Warum gruseln wir uns?

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    • Nun ja, warum also gruseln sich manche Leute gerne und freiwillig, indem sie sich Gruselgeschichten ansehen, anhören oder Gruselromane lesen?

      Um aus dem grauen Alltagseinerlei auszubrechen und sich in andere Welten zu träumen? Weil sie den besonderen Kick suchen, der aber nicht lange vorhält, da man mit der Zeit "abstumpft"? Weil sie ein emotionales Ventil benötigen? Weil sie das Gefühl der Gänsehaut lieben, verknüpft mit dem Wissen darum, dass man selbst ja in Sicherheit ist? Weil das Böse / das Okkulte / das Dämonische eine dunkle Faszination auf sie ausübt?

      Die richtige Antwort ist.... ?

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    • @Deodato: klasse Beitrag, Deochen :applaus: :thumbsup: :green:

      @Fader: ich habe sowohl den Beitrag als auch den Kommentar gelesen, danke erstmal für die Hinweis-Links.

      Der Kommentar erinnert mich ehrlich gesagt an einen religiösen Eiferer, mit dem ich schon mal auf einem anderen Board das "Vergnügen" hatte, über das Thema Grusel & Horror zu sprechen - jedem seine Meinung, vollkommen klar, aber er hier macht mir nicht unbedingt den Eindruck, als würde er Argumente, die von seinen Theorien abweichen, zulassen. Kann mich natürlich auch irren, liest sich für mich eben so.

      ***

      Fader schrieb:

      Aber ich halte den regelmäßigen Konsum von Grusel- insbes. aber Horrorstories in der Tat nicht für vergleichbar "harmlos" wie ein Krimi mit bestraftem Täter am Schluss. Und das hat überhaupt nichts mit Spießigkeit zu tun. Ich glaube einfach, dass das, was wir uns zuführen, in uns Spuren hinterlässt.

      Du hast harmlos ja bereits in Anführungszeichen gesetzt, harmlos sind Krimis denn dann aber auch nicht, was dies betrifft. Man könnte eine Gegenthese aufstellen:

      Ich sehe mir gerne Gruselfilme an, und zwar jene, in denen es einen übernatürlichen Faktor gibt. Es handet sich also um reine Fantasy. In den üblichen Krimis hingegen sehen wir realistische Darstellungen aus unserem tatsächlichen Leben: Menschen ermorden andere Menschen, aus Geldgier, aus Rache, aus krankhaften sexuellen Neigungen, aus Spaß an der Freude, um Snuff-Filme zu drehen (was ja letztlich "nur" das Extrem der Geldgier darstellt), aus Machtgier usw usf - und diese Dinge passieren wirklich und minütlich, man kann davon ausgehen, dass in dem Moment, in welchem im Krimi ein Entführungsopfer gemeuchelt wird, auch im wahren Leben eines sterben muss. Persönlich finde ich das ungleich heftiger, als wenn Dracula auf der Pirsch ist oder eine Horde Zombies eine Farm angreift - weil ich eben an diese Dinge keineswegs glaube, es sind für mich nichts anderes als ausgedachte Märchen, erdachte Situationen, in die weder ich noch sonst ein Mensch geraten kann ( so Gott will :green: )


      Was dies betrifft, unterscheide ich auch innerhalb des Horror-Genres: Filme wie Martyrs oder I spit on your grave schaue ich nicht - sie sind nicht das, was ich mir unter einem "gemütlichen Gruselfilm mit wohligem Schauer" vorstelle. Es fehlt komplett die übernatürliche Komponente, gezeigt werden super-krasse, aber leider auch überaus realistische Dinge....Dinge, von denen ich sicher bin, dass sie so oder ähnlich wirklich stattfinden. Das löst bei mir kein angenehmes Gruseln aus, sondern ein absolut unerwünschtes Entsetzen - auch ohne jemals vergewaltigt oder von einer Sekte aus religiösen Gründen gefoltert worden zu sein! Beide genannten Filme habe ich abgebrochen und auch nachher nie mehr Lust verspürt, sie doch noch zu Ende zu schauen.

      Im Übrigen trifft auf mich vermutlich am Ehesten die "sicheres Wohnzimmer"-Variante zu: bereits als Kind mochte ich es, mit Oma & Mama abends zusammen einen Gruselfilm anzuschauen (ja, ich durfte das, und ich glaube, ich habe keinen Schaden genommen :green: ), sich sozusagen "künstlich zu fürchten" und sich dabei gleichzeitig in Sicherheit zu wähnen. Dazu kommt eine lebenslange Faszination für übernatürliche & mysteriöse Begebenheiten.

      Die Behauptungen aus dem Kommentar mögen natürlich für einzelne Menschen zutreffen, allerdings finde ich nicht, dass man das so pauschal verallgemeinern darf.
      :hammer: ... mit so *nem kleinen Richterhämmerchen allen auf die Birne kloppen und dabei jedes Mal "ABGELEHNT!" schreien - das wär's :hammer:
    • *dot* schrieb:

      Die Behauptungen aus dem Kommentar mögen natürlich für einzelne Menschen zutreffen, allerdings finde ich nicht, dass man das so pauschal verallgemeinern darf.

      Lass' es mich so ausdrücken -- sehr reduziert, aber dazu werde ich dann in jedem Fall stehen und es belegen können:
      Ich spreche keinem Zensor das Wort, da ich denke, dass erwachsene Menschen selbst entscheiden können sollten, was sie anschauen oder hören oder lesen -- aber ich glaube sehr wohl, dass das, was wir uns zuführen, Spuren in uns hinterlässt. Das denke ich sowohl in Bezug auf körperliche wie geistige Nahrung. Wie stark sich das niederschlägt, mag der Konstitution geschuldet sein. Aber Angst einjagen "ohne Grund", "zur Unterhaltung" ist bestimmt nicht folgenlos, ob im Krimi, Grusel oder Horror. Man mag das auf eine Ebene stellen mit dem Rauchen -- aber dort stellt zumindest niemand mehr die Spätfolgen in Abrede.

      Im Hörgruselforum sollte ich darüber aber besser :schweig: sonst :baseball:
      Versuchen Sie es. Manche Menschen sind in der Lage, es zu vermeiden, dass man sie wahrnimmt.
    • @Fader:

      Fader schrieb:

      Im Hörgruselforum sollte ich darüber aber besser :schweig: sonst :baseball:

      ...hö, wieso das denn? Finde ich jetzt überhaupt nicht, denn

      Fader schrieb:

      ich glaube sehr wohl, dass das, was wir uns zuführen, Spuren in uns hinterlässt. Das denke ich sowohl in Bezug auf körperliche wie geistige Nahrung. Wie stark sich das niederschlägt, mag der Konstitution geschuldet sein. Aber Angst einjagen "ohne Grund", "zur Unterhaltung" ist bestimmt nicht folgenlos, ob im Krimi, Grusel oder Horror.

      Das glaubst nicht nur du allein, ich bin doch ganz deiner Meinung! Um was genau geht's dir jetzt? Um das "warum" an sich, oder über die möglichen Folgen und warum man sich trotzdem etwas antut, was einen negativen Effekt haben kann (oder in jedem Falle haben wird)?
      :hammer: ... mit so *nem kleinen Richterhämmerchen allen auf die Birne kloppen und dabei jedes Mal "ABGELEHNT!" schreien - das wär's :hammer:
    • Fader schrieb:

      Aber Angst einjagen "ohne Grund", "zur Unterhaltung" ist bestimmt nicht folgenlos, ob im Krimi, Grusel oder Horror. Man mag das auf eine Ebene stellen mit dem Rauchen -- aber dort stellt zumindest niemand mehr die Spätfolgen in Abrede.
      an welche folgen denkst du dabei?
      I can't get behind the Gods, who are more vengeful, angry, and dangerous if you don't believe in them! Why can't all these Gods just get along? I mean, they're omnipotent and omnipresent, what's the problem?
    • Nun ja, ich finde jedenfalls, dass das Gleichstellen vom Hören eines Gruselhörspieles und dem Konsum von Tabak irgendwie leicht überzogen ist. :hähä:

      Ich frage zur Sicherheit nochmal: um was GENAU geht es dir?
      :hammer: ... mit so *nem kleinen Richterhämmerchen allen auf die Birne kloppen und dabei jedes Mal "ABGELEHNT!" schreien - das wär's :hammer:
    • Dass alles Spuren in einem hinterlässt, glaube ich auch. Nur, wie sich das dann äußert, lässt sich vielleicht nicht so ohne weiteres in Worte fassen. Ich habe mir z.B. gestern, leichtsinnigerweise, die Dokumentation "Tod in Texas" von Werner Herzog angeschaut. Das Kamerateam "begleitet" einen Mörder die letzten acht Tage seines Lebens, bevor es zur tödlichen Injektion kommt. Es wird der Mord an drei Menschen aufgerollt, die Angehörigen werden interviewt, der Gefängnis-Seelsorger, der ehemalige Leiter des "Todeskommandos", der bzw. die Mörder werden interviewt usw. Der eine bekam Lebenslänglich, der andere wurde zum Tod verurteilt und liegt jetzt in Texas auf einem Gräberfeld, wo Tausende von Holzkreuzen stehen, die mit Nummern, aber nicht mit Namen versehen sind. Zum Zeitpunkt des Mordes (2001) waren die Mörder um die 17 und 18 Jahre alt. Nur wegen eines verschissenen Autos, haben sie drei Menschen grausam umgebracht und ihre eigene Existenz gleich mit verwirkt. Einen Nachmittag und Abend sind sie in ihrem tollen Blut-Auto rumgefahren. Und anschließend zur Hölle.

      Wenn man so was sieht... dann denke ich schon hinterher: Warum schaust du dir diesen Scheiß jetzt eigentlich an? Warum lasse ich das in meinen Kopf? Das Leid und Elend anderer Leute. Hilft es mir in irgendeiner Weise? Die sind alle völlig fertig, psychisch, gesellschaftlich... Man kann sich gar nicht vorstellen, dass diese Menschen mit diesen Gesichtern und Augen wirklich existieren! (Wenn man sich alte Gemälde ansieht, dann kriegt man schon mal den Eindruck, dass die früher entweder nicht gut zeichnen konnten, oder dass die Menschen früher wirklich anders aussahen als heute. Irgendwie fremdartig. Froschäugig. Gruselig.)

      Und diese Fertigen in Texas, die sie gezeigt haben - sie sehen so völlig anders aus. Irgendwie... wie kann man das sagen? Wie Karikaturen, wie diese Comicfiguren bei Lucky Luke. Die Kieferstellung, die Zähne, die Augen, die Nasen, die Form der schräg abgeflachten Stirn... jeder von uns würde sofort misstrauisch werden, wenn so eine Person vor einem auftaucht, weil es die im echten Leben (hier zumindest) gar nicht geben dürfte.

      Der mittlerweile Tote sah aus wie die Lucky Luke-Zeichnung von "Billy the Kid". Mit scheelem, zurückgebliebenem Blick. Mit einer Mimik, wie ich sie noch nie gesehen habe. Aber das betraf, für mein Empfinden, auch die anderen Leute. Die Frauen, die Männer... alle... Irgendwas stimmt da nicht, in manchen Gegenden von Texas, habe ich den Eindruck. Ich weiß jetzt auch, warum die Todesstrafe solche Menschen von gar nichts abhält und auch in Zukunft von nichts abhalten wird. Und am Schlimmsten: Jeder von ihnen kann sich problemlos eine Knarre besorgen.

      Und ich weiß jetzt zumindest, was Lovecraft zur Beschreibung gewisser Äußerlichkeiten bewegt hat. Aber dafür habe ich jetzt diese Gesichter und die Elendsgeschichten der Menschen im Kopf. Wie kriege ich die da wieder raus? Fürchterlich. Ganz fürchterlich.

      Besser den eigenen Geist freihalten von solchen Eindrücken.

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    • hm, ist das nicht ein anderer aspekt? sollte man nicht zwischen fiktion und non-fiktion trennen?

      es ist doch etwas anderes, ob ich mir zombies, geister oder mumien auf der einen seite oder nachrichten bzw eine dokumentation auf der anderen seite ansehe?

      ich für mich sehe da einen nicht unerheblichen unterscheid. es gibt unsagbare schrecken auf der welt, und just in dieser sekunde ereignet sich auch etwas furchtbares. und man würde wahrscheinlich wahnsinnig, wenn man das alles wüsste und auch permanent vor augen hat. da gibt es ganz hervorragende verdrängungsmechanismen, die dazu führen, dass wir hier über hörspiele diskutieren können, ohne zu kotzen, obwohl gerade irgendwo ein kind stirbt, verhungert etc. aber deswegen sollte man doch vor den negativen seiten des lebens nicht grundsätzlich die augen verschließen und so tun, als gäbe es sie nicht. mal abgesehen davon, dass dir sicherlich bewusst gewesen sein muss, was du dir da anguckst.

      von den realen schrecken würde ich den zur reinen unterhaltung hergestellten gruselschocker doch scharf abgrenzen.

      und meine frage bleibt: was für folgen meint ihr?
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      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von reid ()

    • Ob ich mich richtig ausdrücken kann in dieser Sache, weiß ich nicht. Aber ich habe beobachtet, dass wir Menschen als Spezies uns sehr unbekümmert alles Mögliche zuführen, ohne ein instinktives Gefühl dafür, was langfristig gut für uns ist. Einfachstes Beispiel: essen. Ich muss jetzt hoffentlich nicht aufzählen, was mensch so futtert, das physiologisch echt mies für ihn ist; etwas, was kein Tier tun würde. Und warum? Weil er seine Instinkte erfolgreich zu betäuben lernt, von klein auf.

      Worum geht es mir, dot? Um eine Art Außenperspektive auf uns selbst: "was tun wir da? Und warum?" Jeder bei sich selbst. Und da ist ein "weil's halt Spaß macht" nicht gut und Erklärung genug. Manche werden Tiefenpsychologie und Traumatisierungen bemühen — das kann man, muss es aber nicht zwingend.

      Der "Adrenalinrush", den Angstsituationen in uns auslösen, ist zu einem Zweck da: er soll uns in lebensbedrohlichen Situationen helfen, schneller zu denken und zu handeln. Er ist keine Droge, oder wenn doch, eine zweckgebundene. Wie für alle Drogen gibt es Gewöhnungseffekte. Welche Resultate löst das Vergnügen an der Angst in uns aus? Wenn das Leiden als Quasi-Selbstzweck zur Unterhaltung von einem Großteil unserer Zivilisation konsumiert wird — und da schließe ich "realere" Geschichten wie blutige Krimis ein, nicht nur übernatürlichen Grusel oder Horror — hat das dann Auswirkungen auf unsere Empathiefähigkeit? Nur eine Frage, keine vorgefasste Antwort. Warum gibt es nicht mehr Menschen, die in den typischen U-Bahn-Situationen couragiert handeln? Mangel an Mitgefühl? Angst, "dass mir dann was passiert"? Indifferenz?

      Was mich an unserer Generation total nervt, ist, dass der Satz "whatever floats your boat, mate" inzwischen Religionscharakter angenommen hat. Und damit "alles einfach okay" wird. Und ja, auf eine gewisse Art ist die Frage, ob Tabak- und Hörkonsum vergleichbar wären, mMn berechtigt. Ja, ich habe mich sehr gegruselt, als ich zum ersten Mal "Deliverance" angeschaut habe. Keine Lust, den Film nochmal anzuschauen, obwohl er filmisch durchaus Wert hat. Warum? Gute Frage.
      Versuchen Sie es. Manche Menschen sind in der Lage, es zu vermeiden, dass man sie wahrnimmt.
    • @reid: Ich trenne schon auch fiktiven Horror von realem Horror, wobei letzterer natürlich viel krasser ist. Und mir war natürlich auch bewusst, worauf ich mich da einlasse. Aber ich hatte hinterher nicht das Gefühl, dass es in irgendeiner Form "gut" war, mir das anzuschauen. Ich hätte nichts verpasst, wenn ich umgeschaltet hätte. Es ist übel, was da mit den Delinquenten passiert. Vor allem, wenn man denken muss: "Was ist, wenn sie unschuldig sind / waren? Opfer eines Justizirrtums?"

      Andererseits: Sind sie aber definitiv schuldig... Ich sag's mal so: Ich denke heute anders über das Todesurteil, das Schwarzenegger unterschrieben hat. Ich fand das damals nicht okay von ihm. Aber es gibt auch Umstände, wo man denkt, dass es schon seine Richtigkeit hat.

      In jedem Fall: Es stimmt, dass nonstop schlimme und schreckliche Dinge geschehen. Und davor schottet man sich ab, verdrängt es. Man holt sich den Horror und den Grusel nur in wohldosierten Mengen ins Haus (in den Kopf). Vielleicht ist das die Antwort darauf, warum wir uns gruseln? Weil wir die Menge oder Stärke der Horror-Dosis dabei selbst kontrollieren können? Würde man selbst mit so einem Horror (sei er übernatürlicher oder natürlicher Art) konfrontiert, könnte man gar nichts mehr kontrollieren. So eine Situation würde 99,99% aller Menschen schlichtweg überfordern.
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