Episodenhörspiel
Erschienen Mai 2011 bei Fear 4 Ears/Pop.de
Inhalt:
Hamburg zur Weihnachtszeit. Güte und Milde liegen in der Luft - die Menschen sind liebevoll und hilfsbereit... oder trügt der Schein?
Manchmal lohnt sich der Blick HINTER die Fassade, um das wahre Gesicht eines treuen Gatten, einer braven Schülerin und eines liebevollen Bruders zu erkennen – Oder die Motive eines eiskalten Killers zu verstehen. Das Hörspiel "Von Opfern und Tätern" riskiert diesen zweiten Blick und lauscht in fünf Episoden hinter die Masken von vier Menschen, deren Weg sich schicksalhaft kreuzt. Danach wird nichts so sein wie zuvor…
Sprecher:
Dirk Hardegen
Dilara Schröder
Hans-Henning Stober
Christian Senger
Sabrina Heuer
Bettina Zech
Davia Krogmann
Matthias Ziegann
Karen Schulz-Vobach
André Bethge
Hedi Kriegeskotte
Alexander Bornhütter
Nepomuc von Kornmann
Sönke Strohkark
Meinung:
Hurra, es gibt etwas Neues von Fear 4 Ears! Dieses Mal ist es allerdings kein Horror-Hörspiel im üblichen Sinn, es geht eher um den (zum Glück nicht ganz) alltäglichen Horror, der nicht weniger haarsträubend ist. Beim Lesen der Inhaltsangabe war ich zunächst etwas verwundert: Ein Weihnachtshörspiel, jetzt im Sommer? Im Nachhinein finde ich den Veröffentlichungszeitpunkt allerdings gar nicht schlecht - in der Vorweihnachtszeit könnte dieser Ohrenschmaus die Festtagsfreude doch erheblich trüben. Da das Thema Weihnachten ohnehin nicht im Mittelpunkt steht, braucht niemand saisonale Bedenken zu haben, ganzjähriges Zugreifen erwünscht.
"Von Opfern und Tätern" ist kein klassisches Hörspiel mit einem Erzähler und einer fortlaufenden Handlung. Der Hörer erlebt statt dessen eine kleine, böse endende Alltagsszene aus der Sicht der an ihr Beteiligten. Quasi 5 Geschichten in einer, nahtlos ineinander übergehend. Auf die Betrachtung von außen folgen 4 Wiederholungen aus den unterschiedlichen Blickwinkeln. Wem dies nach Langeweile klingt, dem sei versichert, dass hier jederzeit gute Unterhaltung geboten wird und die Spielzeit ruckzuck um ist: Die Episoden enthalten jedes Mal Ergänzungen zum vorher Gehörten und wirken - um die Gedanken der beteiligten Personen ergänzt - wie neu. Ganz bildlich gesprochen steht der Hörer mal auf der einen Seite der Badezimmertür, mal sitzt er dahinter. Dabei hat mir besonders gefallen, wie sich Gedachtes und Gesagtes ergänzen. Auch die "einseitigen" Telefongespräche kommen gut und authentisch rüber, ein Lob an den Autor Sönke und die Sprecher. Alles in allem ist das Hörspiel trotz recht unspektakulärer Alltagsdialoge sehr originell und raffiniert gemacht, dazu höchst amüsant, da das Innenleben der Personen ungefiltert und ausgesprochen lebensnah wiedergegeben wird. (Ich fühlte mich kurz ertappt, als Jens seinem Unmut im Straßenverkehr Luft macht - ich fahre allerdings mit dem Taxi von der Betriebsfeier nach Hause.)
Hat man sich oft gewünscht, seinem Gegenüber hinter die Stirn gucken zu können, so fragt man sich nach diesem Hörspiel, ob es nicht gut ist, dass die fremden Gedanken im Verborgenen bleiben. Ohne eine Spur von moralisch erhobenem Zeigefinger macht das Hörspiel nachdenklich - was ist echt, was ist Fassade und wie tief sind die Abgründe, die in jedem von uns schlummern?
Das Ende, das den Titel des Hörspiels aufgreift, gefällt mir besonders gut, eine makabere Form von ausgleichender Gerechtigkeit.
"Von Opfern und Tätern" sollte man nicht unbedingt nebenher und am besten gleich mehrmals hören - man kann so die Blenden zwischen den Personen besser nachvollziehen und hat noch mehr Freude an den Überschneidungen.
Von den Sprechern haben mir Dirk Hardegen als Ehemann mit speziellen Vorlieben und Christian Senger als Banker mit einem Kopfproblem am besten gefallen, und auch über Karen Schulz-Vobach als Anna habe ich mich sehr gefreut. Die Stimme der Ehefrau klang mir etwas zu jung, die der 16-jährigen Schülerin Tania dagegen recht alt - vielleicht wäre eine umgedrehte Besetzung stimmiger gewesen. Tania finde ich beim Sprechen auch etwas hölzern, das ist dann aber auch alles, was ich zu bemäkeln habe.
Die Geräuschkulisse ist dezent und besteht - passend zum Konzept - hauptsächlich aus Alltagsgeräuschen wie Straßenverkehr, Kassen- und Handyklingeln. Dirk Hardegens Weihnachtssong am Ende der CD ist schön, er kommt mit Schneeflocken vor dem Fenster aber sicher besser zur Geltung als bei 25 Grad im Schatten.
Apropos dezent: Mir persönlich ist die Covergestaltung zu schlicht, wobei mir auf Anhieb auch kein Bild einfällt, das den Charakter des Hörspiels besser wiedergibt. Immerhin passt die Farbwahl zum Thema, Täter - Opfer, schwarz - weiß, und es gibt sicher genug Puristen unter den Hörern, die die Gestaltung zu schätzen wissen.
Fazit:
Ein Hörerlebnis der besonderen Art, nicht vergleichbar mit anderen F4E-Produktionen, dennoch nicht weniger ansprechend. Eine Handlung aus verschiedenen Perspektiven betrachtet, der Hörer wird zum Voyeur und fragt sich hinterher, ob er das überhaupt möchte. Interessante Idee, gut umgesetzt - anhören empfohlen!
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