Hörprobe
Produktionsdaten:
Gruselkabinett Folge 58: H. P. Lovecraft – Pickmans Modell
Hörspiel von Marc Gruppe
1 CD
ca. 66 Minuten
VÖ: erhältlich
Sprecher:
Dietmar Wunder
Stefan Kaminski
Sascha Rotermund
Matti Klemm
Hans Teuscher
Friedrich Georg Beckhaus
Meinung:
Die Gemälde von Richard Upton Pickman schockieren die Bostoner Kunstwelt. Es sind Darstellungen abscheulicher Wesen in nicht minder
grauenerregenden Situationen. Henry Thurber ist mit der Einzige im eher konservativen Kunstverein, der nicht von den Bildern abgestoßen, sondern
im Gegenteil sehr fasziniert davon ist...
Gleich zu Beginn ein dickes Lob: meine Befürchtungen, dass Pickmans Modell Änderungen a'la "Berge des Wahnsinns" erfahren würden, sind
NICHT eingetroffen - welch ein Glück. Hätte man Henry Thurber eine besorgte Verlobte zur Seite gestellt, hätte dieser für Titania oft typische
"Romantik-Touch" tatsächlich die geniale Stimmung ruiniert - mir zumindest.
Die Bearbeitung von Lovecraft's Kurzgeschichte ist m.E. äußerst gut gelungen, denn sie orientiert sich sehr nahe an der Vorlage. Dabei wurden
Lovecraft's erzählende Pseudo-Dialoge in echte Dialoge umgeschrieben, die sowohl originalgetreu als auch sehr lebendig wirken.
Auch lebt das Hörspiel - ganz im Sinne des Autors - von seinen zahllosen Andeutungen des Grauens. Lovecraft beschrieb eher selten seine
Monstren detailliert, stattdessen überlässt er den Leser seiner eigenen Phantasie und erzeugt Angst und Schrecken mit Superlativen wie "ein
absolutes, nicht nennbares, unbeschreibliches Grauen" und dergleichen.... das funktioniert nicht bei jedem Horror-Fan, ich persönlich mag diesen Stil
sehr gerne, und das Hörspiel hält sich in seiner Bearbeitung sehr an diesen literarischen Kniff.
Die Sprecher-Auswahl ist ebenfalls sehr gelungen: Dietmar Wunder als erzählender Henry Thurber, Stefan Kaminski als sein Freund Eliot Granger
und schließlich Sascha Rotermund als der unheimliche, scheinbar halbwahnsinnige Künstler Pickman geben eine prächtige Vorstellung ab. Wie
gesagt hält sich die Bearbeitung sehr eng an die Vorlage, trotzdem klingt die etwas altertümliche Sprache nie angestaubt oder gar künstlich, die
Sprecher verstehen sich glänzend darauf, den aus heutiger Sicht antiquierten Sprachstil authentisch klingen zu lassen. Im Prinzip ist mit diesen 3
Sprechern das Haupt-Ensemble komplett besetzt, Matti Klemm, Hans Teuscher und F.G. Beckhaus sind in kleinen Nebenrollen zu hören und runden
mit ihren Darbietungen das professionelle Gesamtbild wunderbar ab. Hervorheben muss man wirklich Sascha Rotermund. Kannte ich ihn bisher nur in
sympathischen Rollen, überzeugt er hier als widerlich lachender, besessener Künstler mit einem wahrlich grauenhaften Geheimnis - ein wahrer
Ohr-Genuß.
Die Produktion ist wie gewohnt auf hohem Titania-Niveau. Die Geräuschkulisse klingt absolut authentisch und sorgt für eine wirklich sinistre
Atmosphäre, ein Orchester dräut düster und unheilvoll aus den Boxen und untermalt die unheimlichen Szenen mit Tief-Bässen und dunkel klingenden
Bläsern. Zwischendurch darf man spannungsgeladenen, perkusiven Stücken lauschen, die Musik unterstreicht die grauenhafte Story sehr passend
und auf's Feinste.
Fazit:
Nach dem etwas enttäuschenden "Berge des Wahnsinns" - die nachträglich erdachte Romanze hat mir die Atmosphäre der Story wirklich zerstört - liegt hier
mal wieder ein ganz großer Wurf von Titania Medien vor: SO wünsche ich mir eine Gruselkabinett-Folge, und SO wünsche ich mir einen Lovecraft.
Picmans Modell übertrifft für meinen Geschmack sogar den "Tempel" und verdrängt diesen locker von seiner bisherigen Pole-Position.
Überzeugende Sprecher, eine werksnahe Bearbeitung und äußerst ansprechende Musik vereinigen sich hier zu einer Top-Folge der Serie und zu
einem der besten Lovecraft-Hörspiele, die ich kenne - und ich kenne sie ALLE :dot5:
5/5 - Kauftipp
Bestellen bei pop.de
... mit so *nem kleinen Richterhämmerchen allen auf die Birne kloppen und dabei jedes Mal "ABGELEHNT!" schreien - das wär's