FALLEN - 2 - Genf

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    • FALLEN - 2 - Genf

      Die aktuell interessanteste Hörspiel-Serie auf dem kommerziellen Hörspielmarkt geht in die nächste Runde und präsentiert sich in absoluter Höchstform.

      Neue Charaktere tauchen auf, weitere rätselhafte Personen, von denen man nicht weiß, welche Motive sie antreiben, neue Fragen stellen sich. Aber in mancher Hinsicht scheint sich der Nebel auch zu lichten. So bekommen wir langsam ein Gefühl für die Protagonisten. Erfahren etwas mehr über ihre Hintergründe. Gewiss, es reicht noch nicht für das volle Bild, aber es genügt doch, um uns vertraut zu machen mit ihnen – und nach Herzenslust spekulieren zu dürfen.

      FALLEN ist und bleibt ein mysteriöses Vexierspiel, auf das sich einzulassen volle Aufmerksamkeit und ein gehörig Maß an Geduld erfordert. Wer dies aufbringt, dem bietet sich ein ganzer Reigen unterhaltsamer und faszinierender Szenen und Figuren.

      Zur Handlung sei nicht allzu viel geschrieben, um nicht Wendungen zu verraten, die den Hörgenuss mindern würden. Friedrich von Gartner befindet sich noch immer auf der Mission, auf die ihn Kardinal Weiher geschickt hat und sieht sich unversehens im Zentrum scheinbar gegenläufig agierender Parteien und Interessen, von denen einige noch kaum einzuordnen sind. Da nichts als letztgültig gesichert gelten darf, müssen wir uns mit von Gartner fragen, wem von den handelnden Personen man überhaupt vertrauen darf.

      Die Inszenierung bewegt sich wie schon im ersten Teil auf höchstem Niveau. Die Klangkulisse ist gewohnt reduziert, die Musik kommt bei dieser Folge weniger krachend und darum noch präziser abgestimmt zum Einsatz. Die Übergänge zwischen den Szenen werden wieder durch das Geräusch des Spulens markiert, wobei Göllner in dieser Folge noch zu dem Kniff greift, jede Szene mit einer Variation der Abschlussworte aus der vorherigen Szene beginnen zu lassen, was einer von diesen kleinen Regie-Gags ist, die wohldosiert – wie hier – das Gesamtwerk bereichern, aber auch schnell, wenn man es damit übertreibt, der authentischen Atmosphäre einer fiktiven Welt entgegenwirken könnten. Hier kann davon jedoch keine Rede sein.

      Bei den Sprechern ist noch eine Steigerung auszumachen. Boten sie schon im ersten Teil bis in die kleinste Rolle sehr gute Leistungen, liefert das Ensemble mit der zweiten Folge Bestleistung ab. Es ist schwer, einzelne hervorzuheben, stellvertretend auch für die anderen seien hier Michael Prelle als Il-Azaz, Till Hagen als Dr. Angerer und, vor allen anderen, die wunderbare Lilli Martha König als kleine Marie Dufage genannt. Kinderrollen in Hörspielen sind eine schwierige Sache. Oft ist ihre Leistung mit freundlicher Nachsicht zu betrachten, aber doch, um ehrlich zu sein, nicht wirklich befriedigend. Dies trifft für Lilli Martha König nun wahrlich nicht zu. Ich muss bei der Bewertung ihrer Leistung keine Rücksicht auf ihr kindliches Alter nehmen, denn wie sie der kleinen Marie Dufage Leben einzuhauchen versteht, ist schlichtweg beeindruckend und über die Maße überzeugend. Ganz besonderes Lob dafür.

      Was das Cover angeht, so muss ich dies differenziert betrachten. Das Motiv ist rätselhaft und weckt Interesse: Dargestellt ist offenbar die kleine Marie mit ihrer Puppe Lisa. Was auffällt, ist, dass die Puppe die Augen des Mädchens, das Mädchen aber statt ihrer Augen Knöpfe im Gesicht trägt. Zudem sehen wir rote Bänder oder Kordeln, die aus dem Mund der Puppe hervorstoßen. Dies weckt Assoziationen zur Hörspielhandlung, auch wenn sich, wie schon beim Cover zu Folge 1, das Bild nicht eindeutig einer bestimmten Szene zuordnen lässt. Auf jeden Fall wird auch hier wieder auf beeindruckende Weise Interesse geweckt, und ich erachte es als besonders originell, ein Cover nicht bloß die Handlung illustrieren zu lassen, sondern es gewissermaßen zu ergänzen, in ihm selbst Informationen oder Andeutungen zu transportieren, die uns als Hörer Anlass zu Spekulation sein dürfen. Insofern auch dieses Mal ein Top-Motiv!
      Was mir weniger gefällt, ist die Machart, das Comicartige des Stils, das doch der Illusion von Realität innerhalb der fiktiven Welt ein wenig entgegenwirkt. Ein Stückweit wird hier das inszenatorische Bemühen um realitätsnahen Klang und authentische Atmosphäre der Göllner’schen Welt sabotiert durch die sehr artifiziell erscheinende Zeichnung des Kindes und seiner Puppe, und obwohl das Motiv selbst mich doch sehr stark anspricht, stößt es mich doch gleichzeitig auch ab. Es mag sich für mich nicht einfügen in die ansonsten doch so sachliche Klangwelt dieser Hörspielserie.

      Ein besonderes Lob gilt dem Veröffentlichungsmodus. Hier zeigen sich Göllner und mit ihm IMAGA mehr als sehr verlässlich. Eine Serie wie FALLEN, die davon lebt, dass sie eine verwirrende und zunächst undurchdringliche Welt erschafft – und dies auch noch in epische Breite, braucht Verlässlichkeit und einen angemessenen Veröffentlichungsrhythmus, um Vertrauen und Verbundenheit bei den Käufern zu erreichen. Hier gibt es nichts zu beanstanden. Im Gegenteil. FALLEN 02 – Genf ist gerade erst erschienen, Folge 03 mit dem Titel Baton Rouge scheint, so man amazon Glauben schenken darf, bereits in den Startlöchern zu stehen. Vorbildlich. Und ein Geschenk für jeden Hörspielfreund.
      Ich gestehe nach dem Gabriel Burns-Desaster war ich lange skeptisch, ob ich mich noch einmal auf eine Serie mit folgenübergreifender und vor Rätseln strotzender Handlung einlassen soll. Eigentlich wollte ich es nie wieder. Bei FALLEN habe ich es nun doch gemacht. Und bereue es nicht. Marco Göllner und IMAGA genießen nun in dieser Hinsicht mein volles Vertrauen!

      Alles in allem haben wir es also hier mit einer fulminanten Fortsetzung des Serienauftakts zu tun, die es noch einmal schafft, das selbstgewählte hohe Niveau deutlich zu steigern. Die Exposition ist abgeschlossen, die Handlung entfaltet sich zu epischer Breite, und sowohl den Sprechern als auch dem kreativen Kopf hinter der Serie ist deutlich anzumerken, mit wie viel Enthusiasmus sie bei der Sache sind. Langeweile kommt nicht für einen Moment auf, und wenn diese Folge auf dem absoluten und nervenzerrenden Höhepunkt abbricht, ist es nicht Enttäuschung, die sich Bahn bricht, sondern fiebrige Erwartung auf alles, was da noch kommen mag. Wenn es nach Folge 1 noch eines Grundes bedurft hätte, diese Serie weiterzuverfolgen – mit dieser Episode ist er definitiv geliefert.

      FALLEN ist groß. FALLEN ist spektakulär. FALLEN ist das Highlight dieses Hörspieljahres.