Hörspielerfahrungen Teil 10: Muss das "Hörspiel-Rad" immer neu erfunden werden?

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    • Hörspielerfahrungen Teil 10: Muss das "Hörspiel-Rad" immer neu erfunden werden?

      Ähnlichkeiten, Anlehnungen und Kopien findet man in der Hörspiellandschaft häufig. Seit Jahrzehnten loben wir den guten H.G. Francis zu Recht wegen seiner wirklich genialen Gruselserie. Aber gerade er hat es perfekt verstanden Themen und Handlungen, die im Film große Bekanntheit erreicht haben, in eine kurze und knackige Hörspielgeschichte zu bannen. Und wir sind begeistert davon. Und es gibt jetzt viele weitere solcher Beispiele, die man nennen könnte. In den meisten Fällen waren und sind wir im Grunde mit den Hörspielen ausgesprochen zufrieden. Warum? Weil eine bekannte Szene, eine bekannte Geschichte, ein bekanntes Thema, eine bekannte Musik, ein bekanntes Setting, ein bekanntes Bild usw. sehr reizvoll sein kann, wenn man diese auf eine "andere Ebene", sprich andere Zeit, andere Umgebung, anderes Design usw, hebt. Dadurch ergeben sich für den Macher wie für den Hörer ganz neue Möglichkeiten, andere Verstrickungen und aus einem bekannten Plot ergibt sich plötzlich eine komplett andere Geschichte. Die Wurzeln mögen die selben sein, aber der Baum, der daraus wächst, wird andere, neue und unbekannte Äste hervorbringen.

      Variation ist hier das Zauberwort. Eine 1:1 Übertragung mit neuen Sprechern, neuer Musik usw. kann ebenfalls sehr reizvoll sein und ist ja in anderen Kunstgattungen Gang und Gäbe. Aber aus meiner persönlichen Erfahrung heraus, kommt es dann sehr häufig zu einem Vergleich mit dem Original. Und der Mensch ist ein Gewohnheitstier. In den meisten Fällen spricht ihm das gewohnte Original mehr an als die Neuaufnahme. Eine sehr gute Geschichte, die in einigen Bereichen Ähnlichkeiten zu einem ursprünglichen Hörspiel/Film/Buch hat, aber in vielen anderen Bereichen eine komplette neue "Ausstrahlung" aufweist, macht mir in der Regel immer großen Spass. Und auch hier gibt es Szenerien, die man als Hörer sehr gerne Tausend Mal hört und es gibt Szenerien, die man so gar nicht mag.

      Große und erfolgreiche Firmen und Menschen haben sich oft Ideen anderer bedient. Aber sie haben diese nicht nur plump übernommen, sondern sie durch Variation und Weiterführung auf eine weitere Ebene gehoben und damit vielen, vielen Menschen Freude gemacht. Daher stehe ich auf den Standpunkt: Nein, das Hörspiel-Rad muss nicht immer neu erfunden werden. Es muss nur weiter gedreht werden. Und hier bieten viele bekannte Geschichten aus Filmen, Büchern oder auch aus anderen Hörspielen wunderbaren Stoff, diesen weiter zu entwickeln.
    • Markus G. schrieb:

      Nein, das Hörspiel-Rad muss nicht immer neu erfunden werden. Es muss nur weiter gedreht werden. Und hier bieten viele bekannte Geschichten aus Filmen, Büchern oder auch aus anderen Hörspielen wunderbaren Stoff, diesen weiter zu entwickeln.
      Absolut!
      Und ein Sich-Bedienen ist ja auch völlig legitim, solange es nicht zu plump geschieht.
      Sehr, sehr viele gute Stoffe sind halt ganz einfach schon mal so oder in leicht veränderter Form veröffentlich worden, warum nicht darauf aufbauen, noch die eigene Phantasie hinzugeben und das Ganze so weiterspinnen.
      Ich bin eigentlich niemand, der da den Finger erhebt :nene2: und gleich bekritelt, dass das ja in Film X oder Buch Y schon mal alles ganz ähnlich war und man hier wohl nur abgekupfert hat.
      Sei es drum, wenn mich die neu entstandene Story angemessen unterhält, kann ich damit bestens leben. ;)
      Gewisse "Versatzstücke" kommen doch ohnehin immer wieder vor, und ich muss es nicht um jeden Preis noch blutiger, schockender, abartiger oder auch unwahrscheinlicher haben, nur weil mir der Macher beweisen möchte, dass er es anders - und natürlich besser ;) - kann.
      Natürlich sind neue, wirklich noch nie dagewesene Ideen, egal in welchem Genre, was Feines, aber das erwarte ich in der Regel nicht.
      Denn ich fürchte, dann bekäme ich mal gerade ein oder zwei Hörspiel pro Jahr. :pfeifen:
      Themen, die ich bereits kenne und die auf eine originelle Art und Weise bereichert wurden, sind für mich okay.

      Bei Neuauflagen sehe ich es ähnlich wie Markus, einfach auch aus eigener Erfahrung: Existiert bereits eine schöne Hörspielfassung eines Stoffes, ist jede weitere Kopie für mich unnötig und wird auch nur in Ausnahmefällen gekauft. Denn ich messe automatisch alles an der Ersten, die oft noch dazu den vielzitierten "Nostalgiebonus" hat. Und dabei verlieren die Nachfolger praktisch immer.
    • Ich finde schon, man sollte klar und strikt unterscheiden zwischen Abkupfern oder auch plumper Trittbrettfahrerei auf der einen und wirklicher Neu-Interpretation bzw. ein Sich-inspirieren-Lassen auf der anderen Seite.
      Beides hat es wohl immer schon gegeben, und in Zeiten, da der Austausch über die Distanzen hinweg noch nicht im heutigen Stil gegeben waren, fiel das wohl auch nicht so sehr ins Gewicht, aber heute braucht es Variante 1 ganz einfach überhaupt nicht mehr, und ich empfinde sie eigentlich nur als Einfallslosigkeit oder Gier nach schnellem Kommerz.

      Variante 2 dagegen finde ich grundsätzlich legitim. Es muss aber dem Thema schon etwas ganz eigenes abgewonnen werden. Das ist der entscheidene Punkt, mit dem sich dieses eigene Werk für mich dann legitimiert. Gute Beispiele sind ja die von mir gern zitierten Fernsehserien Dr. House und Sherlock, die beide auf originelle und ganz eigene Weise das Holmes-Thema neu interpretieren und im Ganzen etwas völlig Neues erschaffen.

      Gibt es solche gelungenen Beispiele eigentlich auch im Hörspielbereich?

      Da muss ich mal genauer drüber nachdenken... :gruebel:
    • @Hardenberg: Ich denke die Hörspielserie Sherlock und Watson passt in dieses Schema. Aber im Grunde übernimmt man hier den TV-Sherlock und überträgt ihn auf das Hörspiel. Ist dies jetzt "abkupfern", Trittbrettfahrerei oder doch Neuinterpretation weil es dies als Hörspiel noch nicht gab?

      Und was ist wenn das Gehörte trotz abkupfern/Trittbrettfahren großen Spaß macht?
      Wie sieht es mit dem Allscore-Holmes aus, der sogar die Holmes Sorecher von Maritim übernommen hat und die Serie weitergeführt hat, als noch nicht alle Maritim-Holmesfolgen veröffentlicht waren???
    • Die Grenzen sind sicherlich manchmal nicht eindeutig auszumachen, wie so oft bei komplexeren Sachverhalten, und da ich diese Hörspielserie nicht kenne, kann ich es nicht beurteilen.

      Ich habe mich jetzt eher auf Hörspiele bezogen, aber natürlich kann man den Rahmen beliebig erweitern.

      Wenn es tatsächlich so wäre, dass die genannte Serie die Prämisse der TV-Vorlage einfach übernähme und insofern das Originäre derselben bloß kopierte, dann geriete das Ganze sicher zumindest in den Ruch des Ideenklaus. Allerdings spielen ja in der Folge noch andere Faktoren mit rein: Die Übertragung ins Hörspielmedium, die Art und Weise der Umsetzung, die weitere Charakterausgestaltung, die einzelnen Plots - da gibt es noch so viel Raum für eigene Interpretationen. Deswegen würde ich das so pauschal nicht beantworten wollen.

      Ein gutes Beispiel für eine doch eher plumpe Kopie dürfte wohl das Weltraummonster von H.G. Francis sein, oder? Während Gräfin Dracula das Dracula- und Vampir-Motiv doch eigentlich ganz gut und unterhaltsam neu interpretiert.
    • Markus G. schrieb:

      Und was ist wenn das Gehörte trotz abkupfern/Trittbrettfahren großen Spaß macht?
      Das ist doch natürlich schön, es kommt natürlich darauf an wie die Stoffe bearbeitet werden:

      Hardenberg schrieb:

      Die Übertragung ins Hörspielmedium, die Art und Weise der Umsetzung, die weitere Charakterausgestaltung, die einzelnen Plots - da gibt es noch so viel Raum für eigene Interpretationen
      Genau. Es spielen viele Faktoren mit.
      Ich finde es immer nur lustig, wenn manche Hörspiele als schlecht bezeichnet werden, nur weil sie vom Stoff her nichts neues bieten, aber dafür die Produktion an sich hochklassig ist.

      Muss das Rad neu erfunden werden? Nein und es ist auch nicht so leicht was neues zu kreieren, weil es gibt soooo viele Stoffe die man gesehen oder gehört hat.
      Aber an was kann man herumschrauben? Natürlich an der Produktion.
    • Vor allem muss man ja auch schauen, von welcher Warte aus man diese Fragestellung betrachtet. Wenn ich die Vorlage einer Kopie nicht kenne, ist sie für mich neu - und kann mir sogar außerordentlich gut gefallen.

      Eine andere Frage ist, wie ich dieses Hörspiel dann als "Kunstwerk" (klingt so pauschal etwas hochgegriffen, das Wort, aber Ihr wisst sicher, wie ich's meine), als kretive Leistung eines Künstlers einstufe. Und darauf bezog ich mich ja in erster Linie. Und da spielt der doch zu plumpe Ideenklau für mich einfach in einer ganz anderen Liga.

      Sind halt unterschiedliche Betrachtungsweisen.
      Und subjektiv Spaß machen kann grundsätzlich ja sogar das, was objektiv reiner Trash ist. Geschmäcker sind bekanntlich verschieden, und das ist auch gut so. Insofern sehe ich da weder einen Widerspruch noch ein Legitimitätsproblem. :zwinker:
    • hardenberg schrieb:

      Vor allem muss man ja auch schauen, von welcher Warte aus man diese Fragestellung betrachtet. Wenn ich die Vorlage einer Kopie nicht kenne, ist sie für mich neu - und kann mir sogar außerordentlich gut gefallen.
      Da ist viel Wahres dran. Ich kannte bzw. kenne "Walking Dead" zum Beispiel nicht als TV-Serie oder als Comic. Ich kenne nur die Hörspielserie. Diese ist sehr eigen produziert, aber sie gefällt mir. Vielleicht gerade weil ich es nicht mit einer Vorlage vergleiche. Ebenso ist es mit Sherlock und Watson der Fall, dass sich ja auch stark an der BBC-Serie orientieren soll. Kenne ich nicht. Von daher finde ich beide Serien durchaus originell und unterhaltenswert. Würde ich beide kennen, wäre es für mich vielleicht nur eine plumpe Kopie mit der ich wenig anfangen kann?