Was MUSS ein gutes Hörspiel?

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    • Was MUSS ein gutes Hörspiel?

      Ich formuliere es mal absichtlich ein wenig flapsig.

      Mir ist aufgefallen, dass es viele unterschiedliche Betrachtungsweisen bei der Auseinandersetzung mit Hörspielen gibt, was dazu führt, dass viele Rezensionen von völlig unterschiedlichen Ansätzen bei der Beurteilung von Hörspielen ausgehen. Oft scheint es mir auch so zu sein, dass es unter den eingefleischteren Hörspielverrückten eine große Nähe zu einzelnen Hörspielmachern gibt. Es gibt eine Art wohlwollende Verbundenheit, die man mitunter aus Anmerkungen herauslesen kann - wie zB aus solchen, in denen darauf hingewiesen wird, ein Macher habe ja, bei allen Unzulänglichkeiten, sehr viel Herzblut in die Produktion gesteckt, er mache das ja im übrigen nur nebenberuflich und überhaupt habe er nicht so viel Geld zur Verfügung.

      Und so menschlich verständlich und sympathisch ich diese Sichtweise vielleicht finden mag - sie stößt mir doch immer wieder auf, denn hinter dieser vordergründig wohlwollenden Haltung steckt in Wahrheit eine, die offenbart, dass das jeweilige Hörspiel nicht wirklich zur Gänze auch als Kunstwerk ernst genommen wird. Es wird betrachtet wie das Krickelbild des Juniors, das dem Papa zum Abendbrot überreicht wird und das in wirren Strichen eine Schar Kopffüßer unter Kritzelgewölk zeigt: Der Papa jauchzt vor Freude, als halte er ein bisher verschollen geglaubtes Werk des großen Rembrandt in Händen, obwohl er doch weiß, dass es, nüchtern und sachlich betrachtet, eben nicht herausragend ist - außer unter dem Aspekt des höchstpersönlichen Bezugs zwischen Maler und Beschenktem.

      Ich für mich mag eine solche Art der eingefärbten Auseinandersetzung mit Hörspielen nicht. Ein Hörspielmacher kann mir noch so sympathisch sein. Wenn das Werk am Ende kritikwürdig ist, dann kann, will und muss ich das so benennen. Und nicht aus falsch verstandener Loyalität alles hochjubeln.

      Allerdings mag es unterschiedliche Erfordernisse geben, die dem eigenen Hörspielkonsum unterliegen. Auch die Art und Weise des Konsums mag zu einer unterschiedlichen Tiefe bei der Betrachtung führen.

      Ich zum Beispiel neige dazu, ein neues Hörspiel mehrmals zu hören, mich relativ intensiv mit dem einzelnen zu befassen, es erneut zu hören, um vielleicht bisher Durchgegangenes zu entdecken, und mir ein rundes Bild vom Gesamten zu machen. Erst dann wende ich mich dem nächsten (neuen) Hörspiel zu. Darüber können durchaus auch mal einige Wochen ins Land ziehen, ehe ich mich einem neuen Hörspiel (also einer völlig neuen Serie oder einem neuen Einzelhörspiel) öffne.

      Bei vielen Hörspielfreunden habe ich dagegen den Eindruck, dass sie sehr schnell konsumieren, mal in das eine, dann in das andere Hörspiel hereinhören. Auf diese Weise entsteht natürlich ein ganz anderes, in gewissem Sinne flüchtigeres und insofern vermutlich auch intuitiveres Bild von dem jeweiligen Hörspiel. Es bleibt wohl sehr viel mehr hängen, ob es einen aus dem Bauch heraus gut unterhalten hat, man spürt den eigenen Empfindungen während des Hörens nach und beschäftigt sich wohl logischerweise deutlich weniger mit Plausibilität und Hintergrund der jeweiligen Geschichte.

      Das würde erklären, warum viele Leute stark begeistert sind von manchen Hörspielen, bei denen mir aufgrunde der kruden Plots die Haare zu Berge stehen.

      Für mich ist Plausibilität der jeweiligen Geschichte das A und O eines Hörspiels. Die Geschichte muss nicht realitätsnah sein, sie darf durchaus eine eigene Welt mit eigenen Gesetzmäßigkeiten kreieren, aber sie muss diesen Gesetzmäßigkeiten dann selbst auch schlüssig folgen. Sie darf es sich nicht zu leicht machen und bloß auf den oberflächlichen Effekt schielen.

      Von der Geschichte muss dann auch etwas haften bleiben. Sie muss eine gewisse Tiefe besitzen - in welcher Form auch immer. Dies kann inhaltliche Tiefe sein, indem Themen aufgezeigt oder angestoßen werden, die von Relevanz sind und über das einzelne Hörspiel hinausreichen. Dies kann aber auch in den einzelnen Figuren begründet sein. Diese Tiefe muss nicht allzu offenbar sein. Sie kann auch subtiler vorhanden sein. Selbst Produktionen, die sich hauptsächlich der Unterhaltung widmen, können dies leisten, wenn die Geschichten, die sie erzählen, einen Bezug haben zu Dingen, die über den fiktiven Einzelfall hinausreichen - oder sie einfach auf professionelle, dramaturgisch überzeugende und darüber hinaus handwerklich geschickte Weise so gestrickt sind, dass sie am Ende ein in sich stimmiges und rundes und im besten Fall auch atmosphärisch starkes Ganzes ergeben.

      Des weiteres braucht es glaubwürdige Charaktere, die mehr sind als Bündel von Klischees. Wo aufs Klischee zurückgegriffen wird, braucht es unbedingt den Punkt, an dem sich die Figur im Laufe der Handlung davon löst. Sonst bleibt sie platt und öde. Gute Charaktere machen auch eine (echte und plausibel dargestellte) Entwicklung durch.

      Wichtig für ein gutes Hörspiel ist auch die Atmosphäre. Dies ist eine der eher unscheinbareren oder nicht so deutlich fassbaren Facetten von Hörspielen. Eine starke Atmosphäre kann viele andere Schwächen und Mängel ausgleichen. Für mich sind Hörspielfolgen wie Der unheimliche Drache oder Der lachende Schatten aus der Serie Die drei Fragezeichen immer besonders starke Folgen gewesen gerade wegen der sehr dichten, sehr starken Atmosphäre, für die das jeweilige Hörspiel steht - und das bei allen offensichtlichen Mängeln bei den Plots und teilweise auch den Sprechern.
      Atmosphäre zu erzeugen ist die Königsdisziplin, würde ich fast sagen. Viel zu oft gelingt gerade das nicht überzeugend, während alles andere im handwerklichen Sinne solide ist. Und man bleibt dennoch irgendwie unbefriedigt zurück. Weil eben die Atmosphäre nicht stimmte.

      Und natürlich braucht es die richtigen Sprecher.
      Diese sollten professionell sein und zur jeweiligen Rolle passen. Begrüßenswert auch, wenn nicht auf die immergleichen, für sich nicht besonders wandelbaren Sprecher und Sprecherinnen zurückgegriffen wird, sondern immer auch neue und unverbrauchte Stimmen gesucht werden.
      Schlechte und/oder hölzerne Vorträge können viel Atmosphäre zerstören. Von Laiensprechern ist darum dringend abzuraten.

      Ein ansprechendes Sounddesign ist natürlich ebenfalls eine wichtige Komponente, die in den Bereich der Atmosphäre hineinreicht. Für mich am ansprechendsten sind solche Produktionen, die ein der jeweiligen Szene angemessenes Soundbild kreieren, das der Spielhandlung im Vordergrund zwar untergeordnet ist, aber nichts so sehr, dass es bei geringer Lautstärke verschluckt wird. Natürlich sollte es auch nicht zu dominant sein. Ich erinnere mich an Die Grube und das Pendel aus der Reihe Gruselkabinett, bei der das Fallen des steten Tropfens im Kellergewölbe einem Geduldsspiel gleichkam. Andererseits wünschte ich mir bei Marco Göllners FALLEN oft ein bisschen mehr Soundkulisse.

      Als letztes ist die Musik zu nennen. Die richtige stimmungsvolle und jederzeit angemessene Musik bereichert ein Hörspiel noch zusätzlich und verleiht ihm mitunter den letzten Schliff. Schlechte oder uninspirierte Musik dagegen wirkt dem Bemühen, ein mitreißendes Hörspiel zu erschaffen, stark entgegen. Die späteren Folgen der drei Fragezeichen sind für mich ein gutes Beispiel für fade und nichtssagende Musikstücke. Dagegen stehen für mich Serien wie Gabriel Burns, Fallen und Gruselkabinett für Beispiele, in denen oft ein ganz besonders glückliches Händchen bewiesen wurde. Manche Stücke sind so eindringlich, dass man mit ihnen sofort bestimmte Hörspiele verbinet - und sich sogleich ein ganz bestimmtes Gefühl verbindet. Mir geht es vor allem mit dem Gabriel Burns-Intro so (bei der Überleitung zu Kluckert als Erzähler). Ein weiteres gutes Beispiel ist das Hauptthema bei Gruselkabinett - Die Gespenster-Rikscha, die bei mir gleich einen atmosphärischen Film ablaufen lässt. Oder das westernmäßig angehauchte Stück aus Fallen 04, das an dieser Stelle eine ganz wunderbare und passende Wirkung entfaltet. Oder auch das Hauptthema bei Der Name der Rose.


      Was ich aber auch gestehen muss, dass die Musik bei mir den anderen Punkten gegenüber nicht unbedingt gleichgeordnet ist. Eine superbe Auswahl fällt mir auf und verleiht, wie gesagt, den letzten Schliff, udn eine miserable stört das Hörvergnügen. Doch wo die Musik eher unspektakulär und beinahe unauffällig ein ansonsten erstklassiges Hörspiel flankiert, fällt sie bei mir nicht so stark ins Gewicht.

      Auch muss ich zugeben, dass ich das vielfach beklagte X-en nicht besonders gut heraushöre und insofern eher nachsichtig bei der Art und Weise der Produktion bin.

      Wie seht Ihr es?

      Wie intensiv legt Ihr den Blick auf ein neues Hörspiel?
      Welches sind die unverzichtbaren Beigaben?
      Und ist Euer Blick getrübt durch persönliche Sympathien zu speziellen Machern?

      Das würde mich mal wieder brennend interessieren. :]
    • Zunächst mal: super Threaderöffnung. :thumbup:

      Wichtige Aspekte für mich, bevor ich den Daumen hebe:
      (a) Plausibilität -- ja, auf jeden Fall sollte eine Geschichte, auch eine phantastische Geschichte, in sich selbst schlüssig und stimmig sein. Das gilt gerade für das, was übernatürliche Fähigkeiten angeht (wann funktionieren sie, wie viel Kraft ist für was notwendig, und kostet es auch was, sie zu benutzen?). Logisches Handeln ist auch Teil dessen: handelt eine Figur, weil es aus ihr heraus stimmig der logische nächste Schritt ist, oder weil es das Manuskript vorschreibt?
      (b) Natürliches Verhalten der Charaktere: Exposition für den Hörer schön und gut, aber seitenlanges "zu sich selber reden" ist nicht nur unnatürlich (wer macht bitte sowas?), sondern insbesondere Faulheit des Autors, der sich um ein intelligenteres Szenendesign drücken wollte.
      (c) Mal weg von den Klischees und coolen Sprüchen. 'nuff said.
      (d) Stimmiger Szenenaufbau in der Produktion: dazu gehört ein Sounddesign, das der Situation angemessen erscheint, eine Regie, die die Sprecher neben den richtigen Emotionen auch vermittelt, wie LAUT sie sprechen sollen (das darf sich auch innerhalb einer Szene mal ändern), und ein gutes Maß an Intelligenzerfordernis beim Hörer -- dass nicht alles erklärt wird, sondern dass z.B. ein Charakter sich einfach hinsetzt, ohne es im Dialog zu kommentieren (inkl. Ausatmen, Stuhlrücken und dann anderer Sprechhaltung).
      (e) Die Story sollte dann noch interessant und relevant sein (vgl. was bei @Hardenberg oben zum Thema Tiefe steht), und dann geht's mir gut mit einem Hörspiel.

      Besondere Toleranz oder Abneigung zu bestimmten Hörspielmachern habe ich dabei nicht. Allerdings habe ich den Kauf bestimmter Serien bereits aus Qualitätsgründen eingestellt und würde das auch nur wieder ändern, wenn ein Kritiker, dessen Geschmack ich vertraue, mir sagt "ja, war vorher echt schiet, ist jetzt aber wirklich besser geworden".
      Versuchen Sie es. Manche Menschen sind in der Lage, es zu vermeiden, dass man sie wahrnimmt.
    • Also ich bin u.a. mit der R&B Company befreundet.
      Wohlwollendes "darüberschauen" bzw. "hinweghören" gibt es bei mir nicht.
      Das was mir nicht gefällt in den Produktionen sage ich Simeon ganz klar. Da hat ein befreundeter Macher bei mir keinen Bonus.

      Hoerspielecho.de - Reden wir darüber.
    • Da gibt es ja einiges zu lesen. :]

      Ich äußere mich jetzt erst einmal nur kurz zueinem Punkt:

      Ein Hörspiel ist für mich nicht zwangsläufig ein Kunstwerk. Es gibt unterschiedliche Genres, Darreichungsformen (Serie, Reihe Einzelproduktion), Produktionshintergründe (Rundfunk, Majorlabel, Indielabel, Amateurproduktion...), Qulalitätsebenen etc.
      Dasselbe gilt ja auch für Filme,TV-Serien, Bücher etc.
      Natürlich höre ich die neue Folge John Sinclair mit anderen Ohren als eine aktuelle Rundfunkproduktion aus der Feder von Elfriede Jelinek oder Raoul Schrott.

      Später muss ich mir mal mehr Gedanken machen...
      Ein Vogel sitzt auf meinem Bein, dem schlag ich gleich die Fresse ein.
      Knarf Rellöm
    • Danke. @Fader :)

      @Audioromane
      Würdest Du denn das auch so in einer öffentlich einsehbaren Rezension schreiben?

      @marc50
      Die Flut an Wörtern soll als Einladung verstanden werden, nicht als Pflichtübung. :zwinker:
      Klar muss man ein Hörspiel immer auch ein Stückweit im Kontext zu seinem Ursprung betrachten. Aber auch bei der Vertonung eines Groschenromans kann man die Frage stellen, ob die Geschichte in sich halbwegs stringent ist oder nicht.
      Und fast komplett losgelöst davon kann man die reine "Vertonung" betrachten.
      Da sehe ich jetzt eigentlich nicht unbedingt das Erfordernis eines völlig anderen Blicks. Sondern eher das Gebot, Maß zu halten, wenn es um direkte Vergleiche geht.

      Amateurproduktionen möchte ich gern ausklammern. Es soll hier schon um professionell gemeinte Hörspiele gehen, mit denen auch Geld verdient wird oder werden soll (inkl. Radioproduktionen).
    • Viele threads zu denen mir aktuell leider die Zeit fehlt adäquat zu antworten. Ich werde dies ausgiebig machen, eventuell morgen Vormittag. @Hardenberg Vieleb Dank für die Mühe und die vielen Gedanken, die Du mit uns teilst.

      Ich arbeite im Sport und hier im speziellen mit Tischtennisspielern, mit Pensionisten, Kindern, Häftlingen und noch weitere Gruppen. Alle haben unterschiedliche Vorraussetzungen und Möglichkeiten. Trotzdem verbindet sie, dass ihr primäres Ziel immer sein muss, dass der Ball auf der anderen Seite des TT-Tisches ankommt. Das klingt so leicht und ist doch so schwierig. Warum ich das schreibe? Weil die Antwort zum Threadtitel genau so einfach wie schwierig ist: Ein Hörspiel muss mir schlicht und einfach Spaß machen es zu hören. Wenn in mir der Wunsch entsteht, dass ich es wieder und wieder hören möchte, dann hat der "Macher" bei mir alles richtig gemacht. Von daher kann man das Hörspiel an sich natürlich sezieren und Teile raus nehmen, aber in letzter Konsequenz steht und fällt es bei mir damit ob mich ein Hörspiel unterhält oder nicht. Und bei mir gibt es keine Formel, die von Haus aus dafür sorgt, dass ein Hörspiel mich unterhalten, fesseln kann. Es kann alle die Attribue, die Hardenberg aufgezählt hat, besitzen und mir nicht gefallen. Es kann viele Fehler, die ebenfalls hier schon aufgezählt wurden, aufweisen und trotzdem mich großartig unterhalten. Ein für mich tolles und wiederhörenswürdiges Hörspiel ist mehr als nur die Summe von hervorragender Geschichte/Musik/Sprechern/Geräuschkulisse/usw. Es muss Seele haben, es muss mich berühren und all dies muss dabei nicht zwingend der Fall sein wenn die Bausteine perfekt zusammen gebastelt wurden.

      Später mehr davon ;)
    • Ein sehr guter, richtiger und wichtiger Hinweis! @Markus G.
      Das ist mir auch immer ganz wichtig und ist mit Worten und Analysen schwer bis gar nicht fassbar. Ein Hörspiel ist im besten Falle viel mehr als die Summe seiner Einzelteile. Was hinzutritt, hat etwas von Magie.
      Da dies aber nur begrenzt erörterbar ist, habe ich diesen Bereich einigermaßen ausgeklammert. Aber natürlich: erwähnt werden muss er unbedingt! :]
    • Ich finde den von @Markus G. angesprochenen Punkt aber auch ganz besonders wichtig!

      Was ein gutes Hörspiel theoretisch ausmacht: glaubwürdige, durchdachte, gehaltvolle, originelle Story mit perfekt abgestimmter Soundkulisse, atmosphärischer Musik und professionellen Sprechern, die mir aber bitte nicht in jedem zweiten Hörspiel begegnen ;) - alles schön und gut und natürlich auch sehr wahr! - zählt wenig, wenn mich das Ganze nicht emotional anspricht, meinen persönlichen Geschmack nicht trifft. :S
      Ich erkenne zwar natürlich an, dass es sich um ein qualitativ hochwertiges Produkt handelt, das allen, die den Inhalt/ die Machart mögen, zurecht gefällt und von ihnen gelobt wird. Mir selbst fehlt dann aber der letzte "Kick", um zu sagen: "Ja, das ist auch für mich ein rundum gutes Hörspiel, weil es ganz einfach etwas hat, das mir nahe geht, es von der Masse abhebt."

      Wäre genau das gleiche mit, sagen wir mal, einem teuren Kleid vom angesagtesten Modedesigner und aus richtig edlem Stoff: Steht es mir nicht oder gefällt es mir nicht, sind für mich all seine unbestrittenen Vorzüge einerlei. :)
      (Nicht, dass ich etwas in der Art besäße, es ist nur ein Beispiel. =) )
    • Heute habe ich endlich Zeit mein erstes Posting noch einmal zu ergänzen.



      Hardenberg schrieb:

      Es gibt eine Art wohlwollende Verbundenheit, die man mitunter aus Anmerkungen herauslesen kann - wie zB aus solchen, in denen darauf hingewiesen wird, ein Macher habe ja, bei allen Unzulänglichkeiten, sehr viel Herzblut in die Produktion gesteckt, er mache das ja im übrigen nur nebenberuflich und überhaupt habe er nicht so viel Geld zur Verfügung.

      Und so menschlich verständlich und sympathisch ich diese Sichtweise vielleicht finden mag - sie stößt mir doch immer wieder auf, denn hinter dieser vordergründig wohlwollenden Haltung steckt in Wahrheit eine, die offenbart, dass das jeweilige Hörspiel nicht wirklich zur Gänze auch als Kunstwerk ernst genommen wird.
      Ich denke man muss hier eine Unterscheidung treffen. Es mag jene Rezensionen geben, die so gestaltet sind, weil sich der Verfasser in Zukunft erhofft, dass er weiterhin Rezensionsexemplare in Form von CDs erhält. Dies erfolgt in Form von "Geben und Nehmen" und ist sicherlich dem Leser gegenüber nicht korrekt, weil der Inhalt "schön gefärbt" sein mag. Der Hörspielfan wird dies aber bald bemerken und diese Rezensionen entsprechend nur mehr als reine Informationsquelle ansehen oder einfach nicht mehr lesen.
      Dann gibt es Rezensionen und Meinungen von Hörspielfans, die das Label bzw. die Menschen dahinter näher kennen. Entsprechend bewerten sie deren Leistung. Dann fließen immer neben der Meinung über das Hörspiel auch das Wissen um die Hintergründe des Machers/Labels/Hörspiels mit ein. Sofern der Rezensent dies auch als solches kenntlich macht, finde ich dies sogar noch informativer, weil man ein noch größeres Bild über die Produktion bekommt. Es mag das Hörspiel an sich deshalb nicht besser oder schlechter machen, aber es mag doch eine viel allumfassendere Erklärung darstellen, als wenn man zum Beispiel nur den eigentlichen Fehler oder die eigentliche Stärke beschreibt. Dies lässt dann die Leistung, die vielleicht nicht berauschend ist, in einem anderen Licht darstellen.




      Hardenberg schrieb:

      Bei vielen Hörspielfreunden habe ich dagegen den Eindruck, dass sie sehr schnell konsumieren, mal in das eine, dann in das andere Hörspiel hereinhören. Auf diese Weise entsteht natürlich ein ganz anderes, in gewissem Sinne flüchtigeres und insofern vermutlich auch intuitiveres Bild von dem jeweiligen Hörspiel. Es bleibt wohl sehr viel mehr hängen, ob es einen aus dem Bauch heraus gut unterhalten hat, man spürt den eigenen Empfindungen während des Hörens nach und beschäftigt sich wohl logischerweise deutlich weniger mit Plausibilität und Hintergrund der jeweiligen Geschichte.

      Das würde erklären, warum viele Leute stark begeistert sind von manchen Hörspielen, bei denen mir aufgrunde der kruden Plots die Haare zu Berge stehen.
      Ich habe einmal im Hörspieltalk einen thread gestartet, der hieß sinngemäß "wie oft müsst ihr ein Hörspiel hören um zu wissen ob es euch gefällt". Es gibt für mich Hörspiele, die ich nur einmal höre. Diese Hörspiele kaufe ich mir nicht mehr, sondern höre als Stream. Es gibt aber auch Hörspiele, die ich öfters hintereinander höre und Hörspiele, die ich einmal höre, danach eine Pause mache und zu einem späteren Hörspiel höre. Die wirklichen Stärken und Schwächen eines Hörspiels kann ich erst nach mehreren Anläufen wissen und hören. Aber die tatsächliche Stärke eines Hörspiels, nämlich ob es mir gefällt oder nicht, weiß ich in der Regel nach einmal hören. Ein für mich sehr gutes Hörspiel MUSS, passend zum thread-Titel, in mir die Lust entfachen es immer und immer wieder zu hören. Ein Hörspiel, dass dies nicht macht, ist für mich kein gutes Hörspiel. Insofern spielen bei mir beides eine wichtige Rolle. Einerseits die von Hardenberg beschriebene "Intuition", aber auch in weiterer Folge, dass genaue Auseinandersetzen mit dem Hörspiel durch mehrfaches hören. Ein Hörspiel, dass mir beim ersten Hören nicht oder nur durchschnittlich gefällt, das höre ich in der Regel kein weiteres Mal.


      Zu den Fragen:

      Wie intensiv legt Ihr den Blick auf ein neues Hörspiel?
      Wie oben beschrieben. Wenn es ein Hörspiel ist, das in mir den Wunsch entfacht, es öfter zu hören, dann höre ich es sogar sehr oft. Mindestens ein zweites Mal, aber auch in späterer Folge immer und immer wieder

      Welches sind die unverzichtbaren Beigaben?
      Die Geschichte muss interessant sein und es schaffen mich über einen längeren Zeitraum zu fesseln. Wenn sie auch nach dem Ende noch in mir "arbeitet" und mich beschäftigt, mich zum nachdenken animiert und den Wunsch entfacht darüber mit jemanden zu plaudern, dann hat die Geschichte bei mir alles richtig gemacht. Wenn die Geschichte diese Eigenschaften hat, dann spielen alle anderen für ein Hörspiel notwendigen "Beigaben" keine Rolle mehr. Deshalb habe ich auch kein Problem wenn es kein Hörspiel sondern ein Hörbuch ist. Die Geschichte muss einfach passen. Natürlich habe ich sehr gute Sprecher, die zum jeweiligen Charakter passen, sehr gerne. Natürlich möchte ich eine Musik, die für Atmosphäre sorgt und diese unterstützt. Natürlich liebe ich eine Geräuschkulisse, die die Geschichte umspannt. Natürlich liebe ich als Heimkino-Fan eine entsprechendes Sound-System, dass mich mitten drin statt nur davor sitzen lässt (wenngleich dies leider in Hörspielen ohnehin sehr oft sträflich vernachlässigt wird). Aber auch wenn alle diese Beigaben nicht "das Gelbe vom Ei" sind, ist es die Geschichte, die bei mir im Mittelpunkt steht. Ist die Geschichte nicht mein Fall, dann können auch die besten "Beigaben" maximal nur ein durchschnittliches Hörerlebnis bei mir bewirken.

      Und ist Euer Blick getrübt durch persönliche Sympathien zu speziellen Machern?
      Wie oben beschrieben, würde ich es nicht als "getrübt" bezeichnen. In letzter Konsequenz zählt nur meine eigene Meinung. Und wenn mir ein Hörspiel gefällt oder nicht gefällt, dann muss ich es nur mir gegenüber verantworten. Und wenn in meine Meinung ob mir das Hörspiel gefällt oder nicht, nicht nur das Hörspiel selbst sondern auch der Werdegang, sein persönliches Auftreten mir gegenüber, sein Möglichkeiten, sein Einsatz und andere Dinge, mit einfliessen, dann wird das Bild über das Hörspiel für mich viel größer und mächtiger, dann mache ich für mich persönlich den viel zitierten Schritt zurück um das ganze Bild und nicht nur einen Ausschnitt zu sehen. Für mich ist der Blick dann klarer, weil ich mehr weiß, als ein Hörer, der dies nicht weiß. Hörspiel ist für mich keine sachliche, objektive Angelegenheit, sondern eine künstlerische, subjektive und mit Gefühlen behaftete Unterhaltungsform.