschehens und klingt zunehmend brüchiger und heiserer. Aufgrund dieser Veränderung wirken seine späteren Wutausbrüche noch beeindruckender, da diese einerseits vollkommen unerwartet erfolgen, andererseits mit solcher stimmlicher Kraft vorgetragen werden, daß dem Hörer sofort klar wird, daß dieser Charakter eine geradezu übernatürliche innere Stärke besitzen muss.

      Fazit:
      Ausgezeichnete Hörspieladaption der literarischen Vorlage.

      Das Hörspiel Gruselkabinett - 126 - Kalte Luft
      gibt es bei
      Amazon.de
      oder bei
      POP.de


      OTR-Fan
    • Schön geschrieben, vielen Dank für die viele Mühe! Ich fand es war eine gute und typische Titania-Gtuselkabinettfolge, wie ich sie lieben gelernt habe. Aber es gab für mich sicherlich noch viel Besseres in dieser Reihe, aber ein gutes und unterhaltsames Hörspiel ist es allemal :]
    • Ich habe die Folge gestern gehört und fand sie vom Inhalt her doch eher durchschnittlich.
      Tolle Sprecher und ein Melodien- und Soundteppich, an dem man (bis auf den komischen Eisstück-Sound - was immer da verwendet wurde :denk: - und die mir etwas zu "schmissig" klingende Schlussmelodie) wirklich nichts aussetzen kann.
      Titania-Niveau eben! :thumbup: Da braucht man eigentlich nichts mehr zu zu sagen, der Name steht ja längst für top Produktionen.
      Die Geschichte selbst war für mich aber eher etwas schwach oder sagen wir mal uninteressant.
      Natürlich ist das Ganze eine Art SciFi und das Thema "Lebensverlängerung" bzw. "Überwindung des Todes" wird immer eines sein, das uns Menschen bewegt.
      Aber hier gab es mir einfach zu wenig Erklärungen dafür, wie das alles umgesetzt wurde.
      Spoiler anzeigen
      Dr. Munoz gibt gegen Ende an, er sei bereits seit 18 Jahren tot, habe es aber geschafft, sich selbst zu erhalten. Und das nur duch Kälte und ein paar Chemikalien?
      War mir einfach zu lau. :S
      Natürlich hätte ich hier keine wissenschaftliche Erklärung erwartet, denn die hätte man ja nun mal nicht liefern können. ;) Aber ich wäre schon mit etwas in der Art von: "Da stand eine seltsame Maschine voller Kabel und Drähte in der Ecke, an die sich der Arzt jeden Tag seltsamerweise anschloss." aus Russells Mund zufrieden gewesen.
      So aber wirkte mir das einfach ZU abstrakt.
      Ich denke, die Geschichte dürfte damals bei Erscheinen tatsächlich für Beklommenheit und Gruselgefühle unter ihren Lesern gesorgt haben, aber mich konnte sie nicht wirklich mitziehen, denn für einen Hörer des Jahres 2017 war viel zu schnell klar, auf was das Ganze hinauslaufen würde.
      Ich empfand hier auch lediglich die Figur des Erzählers als einigermaßen sympathisch, die seltsame Hauswirtin, ihr nachgerade patziger, unverschämter Sohn und der mehr oder weniger größenwahnsinnige Doktor waren es jedenfalls nicht.
      So konnte mich auch das Schicksal von Letzterem nicht wirklich betreffen oder er mir leid tun. :)
    • Da magst Du ganz recht haben, aber die Idee
      Spoiler anzeigen
      sich mit Kälte und Chemikalien länger leben zu lassen, ist im Grunde ja sehr modern. Es gibt ja Schwerkranke, die sich einfrieren lassen, damit man sie Jahre später aufwacht, wenn es ein Mittel gegen die Krankheit gibt.
      und die Erklärung ist gar nicht so weit hergeholt.
    • Michael Doe schrieb:

      Insgesamt leider eine der schwächsten Lovecraft Umsetzungen.
      Nun, vielleicht auch einfach deshalb, weil es sich ohnehin um eine eher schwächere Lovecraft-Geschichte handelt? ;)
      Für mich zumindest.

      Dass die Soundkulisse in den letzten paar Folgen schwächer als früher war, könnte ich allerdings wirklich nicht sagen.
      Woran machst Du Deine Kritik denn fest?
      Das kommt doch auch immer ein bisschen darauf an, wo die Handlung spielt und was man da an Geräuschen dazupacken kann.
    • Beispiele / Soundkulisse.

      # Man hört nicht einmal das tropfen von der Decke
      # Die Maschine die angeblich pausenlos arbeitet ,hört man auch nie. Selbst hinter einer geschlossenen Tür würde man diese hören
      # als das Eis per Eimer in die Badewanne gekippt wird.Hört sich eher an wie Holzbauklötze als Eis.
      # Als das Gesicht sich auflöst .Hört man keine Veränderung der Stimme.Deutlich wie immer.Kein Geräusch der abfallenden Teile .

      Gerade weil die Geschichte eher durchwachsen ist hätte ich die Soundkulisse besser ausgearbeitet.

      Alles andere ist wie immer gut.Musik ,Sprecher ....

      Mal sehen welche Geschichte demnächst von Lovecraft vertont wird ;-)
    • Die Kritik ist durchaus berechtigt, wobei ich selbst beim hören eigentlich nie das Gefühl hatte, das mir etwas fehlt (Ausnahme die Eiswürfel, wobei ich mir da nicht im klaren bin/war ob das gut oder schlecht ist, weil ich nicht wirklich ein Klangbild in mir habe, wie so viele Eiswürfel im Detail klingen sollen). Geräusche der abfallenden Teile hätte ich wohl eher in einem Splatterhörspiel erwartet und wäre für mein Dafürhalten in einem Schauer-Romantik-Hörspiel wohl zu viel des Guten gewesen.
    • Michael Doe schrieb:

      Man hört nicht einmal das tropfen von der Decke
      Oh doch und wie man das hört. Es beginnt zunächst als einzelne Tropfen und steigert sich dann langsam. Ähnlich wie bei einem tropfenden Wasserhahn, von dem das Geräusch wohl auch ursprünglich stammt.

      Michael Doe schrieb:

      Die Maschine die angeblich pausenlos arbeitet ,hört man auch nie. Selbst hinter einer geschlossenen Tür würde man diese hören
      Auch das ist nicht richtig. Man hört das leise Wummern der Maschine sehr wohl, wenn auch nicht immer sehr prominent, da die Szenen fast alle zusätzlich mit Musik unterlegt sind. Zudem sagt der Protagonist doch auch, daß man die Maschine nur manchmal hört. ;)

      Michael Doe schrieb:

      Als das Gesicht sich auflöst .Hört man keine Veränderung der Stimme.Deutlich wie immer.Kein Geräusch der abfallenden Teile .
      Öhm, also den eigentlichen Auflösungsprozess bekommt man doch gar nicht mit? Solange sich der Doktor artikulieren kann, ist er doch auch noch nicht so vergammelt, daß er nicht mehr normal reden könnte oder ihm Teile abfallen würden. DAS hätte der Protagonist doch wohl mitbekommen, wenn Nase oder Ohren auf dem Boden rumliegen würden. =)
      Und wie sollte man denn bitte "abfallende" Gesichtsteile auch in Szene setzen. "Flappflapp" ein Stück Fleisch auf den Boden fallen lassen? Is doch kein Comedy-Hörspiel. ;)

      Michael Doe schrieb:

      als das Eis per Eimer in die Badewanne gekippt wird.Hört sich eher an wie Holzbauklötze als Eis.
      Das ist der einzige Punkt, in dem ich Dir zustimmen kann. :] Aber das habe ich ja auch in meiner Rezi schon geschrieben.

      Man muss bei einem Hörspiel mit einer so dichten Soundkulisse manchmal etwas genauer und konzentrierter hinhören, eben weil häufig noch zusätzliche Musik und Bässe ertönen, aber die Tropf- und die Maschinengeräusche sind da!


      OTR-Fan
    • Gehört und sehr angetan! :thumbsup:

      Mir hat die Geschichte sehr gut gefallen, da sie alles beinhaltete, um bei mir ein wunderbares Kopfkino in Gang zu setzen (als Horror-/Splatterfan ganz einfach ;) ). Allerdings kann ich Agathas Kritik nachvollziehen, die Erklärung ist natürlich dünne. Mich hat's hier nicht gestört, irgendwie funktionierte das Hörspiel wie am Schnürchen...naja, die Eiswürfel waren wirklich komisch, ich dachte an Mikado. =)
      Das Ende fand ich gut, irgendwie beruhigend, dass der
      Spoiler anzeigen
      verweste Zombie-Doc seine Ergebnisse nicht noch an andere lebende Leichen auf der Welt weitergeben konnte.


      :danke: MoAs für deine super Rezi!