Gruselkabinett - 114 & 115 - Der Ruf des Cthulhu
Zum Inhalt:
Im November 1926 wird Francis Wayland Thurston davon in Kenntnis gesetzt, daß sein Onkel Professor Angell verstorben ist. Da Angell kinderlos und bereits verwitwet war, ist Thurston somit dessen Alleinerbe. Beim Sichten des Nachlasses entdeckt er eine Schatulle, in der sich verschiedene Zeitungsausschnitte und Dokumente sowie eine abstoßend hässliche Figur befinden. Je mehr sich Thurston mit den Sachen beschäftigt, umso mehr erkennt er, daß alles mit einem uralten Kult zusammenhängt: dem Kult des CTHULHU!
Zur Produktion:
"The Call of Cthulhu", so der englische Originaltitel, gehört zu den wichtigsten Erzählungen des Autors H.P.Lovecraft (20.08.1890 – 15.03.1937) rund um den von ihm erfundenen "Cthulhu"-Mythos. Erstaunlicherweise hielten weder Lovecraft selbst ("ziemlich mittelmäßig - nicht so misslungen wie meine Schlechtesten, aber voll billiger und sperriger Elemente") noch Farnsworth Wright, der damalige Herausgeber des Magazins "Weird Tales", die 1926 verfasste Kurzgeschichte für gelungen. Wright weigerte sich zunächst auch, sie überhaupt zu veröffentlichen und tat dies erst 1928, als ein Freund Lovecrafts ihm mitteilte, dieser gedenke, sie sonst anderswo einzureichen.
Zum illustren Freundeskreis des Autors zählte auch der britische Schriftsteller Algernon Blackwood (14.03.1869 – 10.12.1951), dessen Arbeiten er sehr bewunderte. Blackwood war selbst Verfasser von Geister- bzw. Gruselstories, und ich bin ein wenig überrascht, daß Titania bisher noch keine davon vertont hat. Mitte der 1920er Jahre pflegten beide Männer einen regen Briefwechsel, in dessen Folge auch Blackwoods "Introtext" Eingang in die Geschichte von Cthulhu fand. Diese Bezugnahme ist einerseits als Verbeugung Lovecrafts zu sehen, andererseits verleiht die Erwähnung einer realen Person der Handlung mehr Glaubwürdigkeit. Obwohl der kurze Prolog allenfalls als stimmungsgebend gelten kann, ließ es sich Skriptautor Marc Gruppe nicht nehmen, den Realismus noch etwas zu steigern, indem er Algernon Blackwood "selbst" auftreten und seinen Text vorlesen lässt.
Überhaupt findet sich in der Besetzungsliste mancher "Insider"-Gag. So trägt der Butler den Namen Carter, den Lovecraft-Fans sofort mit Randolph Carter (H.P.Lovecrafts alter Ego) und unter anderem mit der Geschichte "Der Fall des Charles Dexter Ward (Gruselkabinett - 24 & 25) in Verbindung bringen werden. Auch der Name "Wilcox" steht in direktem Zusammenhang mit dem berühmten Schriftsteller, da ein Zweig seiner Familie so hieß.
Wie gewohnt bleibt Marc Gruppe respektvoll dicht an der literarischen Vorlage, ohne dabei aber komplett auf Änderungen zu verzichten. So wurde beispielsweise Thurstons Bericht darüber, wie er vom Tode seines Onkels erfuhr, in Dialogform gesetzt (ein Telephonat zwischen ihm und dem Anwalt), und es kamen neue Figuren, z.B. die des Butlers, hinzu. Außerdem hat Gruppe einige Textteile umgestellt und damit der Handlung etwas mehr Spannung verliehen als ursprünglich der Fall. Kleinere Passagen, unter anderem die Erwähnung des verrückten Arab Abdul Alhazred und des "Necronomicons" sowie die Besuche Thurstons bei Wilcox, der Polizei und den überlebenden Kultisten, wurden weggelassen, da sie nicht zu weiteren Erkenntnissen führen und daher irrelevant für den Ablauf sind.
Daß der Name der australischen Zeitung (Sydney Bulletin) unerwähnt bleibt oder Gustaf bei Gruppe Gustav geschrieben wird, sind kleinere, im Endeffekt ebenfalls unerhebliche Eingriffe.
Eine Änderung hat mich allerdings schon gewundert: Im Original verfasst Gustaf sein Tagebuch in englischer Sprache, um zu verhindern, daß seine Frau den Inhalt versteht, während er sie bei Gruppe auf die Bibel schwören lässt, seine Eintragungen nicht zu lesen.
Bei diesem Hörspiel handelt es sich ja um einen Zweiteiler, dessen Folgen auch einzeln verkauft werden. Interessanterweise hat Marc Gruppe den Kunstgriff fertiggebracht, die Geschichte so aufzuteilen, daß auch jeder Teil für sich bestehen kann. Allerdings gibt es dabei nicht nur deutliche Laufzeitunterschiede. Folge 114 umfasst die ersten zwei großen Abschnitte (I. The Horror in Clay & II. The Tale of Inspector Legrasse) und hat eine Spielzeit von knapp 72 Minuten, während Folge 115 nur das letzte Drittel der Geschichte (III. The Madness from the Sea) beinhaltet und auch deswegen mit lediglich knapp 40 Minuten zu Buche schlägt. Anders gesagt: Teil 1 stellt den langsamen Aufbau des Grauens dar und Teil 2 den fulminanten Abschluss. So sehr mir diese Adaption auch gefallen hat, so sehr hätte ich mir doch noch mehr "Action" und damit auch eine längere Laufzeit für Folge 115 gewünscht. Meiner Meinung nach hätte es z.B. nicht geschadet, auch den Kampf der Yacht mit dem Schiff der Eingeborenen als Spielszene zu integrieren, statt sie mehr oder weniger als erzählenden Monolog ablaufen zu lassen. Apropos Monolog: Trotz Gruppes häufigem Dialoge-Einbau, gibt es doch immer wieder längere Passagen, die quasi nur von einem Sprecher getragen werden und damit schon fast Hörbuchcharakter aufweisen. Aber das liegt größtenteils an Lovecrafts etwas umständlichem, stellenweise auch langatmigem Erzählstil. Wer sich nun selbst einen Eindruck von der Vorlage machen will, findet die Geschichte unter en.wikisource.org/wiki/The_Call_of_Cthulhu/full im Internet.
Um Cthulhu passend in Szene zu setzen, lassen es Stephan Bosenius und Marc Gruppe in den Bereichen Produktion und Regie wieder mal so richtig krachen. Entsprechend dem Sujet, sind die Melodien alle düster und unheimlich gehalten, nur einmal erklingt eine ruhige Geigen- Weise. Abgesehen von den Streichinstrumenten, kommen aber auch Blasinstrumente, eine Harfe und Trommeln zum Einsatz. Neben langgezogenen Synthesizersounds, sind es vor allem die bombastischen Musikstücke (wenn Cthulhu kommt) sowie die bedrückenden Sprechgesänge der Kulstisten, die dem Hörer im Gedächtnis bleiben. Besonders gelungen finde ich in diesem Zusammenhang die episch angelegte Abschlussmelodie, bei der Gruppe und Bosenius auch die Laute des Cthulhu nochmals einspielen. Auf diese Weise macht das Titania-Team deutlich, daß die Bedrohung noch lange nicht vorüber ist.
Anargenargh! Ich muss die Rezi in zwei Teile schneiden, da sie zu lang ist (mehr als 10.000 Zeichen) um sie in einem Post unterzubringen!
OTR-Fan