Pilze. Ein Schauerroman. Zweites Kapitel

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    • Pilze. Ein Schauerroman. Zweites Kapitel

      Venedig. Eine Stadt auf h?lzernen Pf?hlen. Schauplatz unz?hliger Geschichten. Ob Thomas Manns "Tod in Venedig", du Mauriers "Wenn die Gondeln Trauer tragen" oder aber auch Cornelia Funkes "K?nig der Diebe": Es sind keine allt?glichen Dinge, die hier geschehen und oft spielt der Tod eine nicht unbedeutende Rolle... Man kann die Angst von James Peter Lewis daher nur allzu gut verstehen, als er einen Anruf erh?lt, dass sein Sohn Tim verschwunden ist. Doch sehen wir selbst nach. Lebt er noch oder ist ihm etwas geschehen - etwas Schreckliches, das Juliets Flitterwochen in einen d?steren Alptraum verwandelt?

      -Zwei-

      W?hrend Juliet und James Peter Lewis ?ber den Markusplatz hetzten ? jetzt dachte keiner von beiden mehr an einen Cappuccino mit einem Berg Schlagsahne oben drauf?, um zu ihrem Hotel zu gelangen, befand sich James? siebenj?hriger Sohn Tim keine zweihundert Meter von ihnen entfernt in einer schattigen Seitengasse der Piazza. Der kleine Junge war weder entf?hrt worden noch war er in das pisswarme Wasser der Adria gefallen und ertrunken, wie es jedes Jahr ein paar unvorsichtigen, meistens angetrunkenen Leuten passierte. Nein, Tim war putzmunter, er spr?hte vor Leben, er hatte sich einfach nur in den Morgenstunden abgesetzt, weil er beim besten Willen nicht einsah, dass sein Vater st?ndig mir dieser Neuen, Juliet, irgendwo in der Stadt herummachte, w?hrend er mit seiner Playstation Portable in dem Hotelzimmer herumsa? und sich derma?en langweilte, dass er vom Balkon aus auf die vorbeilaufenden Passanten herabspuckte.
      Heute morgen hatte er ganz einfach die Schnauze voll gehabt und hatte sich kurz nach ihnen aus dem Hotel geschlichen, um etwas zu erleben, etwas richtiges, was sich nicht auf einem kleinen farbigen Bildschirm abspielte; Kn?pfchen dr?cken konnte er schlie?lich auch noch, wenn sie in drei Tagen zur?ck in die Staaten flogen. Gl?cklicherweise hatte in dem Moment, in dem er sich durch das Foyer zum Ausgang schlich, gerade eine Gruppe betuchter, fettleibiger Senioren aus England die Empfangshalle betreten, so dass ihn keiner vom Personal bemerkte.
      Den Vormittag ?ber war er durch die belebten Stra?en spaziert, hatte sich von seinem Taschengeld ein Eis mit sechs Kugeln ? nat?rlich nur Vanille, denn das war seiner Meinung nach die einzige Sorte, die wirklich schmeckte ? gekauft und war auf diversen Br?cken stehen geblieben, um die darunter hindurch gleitenden Boote und Gondeln zu beobachten. Es war einfach unglaublich, aber in jedem verfluchten Schiff hockte ein Liebespaar, das mit vertr?umtem Blick in die Ferne sah oder sich gegenseitig befummelte und Mund-zu-Mund-Beatmung probte. Ihre Kinder lie?en sie wahrscheinlich alle in irgendwelchen muffigen Hotelzimmern verrotten, dachte Tim w?tend. Er wusste, dass er andere, bessere Gedanken gehabt h?tte, wenn sein eigener Vater nicht gerade genau das gleiche gemacht h?tte. Warum hatte er sie heiraten m?ssen? H?tten sie nicht auch nur zu zweit, Vater und Sohn, diesen Urlaub machen k?nnen? Sie h?tten mit Sicherheit mehr Spa? gehabt als mit dieser blonden Frau, dieser Juliet, die den ganzen Tag mit einem L?cheln herumlief. Wof?r hielt sie sich eigentlich, f?r eine Heilige oder so etwas? Dabei wusste er, dass sie nur mit seinem Dad zusammen war, weil er mit seiner Computerfirma einen Haufen Kohle gemacht hatte.
      Wenn sie sich wenigstens f?r Videospiele und Filme interessieren w?rde, dachte Tim, aber bedauerlicherweise tat sie das nicht. Sie hatte nur eines im Sinn: mit Dad auf irgendwelche Nobelveranstaltungen zu gehen und dort ihren neuesten Schmuck und ihr k?rzestes Kleid zu pr?sentieren.
      Als es Mittag wurde, hatte er sich auf den Heimweg gemacht, um vor ihnen in der Suite anzukommen und keinen ?rger zu kriegen. Doch dann war er auf die italienischen Jungen gesto?en, die auf den marmornen Treppen eines verwitterten, von Taubendreck zu Grunde gerichteten Pallazzos sa?en und ?Kill da?Beast? spielten. Es gab viele Sammelkartenspiele, es gab ?Magic? und ?Yu-Gi-Oh!?, aber es gab nur eines, das wirklich richtig gut war; und das war eindeutig ?Kill da?Beast?! Mit leuchtenden Augen und vor Aufregung h?mmerndem Herzen war er in sicherem Abstand stehen geblieben und hatte sie beobachtet. Er hatte auch in seiner Bauchtasche, in der sein Taschengeld lag, nachgesehen, aber nat?rlich war sein Karten-Deck nicht dort gewesen. Er hatte es auf dem Schreibtisch seines Kinderzimmers in Oldrock zur?ckgelassen, weil er niemals damit gerechnet h?tte, in Europa auf Kill da?Beast-Spieler zu sto?en. Das hast du davon, dachte er, w?hrend er gebannt auf die italienischen Kinder starrte, die sich ein erbittertes Gefecht lieferten. Da er viel zu weit weg stand, um Einzelheiten, wie Monster-Klassen und Ordensabzeichen, zu erkennen, ging er langsam auf die Gruppe zu. Sie w?rden ihn schon nicht auffressen. Schritt f?r Schritt, Meter um Meter hatte er sich in Zeitlupe vorw?rts gepirscht, bis er endlich so nahe bei ihnen war, dass er die Schlacht gut verfolgen konnte.
      Die ?Beasts? waren von den ?Hunters? in Bedr?ngnis geraten. Einige Drachen lagen bereits sterbend am Boden, sie w?rden bis zum n?chsten Spiel keine Flammen mehr spucken; die Monsterj?ger hatten ihr Fort dagegen bereits mit mehreren un?berwindlichen Titanmauern befestigt, die es den ?Beasts? fast unm?glich machten, noch einen vernichtenden Angriff zu starten. Die Italiener beherrschten das Spiel. Mit ge?bten Handgriffen mischten sie die Kartenstapel, in Sekunden entschieden sie sich mit zusammengekniffenen Mundwinkeln f?r ihren n?chsten Zug. Er wusste selbst nicht, wie es geschah, aber am Ende sa? Tim bei ihnen auf den k?hlen Stufen und gab den Beast-Spielern mit H?nden und F??en gestikulierend Ratschl?ge, wie sie die verloren geglaubte Schlacht doch noch zu ihren Gunsten entscheiden konnten. Und zu seiner gro?en Verbl?ffung wurde er weder dumm angemacht noch weggescheucht, sondern herzlich von ihnen aufgenommen.
      Und w?hrend die Jungen vollkommen in der phantastischen Welt ihres Kartenspiels versanken, die Sonne immer tiefer sank und James Peter Lewis bei der Polizei eine Vermisstenanzeige aufgab, trat ein beleibter, gro?er Mann aus seinem staubigen, im Dunkeln liegenden Laden gegen?ber des Pallazzos und ging auf die spielenden Kinder zu. Er hatte sie, nein, er hatte ihn, den Jungen, lange genug beobachtet, um zu sp?ren, dass er eine geeignete Person war.
    • Ah, er ist geeignet! Sehr sch?n! Der dunkel gekleidete Mann ist nicht zuf?llig mit mir verwandt und tr?gt ne Atemmaske *gg*? ;)
      Du schreibst wirklich ganz nach meinem Geschmack, Fungoni! Man kann sich die Orte und Personen sehr sch?n ausmalen und die Story ist gut nachvollziehbar. Hast du die Geschichte schon komplett niedergeschrieben oder existiert das meiste noch in deinem Kopf und wird nach und nach fertig gestellt? Und die wichtigste Frage ?berhaupt: Wann erscheint der n?chste Teil?
      Der Tote sah einen Narren sitzen, der mit blutigen Händen Kartenhäuser baute. Ein Luftstoß fegte sie um, aber der Narr baute immer weiter. (Manfred Kyber: Nachruhm)
    • Nun, dieser mysteri?se Mann aus dem finsteren Laden ist auf jeden Fall ein sehr aufmerksamer "Beobachter" :D, so viel steht einmal fest...
      Danke, dass Du die Geschichte gelesen und mir ein Feedback gegeben hast, liebe Beo, ich hoffe, dass sie Dir auch noch gef?llt, wenn die ersten wirklich schlimmen, ja haarstr?ubenden Dinge passieren...
      Leider muss ich mich gerade auf meine finalen Pr?fungen vorbereiten, d.h. jede Menge Kafka, B?chner, 30-j?hriger-Krieg und Deutsche Dialekte b?ffeln, so dass ich parallel nicht wirklich zum Schreiben komme... Ich werde es leider also nur alle 7-10 Tage schaffen, ein neues Kapitel fertig zu stellen, auch wenn ich damit leider gegen eine verbreitete "Creative-Wrting"-Methode versto?e, die besagt, man soll jeden Tag eine festgeschriebene Menge an W?rtern verfassen...
      Das hei?t also, dass sich die Geschichte noch wie eine unheilvoller, be?ngstigender Wurm durch die Windungen meines Gehirnes schl?ngelt, und darauf wartet, erneut hervorzubrechen ;)...
    • Indeed Unheimlich, lieber Prof.
      Kunstvoll die Stimmung ?ber zwei S?tze so zu verzerren ...
      Male mich in sanfter, nein lebendiger, Sorge ob Tim, nicht allein ob den Chancen der beherzten Beast-Fraktion.

      alles Gute.
      Memento Mori

      "Blutbücher sind wir Leiber alle ; wo man uns aufschlägt : lesbar rot." Clive Barker.
      [Tentakeltanz im Märchenpark]
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