Sherlock Holmes - 28 - Eine Studie in Scharlachrot

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    • Sherlock Holmes - 28 - Eine Studie in Scharlachrot



      Sherlock Holmes - 28 - Eine Studie in Scharlachrot

      Zum Inhalt:
      Von Verwundung und Krankheit gezeichnet, kehrt der Militärarzt Dr. John H. Watson nach London zurück. Da seine finanziellen Mittel begrenzt sind, fällt es ihm schwer, eine bezahlbare Unterkunft zu finden. Eines Tages trifft er zufällig einen alten Freund wieder, der ihm von einem Mann erzählt, der einen Mitbewohner sucht. Sein Name: Sherlock Holmes, die Adresse: Baker Street 221B.

      Zur Produktion:
      Die vorliegende Folge, deren englischer Originaltitel "A Study in Scarlett" lautet, wurde erstmals 1887 im britischen Magazin "Beeton's Christmas Annual" veröffentlicht und beinhaltet das erste Aufeinandertreffen des legendären Duos Sherlock Holmes und Dr. Watson. Es ist etwas ungewöhnlich, daß das Label Titania-Medien diesen Roman jetzt als Hörspiel bringt, denn man vertont ja eigentlich gerade die Kurzgeschichten aus dem Band "Die Memoiren des Sherlock Holmes". Um der literarischen Vorlage gerecht zu werden, haben sich Stephan Bosenius und Marc Gruppe entschlossen, diese Adaption als Doppel-CD-Ausgabe zu veröffentlichen.
      Obwohl Sir Arthur Conan Doyle (22.05.1859-07.07.1930) seinen Roman in zwei Teilen angelegt hat (der erste behandelt den aktuellen Fall und Holmes' Fähigkeiten, im zweiten folgt eine Rückschau auf die Ereignisse, die zu den Morden führten), ist die Aufteilung bei Skriptautor Marc Gruppe etwas anders.
      Er legt den Fokus klar auf Part eins, und so kommt es, daß dieser auch noch ein Drittel der zweiten Disc benötigt. Dementsprechend kurz fällt auch der Rückblick aus, den Gruppe auf das Notwendigste reduziert hat. Man kann sich natürlich darüber streiten, wie weit das noch einer werkgetreuen Umsetzung entspricht, aber da es sich hier ja um ein Sherlock Holmes-Hörspiel handelt und der Hörer in der Regel erwartet, daß der Meisterdetektiv möglichst prominent vertreten ist, rechtfertigt das für mich eine derartige Gewichtung. Davon abgesehen erweckt dieser Rückblick auch im Roman den Eindruck, man würde ein anderes Buch lesen. Die Details über das Leben der Mormonen mögen ja 1887 interessant und ungewöhnlich gewesen sein, heutzutage wirken sie jedoch reichlich antiquiert.
      Viel gravierender erscheint mir da ein anderer Punkt: In Doyles Roman bleibt die Vermieterin namenlos und spielt für den Verlauf der Handlung keine Rolle. Daß Marc Gruppe sie zu Mrs. Hudson macht, kann ich durchaus nachvollziehen, kennt man sie ja bereits seit vielen Folgen unter diesem Namen. Aber der umfangreiche Dialog, bezüglich ihres alten Hundes, hat mich zunächst doch etwas irritiert. Allerdings muss ich zugeben, daß die zusätzliche Gesprächsszene das Geschehen weitaus plausibler werden lässt, als dies bei Doyle der Fall war, der den Hund nur in einem Nebensatz kurz auftauchen ließ, um Holmes' Theorie zu überprüfen.
      Trotz der umfangreichen Laufzeit von insgesamt ca. 118 Minuten, sah sich Marc Gruppe gezwungen, nicht nur den Rückblick erheblich zu straffen, sondern auch etliche Details wegzulassen. Nun ist es sicher unproblematisch, daß man, statt der im Original drei vorgelesenen Zeitungsausschnitte, hier nur einen zu hören bekommt oder der Name der Schifffahrtsgesellschaft weggelassen wird. Aber wenn Dr. Watsons Schulterverwundung auf eine nicht näher bezeichnete Verletzung reduziert wird und seine, meiner Meinung nach, überaus wichtige Liste von Holmes' Eigenschaften einfach unter den Tisch fällt, fehlen wesentliche Elemente, welche dem Hörer die beiden Charaktere näherbringen sollten. Besonders bedauerlich finde ich, daß es die Anmerkung Watsons, Holmes erinnere ihn an die Figur des "Dupin" von E.A.Poe, nicht in das Hörspiel geschafft hat, denn schließlich war er es, der das Genre des Detektivromans quasi begründet hat. Doch auch was den eigentlich Fall betrifft, hat Marc Gruppe etliche Einzelheiten verändert bzw. ganz weggelassen. Beispielsweise tritt bei ihm nur Wiggins (der Anführer der Bakerstreet-Jungs) auf, während bei Doyle gleich insgesamt sechs Mitglieder Holmes' Domizil stürmen. Auch die Geschichte rund um das mit Blut geschriebene Wort "Rache" ist stark reduziert worden. So fehlt beispielsweise der aus Unkenntnis der deutschen Sprache entstandene Irrtum des Inspektors, es handele sich dabei um den Vornamen Rachel. Gleich ganz verschwunden sind die Ermittlungen, welche mit dem Hut zusammenhängen, und der Delinquent gibt nach seiner Enttarnung auch sofort auf, während er bei Doyle noch einen Fluchtversuch unternimmt.
      Wer nun neugierig geworden ist und die Geschichte im englischen Original nachlesen möchte, findet sie im Internet unter gutenberg.org/files/244/244-h/244-h.htm.
      Produktion und Regie von Stephan Bosenius und Marc Gruppe liegen wieder auf dem für das Label üblichen hohen Niveau. Besonders gut gefallen hat mir, daß darauf geachtet wurde, die beiden Inspektoren an einer bestimmten Stelle gleichzeitig sprechen zu lassen, ein kleiner Gag, der sich so auch bei Doyle findet. Was mir bei Titania immer besonders gefällt, ist die Art und Weise, wie Geräusche eingesetzt werden. Während viele Produzenten die Sounds meiner Meinung nach zu sehr in den Vordergrund setzen, herrschen hier eher dezente Töne vor, die lediglich dazu dienen sollen, die Szenerie lebendiger zu gestalten. So reicht teilweise schon ein einfaches Stuhlrücken, gepaart mit etwas Kaminfeuer im Hintergrund, um beim Hörer das entsprechende Bild der Umgebung zu erzeugen. Sehr wirkungsvoll finde ich auch den heulenden Wind, der durch das leere Haus streicht, in dem der Tote liegt. Alle Töne klingen vollkommen natürlich, egal ob es sich um die klappernden Hufe, das Rauschen von Blättern oder den starken Regen handelt. Ledglich die klirrenden Ketten finde ich nicht so überzeugend, da der gewählte Sound eine lange und eher dünne Kette suggeriert, statt der beabsichtigten kurzen, dicken Kettenglieder.
      So unaufdringlich wie die Geräusche, sind auch die Effekte eingearbeitet worden. Man muss schon genau hinhören, damit einem z.B. der leichte Hall im Treppenhaus der Bakerstreet nicht entgeht. Musikalisch gesehen, setzen Stephan Bosenius und Marc Gruppe hauptsächlich auf Instrumente aus der viktorianischen Zeit, also Geige und Klavier, ohne dabei aber die "modernen", wie E-Gitarre oder Synthesizer, ganz außen vor zu lassen. Dabei dienen die Melodien entweder als Übergang zur nächsten Szene oder zur Akzentuierung des Geschehens. Das Musikstück, welches mit einer (Pan-?) Flöte intoniert wird, hat mir am besten gefallen, da es ausgezeichnet zu den parallel ablaufenden Ereignissen passt.

      Zu den Sprechern:
      Joachim Tennstedt(Sherlock Holmes)beweist, daß der Meisterdetektiv nicht immer so kühl und rational ist, wie es oft den Anschein hat. In dieser Folge gibt es gleich zwei Situationen, in denen er seine Fassung verliert und seinem Ärger uneingeschränkt Luft macht. Das erste Mal, als er sich über die Unfähigkeit von Constable Rance echauffiert, das zweite Mal, als er sich über sich selbst ärgert. Auch der sonst so fröhliche Detlef Bierstedt(Dr. Watson) überrascht den Hörer beim Einstieg in das Hörspiel. In den ersten Szenen klingt er matt und niedergeschlagen und wird erst im Laufe der Zeit wieder der Watson, den man kennt. Genau so hat Conan Doyle in seinem Roman den Zustand des Doktors beschrieben, und es ist einfach absolut gekonnt von Bierstedt, diese Gefühlslage durch nur wenige Nuancen in der Betonung zu erzeugen. Mit dem Part von Regina Lemnitz(Mrs. Hudson) als Haushälterin hadere ich ja seit Beginn der Reihe.
      Sie spielt ihre Rolle gut, keine Frage, aber ihr Auftreten gegenüber ihren Mietern ist für mich nach wie vor nicht stimmig. Dieses Mal wirkt sie zwar weitaus weniger dominant und nur einmal unangemessen empört, aber andererseits "belästigt" sie Holmes und Watson über Gebühr mit der Trauer um ihren verstorbenen Hund. Christian Stark(Bote) hat nur einen kleinen, aber prägnanten Auftritt als kurz angebundener Überbringer einer Nachricht, genau wie Wilfried Herbst(Mrs. Sawyer) als angebliche Verwandte der Besitzerin des Eherings. Ich will Herbsts Leistung keineswegs schmälern, aber man hört bei ihm zu deutlich, daß sich hier ein Mann als Frau ausgibt, und es wundert den Hörer deswegen schon, daß Holmes und Watson nichts merken. Sprecherisches Highlight sind für mich diesmal Peter Reinhardt(Inspektor Gregson) und Lutz Reichert(Inspektor Lestrade). Ich habe mich prächtig über die Konkurrenz-Kabbeleien der beiden amüsiert, wobei mir der brummelige Reichert noch einen Ticken besser gefallen hat als Reinhardt. Beinahe ebenso erheiternd ist Fabian Oscar Wien(Constable Rance) als mürrischer Polizeibeamter, der nach einer Bestechung plötzlich putzmunter wird. Bosse Koch(Wiggins) ist in seiner Rolle des frechen, aufgeweckten Generals der Bakerstreet-Spezialeinheit ebenso überzeugend, wie Marianne Mosa(Madame Charpentier) als strenge, ältere Pensonswirtin, deren Mutterliebe über ihre Gesetzestreue geht. Kristine Walthers(Alice Charpentier) Auftritt als weinende, wahrheitsliebende Tochter fällt genauso kurz aus, wie der von Jannik Endemann(Arthur Charpentier) als ihr wütender, entschlossener Bruder. Unbedingt erwähnt werden muss auch noch Peter Weis(Enoch J. Drebber), der sein Portrait des widerlichen Lustmolchs mit rauer Stimme vorträgt. Er agiert dabei so abstoßend, daß man ihm als Hörer sein verdientes Ende schon im Voraus gönnt. Ebenso ausdrucksstark wirkt auch Uwe Büschken(Jefferson Hope) als sterbenskranker Mann, den nur noch seine Rachegedanken aufrecht erhalten. Bernd Rumpf(John Ferrier) ist der besorgte Vater, dem das Glück seiner Tochter am wichtigsten ist, und Maximiliane Häcke(Lucy Ferrier) spielt seine ängstliche Tochter. In der Rolle des Mormonenoberhaupts glänzt Jochen Schröder(Brigham Young), der seinen Text mit der gebotenen Alterswürde spricht.

      Fazit:
      Trotz der Änderungen gegenüber der literarischen Vorlage, ein befriedigendes Holmes-Hörspiel.

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      OTR-Fan
    • Spannend zu lesen, selbst für mich, der ich die Serie nicht verfolge. Danke dafür. Vielleicht höre ich doch mal wieder rein...

      Wilfried Herbst mag ich übrigens mittlerweile überhaupt nicht mehr hören. Seine Einsätze sind mir viel zu übertrieben. Das ist für mich nur noch schwer erträglich.
    • Danke für das Lob :bow:

      Hardenberg schrieb:

      Vielleicht höre ich doch mal wieder rein...
      Solltest Du durchaus mal tun. :zustimm: Ich empfehle die Folgen, bei denen ich mich in meinen Rezensionen vor Begeisterung fast überschlage. =)

      Hardenberg schrieb:

      Wilfried Herbst mag ich übrigens mittlerweile überhaupt nicht mehr hören. Seine Einsätze sind mir viel zu übertrieben. Das ist für mich nur noch schwer erträglich.
      Also hier habe ich kein "Overacting" gehört, aber der Mann ist eben nicht Stephan Kaminski. :schulter: Für einen Mann ist es eh besonders schwer, wie eine Frau zu sprechen.


      OTR-Fan