FALLEN - 1 - Paris

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    • FALLEN - 1 - Paris

      Zugegeben: Die Prämisse dieser neuen Serie wirkt auf den ersten Blick völlig hanebüchen – weißgefiederte Männer als die eine, schwarzgefiederte Männer als die andere Fraktion unter den Engeln, allesamt oder wenigstens in Teilen mit Schwertern bewehrt und auf der Jagd nacheinander und untereinander und wer weiß, was noch; dazu ein Kardinal, den nach Beweisen verlangt, ein ehemaliger Gardist, der Nachforschungen anstellt und ein rätselhaftes Mädchen, das sich vielfacher Nachstellungen ausgesetzt sieht –, doch wie dies alles miteinander und ineinander verwoben und dargeboten wird, widerspricht entschieden dem ersten Impuls, diese Geschichte als zu abstrus links liegen lassen zu wollen.


      Denn wer diesem Impuls erliegt, dem entgeht ein echtes neues Highlight am Hörspiel-Himmel.


      Ich bin kein Freund der Phantastik. FALLEN wird als Phantastik-Serie beworben.

      Ich bin kein Freund von Engeln in fiktiven Formaten. Bei FALLEN geht es genau darum.

      Ich bin kein Freund des eher visuell inszenierten Hörspiels. FALLEN ist genau das.


      Und doch ist FALLEN über alle Maße empfehlenswert. Die Einladung zu einem Trip, von dem man heute noch nicht wissen kann, wann und wo er endet.


      Die Handlung entfaltet sich erst allmählich. Beim ersten Hören ist es zunächst schwierig, die handelnden Personen, ihre Motive und ihre Verstrickungen zu durchschauen. Doch es gibt eine Fülle von Andeutungen und kleinerer Sentenzen, die sich als Fundament reichhaltiger Spekulationen anbieten, und man merkt sofort, dass hier vom Autoren nicht bloß aus der Hüfte geschossen wurde, sondern alle Fäden an einem für uns noch unbekannten Ort zusammenlaufen. Eine Engelssichtung ruft den Vatikan auf den Plan. Kardinal Weiher bestimmt den ehemaligen Schweizer Gardisten Friedrich von Gartner, der Sache auf den Grund zu gehen. Dies führt ihn zur kleinen Marie, die mehr zu sein scheint als nur ein harmloses, kleines Mädchen. Parallel dazu kommen wir in Kontakt zu verschiedenen schwarzen und weißen Engeln, die jedoch nicht, wie die Farbgebung suggerieren könnte, schlicht in Gut und Böse zu unterteilen sind, sondern als durchaus differenziert dargestellte Wesen mit im Dunkeln liegenden Motiven. Und schnell wird klar: So schlicht, wie Prämisse und Setting es nahelegen, wird es bei FALLEN nicht zugehen.


      FALLEN 01 – Paris ist der Auftakt zur ersten Staffel, die aus sechs Episoden bestehen wird und der, soweit ich es richtig verstanden habe, weitere Staffeln folgen könnten. Insofern ist diese Folge nicht bloß als Einzelfolge zu betrachten und zu bewerten, sondern auch in ihrer Stellung innerhalb der ganzen Staffel und womöglich der gesamten Serie.


      Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich von dieser Folge, isoliert betrachtet, nach dem ersten Hören doch etwas enttäuscht war. Die Handlung entfaltet sich recht langsam. Hintergründe und Motive werden nur zaghaft angedeutet. Viele Personen treten auf, die man schlecht voneinander unterscheiden und auch kaum einordnen kann. Insgesamt war mir das, um den vollen Spaß und die volle Freude zu entwickeln, einfach zu wenig. Ich war noch nicht gepackt nach dem ersten Hören. Ich war lediglich leicht interessiert. Im Nachhinein betrachtet, wäre es, meiner bescheidenen Ansicht nach, besser gewesen, die erste Folge zusammen mit der zweiten zu veröffentlichen, denn es braucht die zweite Folge unbedingt, um die volle Wirkung, um den vollen Sog zu entfalten.


      Ich glaube nach wie vor, dass es geschickter gewesen wäre, den Protagonisten von Gartner anders in die Handlung einzuführen als durch einen langen, schwach launigen Dialog mit dem Kardinal. Ich glaube nach wie vor, dass es besser gewesen wäre, die Szenen, in denen die Engel miteinander interagieren, ein wenig prägnanter darzustellen, damit sie intensiver und länger haften bleiben. Doch dies alles ist nur relevant, wenn man die Folge für sich allein betrachtet. Als erster Teil eines Sechsteilers, von dem wir zum aktuellen Zeitpunkt jedoch erst zwei Teile überblicken können, fallen diese Kritikpunkte kaum mehr ins Gewicht.


      Inszenierung und Sounddesign sind originell und heben sich deutlich von meinen sonstigen Hörgewohnheiten ab. FALLEN zeichnet sich insgesamt durch eine sehr reduzierte Klangkulisse aus. Die einzelnen Szenen sind durch das Geräusch eines spulenden Tonbands voneinander getrennt, von dem noch nicht zu ermessen ist, ob es sich hierbei einfach um eine originelle Sound-Idee handelt oder tiefere Hintergründe für die Geschichte damit verbunden sind. Im Ganzen präsentiert sich das Hörspiel als eine Art Hybrid: Es ist ein Hörspiel, aber als solches mit starken Anleihen an visuelle Formate in Szene gesetzt. Streckenweise hatte ich den Eindruck, der Tonspur einer Film-Synchro zu lauschen. Auf eine solche Art der Inszenierung, bei der wohl Oliver Döring als eine Art Wegbereiter gelten darf, muss man sich einlassen können. Ist man dazu bereit, darf man verfolgen, wie Marco Göllner ebenso konsequent wie kunstvoll eine neuartige Klangwelt erstehen lässt, in die eingewoben er uns die Protagonisten seines Spiels um weiße und schwarze Engel präsentiert.


      FALLEN wartet mit einer prominenten Riege teils unverbraucht klingender Sprecher auf, von denen in dieser Folge vor allem Frank Röth als Friedrich von Gartner und Florian Halm als Il-Gibr hervorzuheben sind. Weitere Sprecher sind Tilo Schmitz, Bernd Vollbrecht, Till Hagen und, für mich Premiere in einem Hörspiel, der hervorragende Schauspieler Thomas Thieme als El-Ang, Oberhaupt der weißen Engel. Der große Vorteil bei der Sprecherauswahl erweist sich zwischenzeitlich auch als größter Nachteil, denn die begrüßenswerte Fülle an Sprechern, die man eben nicht in jedem zweiten Hörspiel um die Ohren gehauen bekommt, führt beim ersten Hören leider auch dazu, dass es schwer ist, die Stimmen und somit auch die Figuren voneinander zu unterscheiden. Allen Skeptikern sei jedoch versichert: Dies gibt sich spätestens mit Folge 2.

      Zuletzt ein Blick auf das Cover: Es zeigt einen am Boden liegenden Mann, bei dem nicht ganz klar wird, ob er in einer Blutlache liegt, die geformt ist wie Engelsflügel, oder ob es sich hierbei um blutgetränkte und darum rot verfärbte Flügel handelt. Aus der Hörspielhandlung lässt sich dieser Schluss nicht zweifelsfrei ziehen. Das Cover wirkt mysteriös und rätselhaft, es weckt Assoziationen und ist auf jeden Fall ein Hingucker. Im Verbund mit Reihen- und Folgentitel eine überaus gelungene Präsentation, wie sie besser kaum hätte ausfallen können.


      Alles in allem bietet FALLEN 01 – Paris einen ebenso spannenden wie verwirrenden Einstieg in eine neue, phantastische Hörspielwelt aus der Feder Marco Göllners. Angeraten sei von meiner Seite unbedingt die Kombination mit Folge 2 der Serie, um in den vollen Genuss der Exposition zu diesem produktionstechnisch hochambitionierten, inhaltlich rätselhaften und inszenatorisch erstklassigen Hörspielwerk zu kommen. Wer als Hörspiel mehr sucht als platte Horror-Action oder dialoglastige Einschlafhilfen, der sollte sich unbedingt an FALLEN versuchen: ein hoffnungsvoller, neuer Stern am Hörspielhimmel und ein aktueller Beweis dafür, dass das Medium Hörspiel noch lange nicht tot ist.

      Darum von mir eine absolute Kaufempfehlung!

    • Danke, Ihr Lieben. Im Grunde habe ich ja alles über viele Beiträge verteilt schon mal geschrieben, doch ich wollte es noch einmal bündeln und vor allem Folge 1 im Kontext zur zweiten Folge einordnen. Das eröffnet denn doch noch einmal einen anderen Blick.

      Gar nicht so einfach, eine Rezi bei einer Serie wie FALLEN zu schreiben, denn über Inhalte kann man letztlich nur unter Vorbehalt schreiben, weil ja so vieles noch nicht übersehbar ist. Und dann will man ja auch nicht unnötig spoilern.