[NDR Kultur] Träume

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 1.188 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (8. Juli 2020 um 18:38) ist von Agatha.

  • Inhalt:
    Beunruhigende Alpträume, Szenarien fundamentaler Ängste, darunter die Furcht vor Deportation, Ausgrenzung, innerer Leere, atomarer Bedrohung. Gunter Eichs "Träume" sind das bis heute wahrscheinlich spektakulärste Hörspiel der Radiogeschichte.
    Als das berühmteste und spektakulärste Hörspiel von Günter Eich, dem bedeutendsten Rundfunk- und Hörspielautor der Nachkriegszeit, gilt bis heute sein Stück "Träume". Es markiert unbestritten den Neubeginn des künstlerischen Nachkriegshörspiels; produziert beim damaligen NWDR in Hamburg. Es beschreibt realistisch und rätselhaft verschlüsselt zugleich beunruhigende Alpträume, Szenarien fundamentaler Ängste, darunter die Furcht vor Deportation, Ausgrenzung, innerer Leere, atomarer Bedrohung... Eine künstlerische Reaktion auf den 2. Weltkrieg und deutbar auch als bedrohliche Visionen von der Zukunft des Menschen. Und so wurden Eichs "Träume" verstanden und missverstanden.

    Die Ursendung von Günter Eichs Hörspiel "Träume" am 19. April 1951 begann um 20.50 Uhr, etwas später als gewöhnlich, "weil man die Kinder schon in den Betten wissen" wollte. Eine "mörderische Angelegenheit" sollte es laut "Spiegel"-Vorbericht werden, und tatsächlich schien es dies für manche zu sein; der Nordwestdeutsche Rundfunk in Hamburg erhielt wütende Telefonanrufe und Beschwerdebriefe: "Wir haben da eben Ihr Hörspiel gehört, von dem Eich. Kann man den Mann nicht einsperren?" Fünf Szenen geben fünf Alpträume wieder. Die Szenen spielen je in einem der fünf Kontinente, und vor jeder wird in der nüchternen Sprache einer Nachricht von irgendeinem harmlosen Menschen berichtet, der den jeweils folgenden Alptraum erleidet. Ferner stehen am Anfang und Schluss des Hörspiels und zwischen den Szenen Gedichte mahnenden, ja beschwörenden Charakters.

    1. Traum (1. - 2.8.1948, Schlossermeister Wilhelm Schulz, Rügenwalde, Hinterpommern):
    Eine Familie aus Uralten, Alten und Kindern fährt, offenbar schon seit Jahrzehnten, im dunklen Güterwagen durch eine Welt, 'die es nicht gibt', da sie der Erinnerung der Eingeschlossenen längst entschwunden ist.

    2. Traum (5.11.1949, Tochter des Reishändlers Li-Ven-Tshu in Tianzien):
    In China verkaufen arme Eltern ihr sechsjähriges Söhnchen an einen reichen Greis, dem das Blut des Kindes sein Leben verlängern soll.

    3. Traum (27.4.1950, Automechaniker Lewis Stone, Freetown, Queensland, Australien):
    In einer australischen Siedlung erwarten die Einwohner in Todesangst 'den Feind'. Das Haus, in das er einzieht, wird von ihm mit allem Inhalt in Besitz genommen.

    4. Traum (29.12.1947, Kartenzeichner Iwan Iwanowitsch Borislawski, Moskau):
    Zwei Forscher im afrikanischen Busch verlieren nach einem köstlichen Essen Gedächtnis und Sprache.

    5. Traum (31.8.1950, Lucy Harrison, New York):
    Termiten benagen in unersättlicher Freßgier alles, höhlen jedes Ding und jeden Körper unbemerkt von innen her aus. Das geschieht drei Menschen in ihrer Wolkenkratzerwohnung in New York.

    Sprecher:
    Erich Schellow (Sprecher der Zwischentexte), Annegret Lerche (Sprecherin der Zwischentexte), Heinz Piper, Cay Dietrich Voss.
    1. Traum: Eduard Marks, Lotte Klein, Wolfgang Rottsieper, Jo Wegener, Karin Lunau
    2. Traum: Max Walter Sieg, Louise Dorsay, Helmuth Gmelin, Inge Schmidt, Dieter Döderlein
    3. Traum: Herbert A. E. Böhme, Maria Janke, Michael Becker, Ursula Pietsch, Inge Meysel, Helmut Peine, Hermann Kner
    4. Traum: Gerd Martienzen, Richard Münch, Heinz Suchantke, Josef Dahmen Mutter
    5. Traum: Mirjam Horwitz-Ziegel, Dagmar Altrichter, Dietrich Haugk, Wilhelm Kürten, Hans Joachim Richter, Günther Dockerill, Georg Eilert

    Produktion:
    von Günter Eich
    Komposition: Siegfried Franz
    Regie: Fritz Schröder-Jahn
    NWDR 1951

    Der NDR hat den Hörspielklassiker zum :download: bereit gestellt.

    Zusätzlich gibt es auch noch ein Feature zu diesem Hörspiel, Träume: Diskussion und Höreranrufe zur Ursendung im Jahr 1951, welches ebenfalls zum :download: bereit gestellt worden ist.

  • Eine "mörderische Angelegenheit" sollte es laut "Spiegel"-Vorbericht werden, und tatsächlich schien es dies für manche zu sein; der Nordwestdeutsche Rundfunk in Hamburg erhielt wütende Telefonanrufe und Beschwerdebriefe:

    Heute würde sich über solche Hörspiele wohl niemand mehr groß aufregen. ;)
    Da hieße es höchstens noch: "Oh, wie bizarr und beklemmend - und dabei so originell und abwechslungsreich von den Inhalten her, schöne Horroszenarien, die da geboten werden, nachdenklich machend etc.pp.". ^^

  • Da bin ich nicht so sicher. =) Der Aufreger war wohl vor allem der zweite Traum, der dann auch erstmal ausgewechselt wurde, um weitere Proteste zu vermeiden. Ich glaube aber, inzwischen ist der alte wieder drin. :denk:

  • Gestern habe ich mir das Hörspiel angehört. Bisher kannte ich diese Produktion noch nicht. Das Hörspiel fand ich sehr gut. :thumbsup:

    Irgendwann demnächst werde ich mir noch das Feature zu Träume anhören.

  • Das Hörspiel fand ich sehr gut.

    Hm, sagen wir mal, die Träume fand ich sehr bizarr und "abwechslungsreich", eigentlich hätte man das Ganze ja sowieso eher "Albträume" nennen müssen. :zwinker:
    Aber um hier so wirklich "dahinterzusteigen", sollte man wohl auch das Feature noch zusätzlich hören. :zustimm:
    Die extrem atonalen und auch lauten "Zwischenmusiken" waren bei MP3Player bzw. In-Ear-Stöpseln eine ziemliche akustische Bewährungsprobe. :pinch: =)

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