Gruselkabinett - 94 - Tobias Guarnerius

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    • Gruselkabinett - 94 - Tobias Guarnerius



      Gruselkabinett - 94 - Tobias Guarnerius

      Zum Inhalt:
      Der Geigenbauer Tobias Guarnerius hat nur ein Ziel: Ein Instrument zu schaffen, daß seinem berühmten Vorbild Stradivari zur Ehre gereicht. Doch wie sehr er sich auch abmüht, es will ihm einfach nicht gelingen. Eines Tages fällt ihm jedoch ein Buch über Seelenwanderung in die Hände, und nun weiß er, wie er seinen ehrgeizigen Plan in die Tat umsetzen kann. Mit Hilfe einer selbstgebauten Apparatur überträgt er die Seele seiner sterbenden Mutter auf eine Geige. Doch diese Tat hat schreckliche Konsequenzen.

      Zur Produktion:
      Mit "Tobias Guarnerius" von Charles Rabou (06.09.1803-01.02.1871) stellt Titania das Werk eines eher vergessenen und mir völlig unbekannten französischen Schriftstellers vor. Rabou entdeckte erst nach einem bereits abgeschlossenen Jurastudium seine Leidenschaft für das geschriebene Wort. Um ihr nachzugehen, arbeitete er zunächst als Reporter für diverse Zeitungen, bis er schließlich mit anderen Gleichgesinnten die Zeitschrift "Paris Review" gründete. Unter deren Autoren befand sich auch der berühmte Honoré de Balzac, mit dem ihn bald eine innige Freundschaft verband. Das gegenseitige Vertrauen war so groß, daß Rabou Balzac seine unvollendeten Manuskripte zur Fertigstellung hinterließ. Diese kamen bei den Kritikern aber längst nicht mehr so gut an, wie Rabous selbstverfasste Werke.
      Marc Gruppe, auch diesmal wieder der Verfasser des Hörspielskripts, hat sich weitgehend bemüht, nicht nur den Inhalt, sondern auch den Sprachstil des Übersetzers Ignaz Franz Castelli (06.03.1781-05.02.1862) beizubehalten. Einige der damaligen Begriffe haben sich in ihrer Bedeutung allerdings etwas verändert. So wirkt beispielsweise das Wort "entschlafen", statt "eingeschlafen", auf manchen modernen Hörer sicherlich befremdlich, da man es ja heutzutage eher im Zusammenhang mit "sterben" verwendet. Doch gerade diese Unterschiede zu unserem alltäglichen Sprachgebrauch geben der Geschichte eine zusätzliche Glaubwürdigkeit. Ablauf und Inhalt stimmen im Großen und Ganzen mit der literarischen Vorlage überein, einige Erzählpassagen wurden aber zugunsten des Mediums 'Hörspiel' in Gespräche umgewandelt und als Rückblicke erzählt. In diesem Zusammenhang möchte ich eine subtile Änderung nicht unerwähnt lassen. Um das Grauen noch zu steigern, hat Marc Gruppe eine entscheidende Kleinigkeit variiert. Denn während die Mutter in der Originalgeschichte keine Ahnung von den Plänen ihres Sohnes hat, da sie bereits bewusstlos ist, bekommt sie hier durch einen von Gruppe verfassten zusätzlichen Dialog genau mit, was ihr bevorsteht. Weitere Szenen sind, von einigen wenigen neuen Sprechpassagen abgesehen, nicht eingefügt worden, und so verläuft die Handlung gradlinig und kurzweilig bis zum schaurigen Höhepunkt. Zusätzliche Details, wie die genaue Uhrzeit des ersten Konzerts mit der Geige, sind für den Verlauf irrelevant. Ausnahmsweise kann man diese Geschichte sogar auf Deutsch im Internet unter gutenberg.spiegel.de/buch/tobias-guarnerius-5555/1 nachlesen, um selbst einen Vergleich anzustellen.
      Für die musikalische Untermalung haben sich die beiden Produzenten Stephan Bosenius und Marc Gruppe vor allem am Leitmotiv der Erzählung orientiert, und so ist es nicht verwunderlich, daß die Geige zum dominierenden Instrument wurde. Dem Sujet angemessen, sind die meisten Melodien eher düster gehalten, und selbst bei den eher heiteren Weisen schwingt immer ein getragener Unterton mit. Darüber hinaus sorgen noch Choral, Klavier und Synthesizer für eine Verdichtung der Atmosphäre. Die Geräuschkulisse fällt erwartungsgemäß üppig aus, und eine Vielfalt unterschiedlichster Laute verleiht jeder einzelnen Szene Lebendigkeit. Dem schaurigen Inhalt angemessen, gibt es ein rufendes Käuzchen, krächzende Raben, Donner und natürlich Kaminprasseln. Besonders gelungen fand ich die "beseelte" Geige, bei der ein tiefes Seufzen über den Ton gelegt wurde. Nicht so gefallen hat mir das Geräusch, welches die Seele der Mutter macht, während sie die Röhre durchwandert. Der Sound wirkte eher wie innerhalb einer größeren Blechtonne und nicht wie in einem engen Rohr. Davon abgesehen passen alle anderen Klänge aber perfekt zum Geschehen.

      Zu den Sprechern:
      Zurecht setzt das Label Titania Hasso Zorn(Erzähler) oft in dieser Funktion ein. Er besitzt genau das richtige Sprechtempo und beweist mit seiner nuancierten Betonung immer viel Gefühl für den Text. Von Timmo Niesner(Johann) gibt es leider weniger zu hören, als ich mir gewünscht hätte, denn er kann trotz seiner für mich viel zu kurz geratenen Auftritte immer überzeugen. Seine Darstellung des frierenden jungen Mannes ist dermaßen glaubhaft, daß ich erst mal die Heizung aufdrehem musste. Mindestens ebenso gut gefallen hat mir Peter Weis(Wirt) in seiner Rolle als Magistrat und Kneipier, der mit sonorer Stimme stellenweise zum zusätzlichen Erzähler wird. Sprecherisches Highlight ist aber ganz klar der titelgebende Charakter Tobias Nath(Tobias Guarnerius), welcher den besessenen Instrumentenbauer, der sich der ungeheuerlichen Tragweite seines Handelns zu spät bewusst wird, mit viel Elan interpretiert. Seine Wandlung vom skrupellosen Erfinder zum dahinsiechenden reuigen Sünder ist einfach brilliant. Auch die restlichen Sprecher machen ihre Sache gut. Kerstin Sanders-Dornseif(Brigitte Guarnerius) passt perfekt als alte Frau, die ihren Text am Schluss nur noch keuchend hervorstößt, und Max Schautzer(Bürgermeister) gefällt im Part des achtbaren, einflussreichen Gemeindeoberhaupts. Die Leistung von Peter Reinhardt(Sekretär) ist zwar durchaus angemessen, aber sein Spiel hätte für mich noch ein wenig emotionaler ausfallen dürfen. Patrick Bach(Prinz) agiert zwar auch etwas unterkühlt, aber zusammen mit seiner leicht hochnäsig klingenden Stimme, passt das ausgezeichnet zu einem Mitglied der Adelsklasse. In weiteren Nebenrollen treten auf: Luisa Wietzorek(Bedienstete) als genervtes Dienstmädchen, Tom Deininger(Diener) als gieriger, verschlagen wirkender Angestellter sowie Axel Malzacher(Polizist) als herrischer Gesetzeshüter. Jacques Breuer(Gefängnis-Geistlicher) ist der gütige Pfarrer, der Tobias in seiner letzten Stunde Trost zuspricht, und Frank-Otto Schenk(Priester) macht bei seiner Grabrede einen sehr würdevollen Eindruck. Monica Bielenstein(Frau), Arianne Borbach(Frau) und Cornelia Meinhardt(Frau) treten als verwunderte Gemeindemitglieder und als einige der Passanten vor Guarnerius Laden auf.


      Fazit:
      Schnörkellose Gruselgeschichte

      Das Hörspiel Gruselkabinett - 94 - Tobias Guarnerius
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      OTR-Fan
    • ...diese Geschichte war eindringlicher. :]

      Absolut!
      Dagegen ist "Die Falle" dann eher nur eine kleine Gruselstory, zwar auch mit Dramatik, denn immerhin gerät ja vor allem der gute Robert in nicht unbeträchtliche Gefahr. :aufgeregt:
      Aber "Tobias Guarnerius" ist doch um einiges emotionaler und ergreifender.
      Spoiler anzeigen
      Immerhin kostet seine rücksichtslose Gier nach Ruhm erst der Mutter über Jahre hinweg den Seelenfrieden und danach ihn selbst auf unschöne Weise das Leben.

      Die Geigen-Einspielungen fand ich sehr passend und keinesfalls zu übertrieben häufig, wie der Sound natürlich auch ansonsten mal wieder kaum besser hätte ausfallen können. :thumbup:
      Wird jetzt inhaltlich sicher nie zu meinen Lieblingsfolgen zählen, ist aber vollkommen okay, nicht zuletzt auch aufgrund der guten Sprecher.
      Werde in den nächsten Tagen nochmal DDF - 124 - Geister-Canyon hören, sozusagen als Ergänzung ^^ , denn da geht es ja auch um eine Guarneri-Geige.
      Sicher um eine von denen, die Tobias auf dem Weg zum perfekten Modell geschaffen und dann, als nur minderwertig gelungen, weiterverkauft hat. ;)
    • gk94.jpg

      Dies ist wieder eine dieser “Gruselkabinett”-Folgen, die ich mehrfach gehört habe, weil ich dachte, dass mir der dramatische oder wenigstens gruselige Höhepunkt irgendwie entgangen sein musste. Nur um am Ende festzustellen, dass es ihn gar nicht gab. Weder einen dramatischen, noch einen gruseligen Höhepunkt.
      Dabei fand ich die Story gar nicht mal so schlecht. Die Idee des Geigenbauers ist schon ziemlich ungeheuerlich und man kann nur den Kopf schütteln, was er für die Umsetzung hinnimmt. Es braucht schon eine gewisse Besessenheit um am Sterbebett eines Menschen so viel Abgebrühtheit aufzubringen.
      Allerdings lassen die Kosequenzen nicht lange auf sich warten und urplötzlich plagen den Geigenbauer Gewissensbisse. Seine Jagd nach der Geige ist zwar abenteuerlich und von Schwierigkeiten geprägt, aber echte Spannung kam alleine daher bei mir nicht auf. Und den Klang der Geige habe ich keineswegs als schaurig empfunden. Man hört halt eine Geige, mehr ist es nicht. Es braucht schon Phantasie um das hineinzuinterpretieren, was dem Klang später nachgesagt wird.
      Einen Pluspunkt vergebe ich noch aufgrund der geradlinigen Handlung und der überschaubaren Anzahl an Figuren. Man kommt so gut mit und läuft nicht Gefahr, sich zu verfransen.

      In der Rolle des Tobias Guanerius ist Tobias Nath zu hören, der die Besessenheit zu Anfang und die spätere Verzweiflung dieser Figur glaubhaft rüberbringt. Kerstin Sanders-Dornseif gibt zunächst eine energische und selbstbewusste Mutter. Da ist es umso erschreckender, wenn man sie wenig später so verzweifelt hört. Ein toller Kontrast.

      Es geht in dieser Geschichte um eine Geige. Da versteht es sich von selbst, dass auch in der Untermalung dieses Instrument zu hören sein sollte. Das ist gut gelungen und steht der Handlung natürlich prima. Die Klänge der Geige hörten sich für mich allerdings nicht viel anders an als die jeder anderen Geige.

      Selbstverständlich gehört die Geige samt ihrem Spieler auf das Cover. Man sieht den bewunderten Tobias Guanerius. Es könnte ein einfach beeindruckendes Motiv sein, wenn es den Schatten der Frau im Hintegrund nicht gäbe. Der macht neugierig.

      Fazit: Eine angenehm geradlinige und überschaubare Geschichte, der eine durchaus interessante Idee zugrunde liegt. Guanerius’ Abgebrühtheit lässt einen staunen. Wirkliche spannend fand ich die Story aber nicht, und gruselig schon gar nicht. Da hätte die Geigenmusik mehr hergeben müssen…
    • Diese Folge gefiel mir besser als die vorige Folge. Sie hatte doch eine sehr originelle Idee dahinter. Letzen Endes war es aber weniger Schauer-Romantik als Schauer-Drama, auch eine Form, die ich nicht unbedingt bevorzuge. Trotzdem ab und an kann eine so originelle Geschichte in einem traurigen Gewand bei mir Hörspass erzeugen. Ich hoffe aber dass meine nächste GK-Folge etwas weniger deprimierend ausfällt ;)
    • Eine zwar durchaus interessante Story, die für mich aber viel zu konstruiert wirkt.
      Allein schon die Tatsache, dass ein Kunde zufällig ein Buch über Seelenwanderung im Laden liegen lässt. :rolleyes:

      Und ein Instrumentenbauer muss auch nicht zwangsläufig ein Virtuose auf seinem Instrument sein.
      Ich hätte eher angenommen, dass dieser Prinz die Geige unbedingt spielen will.

      Auch der Schluss hat mich nicht überzeugt.
      Die Seele der Mutter klingt eher böse und gehässig als erleichtert, als sie die Geige verlässt.

      Trotz der wie immer guten Sprecher und des tollen Sounds hat mich das Hörspiel nicht wirklich begeistert.

      Gruß, Frank
      Wo Leidenschaft ist, da ist auch Hoffnung.
    • Das kann man natürlich so sehen. Mich haben diese Kritikpunkte aber nicht wirklich gestört. Die Sache mit dem Buch über Seelenwanderung ist tatsächlich sehr „glücklich“. Ein Instrumentenbauer muss auch kein Virtuose sein, aber er kann es auch sein. Abgesehen ist Tobias ja in erster Linie auf Grund der Seele der Violine ein Virtuose. Der Prinz wollte auch unbedingt mit der Geige spielen, aber der Arzt hat es ihm nachdem er sie gekauft hat, abgeraten. Und nach der langen Zeit der Gefangenschaft ist es verständlich, dass die Mutter etwas böse ist, oder?
    • Ich hätte jetzt aber eher erwartet, dass der Instrumentenbauer seine Geige nur vorstellt
      und der Prinz sie dann das erste Mal öffentlich spielt.
      So habe ich das nach der "Einladung" des Bürgermeisters verstanden.

      Ist im Prinzip aber egal. ;)

      Ich finde das Hörspiel ja auch nicht wirklich schlecht, es hat mich allerdings auch nicht begeistert.

      Gruß, Frank
      Wo Leidenschaft ist, da ist auch Hoffnung.
    • Ich habe die Folge auch eher schwach in Erinnerung. Als typischen Vertreter der von mir häufig kritisierten Phase jenseits der ersten sechzig, siebzig Folgen...
      Aber es ist sehr wenig hängengeblieben von alldem. Vielleicht ein guter Anlass, mal wieder reinzuhören. Beizeiten.