"Die Prüfung" von Ohrwell - 2. und letzter Teil

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    • "Die Pr?fung" von Ohrwell - 2. und letzter Teil

      ?W?re doch m?glich.?, antwortete Lars. ?Es bleibt uns wohl nichts anderes ?brig, als nachzusehen.?
      ?Besser wir schicken jemanden voraus. Falls doch Gefahr droht, sind wir wenigstens nicht alle dran.?, schlug Ulrich vor.
      ?Aber bitte doch, gern, Helden und Lebensm?de zuerst.?, Lars Stimme klang wieder piepsig hoch und voller Spott.
      Ulrich runzelte die Stirn, dann machte er sich auf den Weg. ?Ich komme mit dir?, sagte Rebecca, als Ulrich auf den ersten Stufen standen. ?Bleib lieber bei den anderen. Wer wei?, was uns erwartet.?
      Langsam n?herte sich Ulrich der Fl?gelt?r und dr?ckte vorsichtig die Klinke herunter. Doch er konnte so behutsam sein wie er wollte, das riesige Holzblatt knirschte so laut in seinen Angeln, dass jeder sofort gewarnt war, der sich noch im Raum befand. Er steckte vorsichtig den Kopf durch und sah den Professor. Er lag regungslos auf dem Boden und gab kein Lebenszeichen von sich. Sofort eilte Ulrich zu ihm und pr?fte seinen Puls. Kein Zweifel, Professor Lindbrecht war tot. Dann ging er zu der anderen T?r. Sie war nur angelehnt. Er stie? sie auf, doch auch der Raum war leer. Mittlerweile waren auch die anderen Studenten nachgefolgt. Martha kreischte hysterisch auf, als sie die Leiche auf dem Boden sah. Die anderen wussten nicht so recht, was sie davon halten sollen. Einige lachten kurz auf, grinsten, hielten das ganze f?r eine Scharade, die zum Test geh?rte. Doch ein Blick von Ulrich und das Lachen erstarb. Sogar Lars wurde kreidebleich bei dem Gedanken. ?Will den keiner endlich die Polizei rufen??, rief Rebecca, vielleicht etwas zu laut, aber der Schrecken hatte ihr Mut gemacht. Sofort begann ein allgemeines Kramen in Jacken und Taschen, doch die Suche blieb erfolglos: alle Handys waren verschwunden. Die Stimmung im Seminarraum wurde immer gespannter. ?Ok, wir machen folgendes. Martha, Lars, Rebecca und ich bleiben hier und passen auf, dass die Spuren nicht vernichtet werden. Die anderen begeben sich zum Ausgang und informieren den Portier, er soll die Polizei verst?ndigen.?
      Der geborene Anf?hrer, dachte Rebecca bei sich. Der wird eines Tages einmal Abteilungsleiter. Die 6 anderen Studenten packten ihre Sachen zusammen und machten sich auf den Weg durch das gro?e Geb?ude zum Haupteingang. Allm?hlich verklungen ihre Schritte im Echo der meterhohen Hallen bis es wieder ganz still wurde. Ulrich beugte sich wieder ?ber die Leiche.
      ?Hattest Du nicht vorhin gemeint, wir sollen warten, bis die Polizei kommt.?, spottete Lars.
      Er zog aus seiner Ges??tasche ein paar Plastikhandschuhe und legte sie rasch an.
      ?Bereit sein ist alles, wie??
      ?Mann, Lars, kannst du nicht mal eine Pause einlegen?, murrte Martha.
      Ulrich klopfte den Leichnam des Professors ab und nestelte aus der Innentasche seines Sakkos einen Schl?sselbund. Er hielt ihn hoch und warf ihn Martha zu. ?Such bitte den passenden und schlie? die T?r ab. Falls der M?rder noch im Haus ist, sind wir hier wenigstens sicher.? Martha fing den Bund auf und probierte einen Schl?ssel nach dem anderen.
      Nach ein paar Minuten stutze Ulrich. Er f?hrte die Nase zu den Lippen des Toten und roch kurz.
      ?Ist er vergiftet worden??, fragte Rebecca.
      Ulrich nickte. ?Bittere Mandeln, eindeutig.?
      ?Aber wir haben 2 Sch?sse geh?rt.?, wandte Lars ein.
      ?Und einen Schrei.?, f?gte Martha hinzu.
      Ulrich richtete sich auf und streifte die Gummihandschuhe ab. ?Aber es ist keine Schusswunde vorhanden. Und das Gift h?tte ihm keinen Augenblick zum Schreien gelassen.?
      ?Am besten wir suchen die Patronenh?lsen, irgendwo m?ssen sie ja herumliegen.?, schlug Ulrich vor. Sofort machten sich die drei auf die Suche. ?Du auch Lars.? Murrend fing nun auch Lars zu suchen an. Rebecca suchte unter den Schreibtischen Reihe f?r Reihe ab, als sie pl?tzlich etwas unter einem Sitz entdeckte. Sie zog ein Taschentuch aus ihrer Hosentasche und hob es auf: die Pistole.
      ?Wo hast Du sie gefunden??, fragte Ulrich. Rebecca deutete auf den Platz.
      ?Wer ist dort heute gesessen??
      ?Derjenige, der dort immer sitzt?, fing Martha an. ?Lars!?
      Der Student f?hlte die Blicke seiner Kollegen wie Messerspitzen. Seine Augen funkelten vor Zorn. Martha b?umte sich auf, stolz, so als ginge es immer noch darum, wer die beste Note bekommt.
      "Ich war drau?en im Foyer, Komissarin Oberschlau, schon vergessen.", er stemmte die Arme in die H?ften.
      "Wirklich? Also ich kann mich nicht erinnern, dich gesehen zu haben."
      F?r einen Augenblick war Lars in der Zeit festgefroren. Langsam d?mmerte es ihm.
      ?Die hast du dort sicherlich hingelegt.?
      ?Was??, rief Martha laut aus.
      "Hey, Leute, das bringt doch nichts, uns gegenseitig zu verd?chtigen", sagte Ulrich. "Wir stehen alle unter Schock, da spielt uns unsere Wahrnehmung eben einen Streich, das ist alles."
      Rebecca sp?rte, dass Lars etwas vorhatte. Sie sah, wie er verstohlen die Hand hinter seinen R?cken hielt. Unweigerlich musste sie dabei an den Kater ihres Gro?vaters denken. Als Kind beobachtete sie, wie er einmal einem Vogel auflauerte. Er war vielleicht nur knapp 2 Meter von ihr entfernt.
      ?Ich habe n?mlich eine kleine ?berraschung f?r Dich.?
      Da? was Rebecca am meisten erschreckte, war, dass der Vogel v?llig ahnungslos war. Er musste es doch gesehen haben. Sah sie denn nicht, dass Lars etwas vor ihr verbarg.
      ?Das habe ich in Deiner Jacke bei der Garderobe gefunden.?
      Die Sehnen des Katers waren bis zum Zerrei?en gespannt. Er spielte mit ihr.
      Stolz wie ein Zirkusdirektor zeigte er das blutgetr?nkte Messer.
      Rebecca konnte nicht mit Gewissheit sagen, was den Vogel nun wirklich get?tet hatte: der Schreck, die Angst vor dem Sterben oder das mit Z?hnen gespickte Maul. ?Der Typ ist doch geisteskrank, seht ihr denn das nicht.?
      Martha wich immer mehr zur?ck, suchte hinter sich nach Schutz, doch dort waren nur die gro?en Fenster. Lars machte einen bedrohlichen Schritt auf sie zu.
      ?Lars, komm h?r auf, was soll denn das? Lindbrecht wurde auch nicht erstochen. Es war Gift, also beruhig dich wieder?, allm?hlich wurde es Ulrich auch unheimlich.
      ?Willst Du wissen, Ulrich, warum Martha und ich uns getrennt haben.?
      Nun bekam auch Martha ein kaltes Funkeln in den Augen, doch dieses war eher feucht als feurig.
      ?Wage es ja nicht.?, kreischte sie Lars an und hatte Tr?nen in ihrer Stimme.
      Pl?tzlich war der Kater losgeschnellt. Der Vogel lag zwischen seinen Kiefern, wehrlos. Aber der Kater wollte ihn noch nicht t?ten.
      ?Sie hat sich von unserem ehrenwerten Herrn Professor ficken lassen. Nur damit sie durch den Kurs kommt. Allerdings er hat dich da wohl genau so gelinkt wie du mich. Daf?r hast du einen anderen Test positiv bestanden.?
      Als sich die Kiefer kurz ?ffneten, flog der Vogel davon und raste mit dem Kopf voran mitten in die gro?en Glasscheiben von Gro?vaters Wintergarten. Niemand kann sagen, was Menschen genau zu ihren Handlungen treibt, wenn sie in Panik sind, deshalb ist der Mensch das gef?hrlichste Tier von allen, so die Worte ihres Gro?vaters. Martha versteinerte innerlich. Sie sp?rte, dass sie den Weinkrampf nicht mehr zur?ckhalten konnte.
      "Damit hast du auch ein sehr sch?nes Mordmotiv", grinste Lars h?misch. "Oder hast du echt geglaubt, der alte w?rde sich f?r dein Balg interessieren?"
      Sie zitterte am ganzen K?rper und fing an richtig los zu heulen. Im Wechsel von Luft holen und weinen brachte sie kaum ein Wort heraus. Dabei zog sie sich immer mehr r?ckw?rts zur?ck, konnte nicht glaube, was eben geschehen war, was Lars da eben verraten hatte. Ulrich und Rebecca blickten sich entsetzt an. Sie konnte nicht mehr aufrecht stehen und wollte sich mit der Hand am Fensterglas abst?tzten ? als pl?tzlich der Fensterladen aufsprang und sie r?cklings in die Tiefe fiel. Der Kater ging auf den leblosen Vogelk?rper zu und blickte ihn fragend an. Wie kann etwas tot sein, das ich gar nicht get?tet habe, das schien Lars verst?rter Blick zu sagen, als er Marthas verdrehten K?rper im Innenhof liegen sah. Er hatte es in der Pause noch schlie?en wollen, weil der Fensterrahmen im Wind so nervig klapperte.
      ?Woher hast du gewusst, dass sie von Lindbrecht schwanger war??, Rebecca f?hlte sich auf einmal berechtigt, Lars unter Verh?r zu nehmen.
      ?Wie? Eine Email, jemand hat mir ne Email geschickt, mit Fotos.?, kam als versp?tete Antwort. Unten kamen die anderen Seminarteilnehmer herbei geeilt, die die Polizisten zum Seminarraum f?hren wollten. Der Beamte rief Lars etwas zu, was er jedoch nicht mehr h?rte.
      ?Schei?e!?, fiel Lars in diesem Moment nur ein. Er schlug sich mit den F?usten gegen die Schl?fen und fing an wild zu toben.
      Ulrich und Rebecca standen hilflos daneben und wussten im ersten Augenblick nicht, ob es real war, was da eben geschah. Lars wurde stiller und das war noch viel gef?hrlicher. Er betrachtete das Messer sorgsam in seiner Hand. Ein Unfall, nie im Leben, scho? es ihm durch den Kopf. Dann wusste er, was zu tun war. Wie fest er die Klinge gegen seine Kehle dr?cken musste, damit es beim ersten Mal gelang, er hatte keine Ahnung. Darin war er noch nie gut gewesen, gleich beim ersten Mal Erfolg zu haben. Also wandte er das Messer wie eine S?ge an und ritzte sich mehrmals. Ulrich wollte auf ihn zuspringen, doch da lag er schon blut?berstr?mt auf dem Boden. Ein heiseres R?cheln drang aus der ge?ffneten Luftr?hre. Lars war nun auch tot.

      Die Polizei brach die gro?en T?ren auf. Martha hatte den Schl?ssel ja immer noch bei sich. F?r Lars kam jede Hilfe zu sp?t. Im Studienzimmer hinter dem Seminarraum fand man eine Tasse Kaffee auf dem Boden, die der Professor vorher getrunken hatte. In der Thermoskanne war eine betr?chtliche Menge Zyankalie. Den Schrei und die Sch?sse hatte der Professor von Band gespielt und die Mordinstrumente im Raum pr?pariert. Die entwendeten Handys fand man sp?ter in Lindbrechts Aktentasche. Dann folgte das ?bliche: Spurensicherung, Zeugenbefragung, Leichentransport. Irgendwie kamen die Ermittler dann auf das Verh?ltnis von Martha zum Professor. Eifersucht, Rache, das ?bliche halt. Aus Mangel an ?berlebenden lie? man das ganze dann auf sich beruhen.
      ?Soll ich Dich nach Hause begleiten??, fragte Ulrich.
      ?Nein, danke. Ich m?chte doch lieber jetzt allein sein.?, antwortete sie.
      Wie sehr h?tte sie es sich gew?nscht, vielleicht w?re auch mehr daraus geworden. Aber sie konnte nicht, nicht mehr. Rebecca stieg in den Bus ein und sah noch wie Ulrich im Flutlicht der Laternen wie ein reiner Engel stand. Sie durfte seiner Karriere nicht im Weg stehen, dachte sie. Kinder von ber?hmten Menschen haben es nie leicht, sagte Gro?vater immer. Dann war sie eben ein Knappe. Doch das sahen Menschen wie Professor Lindbrecht anders. F?r die gab es nur Ritter, alles andere war Mittelma?. Eine Schande ist es, die Enkelin eines so bedeutenden Kriminalisten und dann so eine herbe Entt?uschung. Offenbar reichte es ihm nicht, sie zu dem?tigen. Lindbrecht war der Pr?fstein, wer ihn nicht bezwang, der mu?te sich nicht zur?ckziehen, der wurde zur?ckgesto?en, und zwar so, da? er nicht mehr aufstand. Im grunde genommen war Gerechtigkeit weniger eine Frage der Moral als der Mathematik. Und je l?nger Rebecca in diese Nacht hinaus fuhr, umso leichter wurde ihr ums Herz. Das Fl?schchen hatte sie sp?ter verschwinden lassen, wo kein Mensch es finden konnte. Das wollte sie ihrem Gro?vater ersparen, f?r die wenigen Monate, die er noch zu leben hatte. Er sollte mit dem Gedanken sterben, seine Enkelin habe die Pr?fung bestanden.
      Und die dämonischen Mächte des Grauens suchen sich schon wieder ein neues Opfer!
    • Danke guter Ohrwell f?r so viel inneren Abgrund am Sonntagmorgen,
      sehr geschickt und verst?rend [der Sturz aus dem Seminarraum, das ungelenke durchtrennen ...]

      Sehr gelungen den Kreis zu Gro?vater, Rittern und Knappen geschlossen,
      m?chte ich meinen.

      Vielen Dank f?r das Teilen.
      Memento Mori

      "Blutbücher sind wir Leiber alle ; wo man uns aufschlägt : lesbar rot." Clive Barker.
      [Tentakeltanz im Märchenpark]