Teil 4 - Windeln und Schwindeln
"Hey, verdammt nochmal, wer von den Typen hat denn da seine sämtlichen Kinder mitgebracht und draußen warten lassen?" dröhnte es, während sich eine ziemlich voluminöse Frau um die fünfzig mit blonder Perücke und viel Schminke im Gesicht durch die offene Tür wälzte.
Die ganze Bande machte vor Schreck einen Satz zurück, und sogar Jel wurde um etliche Phon leiser - das allerdings nur kurzfristig.
Dann brüllte sie wieder in der gewohnten Lautstärke weiter, schließlich hielt Evil immer noch ihr schon leicht tropfendes Dolomiti in der Hand.
Geistesgegenwärtig packte MoAs die klebrige Jel und hob sie der dicken Frau entgegen. "Entschuldigung, könnten Sie uns vielleicht helfen?"
Er kuckte so traurig wie möglich aus der Wäsche, und auch der Rest seiner Freunde bemühte sich um entsprechende Jammermienen. Agatha zerquetschte sogar ein paar Tränchen, und Syl meinte: "Wir haben alle schrecklichen Durst, und unsere kleine...äh...Schwester braucht unbedingt eine frische Windel. Deshalb weint sie auch so."
"Genau!" pflichtete sk ihr bei. "Wir sind furchtbar weit gelaufen, ich hab sogar schon Blasen an den Füßen. Wollen Sie mal sehen?"
Er machte Anstalten, seine Schnürsenkel zu öffnen, was einen erschreckten Quieker von Evil zur Folge hatte."Wehe, Du ziehst Deine Adidas aus, ohne dass wir Zeit haben, in Deckung zu gehen!" raunte er ihm zu.
Die dicke Frau wirkte angemessen beeindruckt von all dem Elend. Sie schien Kinder zu mögen, das merkte man, denn sie griff ohne Umschweife nach der kleinen Heulboje und drückte sie an ihren ausladenden Busen. Jel verstummte auf der Stelle, und die Dolomitibande atmete dankbar auf, sogar Pampers.
"Ach, Ihr armen Dinger, vor allem das süße, blonde Püppchen hier!" Sie kitzelte ihr Knuddelopfer am Kinn. "Immer dasselbe! Manche Männer sollten einfach keinen Nachwuchs haben. Und dann auch gleich noch..." Sie überschlug kurz die Zahl der vor ihr stehenden Kinder "SECHS Stück! Lieber Himmel! Aber klar, trotzdem natürlich nur das eine im Kopf, und jetzt schon wieder dran! Wo um alles in der Welt ist denn Eure Mutter?"
Agatha schniefte: "Vor drei Wochen abgehauen!" "Jaaa", fügte Evil hinzu, "mit dem Klempner. Und seitdem gibt es nur noch kalte Dosen-Ravioli! Ich hab sooo einen Hunger!" Er versteckte schnell das verräterische Dolomiti hinter seinem Rücken.
"Unglaublich, wirklich! Da werden WIR vom Rest der Gesellschaft immer wieder als Schl... beschimpft! Aber die sitzen ganz woanders!" Die dicke Frau floss über vor Entrüstung und Mitleid, während sie Jel den Kopf tätschelte. "Hm, Euer Vater, welcher von meinen Kunden er nun auch ist, scheint noch beschäftigt zu sein. Und nachdem er ja für den...äh...Spaß bezahlt hat, wollen wir ihn mal nicht stören. Aber was mache ich mit Euch?"
Sie überlegte einen Moment und erklärte dann: "Gut, die Mädchen können kurz mit der Kleinen ins Haus kommen, aber der Rest muss draußenbleiben. Kinder stören den Betrieb, und Gebrüll hatten wir ja gerade schon genug, nicht wahr, mein Schnuffelchen?" Sie wippte Jel auf und ab."Ein Glück, dass die Zimmer fast alle nach hinten liegen. Den anderen bringe ich dann Sprudel raus, und mal sehen, vielleicht finde ich auch noch für jeden ein Raider."
Die Bande warf sich ein paar schnelle Blicke zu, dann sagte MoAs: "Ich muss aber auch mit rein, sonst weint unsere kleine Schwester sofort. Ist ein Trauma!"
"Ja, ein Dolomiti-Trauma, glaube ich!" trompetete sk, und Jel verzog prompt das Gesicht, wie zu einem neuen Heulanfall.
Wenn nötig, konnte sie ein ausgesprochen nützliches Bandenmitglied sein!
Kurz bevor sich die Tür hinter ihnen schloss, gab MoAs seinen Kumpels Evil und sk noch ein Zeichen.
Die beiden verstanden sofort und nickten. Sie wollten sich mit Pampers ein wenig in der Umgebung umsehen.
Die Katze mit hinein zu nehmen, war einfach zu riskant, sie würde durch ihr Miauen vor den Zimmertüren womöglich alles verraten und bei einer überstürzten Flucht am Ende noch zurückbleiben.
Im Innern führte die Frau ("Ihr könnt mich Mrs. Claudia nennen!") den Rest der Dolomitis durch einen Korridor mit roter Blümchentapete und Grünpflanzen.
MoAs hatte Mühe hinterherzukommen, denn an den Wänden hingen etliche Gemälde von langbeinigen Schönheiten in extrem leichter Bekleidung.
Agatha wollte ihn gerade anstupsen, da öffnete Mrs. Claudia eine Tür auf der linken Seite, die in einen kleinen Raum führte, augenscheinlich die Küche.
Sie stellte Jel auf den Boden, machte eine einladende Bewegung zu den Stühlen hin, und die Kinder setzten sich.
"So, gleich bekommt Ihr was zu trinken und ein paar Süßigkeiten." Sie suchte das Angekündigte in den Schränken zusammen. "Windeln haben wir auch, nur, wo sind die nochmal? Ach ja, Biggi hatte die zuletzt für einen ihrer Stammkunden, der immer als Baby verkleidet werden will, das heißt, sie müssten nebenan im Bad sein. Da sollte besser auch gleich eins von Euch Mädchen mit mir und der Kleinen hin. Du," sie zeigte auf MoAs "kannst ja Deinen Brüdern draußen auch Sprudel und Naschereien bringen. Aber macht bitte keinen Lärm dabei."
Agatha stand auf, nahm Jel an der Hand, und folgte der dicken Frau ins Badezimmer.
MoAs und Syl blieben unbeobachtet zurück, und beschlossen sofort, die Zeit zu nutzen. Evil und sk würden wohl leider erst mal leer ausgehen, es galt schließlich, die Spur der verschwundenen Giraffe weiter zu verfolgen und den Rocker ausfindig zu machen.
So leise sie nur konnten, verließen beide die Küche. Aus dem danebenliegenden Zimmer hörten sie, wie Agatha mehr oder weniger erfolgreich versuchte, Jel eine der neuen, viel zu große Windeln schmackhaft zu machen, während sie gleichzeitig Mrs. Claudia mit irgendwelchen Fragen löcherte, um diese so lange wie möglich im Bad zu halten.
Syl wies auf die Treppe in den ersten Stock, und MoAs nickte zustimmend. Geduckt schlichen sie die Stufen hinauf, immer in der Gefahr, dass sich dort oben eine Tür öffnen und jemand herauskommen würde.
MoAs bedauerte es zutiefst, sich einen so interessanten Ort nicht in aller Ruhe und unter anderen Voraussetzungen ansehen zu können, aber, was noch nicht war, das konnte ja irgendwann werden.
Also verschloss er seine Ohren vor dem, was man da so aus einigen der Zimmer hörte und konzentrierte sich ganz auf seine Mission, genau wie Syl.
Die hatte auch schon etwas erspäht und stieß ihn aufgeregt in die Seite: "Kuck mal, vor der Nummer 2!" flüsterte sie. "Die dicken Lederstiefel, die da stehen! Die könnten doch unserem Rocker gehören!"
MoAs hob den Daumen, und beide näherten sich auf Zehenspitzen der entsprechenden Tür.
"Ja, da klebt auch was dran", bestätigte er Sekunden später leise, "und das stinkt ziemlich! Wahrscheinlich wollte die Frau deshalb nicht, dass die Dinger im Zimmer bleiben."
Drinnen befand sich der Rocker gerade lautstark auf der Zielgeraden. Syl starrte MoAs entgeistert an.
"Hey, er hat gerufen, dass er kommt, sicher ist er gleich draußen! Lass uns schnell ein Versteck suchen! keuchte sie. "Da, in der Ecke hinter dem rosa Sofa!"
Sie hechtete los, vorbei an einem schwarzen Münz-Wandtelephon, und landete mit einem zirkusreifen Satz hinter dem plüschigen Zweisitzer.
MoAs setzte sich deutlich langsamer in Bewegung, in der Gewissheit, dass der Rocker seine Worte etwas anders gemeint hatte.
Hoffentlich konnten Agatha und Jel die dicke Mrs. Claudia bloß lange genug beschäftigen!
Gute 5 Minuten später öffnete sich dann aber auch tatsächlich die Tür, und eine bullige Gestalt in Ledermontur erschien auf der Schwelle.
"War wieder das Geld wert, Süße!" rief er noch hinter sich ins Zimmer, griff seine Stiefel, latschte in Richtung rosa Sofa und ließ sich schwer darauffallen.
MoAs und Syl hielten vor Schreck den Atem an.
Was, wenn er sie jetzt sah?
Mit Rockern war nicht zu spaßen, das wussten sie ja aus ihren TKKG-Hörspielen...
"Hey, verdammt nochmal, wer von den Typen hat denn da seine sämtlichen Kinder mitgebracht und draußen warten lassen?" dröhnte es, während sich eine ziemlich voluminöse Frau um die fünfzig mit blonder Perücke und viel Schminke im Gesicht durch die offene Tür wälzte.
Die ganze Bande machte vor Schreck einen Satz zurück, und sogar Jel wurde um etliche Phon leiser - das allerdings nur kurzfristig.
Dann brüllte sie wieder in der gewohnten Lautstärke weiter, schließlich hielt Evil immer noch ihr schon leicht tropfendes Dolomiti in der Hand.
Geistesgegenwärtig packte MoAs die klebrige Jel und hob sie der dicken Frau entgegen. "Entschuldigung, könnten Sie uns vielleicht helfen?"
Er kuckte so traurig wie möglich aus der Wäsche, und auch der Rest seiner Freunde bemühte sich um entsprechende Jammermienen. Agatha zerquetschte sogar ein paar Tränchen, und Syl meinte: "Wir haben alle schrecklichen Durst, und unsere kleine...äh...Schwester braucht unbedingt eine frische Windel. Deshalb weint sie auch so."
"Genau!" pflichtete sk ihr bei. "Wir sind furchtbar weit gelaufen, ich hab sogar schon Blasen an den Füßen. Wollen Sie mal sehen?"
Er machte Anstalten, seine Schnürsenkel zu öffnen, was einen erschreckten Quieker von Evil zur Folge hatte."Wehe, Du ziehst Deine Adidas aus, ohne dass wir Zeit haben, in Deckung zu gehen!" raunte er ihm zu.
Die dicke Frau wirkte angemessen beeindruckt von all dem Elend. Sie schien Kinder zu mögen, das merkte man, denn sie griff ohne Umschweife nach der kleinen Heulboje und drückte sie an ihren ausladenden Busen. Jel verstummte auf der Stelle, und die Dolomitibande atmete dankbar auf, sogar Pampers.
"Ach, Ihr armen Dinger, vor allem das süße, blonde Püppchen hier!" Sie kitzelte ihr Knuddelopfer am Kinn. "Immer dasselbe! Manche Männer sollten einfach keinen Nachwuchs haben. Und dann auch gleich noch..." Sie überschlug kurz die Zahl der vor ihr stehenden Kinder "SECHS Stück! Lieber Himmel! Aber klar, trotzdem natürlich nur das eine im Kopf, und jetzt schon wieder dran! Wo um alles in der Welt ist denn Eure Mutter?"
Agatha schniefte: "Vor drei Wochen abgehauen!" "Jaaa", fügte Evil hinzu, "mit dem Klempner. Und seitdem gibt es nur noch kalte Dosen-Ravioli! Ich hab sooo einen Hunger!" Er versteckte schnell das verräterische Dolomiti hinter seinem Rücken.
"Unglaublich, wirklich! Da werden WIR vom Rest der Gesellschaft immer wieder als Schl... beschimpft! Aber die sitzen ganz woanders!" Die dicke Frau floss über vor Entrüstung und Mitleid, während sie Jel den Kopf tätschelte. "Hm, Euer Vater, welcher von meinen Kunden er nun auch ist, scheint noch beschäftigt zu sein. Und nachdem er ja für den...äh...Spaß bezahlt hat, wollen wir ihn mal nicht stören. Aber was mache ich mit Euch?"
Sie überlegte einen Moment und erklärte dann: "Gut, die Mädchen können kurz mit der Kleinen ins Haus kommen, aber der Rest muss draußenbleiben. Kinder stören den Betrieb, und Gebrüll hatten wir ja gerade schon genug, nicht wahr, mein Schnuffelchen?" Sie wippte Jel auf und ab."Ein Glück, dass die Zimmer fast alle nach hinten liegen. Den anderen bringe ich dann Sprudel raus, und mal sehen, vielleicht finde ich auch noch für jeden ein Raider."
Die Bande warf sich ein paar schnelle Blicke zu, dann sagte MoAs: "Ich muss aber auch mit rein, sonst weint unsere kleine Schwester sofort. Ist ein Trauma!"
"Ja, ein Dolomiti-Trauma, glaube ich!" trompetete sk, und Jel verzog prompt das Gesicht, wie zu einem neuen Heulanfall.
Wenn nötig, konnte sie ein ausgesprochen nützliches Bandenmitglied sein!
Kurz bevor sich die Tür hinter ihnen schloss, gab MoAs seinen Kumpels Evil und sk noch ein Zeichen.
Die beiden verstanden sofort und nickten. Sie wollten sich mit Pampers ein wenig in der Umgebung umsehen.
Die Katze mit hinein zu nehmen, war einfach zu riskant, sie würde durch ihr Miauen vor den Zimmertüren womöglich alles verraten und bei einer überstürzten Flucht am Ende noch zurückbleiben.
Im Innern führte die Frau ("Ihr könnt mich Mrs. Claudia nennen!") den Rest der Dolomitis durch einen Korridor mit roter Blümchentapete und Grünpflanzen.
MoAs hatte Mühe hinterherzukommen, denn an den Wänden hingen etliche Gemälde von langbeinigen Schönheiten in extrem leichter Bekleidung.
Agatha wollte ihn gerade anstupsen, da öffnete Mrs. Claudia eine Tür auf der linken Seite, die in einen kleinen Raum führte, augenscheinlich die Küche.
Sie stellte Jel auf den Boden, machte eine einladende Bewegung zu den Stühlen hin, und die Kinder setzten sich.
"So, gleich bekommt Ihr was zu trinken und ein paar Süßigkeiten." Sie suchte das Angekündigte in den Schränken zusammen. "Windeln haben wir auch, nur, wo sind die nochmal? Ach ja, Biggi hatte die zuletzt für einen ihrer Stammkunden, der immer als Baby verkleidet werden will, das heißt, sie müssten nebenan im Bad sein. Da sollte besser auch gleich eins von Euch Mädchen mit mir und der Kleinen hin. Du," sie zeigte auf MoAs "kannst ja Deinen Brüdern draußen auch Sprudel und Naschereien bringen. Aber macht bitte keinen Lärm dabei."
Agatha stand auf, nahm Jel an der Hand, und folgte der dicken Frau ins Badezimmer.
MoAs und Syl blieben unbeobachtet zurück, und beschlossen sofort, die Zeit zu nutzen. Evil und sk würden wohl leider erst mal leer ausgehen, es galt schließlich, die Spur der verschwundenen Giraffe weiter zu verfolgen und den Rocker ausfindig zu machen.
So leise sie nur konnten, verließen beide die Küche. Aus dem danebenliegenden Zimmer hörten sie, wie Agatha mehr oder weniger erfolgreich versuchte, Jel eine der neuen, viel zu große Windeln schmackhaft zu machen, während sie gleichzeitig Mrs. Claudia mit irgendwelchen Fragen löcherte, um diese so lange wie möglich im Bad zu halten.
Syl wies auf die Treppe in den ersten Stock, und MoAs nickte zustimmend. Geduckt schlichen sie die Stufen hinauf, immer in der Gefahr, dass sich dort oben eine Tür öffnen und jemand herauskommen würde.
MoAs bedauerte es zutiefst, sich einen so interessanten Ort nicht in aller Ruhe und unter anderen Voraussetzungen ansehen zu können, aber, was noch nicht war, das konnte ja irgendwann werden.
Also verschloss er seine Ohren vor dem, was man da so aus einigen der Zimmer hörte und konzentrierte sich ganz auf seine Mission, genau wie Syl.
Die hatte auch schon etwas erspäht und stieß ihn aufgeregt in die Seite: "Kuck mal, vor der Nummer 2!" flüsterte sie. "Die dicken Lederstiefel, die da stehen! Die könnten doch unserem Rocker gehören!"
MoAs hob den Daumen, und beide näherten sich auf Zehenspitzen der entsprechenden Tür.
"Ja, da klebt auch was dran", bestätigte er Sekunden später leise, "und das stinkt ziemlich! Wahrscheinlich wollte die Frau deshalb nicht, dass die Dinger im Zimmer bleiben."
Drinnen befand sich der Rocker gerade lautstark auf der Zielgeraden. Syl starrte MoAs entgeistert an.
"Hey, er hat gerufen, dass er kommt, sicher ist er gleich draußen! Lass uns schnell ein Versteck suchen! keuchte sie. "Da, in der Ecke hinter dem rosa Sofa!"
Sie hechtete los, vorbei an einem schwarzen Münz-Wandtelephon, und landete mit einem zirkusreifen Satz hinter dem plüschigen Zweisitzer.
MoAs setzte sich deutlich langsamer in Bewegung, in der Gewissheit, dass der Rocker seine Worte etwas anders gemeint hatte.
Hoffentlich konnten Agatha und Jel die dicke Mrs. Claudia bloß lange genug beschäftigen!
Gute 5 Minuten später öffnete sich dann aber auch tatsächlich die Tür, und eine bullige Gestalt in Ledermontur erschien auf der Schwelle.
"War wieder das Geld wert, Süße!" rief er noch hinter sich ins Zimmer, griff seine Stiefel, latschte in Richtung rosa Sofa und ließ sich schwer darauffallen.
MoAs und Syl hielten vor Schreck den Atem an.
Was, wenn er sie jetzt sah?
Mit Rockern war nicht zu spaßen, das wussten sie ja aus ihren TKKG-Hörspielen...