Mord in Serie - 24 - Labyrinth

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    • Mord in Serie - 24 - Labyrinth




      Tolles Cover, enttäuschendes Hörspiel

      Der Inhalt bedarf keiner allzu detaillierten Analyse. Der Leiter eines Architekturbüros begeht in Begleitung zweier Mitarbeiter und einer Praktikantin unter der Leitung eines ehemaligen Bundeswehrsoldaten ein Survival-Wochenende im Schwarzwald, wobei zu passender Gelegenheit einer von ihnen durch den Boden bricht und somit ein unterirdisches Tunnelsystem freilegt, dem die Gruppe dann auf der Suche nach einem geeigneten Ausgang folgt. Wobei sich dann aber unerwartete und sogar tödliche Bedrohungen offenbaren, die die Gruppe recht schnell dezimieren.

      Folge 24 der Thriller-Reihe Mord in Serie entführt uns in eine Welt, die, soweit darf man sich vorwagen, so noch nicht oft beschritten worden ist in einem Hörspiel. Der Plot bedient sich dabei einiger Motive, die im geneigten Hörer wohl eher Assoziationen zur Indiana-Jones-Filmreihe wecken dürfte als zu den Hochkarätern klassischer Thriller-Kost.

      Sieht man von dem Umstand ab, dass es recht außergewöhnlich anmutet, ein Setting wie dieses ausgerechnet im Schwarzwald anzusiedeln, bleiben doch alle Beigaben der Rahmenhandlung erstaunlich konventionell. Ein weiteres Mal hat man den Eindruck, dies alles so oder zumindest unter ganz ähnlichen Vorzeichen irgendwo bereits gesehen, gelesen oder gehört zu haben.

      Düstere Tunnelsysteme, in denen stets zu passender Gelegenheit die Ausgänge verschüttet sind, ausgetüftelte Todesfallen, die dunkle Geheimnisse bewahren sollen – und am Ende das ganz große Nazi-Geheimnis, das dem zuvor Erzählten die nötige Brisanz und Tiefe geben soll, all das ist im Grunde nichts Neues. Was grundsätzlich nicht schlimm wäre. Wenn zumindest die Art, auf die es präsentiert wird, in gewissem Sinne Neues oder zumindest Reizvolles böte.

      Dies ist aber leider nicht der Fall.

      Das fängt schon allein damit an, dass die einzelnen Figuren in dieser Episode doch sehr schematisch und eindimensional wirken. Der Kopf der kleinen Firma ist natürlich ein unerträglicher Tyrann, der die erste Hälfte des Hörspiels beinahe unentwegt seine Mitarbeiter zusammenstaucht, so dass man sich fragt, wie ausgerechnet dieser Hanswurst auf die Idee gekommen sein soll, ein so beschwerliches Wochenende ausgerechnet zur Teambildung anzuberaumen. Schon diese Voraussetzung wirkt wenig glaubhaft.

      Doch auch im Folgenden wird wenig Kraft und Mühe darauf verwendet, zwischen den handelnden Figuren eine gewisse Dynamik zu entwickeln, die es erlauben würde, sie in eine echte und knisternde Interaktion voller spannender Momente treten zu lassen. Sie alle bleiben charakterlich innerhalb eines Rahmens, den man mit zwei, drei Schlagworten erschöpfend zusammenfassen könnte. Allein dem Chef ist es vorbehalten, eine leichte Wandlung vom Saulus zum Paulus zu vollziehen, dies wird allerdings auf eine psychologisch so simple Weise vorangetrieben, dass es nun wirklich nicht befriedigen kann.

      Zur fehlenden Tiefe der Charaktere kommt dann noch die fehlende Konstanz in der Darstellung ihres Handelns. So zeigen sich die Protagonisten doch recht unbekümmert von den grausamen Todesfällen, die recht schnell zu beklagen sind. Nach überstandenem Tort sind sie am Ende sogar wieder zu launigen Späßen aufgelegt. Und das wo uns doch zuvor lang und breit vermittelt wurde, dass es sich bei der Gruppe um ganz normale Menschen handelt.

      Eine solche Darstellung empfinde ich als flach und ärgerlich – und darüber kann mich auch nicht hinwegtrösten, dass diese Form der charakterlichen Eindimensionalität gang und gäbe bei amerikanichen B-Movie-Produktionen ist. Wer solch inhaltlich doch eher konventionelle Geschichten erzählen will, der sollte dies für meinen Geschmack in einer Weise tun, die dem Ganzen etwas Neues abzugewinnen versteht. Die Handlung und das Personaltableau von Labyrinth lassen dagegen dieses Außergewöhnliche stark vermissen.

      Hinzu kommen mal wieder doppelte und dreifache Twists zum Haareraufen. Ohne ins Detail zu gehen, um Lesern, die dieses Hörspiel vielleicht noch halbwegs unvoreingenommen hören möchten, den Spaß nicht zu verderben, bleibt festzuhalten, dass weder die Wendung eines der Charaktere im Hinblick auf sein zuvor geschildertes Handeln noch die doppelte Lösung des zugrundeliegenden Plot-Rätsels auch nur im Ansatz zu überzeugen wissen. Bei allem Willen zur Diplomatie fällt es schwer, dies anders zu nennen als hanebüchenen Unsinn.

      Das ist schade, denn eigentlich schätze ich die Grundidee zu Mord in Serie sehr. Das ist auch der Grund, warum ich mit dieser Episode bereits zum siebten Mal bei dieser Reihe zugegriffen habe. Den Ansatz, feine und intelligente Thrillerkost in Reihe zu produzieren und es sich bei der Umsetzung nicht so leicht machen zu wollen, die gängigen amerikanischen Originale zu kopieren, sondern die Handlung hauptsächlich in deutscher Lebenswirklichkeit etablieren zu wollen, finde ich interessant, löblich und aller Beachtung wert. Doch leider bleiben die einzelnen Folgen viel zu oft weit hinter den Erwartungen zurück. Und in ihrer Struktur sind viele von ihnen – spätestens in der mehrfachen Wiederholung des Prinzips – recht vorhersehbar. So vermutet man mittlerweile schon zu Beginn, dass eine der Personen sich im Fortlauf der Handlung als Bösewicht entpuppen wird, und wer dies sein würde, war auch im Falle von Labyrinth sehr schnell klar.

      Ähnliches gilt für die abschließenden Twists.

      Wahrscheinlich ist eine solche, mittlerweile etablierte Plotstruktur früher oder später auch ganz einfach ein Fluch, denn wenn man in einer großen Anzahl von Folgen am Ende mit einem überraschenden Twist aufwartet, erzeugt man mit der Zeit eine Erwartungshaltung beim Hörer, der doch immer wieder neu überrascht werden will. Die Folge kann nicht das Weglassen des Twists sein, denn das könnte enttäuschen, mag der Skript-Autor, mag der Regisseur denken, doch das genaue Gegenteil, die weitere Steigerung oder sogar die Dopplung des Twists, birgt das Risiko, dass die Handlung am Ende nicht mehr glaubwürdig erscheint. Und genau das trifft im Fall des Labyrinths leider zu.

      Vielleicht sollte man sich trauen, die Motive des Thriller-Genres mal wieder neu zu denken und im Zweifel vielleicht sogar neu zu erfinden. Dann kämen am Ende vielleicht wirklich kleine, aber sehr feine Hörspiele voller Spannung und Nervenkitzel dabei heraus.

      Was das Sounddesign anbelangt, so präsentiert sich Labyrinth auf dem gängigen hohen Niveau aktueller Hörspiel-Produktionen, ohne dabei aber besonders hervorzustechen. Die Geräusche und Effekte, die angewendet werden, sind solide. Disharmonien sind nicht zu beklagen.

      Allerdings bleiben sie in der Wirkung im Ganzen eher schwach. So schafft man es nicht im ausreichenden Maße, ein klaustrophobisches oder bedrohliches Gefühl innerhalb des Tunnelsystems zu generieren. Zu keiner Zeit wird dem Hörer durch akustische Mittel die Ausweglosigkeit, die besondere Brisanz der Situation der Eingeschlossenen vermittelt. Ein Spaziergang durch Omas Kohlenkeller könnte annähernd ähnlich klingen.

      Die Musik ist dem Genre angemessen und transportiert auf eine nicht zu dominante Weise die Stimmung der jeweiligen Szene. In dieser Hinsicht gibt es nichts zu beklagen.

      Die Sprecher liefern allesamt eine grundsolide Leistung ab, was angesichts fehlender Figurentiefe und der doch im Ganzen wirklich konventionellen Handlung deutlich positiv auffällt, auch wenn vielleicht die Wortwechsel zwischen Jürgen Holdorf und Tobias Lelle streckenweise sehr bemüht erscheinen. Besondere Strahlkraft, die vielleicht über Enttäuschungen aus dem Plotverlauf hinwegtrösten könnte, ist hier jedoch nicht zu verzeichnen.

      Besondere Erwähnung finden muss dagegen die hervorragende Covergestaltung. Das Bild von dem übermächtigen Labyrinth mit dem winzig kleinen Menschen, der sich zaghaft dem Eingang nähert, ist ein echter Eyecatcher. Besser kann man eine Serie wie diese nicht präsentieren. Das Cover versteht es auf wunderbare Weise, für sich einzunehmen und echte Vorfreude zu wecken.

      Bedauerlich nur, dass die große Erwartungshaltung, die mit diesem Covermotiv geweckt wird, mit dem Hörspiel überhaupt nicht eingelöst wird. Denn während der Handlung stoßen die Protagonisten ja weniger auf ein echtes Labyrinth als vielmehr auf ein Tunnelsystem mit einigen hochbrisanten Sackgassen. Es ist mehr als enttäuschend, dass es nicht gelungen ist, diesem hochfaszinierenden Setting eine innovativere, spannendere, überraschendere Geschichte abzutrotzen.
      Das Cover verhieß all das.
      Doch vergebens war alle Hoffnung.

      So ist mit der Folge Labyrinth ein weiteres Mal eine zwar grundsolide, aber doch sehr konventionelle Episode der Reihe Mord in Serie erschienen, die die großen Erwartungen, die das hervorragende Cover weckte, leider nicht einmal im Ansatz erfüllen konnte.
      Es fehlt an Tiefe bei den handelnden Figuren, es fehlt an einer bereichernden Dynamik in der Interaktion, und vor allem fehlt es an Spannung und Nervenkitzel bei diesem doch recht vorhersehbaren Plot. Auflösung und abschließender Twist lassen die Handlung dann leider zum Ende hin auch noch ins Reich des Trivialen abdriften, so dass am Ende ein Gefühl größter Enttäuschung zurückbleibt.

      Als eher weniger anspruchsvolle Feierabend-Berieselung mag dieses Hörspiel wegen der durchaus soliden Ansätze empfehlenswert sein. Wer bei einem Hörspiel jedoch mehr sucht als eine Klangkulisse zum Abschalten, den dürfte dieser Plot vermutlich deutlich unterfordern. Bei mir wenigstens war es so. Schade.


      :st: :st: :st2: :st2: :st2:
    • Vielen Dank für das Feedback.

      Ich habe früher immer gedacht, Rezis mit einem deutlich höheren Anteil an negativer Kritik müssten eigentlich spaßig zu schreiben sein, doch jetzt erkenne ich, dass es mir viel mehr Spaß bringt, Hörspiele in den Himmel zu loben.

      Für mich ist es jedes Mal ein Balanceakt, gleichzeitig ehrlich (auch mir selbst gegenüber) zu sein und zu bleiben - und ich bin ja ein Freund des offenen und direkten und nicht verklausulierten Wortes -, aber auf der anderen Seite die Kritik nicht destruktiv, sondern konstruktiv zu gestalten, so dass aus der Rezi herauszulesen ist, was meiner Meinung nach anders oder besser hätte gemacht werden müssen, damit mich das Hörspiel überzeugt hätte. Dies soll nicht zuletzt die Subjektivität unterstreichen und durch eine ausführliche Argumentation aufzeigen, dass ich Macher und Werk im Grundsatz respektieren und sogar wertschätzen möchte, wenn ich das Hörspiel im Detail vielleicht auch ablehne.

      Und auch wenn sich meine Rezis ausschließlich an andere Hörer richten, denke ich natürlich die Möglichkeit mit, dass einer der Kreativen meine Zeilen ebenfalls liest. Deutlich in der Sache zu sein, ohne dabei das Maß zu verlieren, ist dabei mein Anspruch. Der mir hoffentlich einigermaßen gelingen mag.
    • Hardenberg schrieb:

      So zeigen sich die Protagonisten doch recht unbekümmert von den grausamen Todesfällen, die recht schnell zu beklagen sind.
      Hm, daran sieht man aber doch, warum gerade dieser Gruppe vom Chef ein Teambildungs-Wochenende verordnet wurde.
      Wenn einen der brutale Tod der Kollegen kaum stört, liegt in der Firma wohl so einiges im Argen. :green:

      Spaß beiseite und :danke: für die ausführliche, gut begründete Rezi.


      Hardenberg schrieb:

      ch habe früher immer gedacht, Rezis mit einem deutlich höheren Anteil an negativer Kritik müssten eigentlich spaßig zu schreiben sein, doch jetzt erkenne ich, dass es mir viel mehr Spaß bringt, Hörspiele in den Himmel zu loben.
      Hm, es ist ja oft der vermeintlich leichtere Weg, einem anderen nicht die (vielleicht sehr hart aufgefasste) Wahrheit an den Kopf zu werfen, sondern Fünfe gerade sein zu lassen und zu sagen: "Ach, eigentlich bin ich zufrieden, könnte zwar besser sein, aber passt schon."
      Egal, in welchem Bereich.
      Im Grunde sind ja die meisten von uns so gestrickt, dass sie nur gelegentlich mal ausflippen und in der Regel mit ihren Mitmenschen auf freundlicher Basis auskommen wollen. Erleichtert halt oft das Leben.
      Gilt natürlich auch für etwas so Spezielles wie Rezensionen oder Beurteilungen generell, sofern uns nicht, aus beruflichen o.ä. Gründen, eine genauere, härtere Differenzierung abverlangt wird.
      Ich bin immer eher jemand, der nicht zu viel Kritik üben möchte, einfach weil ich denke, der Macher hat sich ja auch bemüht und glaubt, das Produkt sei gut gelungen. Er hat nur einen bestimmten Helferstab zur Verfügung, dem gelingt nicht immer der große "Wurf", sondern manchmal lediglich Durchschnitt.
      Aber die friedliche Methode ist halt nicht unbedingt die richtige, wenn auch die vielleicht bequemere.
      Denn wenn es der Produzent einer Sache fröhlich hinnimmt, dass seine Arbeit zig Leuten gefällt, sie vollauf damit zufrieden sind, dann muss er auch das Gegenteil akzeptieren.
      Wer vor einer Menge aus unterschiedlichen Charakteren bestehen will, weil er ja nicht nur für den "Schema F"- Kunden herstellt, der wird immer mal kleine Dämpfer erleben. ;)
      Und solange die sachlich fundiert sind, sollten sie ihm auch eine positive Anregung sein.
      Der Ton macht halt die Musik, wie überall im Leben. Auf beiden Seiten. :)